Los, gebt es ruhig zu. Auch ihr habt fast zwei Jahre lang jedes Quentchen an Information über Spore aufgesaugt und manisch verfolgt. Auch ihr habt Euch nur beim Gedanken daran, dass Will Wright aller Wahrscheinlichkeit ein neues Meisterwerk des Gamedesigns schaffen wird, fast ins Höschen gemacht. Weil, hey, Will Wright! Come on! Kann doch nix schiefgehen! Will Wright!! YESS!
Doch als vor einigen Wochen statt “Spore”, der angekündigten Apotheose von Wills unbändiger Kreativität, “Bore”, der Triumph der massenkompatiblen Belanglosigkeit und des schnöden Umsatzmaximierens, in den Läden erschien, sollte wohl jedem klar geworden sein, dass Will Wright, die letzte der großen Gamedesigner-Legenden, dass selbst Will Wright auch nur ein Mensch ist, der zwar zehn, fünfzehn Jahre lang zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtigen Dinge getan hat, dessen Zeit nun aber abgelaufen ist.
Will Wright war so etwas wie der letzte Mohikaner, der letzte einer Riege von westlichen Gamedesignern, die in den 90ern maßgeblich daran beteiligt waren, das Medium Computerspiele zu dem zu machen, was es heute ist. Jeder hatte Stein und Bein geschworen, dass Will Wright die Inkarnation des Spielegottes auf Erden sein muss. Und lässt man heute Namen wie Richard Garriot, Warren Spector, Sid Meier, John Romero, Andy Hollis, Peter Molyneux, Tom Hall oder David Braben fallen, verfallen vor allem alte Säcke in narkoleptische Schockstarre, während Bilder, Erinnerungen und Emotionen ihr Gehirn durchfluten und für Minuten sogar so lebenswichtige Reflexe wie Atmung oder Herzschlag drohen in dieser Nervenimpulslawine unterzugehen. Einst, da musste man einfach nur “Das neue Spiel von XYZ” auf die Verpackung schreiben und jeder wusste sofort, was ihn erwarten wird. Erstklassige Unterhaltung! Nicht zögern, sofort zugreifen und sich für die nächste Woche zu Hause einschliessen. Da konnte nichts schiefgehen. Blindkäufe waren die Norm, nicht die Ausnahme! Demos? Wer zur Hölle braucht Demos? Kopien? Wer zur Hölle kopiert sowas, wenn man es doch kaufen kann?
Doch auch in Japan herrscht Götterdämmerung. Ein Hironobu Sakaguchi zeigt mit “Blue Dragon”, dass es nicht ausreicht, einfach nur alte Ideen zum x-ten Male in neue Graphikroutinen zu verpacken. Selbst der Score von Nobuo Uematsu dümpelt in der gepflegten Langeweile altbekannter Tonfolgen dahin. Andere Designer-Legenden prügeln sich mit ihren ehemaligen Arbeitgebern oder sind in der Versenkung verschwunden. Einzig ein Hideo Kojima scheint noch in der Lage zu sein, über die Jahre hinweg ein entsprechendes Niveau halten zu können. Selbst Shigeru Miyamoto zehrt nur noch vom Ruhm der Vergangenheit. Wii Fit oder Wii Music anyone? Ebend…
Einer, der sich vergleichsweise schlau aus der Affäre gezogen hat, ist Sid Meier, der schon seit einer Weile nur noch seinen Namen und ein paar nette Ratschläge beisteuert, die eigentliche Arbeit (und prominente Platzierung in den Credits) aber anderen Leuten in der Blüte ihrer Jahre überlässt.
Alle, ohne Ausnahme, alle sind sie jedoch im Laufe der Jahre von ihrem Thron wieder in den Staub zurückgefallen, aus dem wir Normalsterblichen sie einst erhoben hatten. Gamedesigner sind nicht die Halbgötter, zu denen wir sie im Laufe der Jahre hochstilisiert haben. Gamedesigner sind nichts weiter als ganz gewöhnliche Menschen, die einfach nur das Glück hatten, ihr Talent über einige Jahre hinweg voll und ganz ausleben zu können.
