Müssen Spiele revolutionär sein? Müssen Nachfolger von guten Spielen erfolgreich sein? Muss Heroes of Might & Magic 5 (im Folgenden schlicht „HoMM“ genannt) mit den Traditionen der Serie brechen und etwas gänzlich Neues ausprobieren? Muss jeder Satz in diesem Artikel aus einer Frage bestehen? Aber nicht doch. Und das gilt für alle Fragen. Wenn das Gameplay stimmig ist, akzeptiere ich auch „nur“ behutsame Änderungen am nächsten Teil. Evolution statt Revolution. Floskeln statt Inhalt. Ein dezent verbessertes Konzept ist mir unendlich Mal lieber, als ein verschlimmbesserter Nachfolger. So geschehen zum Beispiel bei Deus Ex 2, dessen Änderungen für den Konsolen- und Massenmarkt geradezu unsäglich waren.Als ich neulich nichts ahnend durch die Spieleabteilung eines bekannten Elektrofachhändlers schlenderte, erblickte ich überraschend einen beachtlichen Stapel von Heroes 5-Exemplaren. Während meine Hand zielsicher nach vorn schoss, regte sich in meinem Kopf ein geradezu ketzerischer Gedanke: „Was, wenn die das Game nun doch wieder verhunzt haben?“ Egal, den neuen HoMM-Teil musste ich einfach haben. Und sei es auch nur, um für eine handvoll Freaks im Internet einen Artikel zu schreiben.
Es war einmal eine Firma namens 3DO, die machte einen Mordsreibach mit den Might & Magic-Lizenzen. Bei der Might & Magic-Reihe ging es zwar nach dem sechsten Teil massiv bergab, doch Heroes of Might & Magic verkaufte sich wie warme Semmel, und so war es gut im Königreich. Zwischendurch wurden treue Fans noch mal kräftig mit ein paar neuen Missionen abgezo…, ähm, beglückt, die unter dem Namen Heroes Chronicles liefen. Doch als sich der vierte HoMM-Teil partout nicht so gut wie erwartet verkaufen wollte und die Might & Magic-Spiele endgültig wie lethargisches Blei in den Regalen lagen, wurden zwei launige Erweiterungen für Teil 4 veröffentlicht. Die Bezeichnung „Erweiterungen“ ist eigentlich noch zu hoch gegriffen, boten die beiden virtuellen Geldeintreiber doch lediglich ein paar neue Missionen, Musikstücke und beschämend wenig Inhalt. Selbst die treudoofsten Fans ließen sich nun nicht mehr mobilisieren. So geschah es, und es war nicht mehr gut.
Doch es begab sich, dass ein edler Retter in Form von Ubisoft angeritten kam und sprach: „Sacre bleu, was abt ihr nür getan? So eine Säriö setzt doch man nischt in den Sand. Wir wärdön eusch die Lizenz zü einäm Spottpreis abkaufön und sälbör damüt Gäld verdienön.“ Und so geschah es. Denn Ubisoft kannte ein Entwicklerstudio namens Nival Interactive, das wohnte weit im Fernen Osten hinter den Sieben Bergen, wo Wodka und Honig flossen, und hatte schon Spiele wie Blitzkrieg, Etherlords, Silent Storm und das etwas seltsame Evil Islands programmiert.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Die augenscheinlich größte Neuerung ist die 3D-Grafik. Ein Heroes-Teil mit zeitgemäßer Optik – dass ich das noch erleben darf!
Die Landschaften sind wunderschön und erinnern an den bunten Comic-Look von WarCraft III. Die verschiedenen Hauptstädte der Fraktionen sind alle fantasievoll und beeindruckend gestaltet, besonders auf einem hohen Ausbaulevel machen sie richtig was her.
Die Kämpfe profitieren natürlich auch enorm vom Sprung in die dritte Dimension: Wo sich vorher flache Bilder bekämpften, balgen sich nun äußerst detaillierte Kreaturen in effektreichen Schlachten. An jeder Ecke blitzt und kracht es, dass es eine wahre Freude ist. Das Einheitendesign orientiert sich an „Herr der Ringe“ und World of WarCraft, behält aber dennoch genug Eigenständigkeit.
Das Spielfeld ist frei zoom- und drehbar, und zwischendurch liefert die Kamera immer wieder filmreife Nahaufnahmen von Angriffen. Faulty, öhm, Final Fantasy lässt grüßen. Bei Stadtbelagerungen geht die Übersicht jedoch regelmäßig flöten, weil einige Figuren hinter den Mauern verdeckt werden und die Transparenzeffekte nur mäßig hilfreich sind.
