Damit wir das gleich aus dem Weg haben: wer Assassin’s Creed 2 mochte, der wird auch Assassin’s Creed: Brotherhood mögen. Wer Teil 2 der Assassinensaga von Ubisoft nicht gespielt hat, der braucht sich Brotherhood auch gar nicht anschauen, denn er wird von der Story absolut nichts verstehen. Obwohl … welche Story eigentlich? Der Zukunftsteil bewegt sich keine fünf Zentimeter weiter und kann bis auf die ersten und letzten Spielminuten sogar gänzlich umgangen werden. Er ist vollkommen optional und damit anscheinend auch für die Entwickler irrelevant geworden. Ich mochte diese Abschnitte noch nie und diesmal blieben sie mir glücklicherweise fast ganz erspart. Bleibt noch das Hauptspiel in der Vergangenheit. Im schönen Rom wird viel geredet, aber wer nun diese Borgia sind und warum die all meine schönen Wachtürme besetzt haben, bleibt bis ans Ende nebulös.
Aber um all diese Dinge soll es heute auch nicht gehen. Ich möchte viel lieber über Herausforderungen, Schwierigkeitsgrade und Belohnungen fabulieren.
Assassin’s Creed: Brotherhood ist ein Sandkastenspiel. Der Sandkasten ist Rom um 1500. Der Spieler kann sich frei bewegen und an verschiedenen Orten Aufträge annehmen, die zu 95% damit enden, dass Hauptfigur Ezio jemandem ein Messer in den Nacken rammt. Der Weg dahin ist unterschiedlich, mal muss das Opfer noch observiert werden, oder es versteckt sich in einem Gebäude, welches erst erklommen werden will, oder man muss erst jemand anderen nach dem Weg fragen, aber grundsätzlich endet alles mit der “Messer im Kopf”-Geschichte. Auf Dauer ist das nicht besonders spannend, was die Spielmomente davor umso wichtiger werden lässt. Grundsätzlich stehe ich als Spieler dann vor zwei Spielsituationen. Wenn die Entwickler in dieser speziellen Mission meinen Handlungsspielraum nicht einschränken, so kann ich auf das volle Arsenal an Tötungswerkzeugen zurückgreifen und schlachte mich einfach bis zu meinem Ziel durch. Schon in den Vorgängern waren die Kämpfe nicht besonders schwierig, aber in Brotherhood wurden zwei neue Fähigkeiten eingeführt, die den Schwierigkeitsgrad noch einmal nach unten korrigieren. Mithilfe einer Armbrust lassen sich Wachen durch einen Schuss aus der Entfernung ausschalten. Dank Ezios flinken Fingern sogar so schnell, dass man erst entdeckt werden kann, dann schnell das Bolzenschussgerät zückt und den Gegner erledigt, bevor dieser Alarm schlägt.
Wird man doch einmal erspäht und von Wachen umringt, so hilft ein neuer Angriff, den man fließend aus einem erfolgreichen Konter ausführt und der ohne Rücksicht auf die Lebensanzeige des nächsten Feindes auch diesen sofort tötet. Diese Kombo lässt sich beliebig lang fortsetzen und so erledigt man auch größere Gegnergruppen in einem Wimpernschlag. Das sieht dann sehr stylisch aus, wirklich spannend ist es aber nicht.
Das zweite Szenario ist komplett konträr zum eben beschriebenen. Aus Gründen, die nur die Entwickler kennen, gibt es Missionen, bei denen man nicht entdeckt werden darf. Wird man es doch, so gilt der Auftrag sofort als gescheitert. Keine Kämpfe, keine Flucht, keine andere Handlungsmöglichkeit. Es kommt ein Game Over Bildschirm und der letzte Speicherpunkt wird geladen. Dank KI Aussetzern, unklaren Sichtlinien und teilweise sogar Zeitlimits werden diese Abschnitte sehr schnell nervig. Anstatt einer spannenden Herausforderung bekomme ich nur Frust aufbauende Momente präsentiert.
Assassin’s Creed: Brotherhood schraubt die Anforderungen an den Spieler auf ein Minimum herunter. Es geht nicht darum, wie man etwas macht, sondern nur darum, dass man etwas macht und dabei geil aussieht. Man kann Shops und Sehenswürdigkeiten kaufen, Flaggen und Federn sammeln, über Gebäude rennen, Kurtisanen, Dieben und Söldnern helfen, aber nichts davon verlangt dem Spieler irgendetwas ab. Das Nichtstun geht im neusten Teil so weit, dass man nicht einmal mehr selber meucheln muss. Auf den Straßen Roms lassen sich Gefolgsleute anheuern und zu Assassinen ausbilden, die dann per Knopfdruck aus dem nächsten Gebüsch gesprungen kommen und die Feinde erledigen. Das sieht toll aus, macht beim ersten Mal Spaß und verwässert die eigene Einflussnahme auf das Spielgeschehen noch weiter.
