Wer vor 20 Jahren einen Commodore Amiga hatte, wird mit ziemlicher Sicherheit auch einmal Ports of Call gespielt haben – eine Zeit lang DIE Wirtschaftssimulation auf dem Amiga. Das Spiel verband die üblichen Kaufen, Verkaufen, Bauen, Reparieren– Elemente einer Wirtschaftssimulation mit einem (von vielen verhassten) “Action”-Element, bei dem die Schiffe selbst in den Dock manövriert werden mussten (in schnuckeliger 2D-Ansicht natürlich). Für Freunde der maritimen Retro-Simulation gibt es jetzt eine aufgebohrte Deluxe Version für den PC.
Der große Erfolg auf dem Amiga hat den Entwicklern keine Reichtümer beschert – obwohl das Spiel damals wohl jeder auf dem Rechner hatte, gab es wenige, die es auch legal gekauft hatten. Dazu kommt, dass das Genre “Wirtschaftssimulation” außerhalb von Deutschland kaum jemanden interessiert, und sich daher auch die Auslandsverkäufe in Grenzen gehalten haben.
Zwischenzeitlich wurde PoC mal auf den PC portiert, zunächst als 1:1 Umsetzung, später als “XXL” Version mit etwas Grafiktuning. Zum 21jährigen Jubliläum haben die beiden Entwickler Rolf-Dieter Klein und Martin Ulrich die Benutzeroberfläche komplett überarbeitet und Ports of Call 2008 Deluxe als Box-Version herausgebracht.
Das grundlegende Spielprinzip hat sich nicht geändert: Man kauft Schiffe, sucht sich eine vielversprechende Frachtlinie, verdient Geld, kauft sich mehr Schiffe, sucht lukrativere Frachtrouten, repariert die Schiffe, sucht noch lukrativere Routen, etc., etc.
Selbst Details wie der Fahrstuhl, mit dem man beim Schiffsmakler zu den einzelnen Handlungsoptionen gelangt ist aus der über zwanzig Jahre alten Amiga-Version geblieben, wenn auch jetzt etwas schicker animiert. Auch die damals revolutionäre Start/Stop-Funktion für die Spielzeit ist geblieben: Um Aktionen durchzuführen, kann die Zeit angehalten werden, wenn man fertig ist, läßt man die Uhr weiterlaufen. Klingt aus heutiger Sicht banal, war damals aber ein großer Wurf.
Man merkt dem Spiel an jeder Stelle an, dass hier nicht Profi-Gamedesigner am Werk waren, sondern ein paar Frickler. Die Menüs und Masken sehen sehr hausbacken aus und grafisch ist das alles mindestens fünf Jahre vom aktuellen Entwicklungsstand entfernt. Ein ganz netter Effekt ist die 3D-Weltkugel, mit der man die verschiedenen Häfen auswählen kann, was seit Google Earth aber auch niemanden mehr vom Hocker reißen wird.
Der 3D-Teil sieht im Vergleich zum restlichen Spiel geradezu revolutionär aus: da spiegeln sich Hafenkräne im Wasser, das Meer schlägt leichte Wellen, das Licht kann stufenlos von Sonnenschein auf Nacht verändert werden. Aber im Vergleich zu aktuellen Grafikwundern ist auch das ein paar Jahre hinter aktuellem Stand her. Einzig die Stereo-Sicht (mit 3D Brille) ist ein ganz nettes Gimmick. Auch hier ist das Spielprinzip aber trotz 3D-Grafik dasselbe geblieben: Das Schiff muss aus dem Hafen heraus beziehungsweise in den Hafen hinein manövriert werden, ohne allzuoft an die Kaimauern oder andere Hindernisse zu rempeln. Dazu gibt es nur ein Steuerbord/Backbord Ruder und Vor/Zurück Geschwindigkeitsregler – das wars. Angeblich sind die 100 Häfen detailgetreu den Originalen nachempfunden, so kann man in New York an der Freiheitsstatue vorbeischippern und sieht am Horizont die Skyline, aber egal ob New York, Hamburg oder Algier, letztlich ist das simple Spielprinzip überall das gleiche und nervt spätestens beim dritten Mal, wenn man vom Programm mal wieder gezwungen wird, eine manuelle Ein- oder Ausfahrt durchzuführen, weil die Lotsen gerade streiken.
Wenn ich mir überlege, wieviel Zeit ich früher mit Ports of Call verbracht habe, ist mir im Nachhinein nicht ganz klar, was mich an dem Spielprinzip so gefesselt hat. Das Gameplay hat ungefähr den Reiz einer Steuererklärung. Es passiert schlicht zuwenig. Ab und zu kann man entscheiden, ob man ein Schmuggelgeschäft annehmen will oder einen Sturm umfahren sollte, das wars. Der “Action”-Teil passt eigentlich überhaupt nicht zum Rest des Spiels (und wurde ursprünglich auch als separates Add-On auf der PoC-Homepage verkauft), und wenn man ein- zweimal ein Schiff aus dem Hafen gesteuert hat, ist der Witz hier auch weg.
Einen Vorteil hat zumindest die wenig aufwändige Grafik: Man kann PoC bequem im Fenstermodus spielen, so dass man parallel prima Spiegel Online lesen kann, um über die Langeweile hinwegzutrösten. Und auch Winamp sollte man nebenbei laufen lassen – die Geräuschkulisse von PoC ist, sagen wir mal, sehr reduziert.
6 Kommentare
PoC haben meine Kumpels hin und wieder damals gezockt, ich fand es da schon öde. Und hat irgend jemand es mal geschafft, Schiffbrüchige zu retten?
PS: GameStar vergibt 41%.
Schiffbrüchige retten war sogar möglich, aber geschafft habe ich es nur mit dem teuersten Schiff im Spiel, das als einziges ein Bugstrahlruder hatte, mit dem man langsam quer an die Rettungsinsel fahren konnte.
Irgendwie hatten wir damals auch das Gefühl, dass bei dem Spiel wahnsinnig viel glücksabhängig war, der lustigste Teil war noch, den Schiffen möglichst blöde Namen zu geben.
Dann doch lieber Silent Hunter…
PoC war wirklich mit der Zeit etwas öde geworden, nach dem zweiten Schiff ging PoC bei mir baden. Dafür hab ich Stunden von Oil Imperium verbracht, auch hier die Frage: Warum eigentlich?
Ich glaube ich kenne Ports of Call nicht. Oder es war mir in meinen Jugendzeiten zu kompliziert ;)