Petroglyph Games sind alte RTS-Veteranen, die für ausgezeichnete Echtzeitstrategie-Kost stehen. Moment, haben die nicht bisher nur ein einziges Spiel gemacht? – Jein. Unter diesem Namen haben sie vorher tatsächlich nur Star Wars: Empire At War entwickelt, was allerdings schon als gute Referenz gelten kann, da dieses Spiel viele interessante Aspekte hatte. Empire At War war zwar kein Meilenstein, aber trotzdem ein sehr gutes RTS, welches zudem keine Angst hatte, die ausgetretenen Pfade des Genres durch frische Ideen anzureichern.
Schaut man sich allerdings mal an, woher die Leute bei Petroglyph kommen, dann wird die Sache mit dem guten Namen etwas klarer: Das Studio wurde nämlich von einer Gruppe ehemaliger Westwood-Entwickler gegründet, die sich bei der Übernahme durch EA kurzerhand abgesetzt haben. Somit sind die Entwickler neben dem erwähnten Star Wars-RTS auch für Titel wie Dune 2 oder Command & Conquer verantwortlich. Petroglyph sind also alles andere als Anfänger oder Newcomer …
Mit Universe At War: Earth Assault, welches von SEGA vertrieben wird, liefern sie nun ein Spiel ab, das ohne Übertreibung das Zeug zum
Genre-Klassiker hat. Allerdings wird es diese Ehre mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht einstreichen können, da man zwei riesengroße Fehler gemacht hat, wobei beim größeren von beiden nicht ganz klar ist, ob der Fehler nicht eher beim Publisher SEGA zu suchen ist.
Fehler Nummer 1 liegt in der Singleplayer-Kampagne, die, je nach persönlichem Geschmack des jeweiligen Spielers, entweder gut oder total langweilig ist. Fehler Nummer 2 ist die Anbindung der Online-Modi an Microsofts Live!-Infrastruktur; dieser Fehler ist unabhängig vom persönlichen Geschmack in jedem Fall fatal.
Abgesehen von diesen beiden Punkten ist UAW:EA eigentlich ein in jeder Hinsicht überragender Titel. Eigentlich…
Bevor wir dazu kommen, warum Earth Assault eben leider doch nicht so großartig geworden ist, wie es hätte werden können, will ich Euch kurz schildern, was das Spiel in meinen Augen so bemerkenswert macht.
Die Entwickler haben das geschafft, was seit Starcraft viele Echtzeitstrategiespiele nachgeahmt haben, aber kein einziges so richtig hinbekommen hat: 3 verschiedene Fraktionen in einem Spiel zu integrieren, die sich alle völlig unterschiedlich spielen, aber dennoch nahezu perfekt ausbalanciert sind. Eigentlich gibt es in UAW:EA sogar 4 Fraktionen, aber die vierte (die Menschen) spielt nur eine untergeordnete Rolle, weshalb man sie vernachlässigen kann.
Seit Blizzards Über-RTS Starcraft wurden dessen Impulse für das Genre zwar vielfach imitiert, aber eigentlich niemals in dieser Qualität erreicht. Entweder gibt es zwar 3 oder sogar noch mehr Fraktionen, die sich im Grunde aber alle nahezu gleich spielen und nur marginale Unterschiede, meist in Form von wenigen spezifischen Spezialeinheiten, zu bieten haben, oder aber es gibt tatsächlich unterschiedliche Parteien, die aber in der Balance dermaßen in Schieflage geraten, dass man Multiplayer-Partien zwischen menschlichen Kontrahenten eigentlich komplett vergessen kann, da es immer von vornherein über- und unterlegene Fraktionen gibt. Vertreter der ersten Kategorie (z.B. die jüngeren C&C-Teile oder auch die AOE-Spiele) betreiben nur Blendwerk, sind aber immerhin multiplayer-tauglich, wohingegen die Vertreter der zweiten Kategorie (z.B. Giants oder Perimeter) an ihrem durchaus löblichen Anspruch schlichtweg scheitern, weil unausgewogenes Balancing der Multiplayer-Tod eines jeden RTS’ ist.