Wofür macht man das eigentlich alles? Für jeden Pups erhält man Geld, welches in mehr Pups investiert werden kann, welches noch mehr Geld bringt und dann kauft man sich ein neues Rüstungsteil und wird noch mächtiger und das Spiel wird noch einfacher. Die ersten Spielstunden sind die schwierigsten, danach wir es mit jeder Minute einfacher. Sollte der Schwierigkeitsgrad eines guten Spiels nicht genau andersherum verlaufen?
Für mich war das Spielen ein einziges Dahinschweben im immer selben Gefühlszustand. Milde Freude über die tollen Orte und die flüssigen Animationen und ansonsten totales Nichts, als hätte man mir zuviel Botox ins Gesicht gespritzt. Man kann Pferde reiten, obwohl das Rennen über die Dächer viel mehr Spaß macht. Es gibt Nebenmissionen, in denen man da Vincis Kriegsgeräte steuern darf, aber auch hier kommt keine wirkliche Freude auf. Entweder ist die Steuerung im Eimer (Boot und Fluggerät) oder es endet in einer öden Schießbude (Panzer und Kanone).
Es bleibt also eine tolle Welt, in der ich gerne bin, in der ich aber das Gefühl habe, nichts eigenes zu erreichen. Ich wandere nur zwischen ein paar blinkenden Symbolen auf der Minimap umher und zerhacke arme Wachen. Die Belohnungen belohnen mich für keine Herausforderung und helfen mir bei keiner weiteren. Ich spiele einfach nur, um zu spielen. Ohne Anreize. Ohne Ziele. Wenn man so will, ist es erstaunlich, dass ich alle drei bisherigen Teile durchgespielt habe. Allein das superbe Rumhüpfen und die grandiosen Städte haben es die vielen Stunden geschafft, mich bei der Stange zu halten. Das spricht für sie und hier liegt wohl auch der größte Reiz der Reihe. Wo sonst kann man am Colosseum emporklettern, über das mittelalterliche Rom schauen und sich anschließend todesmutig hunderte Meter in die Tiefe und den nächsten Heuhaufen stürzen? Richtig. Nirgendwo.
Bevor mir in den Kommentaren wieder jemand erzählt, dass ich das Tollste am Spiel verpasst habe: ich habe den Multiplayer ausprobiert. Nicht viel, aber der eine Spielabend hat mir auch gereicht. Die Idee, dass man sich gleichzeitig unauffällig verhalten und doch sein Ziel suchen muss, ist wirklich etwas Neues und macht für einige Stunden Spaß, verliert aber doch schnell an Reiz. Das liegt natürlich zum einen an mir und meiner Abneigung gegen Mehrspielermodi, in denen man jede Runde tendenziell die gleichen Handlungen durchführt, nur eben schneller, genauer, besser, härter, höher, weiter. Das ermüdet mich meist schnell und ich will wieder zurück in eine Singleplayerkampagne und neue andere Welten entdecken.
Abgesehen davon kann der Multiplayer leider sehr schnell unfair werden, wenn schon hoch gelevelte Charaktere mit neuen Bonus-Fähigkeiten auf kleine Normalos treffen.
Was bleibt, ist also die noch immer tolle Klettertechnik und grandiose Orte, an denen man sie erproben kann. Der ganze Rest erhält von mir ein wohlwollendes Nicken. Spielerisch stecken Sandbox-Games meiner Meinung nach in einer Klemme und haben ihren Zenit dieses Jahr überschritten. Die GTA Formel mit Minimap, Missionspunkten und sich wiederholenden zusammengeklebten Aufgaben, hat sich totgelaufen. Red Dead Redemption leidete darunter schon und Assassin’s Creed: Brotherhood zeigt endgültig das etwas Neues hermuss. Mal schauen, was wir in Assassin’s Creed 3 alles an Gebäuden, Straßen, Ländereien, Pferden, Fahnen, Federn und Hühnern kaufen und sammeln dürfen.
9 Kommentare
zum Botox-Zustand (meinst wohl eher irgendwelche Drogen; Botox hat doch keinen Einfluss auf die Psyche, oder? :o): Das Problem scheint für mich an der mangelnden Identifikation mit dem Protagonisten zu liegen. Wie du selbst sagst: Warum hat jemand SEINE Türme besetzt und warum will er sie zurück?
(Ich kenne das Spiel nicht)
Assassin’s Creed ist halt die Autorennen-Reihe unter den 3rd Person Actionspielen. Eigentlich macht man nix ausser über Dächer zu rennen und eigentlich kann auch nix passieren ausser dass man an der falschen Stelle bremst und vom Dach fällt. Das Spiel flutscht halt so durch und darf das auch, für die “Frustmomente” (sorry für die Gamestar-Sprech) sind Meatboy und Konsorten da. Assassin’s Creed ist für Architekturfreunde, grade Brotherhood ist mehr Museum als Spiel, vielleicht begreifen sie das ja mal in 10 Jahren und streichen das doofe gemorde ganz raus.
Habe mich auch gefragt, was der Vergleich mit Botox hier soll? Ich jedenfalls verstehe ihn nicht.