Auf der Abenteuerkarte kann man die Perspektive frei wählen, allerdings kommt es beim Kippen der Kamera oft zu starken Performanceeinbrüchen. Das sollte, trotz der absolut gelungenen Optik, nicht vorkommen. Bei Civilization 4 hat es auch einige Patches gedauert, bis der enorme Speicherhunger gesenkt wurde, von daher hoffe ich auch bei Heroes 5 auf ein paar Updates, die ihn auf ein erträgliches Maß reduzieren.
Am Spielprinzip hat sich – zum Glück – nichts geändert. Sechs Städte mit je sieben Kreaturen in zwei Ausbaustufen streiten sich immer noch um Ressourcen und wertvolle Artefakte und schicken daher ihre Helden in die Schlacht. Rundenweise scheucht man diese über eine Abenteuerkarte, erobert Rohstoffminen, heimst Gegenstände ein und bekämpft üble Monster und feindliche Helden.
Bei Schlachten wird auf eine Art Schachbrett geschaltet, auf dem die Kreaturen nacheinander am Zug sind. Die Schnellste beginnt; eine neue Initiativleiste gibt genaue Auskunft über die Reihenfolge. Der clevere Einsatz von Einheiten, Spezialfähigkeiten, Aufstellung, Zaubersprüchen und Helden entscheidet über den Ausgang des Kampfes. Dadurch erhält das Spiel eine enorme taktische Tiefe.
Der glückliche Gewinner erhält Erfahrungspunkte, mit denen der Held aufgemöbelt wird. Dieses Aufstiegssystem wurde dahingehend modifiziert, so dass einige Boni auf anderen aufbauen. Jeder Held besitzt von Anfang an eine fraktions- und eine klassentypische Fertigkeit; vier weitere dürfen vom Spieler frei gewählt werden. Diese Fertigkeiten können mehrmals aufgerüstet werden und ermöglichen jeweils bis zu drei weitere Befähigungen und vier Spezialisierungen. Am Ende davon steht hoffentlich die mächtige Ultimate-Fertigkeit des Helden, jedoch nur, wenn absolut alle Plätze richtig belegt wurden. Eine falsch gewählte Eigenschaft genügt bereits, um sich den Weg zu verbauen. Leider fehlt eine Übersicht in Form eines Skill-Trees.
Die Kampagne, in den Vorgängern nur in öden Textfenstern erzählt, ist nun endlich keine zusammenhanglose Anreihung von Missionen, sondern verfügt über schicke Zwischensequenzen in Ingame-Grafik. Die Geschichte bleibt spannend bis zum Schluss, jedoch gibt es einige Schönheitsfehler in den Sequenzen: Nur in sehr wenigen ausgewählten Szenen sprechen die Figuren mit Mundbewegungen. Seltsam, schließlich werden sonst die gleichen Modelle verwendet. Außerdem stehen die Akteure gerne wie angewurzelt herum und spulen immer wieder die gleiche Animation ab.
Serien- und genretypisch ist der Schwierigkeitsgrad durchaus als anspruchsvoll zu bezeichnen und schwankt bereits im Modus „Normal“ zwischen „erstaunlich knifflig“ und „wie zum Henker soll ich das bitte schaffen?!“. Immerhin ist es umso befriedigender, wenn man eine harte Mission mit einer guten Taktik letztendlich doch noch löst. Für genreunkundige Spieler oder solche, die lieber ihren Blutdruck schonen, hat der erste Patch einen leichten Schwierigkeitsgrad eingefügt, der nach meinen ersten Eindrücken das Spiel deutlich vereinfacht. Dennoch ist die Lernkurve für Neulinge ziemlich steil – das dünne gedruckte Handbuch ist wenig hilfreich. Das „richtige“ Handbuch gibt es erst von Fans als pdf-Version im Internet zum Herunterladen.
Erwähnenswert sind noch einige Skript-Fehler in diversen Missionen, die schlimmstenfalls zum mehrmaligen Neustart der Karte zwingen.
An Kritikpunkten wurde in Heroes 5 leider nicht gerade gespart: Dass man sich im HotSeat-Modus nicht verbünden kann ist schon ein starkes Stück, aber noch halbwegs verschmerzbar.
Richtig ärgerlich sind fehlende Beschreibungen der Helden: Bei der Heldenauswahl am Anfang einer Mehrspielersitzung fehlt die Anzeige für die spezielle Heldeneigenschaft. Lediglich ein Titel wie etwa „Kriegsveteran“ wird angezeigt, der genaue Bonus des Helden wird verschwiegen. Da hilft nur Ausprobieren.
Auch das Einheitenbalancing könnte hier und da noch ein paar Verbesserungen gebrauchen; genauso wie das Kampfmenü, dem hoffentlich noch Warte- und Lade-Buttons spendiert werden.