Deswegen möchte ich diesen Leuten keinen Vorwurf machen. Denn wir selbst haben aus ihnen mehr gemacht, als sie waren. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn manche von ihnen diese Legendenbildung in den falschen Hals bekommen und das alles für bare Münze genommen haben. Wäre man bei Flagship ohne diese maßlose Hybris, etwas Besonderes, Besseres zu sein, nicht auf die Schnauze geflogen? Oder war schon der Versuch von Roper und Kollegen, den damaligen Chef der Vivendi-Spielesparte mit ihrer Kündigung zu erpressen, Zeichen der Überschätzung? Wäre ein Ion Storm und somit so Perlen wie Anachronox oder Deus Ex entstanden, wenn ein John Romero nicht eines Tages beschlossen hätte, der coolste Langhaarträger der Spielegeschichte zu werden? Wahrscheinlich nicht …
Werden wir in Zukunft daher neue Legenden entstehen sehen? Gut möglich, denn der Bedarf nach Helden wird wieder größer. Zwar verhindern die derzeitigen Strukturen in der Industrie erfolgreich jeden Versuch, sich als Individuum einen Namen zu machen (die gute Jade Raymond dient einem Ubisoft-Konzern im Grunde auch nur als Marketing-Gag), doch auch diese Phase ist eben nur eine Phase. Activision wurde z.B. von ehemaligen Atari-Programmierern gegründet, die einfach nur ihren Namen in den Credits und Anerkennung für ihre Arbeit sehen wollten. Viele Studios Ende der 90er wurden von einstigen Großkonzernangestellten gegründet, die endlich IHR DING tun wollten. Wie auch Firaxis oder Lionhead, wo ein zutiefst frustrierter Peter Molyneux versuchte, die glorreichen Pre-EA-Bullfrog-Zeiten wiederzubeleben, nur um sich ein paar Jahre und Flops später doch wieder als Konzerndrohne, diesmal im Auftrag von MS, zu blamieren.
Und so werden wir in ein paar Jahren bestimmt wieder eine ähnliche Gegenbewegung erleben. Namenslose Teammitglieder, endgültig desillusioniert und angeekelt von der Art und Weise, wie in großen Firmen gearbeitet wird, werden dem vergleichsweise sicheren Geld Adieu sagen und auf eigene Faust versuchen, ihr Glück zu machen. Andere, aus der Indie-Ecke kommend, werden wohlweislich erst gar nicht dem Ruf der Major-Publisher folgen. Schau mer mal, welche Namen wir dann auf die Sockel diverser Büsten und Statuen auf dem Olymp meißeln werden, bis auch diese dem Schicksal Ozymandias folgen …
Ich traf einen Wanderer aus einem alten Land, der sprach:
“Zwei mächt’ge Beine aus Stein, ohne Rumpf, stehn in der Wüste.
Nahebei, halb verweht, zerschlagen, ruht das Gesicht im Sand,
Gestreng gekräuselt die Lippen, verachtungsvoll und kalt befehlend,
Kündend, wie wohl der Künstler die Leidenschaften las,
die, eingeprägt in leblosen Stein, noch überdauern –
die Hände, die sie nachbildeten und das Herz, das sie nährte.
Und auf dem Sockel zeigen sich diese Worte:
“Mein Name ist Ozymandias, König der Könige!
Erblickt meine Werke, Ihr Mächtigen, und verzweifelt!”
Nichts daneben ist geblieben.
Rund um die Trümmer der kolossalen Ruine,
endlos und öd, einsam und eben,
erstrecken sich nur Sande weithin.
“Ozymandias” (1817), von Percy Bysshe Shelley
© Bild: Michael Fairchild
20 Kommentare
Ah, mein Lieblingsgedicht. Du Held.
Ich denke der Hauptschuldige an der ganzen Sache dürfte Peter Molineux sein. Denn ganz ehrlich, kein anderer Entwickler hat sich so in Sphären von “Was ich euch alles geben werde, es wird sein, als würde Gott höchstpersönlich euch berühren!” reingesteigert bei Vorabinterviews und dann gleichzeitig so wenig geliefert von dem was er versprochen hat. Und das nicht nur einmal…
Da hat zumindest bei mir die komplette Desillusionierung eingesetzt.
Dafür ist meiner Meinung nach momentan die Blütezeit für Independent Developer. Hikoza T Ohkubo, der Warning forever gemacht hat. Jonathan Blow, der für Braid schon beinahe eine kultische Verehrung bekommt und diverse andere deren Namen mir grade nicht einfallen will (die Jungs, die die Vorversion von Portal gebaut haben z.B.)
