Penny Arcade, der Web-Comic, ist nerdig, klischeehaft überzogen, derb, zuweilen auch brutal und etwas pubertär, und -ach, ja- verdammt witzig. Wer jedoch den Humor des Penny Arcade-Comic nicht mag, wird wahrscheinlich auch am Penny Arcade-Spiel
kein gutes Haar lassen können, denn im Grunde ist On the Rain-Slick Precipice of Darkness eine Weiterführung des Comic in einem anderen Medium.
Auf der anderen Seite sollte man sich nicht vom Titel des Spiels ins Bockshorn jagen lassen: Bei der ersten Episode der “Penny Arcade Adventures” handelt es sich nicht wirklich um ein Spiel, das man dem klassischen Genre des Adventures zuordnen würde. Viel mehr erwartet einen unter der falschen Nase und einem angeklebten Bart ein waschechter Final Fantasy-Klon mit Active-Time-Battles, Random Encounters und den zu Phoenixfeder & Co. analogen Items, nur Mana ist nicht vorhanden, aber zum Ausgleich vergeht die Zeit, bis man wieder eine Spezialattacke auführen oder einen Support-Charakter dazu holen kann, entsprechend langsamer.
Den Konventionen eines Rollenspiels entspricht auch, daß die Figur, die man spielt, als eine leere Projektionsfläche ohne Vorgeschichte oder festgelegte Persönlichkeit daher kommt. Es ist zwar nett, daß man ihr einen eigenen Namen geben und Aussehen individuell gestalten kann, aber leider führt dies auch dazu, daß die Figur nie richtig in die Geschichte eingebunden wird. Man erfährt nur, daß ein gigantischer Riesenroboter mit einem Fußtritt sein Haus zu Sägenspänen verarbeitet und man sich aus Gründen aufkeimender Rachegelüste den beiden Gründern und bis dato einzigen Mitarbeitern der Startling Developments Detective Agency, Gabe, dem Fäuste schwingenden cholerischen Kämpfer gegen das Böse, und Tycho, dem ruhigen und gewissenhaften Akademiker mit Abschluß in Apokalyptik, anschließt, doch der eigene Character-Sheet bleibt leer.
Dem gegenüber steht die detaillierte, humorvolle und oftmals mit (pop-)kulturellen Anspielungen gespickte Beschreibung beinahe jedes am Wegesrand liegenden Objekts, so daß bei mir der Eindruck entsteht, hier sei eine Menge Potential zu Ungunsten des eigentlichen Plot, den man durch ausführlichere und vielfältigere Dialoge, möglicherweise gar non-lineare Quests, intensiver hätte vorantreiben können, verloren gegangen.
Einerseits ist es ganz lustig, wenn auch bissig-, ironische Kommentare zu Kontroversen aus der Welt der Videospiele, wie Gabes Ausspruch “You can’t beat up enough Hobos”, zu (In welchem Spiel war es doch gleich, wo man zu Beginn einen Obdachlosen verprügeln mußte? The Warriors? Condemned? Beide?) zu hören, doch ich glaube, ein wenig mehr Abstand der Autoren zu ihren Alter Egos Gabe und Tycho, beziehungsweise die Einführung gänzlich neuer Haupt-Charaktere, hätte dem Spiel besser getan.
So befinden sich die Protagonisten quasi in ihrer eigenen Phantasie, in einer nach ihren nerdigen Vorlieben gestalteten Steampunk-Welt, die von gewalttätigen Pantomimen, die mit imaginären Pistolen erstaunlich realen Schaden verursachen, vulgären Saftpress-Robotern, mit schneidend scharfen Akkorden bewaffneten Barbershop-Quartette und einem Urinologen, der sich mit (naja, man kann es sich leicht ausmalen) beschäftigt, bevölkert ist.