Zum Thema Schwierigkeitsgrad: Ich habe keine Probleme damit, dass die Anspruchskurve in solchen Spielen fällt. Immerhin wird man als Assassine stärker, lernt neue Fähigkeiten und so weiter. Da erscheint es nur logisch, dass sich Feinde dank erhabener Stärke leichter ausschalten lassen. Dass AC an sich zu einfach ist, das Problem hatte die Serie schon immer.
Was ist denn an dem Botox-Bild nicht bzw. falsch zu verstehen? Daniel meint damit doch lediglich, dass ihn das Spiel zu keinerlei Gefühlsregung animieren konnte.
Und ein Spiel, dessen Spwierigkeitsgrad von Anfang bis Ende stetig abnimmt, halte ich nicht für normal, sondern für verfehlt. Das ist wie eine klassiche Derrick-Folge: Gleich am Anfang sieht man den Mord inklusive Mörder und kann den Rest der Zeit pennen…
Das liest sich ja wie eine Metapher auf das moderne Leben. Es geht vor allem um den Schein; man kommt auch an Geld, ohne etwas können zu müssen und hat man erst einmal genügend davon, dann vermehrt es sich, ohne dass man gross was dafür tun muss. Danach wird alles vermeintlich ständig leichter. Man kann es sich dann sogar leisten, die dreckige Arbeit von anderen machen zu lassen. Die Herausforderung sinkt und damit steigt die Langeweile, die dazu führt, dass man sich mit dem Geld, das man eigentlich gar nicht braucht, einfach Sachen aus dem Shop holt, die man ebenfalls gar nicht braucht. Aber sie sehen geil aus.
Das bringt mich zurück auf die Thematik, dass heutige Spiele schlichtweg zu einfach sind. Nicht weil ich ein elitärer Hardcore-Zocker wäre, aber sogar ein Dreijährigen könnte z.B. Black Ops zocken und locker durch die ersten paar Levels kommen, ohne zu verstehen, was passiert. Die KI-Kameraden erledigen alles für einen. Man ist nicht mehr Spieler, sondern lediglich Zuschauer. So macht es einfach keinen Spass mehr… :'(
Black Ops verfügt aber auch über einen harten Schwierigkeitsgrad (Veteran). Wenn du auf schwere Spiele stehst, kannst Du auch mal Donkey Kong Country Returns probieren.
Ich persönlich mag Herausforderungen, die sollten aber auch nicht zu schwer sein. Ein Spiel soll mich unterhalten und nicht in Arbeit ausufern. Den schweren Schwierigkeitsgrad fasse ich daher niemals an, sondern spiele meist auf normal oder gar leicht.
@Player1: Ich finde vor allem dieses Jahr kamen wieder ein paar schwere Spiele raus.
Metroid Other M, Donkey Kong Country Returns, Castlavania: Lords of Shadow und allen voran natürlich Super Meat Boy. Alles Spiele, die auch im normalen Schwierigkeitsgrad, sofern überhaupt einstellbar, ordentlich anspruchsvoll sind. Der letze Level (6.5) vor dem Endboss in SMB macht mich fertig und nur 3 Leute in meiner 100 Leute umfassenden Friendslist haben den überhaut geschafft, wie ein Blick in die Highscoreliste offenbarte.
Also wenn du nicht weißt, “wer diese Borgia sind”, dann hast du weder diesen, noch den letzten Teil, sehr aufmerksam gespielt :)
Das mit dem Schwierigkeitsgrad habe ich ganz anders empfunden aber okay, ist halt bei jedem anders.
Dass ich die Story aller Assassin’s Creed Teile nicht besonders fokussiert verfolgt habe, kann ich nicht verneinen. Sie wird leider in einer Art vorgetragen, die ich als öde beschreiben würde. Meist stehen zwei Menschen in Cut-Scenes nebeneinander und erzählen sich verdrehte Geschichtsfakten, welche die Entwickler aus einem Lexikon abgeschrieben haben.
Mir ist schon klar, “wer diese Borgia sind”. Die Bösen. Mehr bekommt man über sie auch nicht erzählt. Ihre Motivation besteht darin, böse zu sein und die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Falls in den ganzen Datenbankeinträgen kluge und spannende Informationen versteckt sind, so habe ich diese nicht gelesen. Der Trend zu langen Erklärungstexten in Spielen nervt mich auch tierisch. Ich möchte gerne alle wichtigen Dinge während des Spiels erfahren und nicht in irgendwelchen Untermenüs suchen müssen.
Aber zurück zu AC:B. Ich laste dem Spiel seine durchschnittliche Story gar nicht als schweren Kritikpunkt an. Darum geht es bei AC auch gar nicht. Es geht um die Orte, es geht um den von Ben so schön als Museum beschriebenen Teil des Spiels. Der ist erste Sahne, aber die spielerischen Handlungen und die Verschwörungs-Pseudo-Historische-Kitsch-Story sind als halbgar zu vernachlässigen.