Mit Command & Conquer 3: Tiberium Wars kehrt eine der erfolgreichsten und ältesten Spieleserien zurück. Lustigerweise ist dies für die deutschen Kunden schon der zweite dritte Teil, aber hierzu komme ich noch.
Als 1995 Command & Conquer: Tiberium Dawn erschien, präsentierten die Westwood Studios (inzwischen von EA aufgekauft und als eigenständiges Studio aufgelöst) eine hochglanzpolierte Version dessen, was sie schon 1992 mit Dune 2 auf den Weg brachten: Ein sehr leicht zugängliches Echtzeitstrategiespiel. Mit Dune 2 wurde das RTS-Genre zwar auch nicht erfunden (man denke beispielsweise an das AMIGA-Spiel MegaLoMania von 1991), aber es gelang Westwood dennoch, bis heute gültige Standards in Sachen Bedienung und Aufbau zu setzen. Und so dauerte es auch nicht lange bis die ersten Nachahmer auf den Markt drängten: Schon 1994, also ein Jahr vor C&C1, brachte zum Beispiel ein damals noch nicht so bekannter Entwickler namens Blizzard Entertainment ein kleines, relativ hässliches Spiel namens Warcraft: Orks & Humans heraus, welches das Konzept von Dune 2 fast 1 zu 1 in ein Fantasy-Szenario transportierte…
Wie dem auch sei, das erste C&C schlug damals ein wie eine Bombe. Die sehr große Zugänglichkeit, gute Bedienbarkeit des Interfaces und die für die damalige Zeit sehr beeindruckend inszenierte Hintergrundstory machten das Spiel zu einem Megaseller und Genre-Meilenstein. Ein Franchise war geboren.
Schon ein Jahr später folgte mit C&C: Red Alert eine Art SpinOff bzw. Prequel, welches mit dem Tiberium-Universum nur ganz am Rande zu tun hatte. Nebenbei legte man mit diesem Spiel den Grundstein für das deutsche C&C-Nummerierungs-Wirrwarr, denn hierzulande erschien es als C&C2. Das „echte“ C&C2 sollte allerdings erst 1999 mit dem relativ enttäuschenden C&C: Tiberian Sun folgen, welches in Deutschland folgerichtig als dritter C&C-Teil vermarktet wurde. Eigentlich falsch, aber immerhin konsequent…
Dummerweise gibt es nun tatsächlich den dritten offiziellen Teil der Tiberium-Saga, was in Deutschland zu dem Kuriosum führt, dass es den dritten Teil hier wirklich zweimal gibt. Aber wer stört sich schon ernsthaft an Zahlen oder dummen Publishern…?
Neben der offiziellen Tiberium-Trilogie hat der Franchise über die Jahre noch diverse andere Spiele ausgespuckt, die sich mit dem verkaufsträchtigen C&C-Logo schmücken durften:
Neben unzähligen AddOns, Kompilationen und Remakes, welche zu nahezu jedem C&C-Spiel erschienen, bekam Red Alert im Jahre 2000 eine recht unspektakuläre Fortsetzung. 2002 erschien dann ein Ego-Shooter namens C&C: Renegade, welcher im Tiberium-Universum angesiedelt war und meiner Meinung nach völlig unverdient von Kritikern und Käufern gleichermaßen geschmäht wurde. 2003 folgte schließlich C&C: Generals. Generals hatte als einziger C&C-Titel wirklich rein gar nichts mit dem Tiberium-Szenario zu tun und war für mich auch sonst in allen Belangen der absolute Tiefpunkt der Serie. Außer einer wirklich beeindruckenden Grafik-Engine bot er nur flaches Fastfood-Gameplay und eine Story, die in ihrer Relevanz sogar jeden id-software-Shooter locker unterbot. Immerhin führte dieser Titel endlich ein Drei-Parteien-System ein, aber obwohl Blizzard schon 1998 mit Starcraft gezeigt hatte, wie es geht, machten die Generals-Entwickler nicht besonders viel daraus.
