Criterion, die Macher der Burnout-Serie, haben einen Ego-Shooter gebastelt: Black. Und obwohl die Genres „Ego-Shooter“ und „Arcade-Racer“ relativ wenig miteinander gemein haben, merkt man wirklich an jeder Stelle des Spiels, von wem es entwickelt wurde, denn Zerstörungsorgien in Hochglanzoptik sind inzwischen das unbestreitbare Markenzeichen des Entwicklerteams. Und auch wenn man über das Gameplay durchaus geteilter Meinung sein kann, so gibt es zwei Dinge, die Black auszeichnen: Die fantastische Grafik-Engine, die auf der PS2 ihresgleichen sucht, und die offensichtliche Freude an der Inszenierung von Zerstörung jedweder Art.
Nachdem ich mit Area 51 das erste Mal einen Shooter auf einer Konsole durchgespielt hatte, habe ich mir eigentlich geschworen, mir dieses Gekrampfe mit der Gamepad-Steuerung nie wieder anzutun und Shooter zukünftig ausschließlich auf der einzig wahren Plattform für dieses Genre, dem PC, zu spielen. Tja, aber für einen „Waffen-Porno“ (O-Ton Alex Ward; Executive Producer bei Criterion) bin ich doch glatt schwach geworden. Keine Frage, die Steuerung hat mich auch hier genervt, obwohl sie eigentlich das Beste aus dem macht, was möglich ist. Aber um die alte Geschichte mit den Konsolen-Shootern soll es jetzt auch gar nicht gehen. Vielmehr möchte ich der Frage nachgehen, warum die Bezeichnung „Waffen-Porno“ von Presse und Publikum gleichermaßen aufgesogen wurde wie von einem trockenen Schwamm. Was macht Black zu einem Waffen-Porno?
Hier meine These:
Wenn Black ein „Waffen-Porno“ ist, dann ist Tetris ein „Puzzle-Porno“. Allerdings sind beide Aussagen totaler Quatsch.
Es erscheint zunächst sehr plausibel:
Da sind diese unglaublich geil gemachten Waffen-Animationen im Startmenü des Spiels. Das Laden, Entsichern und Abfeuern der Waffen wird dort in Hochglanz-Rendering zelebriert. Es geht ganz offensichtlich nur um das „Eine“. Indiz Nummer 1.
Black erzählt zwischen den Missionen mit sehr professionell gemachten Video-Sequenzen eine unglaublich dumme Klischee-Geschichte, die eigentlich niemanden wirklich interessiert. Wie sie das machen, kann ich beim besten Willen nicht analysieren, da eigentlich alles überdurchschnittlich ist. Die Idee (eine beim Verhör erzählte Geschichte bereits vergangener Ereignisse wird quasi als Flashback durchgespielt) und die Umsetzung der Rahmenhandlung sind spitze. Trotzdem geht einem das komplette Setting am Arsch vorbei. Die Story hat lediglich Alibifunktion. Indiz Nummer 2.
Sowohl die Rahmenhandlung, als auch die eigentlichen Missionen erzeugen Null Atmosphäre. Das gesamte Spiel kann man schlicht als „seelenlos“ bezeichnen. Emotionen oder auch nur irgendein tiefergehendes Interesse an dem „Drumherum“ werden zu keiner Zeit hervorgerufen. Indiz Nummer 3.
Soweit so gut. Alle drei Indizien bringt Otto Normalverbraucher auch mit Porno-Filmen in Verbindung. Aber stimmen diese Porno-Klischees eigentlich? Und warum wird das Etikett „Waffen-Porno“ überhaupt als positives Vermarktungsinstrument benutzt, wenn doch alles, was Black vermeintlich mit einem Porno-Film gemein hat, eher negativ belegt ist?