Eines der größten Mankos stellt das Fehlen des Karten-Editors dar: Angeblich soll das Teil noch per Patch nachgereicht werden. Das wäre lobenswert, denn schon bei den Vorgängern war die Community unglaublich aktiv und sorgte für Unmengen an Kartennachschub.
Sehr viel Raum für Verbesserungen ist bei der KI vorhanden, deren Leistungen stark variieren: Ein Mal greift sie gezielt meine schwächsten Helden und Städte an, setzt geschickt Zaubersprüche und Einheitenfähigkeiten ein; ein anderes Mal ignoriert sie meine absolut unverteidigte Hauptstadt und rennt an meinem deutlich schwächeren Helden vorbei.
Was allerdings am Schlimmsten ist: Die KI cheatet, was das Zeug hält. Im Prinzip macht der KI-Held nicht viel mehr als in der Gegend herumzustehen und ab und an die Umgebung geringfügig zu erkunden. Dabei fallen einige Dinge auf: Die KI scheint so gut wie nie Einheiten beim Kampf gegen neutrale Kreaturen zu verlieren und bekommt eine wahre Flut an Ressourcen, trotz erheblich weniger Rohstoffminen. Manchmal steht der KI-Held bereits nach einer Woche auf der Matte, voll ausstaffiert mit Dutzenden Artefakten und einer Armee, die er unmöglich nach einer Woche rekrutieren kann, schon gar nicht mit einer einzigen Stadt. Selbst wenn man den Kampf mit Ach und Krach überlebt hat und nur noch mit einer handvoll Einheiten übrig bleibt, klopft der Gegner schon nach sehr kurzer Zeit erneut an – und hat natürlich eine unglaubliche Riesenarmee im Gepäck, die alles kurz und klein haut.
Selten war ich sprachloser bei einer derart dreist schummelnden KI. Wenn man dem Gegner nicht in einem seltenen Glücksmoment die Stadt abluchst, rennt man vergebens gegen nicht enden wollende Wellen von Kreaturen an. Wie eine gute und vor allem nicht betrügende Runden-KI aussehen kann, hat erst vor kurzem Stardock in Galactic Civilizations 2 eindrucksvoll gezeigt.
Ebenfalls ein Sanierungsfall ist der marode Mehrspieler-Modus von HoMM 5. Die Entwickler von Nival Interactive bleiben ihrer Tradition treu und liefern einen Mehrspieler-Modus ab, der anscheinend aus einer frühen Alpha-Version stammt.
Neben den üblichen „Features“ von Ubi.com (Einloggen nicht möglich, es werden keine Server angezeigt, man verliert die Verbindung, etc.) gibt es derart viele Probleme, daß ich von geschätzten 10-12 Multiplayer-Partien fast keine einzige bis zum Ende sorgenfrei spielen konnte. Abstürze gibt es in den verschiedensten und schillerndsten Formen: spontane, reproduzierbare, Freezes und Slowdowns in den einstelligen Fps-Bereich: Es ist eine wahre Freude. Dazu kommen Dutzende Ungereimtheiten, Fehler und Nervigkeiten.
Außerdem wird der Mehrspieler-Modus bereits von Cheatern heimgesucht, da HoMM 5 im Moment anscheinend über keinerlei Schutz dagegen verfügt. So kommen dann einige Leute bereits nach ein paar Tagen mit Superarmeen vorbei und reiben alles auf. Toll.
Daher meine Bitte: Liebe Entwickler, geht noch mal in euch, meditiert meinetwegen ein paar Tage in einem tibetanischen Bergkloster, pilgert zu irgendwelchen indischen Gedenkstätten, bringt euer Kismet ins Lot, aber haltet euch vom Wodka fern und schafft einen Mehrspieler-Modus, wo man auch zusammen spielen und nicht nur zusammen ruckeln und abstürzen kann.
Zudem stehen zu wenig Karten zur Verfügung, die in Sachen Qualität und Umfang auch noch viel Raum für Verbesserungen bieten. Also husch, husch, an die Arbeit.
Um auf die anfangs besprochene Thematik zurückzukommen: Heroes 5 ist Heroes 3 in 3D ist eigentlich toll. Man kann den Entwicklern gar nicht oft genug sagen, wie gut es war, sich am dritten und besten Teil der Serie zu orientieren und diesen in 3D zu verpacken.
Doch so richtig will der Funke noch nicht überspringen. Zu viele Dinge zehren einfach an den Nerven, besonders an denen von Fans der Serie. Wenn die genannten Schwächen und Mankos mit Patches noch behoben werden sollten und es ein guter Karten-Editor auf meinen Rechner schafft, werde ich HoMM 3 eher bald als nie den Laufpass von meiner Platte geben (welches dort immerhin seit Release auf allen bisherigen Rechnern lag) und mich danach auf ein hoffentlich umfangreiches Addon freuen.
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