Eine interessante Notiz am Rande: Schon im Vorfeld des Erscheinens von C&C: Tiberian Sun munkelte man damals, dass es eventuell eine neue, dritte Partei geben sollte, die mit größter Wahrscheinlichkeit außerirdischen Ursprungs sein sollte. Das Gerücht passte damals sehr gut zu den Andeutungen bezüglich des Tiberium-Ursprungs, die im ersten C&C gemacht wurden. Außerdem erschien es nach der Veröffentlichung des damals aktuellen Konkurrenzproduktes Starcraft nur logisch, dass die C&C-Entwickler mit einer dritten Partei nachziehen würden. Dennoch blieb es damals nur bei dem Gerücht und es sollte weitere 8 Jahre dauern bis die Scrin endlich im aktuellen C&C3 die Erde heimsuchten. Und das auch nur als Nebendarsteller im gewohnten GDI-NOD-Konflikt. Selber spielen kann man die Scrin lediglich in einer Mini-Kampagne (schlappe 4 Missionen), die wohl offensichtlich Platz für ein entsprechendes AddOn lassen soll, und natürlich im Multiplayer.
Höre ich da schon die ersten Leute schnarchen? Keine Lust auf eine Geschichtsstunde? Kann ich durchaus verstehen. Allerdings kann ich Euch das leider nicht ersparen, denn die C&C-Historie ist für weite Teile meiner nun folgenden Kritik nicht ganz unerheblich.
Tiberium Wars ist nach all den anderen C&C-Ablegern tatsächlich das Spiel, das dem Original am nächsten kommt und somit auch das zweitbeste, wenn nicht sogar das beste des ganzen Franchises!
Wären da nur nicht die 12 Jahre zwischen diesen beiden Spielen, in denen beispielsweise Blizzard gezeigt hat, dass man dem RTS-Genre viel mehr taktische Tiefe, vor allem auch im Multiplayer, geben kann. 12 Jahre, in denen unzählige Spiele eine interessantere Story besser erzählt haben. 12 Jahre, in denen unzählige RTS-Titel die KI-Entwicklung vorangetrieben haben. 12 Jahre, in denen sich die Echtzeitstrategie-Welt einfach weitergedreht hat…
C&C3 ist natürlich alles andere als ein schlechtes Spiel! Die Bedienung und das Interface sind, nach diversen Experimenten innerhalb der Serie, wohl das Beste, was man derzeit im Genre finden kann. Alles geht sehr schnell und komfortabel von der Hand und bereitet auch Einsteigern keinerlei Probleme. Das Map-Design ist sehr solide und wird regelmäßig durch sich ändernde Missionsziele oder auch Escort- und Befreiungs-Missionen aufgelockert. Die Grafik ist klasse, wenn auch nicht der Hammer, den manche Leute ihr andichten. Beindruckenderweise läuft die ganze Pracht auch auf etwas älteren Systemen ohne zu zicken. Beim Sound muss ich allerdings schon anfangen, etwas zu meckern, denn bei früheren C&C-Teilen hat mir besonders die abwechslungsreiche Industrial-Musik sehr gut gefallen. Diese wurde nun durch einen langweiligen Orchester-Score ersetzt, der zwar keinem weh tut, aber so unspektakulär im Hintergrund herumdudelt, dass das Gehirn ihn nach wenigen Minuten zusammen mit dem Lüftergeräusch des Rechner einfach ausblendet.
Die Hintergrundgeschichte des Spiels ist zwar für jeden C&C-Kenner prinzipiell interessant, verschenkt dann aber doch in ihrer Inszenierung zu viele Chancen. Ich kann inzwischen nicht mehr zählen, wie oft Kane als tot galt, nur um wenig später wieder aufzutauchen oder wie oft er von irgendjemandem aus den eigenen Reihen verraten wurde oder wie oft eine wichtige Technologie der Gegenseite vernichtet wurde, nur um wenig später doch eingesetzt zu werden. Auch die Korruptionsrangeleien auf Seiten der GDI sind nur die x-ten Wiederholungen aus den Vorgängern. Lediglich die außerirdischen Scrin fügen der Geschichte etwas wirklich neues hinzu, wobei ihr volles Potenzial auch gnadenlos verschenkt wird (Mission-CD, ick hör dir trappsen…).
