Am Morgen des 9. März 1620: Ich traue meinen Augen kaum. Tagelang segeln wir nun schon entlang der Küste des neuen Kontinents. Bislang waren die einzigen Zeichen menschlichen Lebens, die ich vom Meer her ausmachen konnte, ein halbes Dutzend Häuser von Fischern am Strand einer kleinen Bucht und andere schemenhaft im Grün der wuchernden Vegetation verschwindende Holzverschläge. Der Hafen von Coimbra bietet jedoch einen gänzlich anderen Anblick: Eine lange Reihe mehrstöckiger, hell getünchter Kontore ragt, am Hang eines Hügels gebaut, in den Himmel und überstrahlt in einem Umkreis von mehreren Meilen alle anderen Sehenswürdigkeiten. Solch eine immense Anhäufung des Reichtums findet sich sonst nur in den Jahrhunderte alten Hafenstädten und Handelszentren Europas – Häuser, in denen ich vor nicht all zu langer Zeit täglich ein und aus ging, bevor meine Familie, die “de Polyneux”, bei der vespagnolischen Königin in Ungnade gefallen war und uns keine andere Möglichkeit blieb, als das Land zu verlassen.
Der Grund, weshalb die neue Welt, Granado Espada mit einem derart unerwarteten Anblick aufwartet, wird schnell sichtbar. Auf dem weitläufigen Vorplatz, gleich an der Kaimauer, tummeln sich unzählige Menschen und verhandeln, je nach Standpunkt, über den höchsten oder niedrigsten Preis für seltene Erze, exotische Gewürze und andere Waren, die gleich vor Ort umgeschlagen werden. Bevor ich den Traum, dort auch (im feinsten Seidenhemd und schönsten Brokatmantel) meinen Geschäften nachzugehen, zu Ende träumen kann, befinde ich mich jedoch schon in einer Kutsche jenseits der Stadtmauern, zusammen mit meinen beiden Geschwistern, die meine Ankunft in Coimbra erwartet hatten, auf dem Weg in das insgesamt eher beschauliche Städtchen Reboldoeux.
Auf dem Festland wird der Konflikt zwischen Kolonisten und treuen Anhängern der Krone als eine Lappalie betrachtet, tatsächlich aber nimmt er hier kriegsähnliche Zustände an. Die reichen Händler Coimbras sind Neuankömmlingen, speziell vespagnolischen Pionieren, gegenüber extrem misstrauisch, so dass es gar nicht so ungelegen kam, dass ich mich, wie jeder neue Einwohner Granado Espadas, zuerst einmal in Reboldoeux einfinden und in den Dienst der Königin stellen musste. Durch die lahme, aufgeblasene Bürokratie wurden in der alten Heimat schon regelmäßig Unternehmungen zum Scheitern verurteilt, doch hier war sie zu einer unüberwindbaren Mauer, zu einem monströs großen Verwaltungsgebäude angewachsen, das halb Reboldoeux einnahm. Darin wurde ich bei diversen Verwaltungsdirektoren vorstellig, ließ Papiere ausstellen, überprüfen und gegenzeichnen, erhielt von, dem Offizier für Pionierangelegenheiten unterstellten, Soldaten eine militärische Grundausbildung sowie zum Schluss eine Pioniersausrüstung, bestehend aus einfachsten Waffen, robuster Kleidung, Medikamenten und ein wenig Geld.
Gerade als ich zu der Überzeugung gelangt war, die Königin würde zum Krieg rüsten, erkannte ich überrascht, welch übermenschliche Leistung die Eroberung der neuen Welt gewesen war. Unser Pioniersdienst (nach dem, was ich bisher erlebt und gesehen habe, werde ich meine beiden Geschwister nicht mehr von meiner Seite weichen lassen) begann äußerst unspektakulär damit, dass wir hauptsächlich einfache Botengänge innerhalb der Stadt erledigten. Man wusste anfangs einfach nichts anderes mit uns anzufangen. In einem gut begüterten Hauhalt aufgewachsen, hatten wir unsere Ziele bis dato doch immer dadurch erreicht, dass wir unsere Angestellten und Untergebenen kommandierten – wir konnten weder zimmern noch mauern.
Während der kurzen Ausbildung hatte sich herausgestellt, dass ich dank des Fechtunterrichts während meiner Schulzeit eine ganz gute Klinge führte, meine Schwester geschickt mit dem Gewehr umging (sie hatte zum Entsetzen unserer Eltern stets darauf bestanden, mit auf die Jagdausflüge genommen zu werden) und mein Bruder, der viele Bücher über die menschliche Physiologie gelesen hatte, sich geschickt bei der Versorgung von Wunden anstellte. So schickte man uns nach kurzer Zeit quasi als Jäger los. Und das Jagen war in Granado Espada auch bitter nötig, denn Reboldoeux liegt in einem derart fruchtbaren Gebiet, dass man der Natur den kleinsten Flecken Land mit Gewalt entreißen muß. Damit dies auch regelmäßig geschieht, erhält jeder Einwohner, der nachweisen kann, eine bestimmte Menge gefährlicher Tiere oder Pflanzen zur Strecke gebracht zu haben, eine Marke, gegen deren Vorlage man sich bei jedem Händler einen festen Betrag Vis auszahlen lassen kann.