Ist ja auch klar – zum einen sind sie unbeschriebene Blätter, man hat also keine hohe Erwartung, die erfüllt werden muss, zum anderen sind es meist Erstlingswerke und damit frische Ideen, und zuletzt kommt natürlich der “One of us!” Effekt hinzu. Ist doch schön zu sehen, dass ein einzelner Freak wie man selbst sowas tolles wie z.B. Braid basteln und damit erfolgreich sein kann.
Nein, der Hauptschuldige, das sind wir! Wir heben diese Leute auf den Sockel, wir feiern sie als Helden und wir stürzen sie irgendwann auch wieder in den Staub, aus dem wir sie einst erhoben haben.
Piranha Bytes, einst der ultrageile, supperdolle Underground-Entwickler aus deutschen Landen, der der Welt mal so richtig zeigt, was ein geiles Rollenspiel ist. Nö, kennen wir doch alle …
Und wir haben dabei vollkommen ignoriert: Schreckliches, vollkommen mißratenes Interface. Bugs, Bugs, Bugs und noch viel mehr Bugs. Überall Zeichen und Hinweise schon bei Gothic 1 und 2 zu sehen, dass die Jungs sich eigentlich jedesmal übernommen haben. Aber nee, unsere Helden. Die können schon was.
Und erst mit Gothic 3 wurde den meisten klar, dass PB keine Helden, sondern nur ganz normale Software-Entwickler sind, die einfach nur maßlos überschätzt wurden.
Ich möchte nur anmerken dass Jon Blow nicht wirklich den “One of us”-Award verdient – er hat schon an vielen (größeren) Produktionen mitgearbeitet. Ich nich. Also kein “One of us”.
@
Senior Gamer.
Ich teile deine Meinung und wie du schon schreibst wir werden es immer wieder tun.
Es ist sicher von Bedeutung, dass das Image oder gar die Verehrung mancher Entwickler(-persönlichkeiten) diese über die Jahre auch haben bequem werden lassen. Warum jedes Mal das Hirn aufs Neue zermartern, wenn es auch einfacher geht – no more pushing the limits.
Andererseits denke ich auch, dass die heutigen Entwicklungskosten ein gewichtiger Grund sind. “Früher” konnte eine freshe Idee mit wenig Coding-Manpower umgesetzt werden, heute ist die Schere zwischen Flop und Hit zu breit, dass die Hersteller entsprechend drücken. Und bei den Kreativen sitzt vielleicht eine passende Schere schon im Kopf.
Und eine Burn-out-Phase hat natürlich auch jeder mal…
Das Team ist mein Held. Blizzard. Team Ico. Irrational Games. Valve. Aber auch diese Helden werden fallen.
Aber sowieso mal… ist Will Wright nich der Typ, der seit 20 Jahren das gleiche Spiel neu auflegt?
Sid Meier ebenso.
Sinnvoll sind solche “Helden” aber dennoch irgendwie. Jede Branche in der Unterhaltungsindustrie braucht ihre “Stars”. Mit sowas verkauft man auch ganz klar mehr Spiele.
Ich meine, ich war mal der Welt größter Carpenter-Fan und bin es heute eigentlich immer noch. Aber was musste ich ihm in den letzten 15 Jahren so alles verzeihen. Schnall Dich an!
Ich schaue mir seine Filme natürlich weiter alle an, keine Frage.
Ihr versteht schon, was ich meine…
Die Branche (jede Showbranche) braucht sicherlich Stars. Ohne die immer noch aktiven Superstars der 90er wären die Major Labels der MI längst pleite, da sie versäumt haben neue Stars aufzubauen, die nicht bereits nach wenigen Wochen wieder vergessen sind. Andere Branchen brauchen entsprechend aufbereitete Images und Emotionen. “Coca-Cola, Freshhh, Ahhhhh!” usw. usf.
Die Frage ist nur: Brauchen WIR das?
Wir, Sucher nach der Wahrheit die wir nunmal sind, sowieso nicht. Aber der Rest? Ich würde sagen schon.
Dabei kennen wir die Thematik der Stars in der Spiele-Branche heute ja noch gar nicht richtig. Ich orakel jetzt mal, dass das in 20 Jahren ganz anders aussehen wird.