In UAW:EA gibt es neben den Menschen, die zwar vorkommen und gelegentlich auch mal spielbar sind, prinzipiell aber keine größere Rolle spielen, die folgenden 3 Fraktionen:
Die Novus sind eine außerirdische Rasse von Androiden, die als eine Mischung aus Transformers, Manga-Mechs und Zerg daherkommen. Durch ihr System aus Energietürmen, welche miteinander vernetzt sind, lassen sie es kaum zu, dass man ihr Wirtschaftssystem angreift und so den Nachschub unterbindet. Einheiten können in Sekunden über die Netzwerkverbindungen von einem zum anderen Ende der Karte geschickt werden, ohne das der Gegner effektiv dagegen angehen kann. Hinzu kommen Massen von kostengünstigen Einheiten, die den Kontrahenten einheizen. Man kann die Novus eigentlich nur direkt an ihrer Basis empfindlich treffen.
Die Hierarchy stellen fast das genaue Gegenteil dar. Eine Basis im herkömmlichen Sinne besitzen sie nicht. Ihre gesamte Kriegsmaschinerie basiert auf riesigen Walkern, welche Produktionsstätte, Verteidigungsanlage und Angriffseinheit in einem sind. Man kann immer nur maximal 3 Walker gleichzeitig besitzen, hat aber zusätzlich noch viele kleinere Einheiten zur Verfügung, die direkt in den Walkern gebaut werden. Man kann die Walker, von denen es drei verschiedene Arten gibt, anhand von Modulen frei konfigurieren, was viel strategischen Spielraum lässt. Die Ressourcen-Sammler der Hierarchy sind zudem recht wehrhaft und nicht mal eben im Vorbeigehen zu erledigen, was auch eine Besonderheit im Genre darstellt. Angriffe mit bzw. Verteidigung gegen die Walker stellen das absolute Highlight einer jeden Partie dar, weil man dergleichen in keinem anderen RTS bisher hatte.
Die Masari erinnern etwas an die Protoss aus Starcraft. Sie sind das älteste und am höchsten entwickelte der drei Völker und spielen sich wiederum gänzlich anders als die anderen beiden. Im Gegensatz zu Novus und Hierarchy bauen sie keine Ressourcen auf der Karte ab, sondern erzeugen die benötigte Energie einzig und allein in ihrer Basis. Ihre Einheiten sind vielseitiger als die der anderen Völker. Mit der Option, zwischen Licht- und Dunkelheit-Modus umzuschalten, kann man zudem ihre gesamte Grundstrategie binnen weniger Sekunden verändern. Auch der Einsatz von Arbeitern ist bei ihnen grundlegend anders als bei den Novus (die Hierarchy besitzen ohnehin nichts dergleichen). Man kann sie nicht nur zum Errichten von Gebäuden einsetzen, sondern auch zur Optimierung bestehender Gebäude und Einheiten.
Dies ist nur ein kurzer Abriss, um Euch eine vage Vorstellung davon zu geben, wie sehr sich die Fraktionen in UAW:EA unterscheiden. Tatsächlich gehen die Unterschiede noch viel weiter als hier beschrieben und führen dazu, dass die Fraktionen wirklich grundverschieden sind. Und dies wohlgemerkt, ohne dabei unflexibel zu sein, denn alle drei Völker lassen es jederzeit zu, auch kurzfristig auf die jeweilige Strategie der Gegner zu reagieren.
Um so bemerkenswerter ist es, dass es den Leuten bei Petroglyph tatsächlich gelungen ist, das Ganze vorbildlich auszubalancieren! In dieser Hinsicht übertrifft Universe At War vielleicht sogar meinen persönlichen Genre-Favoriten Starcraft, kann aber auf jeden Fall gleichziehen. Und das sogar, ohne erst etliche Balancing-Patches nachzuschieben…!