Man kann sich keine Vorstellung davon machen, welch absurde Form die Schädlingsbekämpfung hier angenommen hat. Selbst auf befestigten Wegen kommen wir außerhalb der Stadt nur wenige Meter voran, ohne auf mannshohe Giftpflanzen, sich auf zwei Beinen durch Hüpfen fortbewegende krokodilartige Reptilien oder Kreaturen von der Größe eines Kindes, deren Beschreibung der eines Basilisken erstaunlich nahe kommt, zu treffen. Führt man sich vor Augen, wie anstrengend allein das Reisen ist, wirkt die Monumental-Statue des Entdeckers des Kontinents, Ferruccio Espada, für dessen Erbauung eine riesige Fläche Wald gerodet und ein eigener Streinbruch angelegt werden musste, um so imposanter. Ein wenig raubt einem das die Illusion, man könnte hier innerhalb kürzester Zeit ein eigenes Imperium aufbauen. Ich werde mich wohl oder übel an den Gedanken gewöhnen müssen, dass in Granado Espada ohne langwierige, sich wiederholende Arbeiten überhaupt nichts erreicht werden kann.
Im ganzen Land scheint die Kolonialisierung nicht so schnell voran zu gehen, wie man gedacht hatte. Davon zeugt, dass nicht nur am Ferruccio-Monument die Arbeiten abgebrochen wurden und der untere Teil der Statue immer noch von einem Gerüst verhüllt wird. Auch das Bauwerk, das einst die größte Kathedrale der Welt werden sollte, ist unvollendet, liegt teilweise sogar in Trümmern. Es scheint so, als würde sich der Kontinent gegen seine Eroberung aktiv zur Wehr setzen, denn die Geschöpfe, die, wenn man Gerüchten glaubt, in Al Quelt Moreza Zuflucht gefunden haben, sollen geradezu widernatürlich aggressiv und gefährlich sein. Die Kinder erzählen sich gruselige Geschichten über den ehemaligen Bischof Dilos Latemn, von dem man sagt, er habe den Verstand verloren und tief in den Kellern der Kirche unzählige vermeintliche Ketzer zu Tode gefoltert, bevor er selbst starb und das Gebäude dem Verfall anheim fiel.
Naja, man wird sehen. Schließlich werde ich mir bald selbst ein Bild von diesem verwunschenen Ort machen können, mein jüngster Auftrag nämlich lautet, eine Probe Weihwasser aus dem Gebäude zu besorgen und Licht hinter den Fall von Dilos Latemn zu bringen. Sollte ich heil wieder aus den Katakomben empor steigen, werde ich unbedingt versuchen, mich aus dem festen Griff der Königin heraus zu winden und, möglicherweise mit Hilfe gleichgesinnter Kolonisten, lukrativere Unternehmungen auf eigene Faust und vor allem auf eigene Rechnung zu starten. Davon werde ich dann beim nächsten Mal berichten. Vielleicht.
10 Kommentare
Bin ich eigentlich der Einzige, der so eine Art Spielbericht nicht mehr lesen mag?
@Ranor: Dito.
also ich lese lieber solche berichte, als wieder einmal eine “grafik okay, gameplay auch, alles in allem 7,6 Punkte” auflistung.
Zufall? Vor genau einem Jahr hab ich das Spiel gespielt für 2 Monate ;D
[i]”also ich lese lieber solche berichte, als wieder einmal eine “grafik okay, gameplay auch, alles in allem 7,6 Punkte” auflistung.”[/i]
Niemand will eine langweilige Auflistung, aber dieser gewollt-geschwollene Stil mit viel Geblubber ist einfach nur nervig.
Nille, ignorier den Bauernaufstand. Cooler Text.
Schlicht gesagt: Zum Kotzen so undifferenziert, selbstherrlich sich über die langwierige Arbeit eines Hobby-Redakteurs auszulassen! Was ist denn verkehrt an dem Text? Nur weil er vielleicht nicht die Ausgeburt an Originalität ist? Sorry, aber mich hat er z.B. gut unterhalten.
Man muss ja nicht gleich jeden Text bzw. dessen Art gut finden, aber einfach nur zu schreiben, dass man sie nicht lesen mag. Schreib mal selber!
ps. Keiner wird gezwungen, sich hier irgendetwas durchzulesen. Oder doch, kriegt man dafür Kohle?
Click mal auf Ranors Namen. Er schreibt selbst. Tut aber auch nichts zur Sache. Kritik ist Kritik und die muss man, sobald man seine Texte veröffentlicht, ertragen können. Und ich glaube der Autor kann sich schon selbst ganz gut rechtfertigen. Ist nämlich schon ein Großer. Also Sheriffssternchen wieder ablegen und ganz tief durchatmen…
(Im Grunde tu ich nichts Anderes, ich weiß. Brannte mir aber gerade so unter den Nägeln.)
Wort, Pjotr :D!
>> ps. Keiner wird gezwungen, sich hier irgendetwas durchzulesen.
Noch nicht, aber wir arbeiten dran ;)