Und von unangenehmen Fragen, wie zum Beispiel der, warum Kane kaum gealtert ist, obwohl doch der Konflikt schon seit 50 Jahren besteht, will ich gar nicht erst anfangen…
Das Balancing in den Einzelspielerkampagnen ist vorsichtig als „merkwürdig“ zu bezeichnen. Größtenteils sind die Missionen auch auf höherem Schwierigkeitsgrad ohne weiteres im Halbschlaf zu meistern. Dieses Kaffeekränzchen-Niveau wird dann aber manchmal von einzelnen Missionen unterbrochen, die plötzlich extrem im Schwierigkeitsgrad anziehen und durchaus mehrere Anläufe erfordern können, nur um dann wieder von der nächsten Schlafwandler-Mission gefolgt zu werden. Diese Unausgewogenheit lässt während des Spielens schon manchmal ein komisches Gefühl aufkommen…
Allerdings tritt dies spätestens dann in den Hintergrund, wenn man ein paar Mehrspielerrunden hinter sich hat: Ein Multiplayer-Balancing ist quasi nicht vorhanden! Und ich hege zudem große Zweifel daran, dass dies durch noch folgende Patches komplett zu beheben ist. Zu übermächtig sind die Scrin, zu schwach die Verteidigungsanlagen der GDI. Außerdem wird das ganze zugrundeliegende „Schere-Stein-Papier“-Prinzip der Einheiten ohnehin durch einige wenige Supereinheiten wie dem Mammoth-Tank komplett ausgehebelt, weil diese quasi außerhalb des Prinzips stehen und zudem viel zu leicht zu produzieren sind.
Aber wem erzähle ich das? Im Multiplayer waren die C&C-Spiele (bis auf vielleicht den Exoten Renegade) ja schon immer totale Grütze! Zu C&C1-Zeiten wussten wir das ja noch nicht, aber dann kam 1998 Starcraft raus und verdarb uns für alle Zeiten…
In den folgenden Jahren kamen noch viele weitere gute RTS-Spiele heraus, die C&C multiplayermäßig ebenfalls fast alle weit übertrafen. Wer sich wirklich für Echtzeitstrategiespiele begeistern kann, hat halt nicht lange Spaß an immer gleichen Tank-Rushes. Massenhaftes Produzieren von Einheiten, die man sich immer und immer wieder gegenseitig auf den Hals schickt, bieten einfach keinen wirklichen Raum für clevere, tiefer gehende Strategien.
Und wo wir gerade beim Thema „Strategie“ sind, will ich auch kurz auf den größten Schwachpunkt von C&C3 eingehen. Nur kurz, weil bereits in eigentlich jedem Review zu Tiberium Wars ausgiebig erwähnt wird, dass die Gegner-KI des Spiels wirklich auf nahezu dem gleichen Stand ist wie das Original von 1995. Die dummen Tiberium-Sammler mit ihrem Toastbrot-Verhalten werden zwar immer besonders hervorgehoben, aber glaubt mir, die gesamte KI agiert wirklich auf dem Niveau des 12 Jahre alten ersten Teils. 12 Jahre KI-Weiterentwicklung in unzähligen RTS-Spielen sind anscheinend spurlos an der C&C-Serie vorbeigegangen!
Ich will dies jetzt aber nicht unnötig breittreten, sondern diesen Umstand lieber nutzen, um zu meinem nächsten Kritikpunkt zu kommen:
Das Schöngerede.
Die unbestreitbare Rückständigkeit der Gegner-KI in Tiberium Wars wird kurzerhand von vielen Leuten als Retro-Kult gewertet. Als weiteres Argument für diese These führen ebenso viele Leute die trashigen Videosequenzen an. Und in der Tat agieren in den Videos gestandene Mimen wie Michael Ironside („Starship Troopers“), Billy Dee Williams („Star Wars“), Grace Park („Battlestar Galactica“), Jennifer Morrison („Dr. House“), Tricia Helfer („Battlestar Galactica“) und Josh Holloway („Lost“) weit unter ihrem nachgewiesenen Können. Die These vom bewussten Retro-Feeling erscheint somit auch schlüssig bewiesen. Allerdings nur, wenn man zwei wichtige Dinge außer Acht lässt:
Zum Einen waren die Zwischensequenzen des ersten C&C damals gar nicht trashig, sondern erscheinen einem lediglich aus heutiger Sicht so. Damals waren die Videos aber mit das geilste an C&C überhaupt! 1995 standen Videos mit echten Menschen hoch im Kurs (siehe z.B. Wing Commander 3) und die Renderfilme waren für die damalige Zeit erste Klasse. Man darf einfach nicht den zeitlichen Kontext aus den Augen verlieren. Heute sehen auch die damals absolut brillanten Starcraft-Zwischenfilme nicht mehr so toll aus, was aber nichts daran ändert, dass sie einen damals fast aus den Latschen gehauen haben. Außerdem wurden damals aus Budget-Gründen nur Laiendarsteller anstelle von richtigen Schauspielern verwendet, von denen immerhin Joe Kucan als Kane-Darsteller bis Heute überlebt hat.
