Captain Yager seufzte, als das massive, überlange Artillerieschiff langsam, aber unaufweichlich in den Hangar eindrang. Die Spitze der mächtigen Waffe glühte sanft rot und pulsierte, als hätte sie einen eigenen Herzschlag. Die eingeklappten Seitenruder gaben dem Schaft der Maschinerie den Anschein von muskulösen Schwellungen, die durch die sanfte Vibration der leerlaufenden Triebwerke besonders betont wurden.
So ungefähr stelle ich mir die Geschichten in den Köpfen der Yager-Mitarbeiter vor, die sich die Schiffsdesigns ihres Sci-Fi-Babys Dreadnought ausdenken. Zur Gamescom 2015 erzählte mir Game Director Peter Holzapfel, jede Schiffsklasse im Spiel wäre nach einer Nerd-Fantasie des Entwicklerteams gestaltet worden. Eine fliegt sich wie der Millenium Falcon, eine eher wie die Enterprise. In die Schiffsdesigns scheint entsprechend viel Liebe geflossen zu sein – die Detailverliebtheit ist absurd. Als ich nach zwei Jahren Pause das Spiel zum ersten Mal erneut starte, schaue ich mir erst einmal eine geschlagene Stunde die hübschen Raumschiffe an, drehe die frei beweglichen Kanonentürme über die Kamerasteuerung und sabbere gegen die Triebwerkblitze an. Bei wenig anderen Settings lege ich überhaupt Wert auf Grafik, aber wenn der Fokus auf dicken Raumschiffkämpfen liegt, ist eine ordentliche Optik schon mal ein guter erster Schritt.
Weil ich keinen besonders guten PC besitze, sind mir die schönen Details übrigens erst in der PS4-Version aufgefallen. Wer jetzt lacht, kann mich mal, aber ich behaupte: Dreadnought ist für Konsolen gemacht, schon allein weil sich die Raumschiffsteuerung wie jede Bewegung mit zusätzlicher vertikaler Achse mit Analogstick so viel besser bewältigen lässt als mit vier Tasten. Ich kann nur hoffen, dass andere das genauso sehen und die PS4-Variante des Spiels mit ordentlich Spielern bevölkert bleibt. Momentan, zu Beginn der Open Beta, muss ich mir zumindest keine Sorgen machen, denn das All ist so voller Spieler, ich sehe den Weltraum vor lauter Schiffen nicht. Außerdem hat die PS4-Version einen exklusiven Hordemodus spendiert bekommen, der sogar ziemlich viel hermacht.
Spielerisch hat sich in zwei Jahren nichts geändert – dafür ist die Auswahl im Shop mächtig gewachsen. Vor lauter Upgrademöglichkeiten, Schiffsvarianten, Erfahrungsboostern und überstarken Heldenversionen von Schiffen weiß ich gar nicht wo hin mit meinem sauer verdienten (lies: Zur Aktivierung der Testversion erhaltenen) Credits. Für wen das jetzt vertraut klingt, der hat vermutlich schon das ein oder andere Free to Play-MOBA gespielt: Dreadnoughts Geschäftsmodell und Fortschrittssystem orientiert sich an League of Legends und World of Tanks, wie das eben meistens so ist. Ich kann aber wirklich nicht behaupten, dass ich mich davon gestört gefühlt hätte; bisher habe ich nur Peanuts ausgegeben und das zum Start erhaltene Vermögen noch nicht einmal angefasst, und ich bin trotzdem bereits mit netten Schiffen eingedeckt. Klar, wer die Heldenschiffe will oder möglichst schnell in die höchste der fünf Qualitätsklassen an Schiffen aufsteigen will, der mag sich verleitet fühlen, Geld in die Hand zu nehmen. Aber da jede der fünf Stufen nur untereinander kämpft, ich also nie mit einer Klasse II Fregatte gegen eine Klasse V Dreadnought kämpfen muss, sehe ich mich nicht genötigt, den Geldbeutel aufzumachen.
Aber wie funktioniert dieses Ungetüm an Spiel überhaupt? Das Wort MOBA ist ja bereits gefallen; Dass Peter und Yager das nicht allzu gerne hören, kann man sich fast denken. Dreadnought soll ein Weltraumshooter sein, der sich Elemente von Online-Turnierspielen und eben auch von Multiplayer Online Battle Arenen nimmt. Dazu gehört vor allem der 5 vs. 5-Teamkampf-Ansatz; wer sich nicht bei der Wahl des Schiffs am Team orientiert, geht dann eben schnell unter, wenn er mit vier Fregatten und einer Corvette einem ausbalancierten Gegnerteam gegenübersteht. Gespielt wird auf abgeschlossenen Karten, die an fantasievolle Zukunfts-Lufträume angelehnt sind: Neben den detaillierten Schiffschassen sind definitiv die zerklüfteten Asteroidenbasen und zerfallenen Trockendocks der Kartenauswahl das optische Highlight des Spiels. Umso großartiger, dass sich das HUD auf ein relatives Minimum beschränkt: Das transparente Fadenkreuzmenü und die Skillleiste rechts unten lenken selten vom optischen Bombast auf dem Schlachtfeld ab – wenn nicht gerade dreissig rote Warndreieecke mit der Geschwindigkeit von Raketengeschossen auf das eigene Schiff zurasen. Obwohl ich beständig die Kamera drehe, in alle Richtungen Geschosse abfeuere und dauerhaft Ausweichmanöver fliege, habe ich dennoch immer ein Auge frei, um die Umgebung in mich aufzusaugen – natürlich auch, weil jeder Asteroid potenzielle Deckung bietet und so das Kampfgeschehen zu meinen Gunsten ändern kann.
Das liegt vor allem daran, dass alle Schiffe in Dreadnought ein so fühlbares Gewicht besitzen. Selbst die schnellsten Schiffe fliegen sich nicht wie ein TIE Fighter in Star Wars Battlefront II, sondern eher wie ein etwas zu schwer beladener Bomber. Viele der kleineren Schiffe sind zwar wendig, aber ohne Spezialfähigkeit nicht unbedingt rasant schnell. Das macht sie zwar zu schwierigen Zielen für die nahezu unbeweglichen größeren Raumschiffklassen, aber nicht zu unmöglichen. Dreadnought gelingt die Balance, mehrere Arten von Raumschiffspielen auf einem gemeinsamen Schlachtfeld zu bündeln. Ich kann also sehr gut nachvollziehen, was Peter meinte: Egal ob ich direkt vom Elite: Dangerous spielen komme oder von einem älteren Star Wars-Spiel, Dreadnought präsentiert mir immer ein Schiff, das mit meiner Spielweise korrespondiert. In dieser Hinsicht wird es wohl recht viel Anklang bei Weltraumnerds finden – ob die bulligen Kampfschiffe jedoch Spielern schneller Kampfarenen Befriedigung bringen, bleibt abzuwarten. Dreadnought ist ein MOBA für Erwachsene, für Menschen, die taktische Positionierung schnellem Geklicke und bunten Helden in durchsichtigen Fimmeln vorziehen. Wer also mit irgendeinem der Themen, die Dreadnought anschneidet – Sci-Fi, Raumschlachten, MOBAs – etwas anfangen kann, der sollte sich den kostenlosen Weltraumkoloss einfach mal selbst ansehen.
1 Kommentar