2001 trafen wir Sam Stone, den Mann mit den roten Turnschuhen, das erste Mal in The First Encounter. Ein Jahr später folgte The Second Encounter, welches im Grunde nur eine Expansion des ersten Spiels war. Beide Spiele bestachen durch eine nicht vorhandene Gegner-KI, sehr lineare Level, eine irrwitzige Hintergrundgeschichte und ein Gameplay, welches das Shooter-Genre quasi auf sein Skelett reduzierte. Dennoch erlangte Sam ganz schnell Kultstatus.
Die Reduktion des sich gerade weiterentwickelnden Genres auf seine Grundzüge, was damals allen aktuellen Trends entgegenlief, machte die Spiele zu einem bunten Schießbudenvergnügen ohne Sinn und Verstand. Aber sie waren mehr als das. Gepaart mit einer Hauptfigur, die alles andere als ernst war und keinen dummen One-Liner ausließ, sowie den größten Gegnermassen und gigantischsten Bossgegnern, die man bis dato jemals in einem Spiel dieser Art sehen durfte, führten die kroatischen Entwickler Croteam das ganze Genre ad absurdum; und darüber hinaus…

Viele Reviews zu Serious Sam II lesen sich wie eine Besprechung von „Starship Troopers“, die ich seinerzeit in der Unicum (oder Colibri?) lesen musste, in welcher der Autor einfach nicht begreifen wollte, was der Film ihm recht eindeutig sagen wollte. Stattdessen beschimpfte er damals Paul Verhoeven als Faschisten und appellierte an jeden aufrechten Leser, dieses menschenverachtende Machwerk, in dem Offiziere naziähnliche Uniformen tragen, zu boykottieren. Das ist ähnlich arm, als würde man „Shaun Of The Dead“ vorwerfen, für einen Zombie-Streifen nicht ernst genug zu sein…

Das sture Anlegen von Review-Schablonen an ein Spiel, das aus mehreren Gründen überhaupt nicht in die Schablone passen will, zeigt wieder einmal mehr, dass SpielerEins mit seiner Final Shooter Review-Realsatire die Wirklichkeit in vielen Redaktionen 1 zu 1 abgebildet hat. Aber genug den Kopf geschüttelt…
Um es gleich vorweg zu nehmen: Serious Sam II unterscheidet sich prinzipiell keinen Deut von seinen beiden Vorgängern. Und das ist auch gut so, denn in einer Welt, in der 3rd-Person-Shooter immer häufiger Adventures, Rollenspiele, Schleichweltmeisterschaften oder auch interaktive Filme sein wollen, nehmen die SS-Spiel so langsam eine echte Ausnahmestellung ein. Ballern bis der Arzt kommt, ohne Sinn und Verstand! Rätsel, Anspruch und sonstiges Beiwerk sind für Pussies und Schulstreber!

Die Kurzfassung der Geschichte ist schnell erzählt: Sam wird von drei bekloppten Außerirdischen beauftragt, den Bösewicht Mental, den wir schon aus den Vorgängern kennen, wieder einmal von der Vernichtung des Universums abzuhalten. Zu diesem Zweck muss er aber erst einmal fünf Bruchstücke eines Medallions finden, welches Mental verwundbar macht, und den Abwehrschild von Mentals Heimatplaneten in Endor-Manier knacken.
Bei den Briefings zwischen den sieben Episoden wird man Zeuge vieler absurder Dialoge. Eine Kostprobe aus einem Gespräch zwischen den außerirdischen Auftraggebern: „What happened to the blonde guy with sunglasses, we´ve send on this mission before?“ – „Oh, I don´t know. It took him FOREVER to even try…“ – Wenig später findet man in einem der Level ein Duke-Skelett… Auch innerhalb der über 40 Einzellevel schmeißt das Spiel im Vergleich zu den Vorgängern geradezu mit Zwischensequenzen um sich, was sehr zur allgemeinen Charakterisierung des Ganzen als „wahnwitzige Reise durch Absurdistan“ beiträgt.