Zum Anderen müssen die schwachen Leistungen der Schauspieler in C&C3 nicht unbedingt Absicht sein. Wer mal sehen will, wie tolle Schauspieler grottiges Schauspiel abliefern, muss sich nur die Boll-Filme oder Zeug wie die Dungeons & Dragons-Verfilmung anschauen! Offensichtlich ist es für gute Mimen gar kein Problem, schwache Vorstellungen abzuliefern, wenn nur die Gage klein genug und die Regie schwach genug ist!
Es gibt allerdings einen Punkt, den ich den Vertretern der Kult-Trash-Theorie zugute halten muss: Vielleicht verwechseln hier ja einige in ihrer Erinnerung C&C1 mit C&C: Red Alert, denn in letzterem waren die Videos tatsächlich gewollt unernst und trashig, was ja auch zur augenzwinkernden „Einstein-steigt-in-Zeitmaschine-um-Hitler-umzubringen“-Story passte. Die eigentliche Tiberium-Trilogie hingegen besaß aber nie wirklich die Portion Selbstironie, die ihnen derzeit nachträglich angedichtet wird.
Ja, was denn nun? Trash oder Kult? Ich kann diese Frage nicht endgültig entscheiden, aber persönlich hege ich doch erhebliche Zweifel, dass volle Absicht hinter den zahlreichen Defiziten des Spiels steckt…
Mir ist auch durchaus bewusst, dass ich C&C3 das vorwerfe, was ich DOOM 3 damals positiv zugute gehalten habe: Den Charakter eines konservativen Remakes ohne echte Weiterentwicklung (bis auf die Grafik). Aber bei C&C gefällt mir dieses Konstrukt einfach nicht. Ein Shooter wird durch mehr Waffen oder clevere Rätsel nicht unbedingt spannender, aber ein RTS durch mehr strategische Möglichkeiten schon, weil es einfach in der Natur der Sache liegt! Und eine extrem schwache KI in einem Strategiespiel mit einem ominösen Kultfaktor zu erklären, will mir einfach nicht schmecken…
Bleibt mir am Ende nur noch festzustellen, dass die C&C-Serie über die Jahre tatsächlich ein typischer EA-Franchise geworden ist: Man bekommt ganz sicher kein schlechtes Produkt für sein Geld, aber leider auch kein innovatives oder gar brillantes Spiel.
C&C3 macht bis zu einem gewissen Grad wirklich richtig Spaß! Dies liegt vor allem an der immens hohen Zugänglichkeit und der insgesamt gefälligen Präsentation. Es ist ein wirklich tolles Zwischendurch-RTS für Leute, die sich an einer Karte nicht viel länger als 30 Minuten festbeißen wollen. Aber wenn bei alten RTS-Hasen erst einmal die anfängliche nostalgische Euphorie verflogen ist, bleibt nur ein flaches Retro-Gameplay ohne viel taktischen Tiefgang und mit diversen Unzulänglichkeiten übrig, welches die Bezeichnung „Strategie“ schon lange nicht mehr richtig verdient, weil sich das RTS-Genre einfach zu sehr weiterentwickelt hat. Somit empfehle ich Tiberium Wars eher Gelegenheits-Strategen und Genre-Einsteigern, denn die werden ganz bestimmt köstlich unterhalten! Ich hingegen musste mich schon ab etwa der Hälfte der zweiten Kampagne zum Weiterspielen zwingen.
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