Auch die audiovisuelle Seite des Spiels kann voll überzeugen. Besonders wenn die Walker im Zentrum des Geschehens stehen, wird ein wahres Feuerwerk an Grafikeffekten abgebrannt. Der Soundtrack und die Audioeffekte lassen auch keinen Raum für Nörgeleien. Und dass die Bedienung des Spiels ebenfalls gut von der Hand geht, erwähne ich jetzt nur pro forma, denn an einem RTS, welches heute tatsächlich noch gravierende Bedienungsmängel aufweist, würde ich ohnehin kein gutes Haar lassen…
So, und wo ist nun der Haken? Tja, der erste Haken ist die Singleplayer-Kampagne, wobei dies, wie schon angedeutet, auf den persönlichen Geschmack des Spielers ankommt. Man kann sich darüber aufregen oder es (wie ich) einfach nur zur Kenntnis nehmen, ohne sich davon den Spaß verderben zu lassen, aber die Geschichte von UAW:EA lässt unbestreitbar kein SciFi-Klischee aus:
Die bösen Hierarchy überfallen die Erde. Die Menschen sind ihnen hoffnungslos unterlegen und dabei, die Erde in kürzester Zeit an die Invasoren zu verlieren (wobei das eigentliche Klischee ja eher darin bestünde, dass die Menschen eben doch noch irgendwie das Blatt wenden…). Da kommen plötzlich, wie aus dem Nichts, die Novus angeturnt, welche sich als die Erzfeinde der Hierarchy vorstellen, und nehmen den Kampf gegen sie auf. Doch auch die Novus sind den Hierarchy nicht wirklich gewachsen und verlieren nach und nach an Boden. Dann gibt es (Überraschung!) eine Revolte innerhalb der Hierarchy, wodurch es kurzzeitig den Anschein hat, die Invasoren ließen sich doch noch besiegen. Doch auch dieser Hakenschlag des Schicksals erweist sich als Sackgasse, denn die Revolte unter den Hierarchy wird niedergeschlagen. Alles scheint verloren, als plötzlich die Masari auftauchen, welche ihrerseits die Erschaffer bzw. Götter der beiden anderen Rassen waren und über Jahrhunderte als ausgestorben galten, aber tatsächlich nur ein Nickerchen auf dem Grunde unserer Weltmeere gehalten haben… Gnaag!
Ihr seht schon, wohin das führt. Man müsste lügen, wollte man behaupten, man hätte all dies nicht schon einmal in anderen SciFi-Settings gesehen und gehört. Erstaunlicherweise hat mich die Story dennoch recht gut unterhalten, obwohl gerade mich in Sachen SciFi kaum noch etwas wirklich überraschen kann. Nicht zuletzt, weil das Ganze immerhin sehr professionell und routiniert in Szene gesetzt wird. Es hängt halt einfach davon ab, wie kritisch man die Story sehen möchte. Es wird bestimmt auch viele Leute geben, die bei dieser Ansammlung von Versatzstücken aus anderen Geschichten angenervt abwinken und den Singleplayer nicht einmal bis zum Ende durchspielen werden. Die verpassen dann aber leider die eigentliche Stärke des Spiels: Den Multiplayer-Teil.
Gravierender als die etwas unoriginelle Story, ist jedoch die Tatsache, dass die Singleplayer-Kampagne einen völlig unzureichenden Eindruck der Spielmechanik vermittelt. So werden einem beispielsweise die Forschungs- bzw. Technologiebäume der Fraktionen im Singleplayer mehr oder weniger vorenthalten. Die jeweils verfügbaren Einheiten sind einfach da und müssen nicht erst entwickelt werden. Auch der strategische Variantenreichtum des Spiels wird dem Spieler hier durch relativ eng gesteckte Missionen teilweise genommen, so dass man durch die Einzelspieler-Missionen sehr leicht ein falsches Bild vom eigentlichen Potential von Universe At War bekommt.
Ich fand die Solo-Kampagne, wie schon gesagt, durchaus unterhaltsam und hatte nie das Bedürfnis, das Spiel vorzeitig zu deinstallieren, aber von der eigentlichen Großartigkeit des Spiels bekommt man wirklich erst im Multiplayer- bzw. Skirmish-Modus einen richtigen Eindruck.
Na prima! Dann haben wir ja alles geklärt: Solo geht so, aber der Multiplayer rockt das Haus!