Für sich genommen wirken diese Figuren herrlich schräg und absurd, und ich vergaß mehrmals vor Lachen, während ein Pantomime meinen Charakter mit einem unsichtbaren Lasso einfing und sich zu ihm heran zog, das Weiterkämpfen. Allein in einem drei Panel langen Comic wären diese verschiedenen Gestalten äußerst gut aufgehoben, leider nicht unbedingt zusammen in einem Spiel; dazu wird ihre Verbindung untereinander und zum Plot einfach nicht intensiv genug heraus gestellt. Aber dabei kann es sich auch um einen Fluch der episodischen Veröffentlichung handeln, wodurch ja selbst ein Obermotz von einem Spiel wie Half-Life 2 etwas in Mitleidenschaft gezogen wird.
Alle oben genannten kleinen Unzulänglichkeiten würden noch weniger ins Gewicht fallen, wäre das Kampf-System wirklich allererste Sahne, denn, da stimme ich mit Gabe überein, Monster zu bekämpfen geht immer! Schade nur, daß die Items, die schon recht hilfreich sind, um die Kämpfe souverän und komfortabel zu bewältigen, überall verstreut in Mülltonnen und Kisten herum liegen. Ihrer habhaft zu werden, ist also eine reine Fleißaufgabe, sie stellen keine Belohnung dar, da man sie ohne Rätselraten oder “Bild absuchen” überall findet. Man hätte lieber Zauber oder ähnliches daraus machen und an weniger Stellen im Spiel verteilt Orte, an denen man sein Mana auffüllen kann, platzieren sollen. Dann hätten die kämpferischen Auseinandersetzungen eine strategischere Komponente und man würde sich nicht so unter die Arme gegriffen vorkommen. Die wenigen vorhandenen Mini-Jahrmarkt-Spiel sind, Himmel sei Dank, optional. Daß aber vor die nicht ganz unnützen Spezial-Attacken eine Hürde in Form von Quicktime-Events gesetzt wurde, halte ich für ein Verbrechen sondergleichen und hat mich regelmäßig davon abgehalten, sie zu benutzen.
Trotz einiger Widrigkeiten, ist es jedoch äußerst lobenswert, daß endlich ein neues Spiel erschienen ist, das die beim Spielen von Titeln wie “GTA 4”, bei dem man lieber heulen möchte, vollkommen verkümmerten Lach-Muskeln wieder ordentlich beansprucht.
Die Rettung des Adventure-Genres ist dann ja vielleicht “A Vampyre Story”..
5 Kommentare
Ich habe mich sehr auf dieses Spiel gefreut und muss Dir trotzdem (oder deshalb?) in allen Punkten zustimmen. Die Problematik des Transfers von Comic-Handlung auf Spiellänge stört mich noch nicht einmal besonders, aber die Item-Suche ist tatsächlich einfach nur öde und das Kampfsystem ist zumindest suboptimal.
Offtopic: Eure Einträge machen zumindest im Google-Reader häufiger Probleme. Führen oft zu Password-Bereichen und/oder tauchen zweimal auf. Nur so als Info…
Ja, ja… Penny Arcade sieht schick aus. Schade nur, dass es keine lokalisierte Version gibt.
Schade, ich hatte ja schon sehr drauf gehofft, dass das Penny Arcade-Spiel etwas ganz Besonderes wird und sich deutlich vom Mainstream-Einerlei abhebt. Scheint ja nicht ganz das geworden zu sein, was ich mir gewünscht hab.
Durch die detailverliebten Beschreibungen der gesamten Szenerie und unkonventionellen Charaktere grenzt es sich schon deutlich vom Mainstream ab.
Das Problem ist nur, daß das Konzept von Penny Arcade für ein vergleichsweise langatmiges interaktives Medium zu wenig geöffnet wurde.
Mehr “Mainstream” hätte dem Spiel vielleicht besser getan – So spielt es sich doch arg holprig.
Wer jedoch nicht ein kino-reif inszeniertes Adventure, sondern ein einfaches Action-Spiel mit obszönen Clowns erwartet, wird nicht unglücklich werden mit “Rain-slick”.
Ich kann mir kaum vorstellen, daß das Spiel in die deutsche Sprache übersetzt, funktionieren könnte.
Und ohne profunde Englisch-Kenntnisse wird man wird man eine Menge der Witze nicht verstehen.
Das mit dem RSS-Feed muß so. Vorerst. Kann man natürlich umgehen, indem man Polyneux gleich zu seiner Startseite macht. ;))