Heutzutage erzählen Pornos kaum noch Geschichten, und zwar nicht einmal ansatzweise. Die meisten Pornos bestehen heute aus ein paar zusammenhanglosen Episoden in denen es ohne jede Rahmenhandlung nur eines gibt: Hardcoreszene an Hardcoreszene. Die Zeiten eines Joe D’Amato, der in den 70ern und 80ern aufwendige „Kostüm-Pornos“ auf Zelluloid gedreht hat, sind längst vorbei. Für teure Pornos stellt heute kaum noch ein Studio die entsprechenden Mittel zur Verfügung. Natürlich gibt es Ausnahmen, wie z.B. PRIVATE, aber auch diese Studios produzieren pro Jahr zwei bis drei aufwendige Filme (für das Image) und finanzieren diese durch Filme der vorher beschriebenen Sorte quer. Dieses Klischee von der Pseudo-Handlung in Porno-Filmen ist seit Jahren größtenteils überholt. Indiz Nummer 2 hat sich erledigt. Vielmehr ist das Klischee von der Pseudo-Handlung ein typisches Shooter-Klischee und unterscheidet Black in keinster Weise von den meisten anderen Shootern. Im Übrigen sind die Zwischensequenzen von Black viel hochwertiger als viele Pornos, auch wenn sie ähnlich sinnentleert daherkommen…
Blacks perfekte Hochglanz-Inszenierung ist ebenfalls kein Porno-Kriterium. Wie schon gerade angesprochen, werden heute 99 % aller Pornos möglichst billig und relativ lieblos auf Video heruntergekurbelt. Es gibt zwar gelegentliche Ausnahmen, wie die Filme von Andrew Blake, die sogar besonderes Augenmerk auf edle Optik legen, aber Pornos haben allgemein rein gar nichts mit technisch und ästhetisch hochwertiger Qualität zu tun. Black ist viel zu perfekt, um in dieser Hinsicht irgendetwas mit einem Porno gemein zu haben. Außerdem fehlt Black etwas ganz wichtiges: Das Blut und die Brutalität, die man von den meisten anderen Vertretern des Genres gewohnt ist. Wenn es in Pornos immer nur um das „Eine“ geht, warum fehlt Black dann die explizite Darstellung des Aktes? Wo ist in Black der Cumshot? Indiz Nummer 1 hat sich erledigt.
Bleibt noch Indiz Nummer 3: Black ist so seelenlos wie die meisten Porno-Filme auch. Bingo! Aber der Markt ist voll von Spielen jedweder Couleur, die sich rein auf die Spielmechanik konzentrieren. Und das muss ja nichts Schlechtes sein, wie ich mit dem klassischen Beispiel Tetris vorher schon andeuten wollte. Allerdings macht es ein Spiel nicht automatisch zum Porno, wenn es keine Atmosphäre oder Rahmenhandlung besitzt.
Dient der Porno-Vergleich von Alex Ward hier gar als verklausulierte Entschuldigung dafür, dass man nicht in der Lage war, eine in sich konsistente Spielerfahrung zu erzeugen?
Die Formulierung „Waffen-Porno“ ist für mich am Ende nicht mehr als eine reißerische PR-Floskel, die von einigen Medien im Zusammenhang mit diesem Spiel nur zu gerne übernommen wurde, aber genau so auch auf gefühlte 40.000 andere Spiele zutreffen könnte. Klar, das ist eine tolle Headline, vor allem wenn die Mehrzahl der Zielgruppe allein bei der Erwähnung des Wortes „Porno“ schon verschmitzt zu grinsen beginnt! Aber wenn man mal ehrlich ist: Nicht alles was hinkt, ist auch ein Vergleich…
Black ist, so wir denn bei dieser überbemühten Analogie bleiben wollen, in Wahrheit ein „Andrew-Blake-Porno ohne Cumshot und Vorspultaste“, und funktioniert daher nach Porno-Kriterien auch nicht wirklich befriedigend. Nimmt man also besser doch die üblichen Videospiel-Kriterien zur Hand? Nun, nach denen ist Black aber auch nur ein Hochglanz-Shooter, in dem die Spielmechanik nahezu perfekt inszeniert wird, die Story auf hohem Niveau nicht erzählt wird, die fehlende Atmosphäre für jeden Nicht-Soldier-Of-Fortune-Abonnenten für permanente Distanz zum Spielgeschehen sorgt und der ansonsten nicht zuletzt durch viel zu geringen Spielumfang, nervig-weit auseinanderliegende Speicherpunkte und fehlenden Multiplayer-Modus weit von einer Genre-Perle entfernt ist.
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