Eigentlich schon, wäre da nicht ein weiterer Haken…
Kommen wir also zum zweiten großen Problem von Universe At War:
Die Empfehlung als ganz tolles Multiplayer-RTS muss ich leider auch noch einschränken, denn irgendein Mensch beim Publisher SEGA (so vermute ich zumindest), der eigentlich eher gestern als morgen gefeuert werden sollte, hatte die super Idee, das Spiel an Microsofts Live!-Dienst anzubinden. Das bedeutet, dass man viele Multiplayer-Modi online nur nutzen kann, wenn man auch einen kostenpflichtigen Gold-Account besitzt. Hierzu gehört u.a. auch der absolut geniale Welteroberungs-Modus, bei dem man das Spiel zusätzlich auf einer übergeordneten „Risiko“-Ebene (inklusive Massenvernichtungswaffen, Spionageoptionen, etc.) spielt.
Aus diesem Grund kann ich UAW:EA dann eigentlich nur noch für LAN-RTS-Spieler oder Skirmish-Puristen ohne Einschränkungen wirklich empfehlen. Traurig aber wahr, denn von der Spielmechanik her ist das Spiel mit das geilste, was das Echtzeitstrategie-Genre bisher hervorgebracht hat. Und auch die Einzelspieler-Kampagne ist kein wirklicher Grund, auf den Kauf zu verzichten, so man das Genre grundsätzlich mag, denn im schlimmsten Falle könnte man sie einfach ignorieren und hätte immer noch ein fantastisches Multiplayer-RTS auf dem Rechner. Aber die Einschränkungen durch diese aberwitzige Live!-Integration seitens SEGA sind für den durchschnittlichen PC-Spieler ein absoluter „Schmerz im Arsch“, wie der Franzose zu sagen pflegt.
Jetzt mag sich vielleicht der eine oder andere von Euch, speziell die Xbox-Besitzer, sicherlich fragen, wo denn da genau überhaupt mein Problem liegt. Nun, das kann ich Euch gerne erklären: Dass sich die Leute auf der Xbox von Microsoft noch zusätzlich für Angebote abzocken lassen, die man überall sonst, und nicht nur auf dem PC, kostenlos bekommt, ist prinzipiell deren persönliches Problem. Ich kann es zwar nicht nachvollziehen, aber prinzipiell ist mir das als Nicht-Xbox-Besitzer ziemlich egal. Und auch dass Microsoft seit einiger Zeit versucht, diese Abzocke auf die Plattform PC zu übertragen, geht mir ziemlich am Arsch vorbei, da alle bisherigen Versuche (Shadowrun anyone?!) kläglich gescheitert sind, weil das Gros der PC-Spieler solche Dinge schlicht boykottiert.
Aber wenn ein anderer Publisher, also noch nicht einmal Microsoft selbst, einen echten Spiele-Diamanten in Händen hält und ihn dann auf diese Art zur Spiele-Kartoffel macht, dann tut mir das wirklich in der Seele weh! Ich meine, was habt Ihr Euch eigentlich dabei gedacht, SEGA? Zu geizig, um ein paar Server ins Netz zu stellen? Das kann doch nicht Euer Ernst sein. Glaubt Ihr wirklich, dass die gesparten Kosten die vielen dadurch nicht verkauften UAW-Exemplare aufwiegen?
Bisher dachte ich, dass Microsoft der König der Ignoranten unter den Spiele-Publishern ist. Immerhin haben sie mit ihrer seltsamen und völlig überflüssigen „Games For Windows“-Kiste ja schon mehr als eindrucksvoll bewiesen, dass sie nicht die geringste Ahnung davon haben, wie die PC-Spieler wirklich ticken. Wir brauchen nämlich weder das Crossplay mit der Xbox, was ohnehin nur funktioniert, wenn man den Konsoleros Autoaiming und andere Hilfen in ihre Versionen packt, noch irgendwelche lächerlichen Archievements, mit denen man bestenfalls Viertklässler beeindrucken kann! Aber anscheinend kämpft SEGA nun auch um den heißbegehrten Titel „Wer macht den PC als Spiele-Plattform am besten kaputt?“…
So gerne ich UAW:EA allen RTS-Fans wärmstens empfohlen hätte, weil es rein spielerisch wirklich allererste Sahne ist, lautet mein deprimierendes Fazit aufgrund der Begleitumstände dann doch: Universe At War? – Killed by Live!
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