Ich muss aber widersprechen, dass es heute so schwierig sei, “freshe” (klasse, erst 15 Jahre nich gehört den Bgriff…) Ideen umzusetzen. Es sagt ja keiner dass jeder Titel allein mit vielen Millionen Euro produziert werden kann um Erfolg zu haben. Ja, das Beispiel fängt jetzt schon an auf den Sack zu gehen, aber Braid wurde mit ca 185000$ entwickelt. Wovon angeblich schon 125000 für die XBLA-Lizenzierung draufgegangen sind. Wieviel Kopien hat der Typ jetzt verkauft? Etwa 100000? Bei den 10$ die er da pro Spiel verdient kann man sagen: War keine schlechte Idee sein Erspartes in dem Spiel zu versenken.
Weiß zufällig einer Zahlen oder sowas zu World of Goo? Kann mir vorstellen, dass es da ähnlich zugeht (wobei der Erfolg sich erst noch einstellen muss).
Und ausserdem. Einmal Applaus für das hier bitteschön “Aber was musste ich ihm in den letzten 15 Jahren so alles verzeihen. Schnall Dich an!”
Toll ;)
Eine Sache noch:
Hier dreht es sich ja primär um die ” alte Garde” von Entwickler-Stars. Aber es gibt ja durchaus auch jüngere Vertreter, die in den letzten Jahren nachgerückt sind. Zum Beispiel so Idioten wie Cliffy B., aber auch großartige Leute wie Suda51…
naja, der name cliffy b. (bzw. cliff bleszinksy) hat sich schon bei jazz jackrabbit in mein gedächtnis gebrannt. und das war 1994/1995. der typ ist also auch schon eine weil präsent.
mehr von solchen artikeln, bitte.
Dont get me started on CliffyB …
Das ist jemand, der die Molyneux’sche Kreativphase komplett übersprungen und gleich zum Heisse Luft produzieren übergegangen ist.
Ich glaube, ein entscheidender Punkt, warum es derzeit herzlich wenige Emporkömmlinge gibt, die namhaft in Erscheinung treten, ist einfach das ungeheure Wachstum, dass Produktionsteams in den vergangenen Jahren erfahren haben. Spiele sind, vom Indiebereich abgesehen (Braid und Castle Crashers bilden eher rühmliche Ausnahmen), einfach kein Werk einzelner mehr, sondern Produkte von 200köpfigen Teams. Wenn heute einzelne Personen wie Jade Raymond oder Cliffy B. in den Vordergrund gedrückt werden, dann ist das, wie SeniorGamer schon geschrieben hat, schlicht und ergreifend der Versuch, Marketing auf einer etwas persönlicheren Ebene zu betreiben. Aber nach wie vor ist es vor allem: Ein Marketingag.
Der Mythos der Designerlegende stirbt.
Ich denke auch das CliffyB absolut heiße Luft ist. Das einzige wovon er zehrt ist ein tollee Grafikdesignteam. Ansonsten ist GoW sogar kontraproduktiv gebaut, das Spiele betrifft (Motion Blur und Blur ansich sind die neuen Lenseflares!) und je brauner, desto realer.
Sid Meier dagegen ist noch immer eine “Ikone” (ich hab ihn nie als eine angesehen, aber ok) denn immerhin hat sein Civilization nie an Schwung verloren (gut, die Konsolenfassung, aber da sagte er selber das komplexe Spiele für Konsolen nicht geeignet sind, da hat eher die Konsolen müssen Einfach sein Mentalität eingesetzt)
Btw. da fällt mir auf: Der Niedergang fast aller westlichen Designer hat mit dem Einsetzen der Hauptentwicklung für Konsolen begonnen. Vielleicht ist es auch das Problem das zu viele Köche den Brei verderben..
Wobei ich bei Miyamoto finde, dass er, neben Sachen wie Wii Music oder Fit, ebenso noch Perlen wie Super Mario Galaxy leitete und in jüngerer Vergangenheit auch mit Pikmin zumindest mein Spielerherz im Flug erobern konnte.
Miyamoto ist über jeden Zweifel erhaben!
Das wirft allerdings eine andere Frage auf: Was macht Nintendo, wenn er in Rente geht?!
Die arbeiten in Japan bis se umfallen. Also haben sie noch ein paar Jahre.