Neben den Waffen aus den Vorgängern (inklusive Double-Shotgun, Segelschiffkanone und Serious Bomb) gibt es ein paar Gimmicks, wie zum Beispiel den zielsuchenden Papagei mit Bombe. Außerdem gibt es nun diverse Vehikel (vom Dino bis zum Ufo) und Gefechtsstände, die Sam benutzen kann. Alles in Allem also nichts weltbewegendes, aber immerhin gehen die neueren Standards des Genres auch an Sam nicht spurlos vorbei.
An dieser Stelle möchte ich extra für den Kollegen Richard von Antigames darauf hinweisen, dass es jede Menge Dinos im Spiel gibt! Meistens muss man sie abknallen, aber manchmal darf man sogar auf ihnen reiten. Und man muss auch an keiner Stelle in irgendeiner Form schleichen, was ja ohnehin nicht Sams Naturell entspricht. Für das Herumschleichen ist ja bekanntlich ein anderer Sam verantwortlich. Aber das nur am Rande…
Interessanter als die Waffenupdates und der Tatsache, dass Sams Handgelenkcomputer nun mit weiblicher Stimme spricht („You can speak!?“ – „Well, let´s say, it had something to do with a bigger game budget.“ – „A bigger… what?“ – „Never mind…“) ist da schon die neue Serious Engine, die nicht nur eine aktualisierte Version des alten Unterbaus ist, sondern nun z.B. auch eine rudimentäre Physik beinhaltet. Ja, kaum zu glauben, aber die Vorgänger hatten gar keine. Das Spiel kann in dieser Hinsicht einem Half-Life 2 oder FarCry zwar immer noch nicht das Wasser reichen, aber immerhin werden Gegner nun von Schüssen zurückgeworfen und Fässer von Explosionsdruckwellen umhergeschleudert. Dies macht die Engine sogar richtig nett. So biegen sich sogar umherstehende Bäume unter den Druckwellen entsprechend zur Seite.

Gegnermassen sind übrigens die ideale Überleitung zu ein paar echten Kritikpunkten, die ich leider auch noch loswerden muss. Ein wichtiger Aspekt, der seinerzeit dafür sorgte, dass Serious Sam viele Freunde fand, war etwas, das ich gerne den „Boah Ey!“-Faktor nenne:
Gegnermassen, wie man sie in keinem anderen Shooter findet und zudem die größten Level-Bosse aller Zeiten. Alleine das gigantische Finale von The Second Encounter wird wohl Niemand, der es gespielt hat, so schnell vergessen. „Das musst du dir einfach ansehen!“, hat man seine Freunde genervt.

Weiterhin fiel mir auch negativ auf, dass einige Level antiklimaktisch enden, also kein besiegter Boss den Level beendet, sondern irgendwann schlicht deshalb Schluss ist, weil einfach keine Gegner mehr vom Himmel fallen. Das ist nicht wirklich tragisch, aber es geht auch besser. Insgesamt betrachtet gilt dies aber nicht für das Spiel als Ganzes, sondern nur für einige Level. Das gesamte Spiel hingegen steigert sich gegen Ende noch mal in so ziemlich jeder Hinsicht, so dass man vor lauter Finger-Wund-Ballern und Tränenlachen leicht vergisst, dass man sich am nächsten Morgen wieder zur Arbeit schleppen muss.

So liebe Freunde und Mitjunkies, jetzt wird es ein wenig absurd, denn obwohl ich anfangs mal wieder gegen andere Reviews gewettert habe – wie ihr wisst, halte ich große Teile der spielenden Journalistenzunft für subamöbe Lebensformen -, komme ich am Ende doch zu einem ähnlichen Ergebnis wie diese; allerdings aus völlig anderen Gründen:
Serious Sam II ist kein Spiel, das man Jedermann ohne weiteres empfehlen kann. Wenn man für die Coop-Geschichte keine Verwendung hat (sprich: Du hast weder Freunde noch einen Internetzugang), bleibt nur der Singleplayer-Mode mit seinen oben erwähnten Mankos (umfangreich und extrem witzig, aber auf Dauer eventuell etwas eintönig und auf jeden Fall völlig gegen den Genre-Trend, sich gameplay-technisch weiterzuentwickeln). Mir macht so etwas Spaß, aber hey, ich bin auch nicht normal…

Aber alle Anderen machen besser einen ganz großen Bogen um SS2 und schleichen besser noch einmal eine Runde mit dem anderen Sam durch dunkle Räume oder stapeln in City 17 weiter Kisten um die Wette!
Wenn man Spaß am Coop-Mode der Croteam-Spiele hat, stellt sich die Sinnfrage natürlich erst gar nicht. Vernünftige Alternativen gibt es ohnehin keine…
Ich für meinen Teil freue mich schon auf die nächste LAN, wenn es auf die Frage „Was zocken wir denn?“ nur heißen kann: „Alberner Helge II! Oder mein Papagei kackt euch die Schuhe voll!“

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