Polyneux spoilert ALLES! Zumindest alles, was mit Beyond: Two Souls zu tun hat, denn das haben wir versprochen. Wir begannen, unsere Eindrücke zur Geschichte und ihren Zusammenhängen, zu alternativen Lösungswegen, zu den Charakteren und dem Spieldesign zu sammeln und stellten bald fest, dass wir zu fast jedem Kapitel Relevantes, wie wir hoffen, zu besprechen hatten. Unser Text wuchs und wuchs und sprengte schließlich die Grenzen eines Artikels – oder drei. So kommt es, dass unsere Storybesprechung die nächsten Tage als Tetralogie erscheinen wird. Wenn man SpielerZweis allgemeine Fragestunde mitzählt, ist es sogar eine Pentalogie!
– Teil 1: Allgemeines Gespräch (spoilerfrei)
– Teil 2: Prologue; Kapitel 1 bis 9
– Teil 3: Kapitel 10 bis 15
– Teil 4: Kapitel 16 bis 21
– Teil 5: Kapitel 22 bis 24; Epilogue
Chris: Wie geht man an ein neues Spiel von Quantic Dream heran, wenn man vom Finale des vorletzten Spiels enttäuscht war und mit der konfusen Story und den unsymphatischen Charakteren des letzten Spiels nicht viel anfangen konnte? Ich wäre gerne unvoreingenommen und bin doch von Beginn an unleidlich.
Warum läuft Beyond im CinemaScope-Format, obwohl es nie in einem Kino zu sehen sein wird? Warum packt man die Untertitel mit ins Bild und nicht in den schwarzen Rand, den die PS3 über und unter das gerenderte Bild bastelt? Warum hat Ellen Page keine Haare?
Zwerg-im-Bikini: Meine Erwartungshaltung war eine andere, denn ich war von Fahrenheit und Heavy Rain ziemlich angetan gewesen und hatte Beyond lange entgegenfiebert. Also los! Ich hatte mir extra nichts über die Handlung durchgelesen und freute mich jetzt einfach nur tierisch auf das Spiel. Deshalb stellten sich mir die Fragen gar nicht, die Chris zu Beginn gequält haben.
Doreen: Ich erwartete nicht viel und der letzte Trailer der E3 ließ mich ein bisschen mit blutendem Herzen zurück. Beyond machte so gar keinen Eindruck mehr auf mich, aber trotzdem wollte ich es, ganz schnell und hart. Und dann, das erste Bild, der erste Ton auf dem großen TV… Man beachte die kleinen Narben und die trockenen Lippen im Gesicht von Jodie/Ellen Page in der Nahaufnahme, das sieht einfach wahnsinnig toll aus. Und von der Art und Weise, wie sie “human being” ausspricht, fange ich gar nicht erst an. Ach, was rede ich, eigentlich spiele ich das Ding nur ihretwegen!
Chris: Dito. Und auf Englisch. Ich habe mir die erste Viertelstunde in beiden Sprachversionen gegeben, schlicht um den Vergleich zu haben. Die deutsche Fassung wurde ja vielfach gelobt. Letzten Endes spielt aber gerade dank Page und Dafoe die englische Originalfassung noch einmal in einer anderen Liga.
Chris: Ich fahre mit dem Daumen über die Tasten des Gamepads, in Erwartung des Momentes, an dem ich ins Geschehen eingreifen kann. Ich drücke am Analogstick herum, um zu sehen, ob sich dadurch wenigstens die Kameraperspektive ändert. Nichts passiert. Auch die zweite Szene ist komplett interaktionsfrei – bisher ist das hier nur ein nicht besonders guter Film, aber kein Spiel.
Doreen: Die Szene auf dem Polizeirevier gefällt, ich kannte sie schon aus den Trailern. Der Schweiß auf der Haut von Jodie und dem Polizisten sieht so echt aus. Was soll die fliegende Tasse? Was soll diese Narbe an Jodies Kopf? Dann plötzlich nur noch Verwüstung und mittendrin Willem Dafoe. Ich ging anders an das Spiel heran als noch bei Fahrenheit und Heavy Rain. Ich war dieses Mal sehr skeptisch, aber ich freute mich auf Ellen.
Zwerg-im-Bikini: Immer noch eingelullt vor Vorfreude bewunderte ich die hübsche Grafik. Mir hatte die eher bodenständige Handlung von Heavy Rain zwar auch gefallen, aber der Mystery-Ansatz von Beyond liegt mir noch etwas mehr. Was ich sah, machte mich direkt neugierig. Vor allem, weil man Jodies Kräfte am Anfang noch nicht wirklich einschätzen kann.
Chris: Große Freude darüber, dass ich endlich etwas tun darf. Auch wenn mir die Kameraperspektiven oft zu eingeschränkt sind und Jodie recht träge durch die Gänge schlurft. Das relativiert sich alles, wenn man zum ersten Mal Aiden steuern darf: Dieses Freiheitsgefühl! Plötzlich wirbelt man rasant herum, taucht durch Wände, schaut sich dieses und jenes an und ärgert seine Beobachter. Das wirkt nur deshalb, weil der Kontrast zu Jodies eingeschränkter Bewegungsfreiheit so groß ist.
Doreen: Hier bekam ich das erste Mal ein Gefühl dafür, wieviel Spaß es gemacht hätte, mit Aiden noch viel mehr umherzuspuken und die Leute in Angst und Schrecken zu versetzen. Den einen Typen hinter dem Spiegel konnte ich sogar gleich in Besitz nehmen, haha, ja irgendwie war das cool. Je mehr Chaos, desto intensiver auch die Musik. So ein kleines bisschen roch es auch nach Terror. Leider sind die Möglichkeiten dieser Art im gesamten Spiel sehr eingeschränkt, aber trotzdem bekommt man in dieser Szene einen schönen ersten Eindruck von Aiden und es machte Neugier auf mehr. Jodie als Kind, sie ist hier vielleicht 5 oder 6 Jahre alt – sehr süß und ich kann mir wirklich vorstellen, dass Ellen Page so aussah als kleines Mädchen.
Zwerg-im-Bikini: Okay, die Steuerung fällt also intuitiver aus als bei Heavy Rain. Einerseits gut, andererseits mochte ich bei Heavy Rain nach einer kurzen Eingewöhnungszeit das Gefühl, die Bewegungen tatsächlich auszuführen. Aber so ist es schon besser. Mit der Kameraperspektive ging es mir wie Chris: Noch viele Kapitel später wunderte ich mich, weshalb ich mir bestimmte Ecken der Zimmer auch mit noch so schmerzhaften Daumenverrenkungen nicht ansehen durfte. Diese Einschränkungen wirken etwas willkürlich. Aber kaum wabere ich als Aiden durch die Wände, kam ich mir herrlich frei vor und wie in einem Poltergeistsimulator. Das machte Spaß! Obwohl man nichts über ihn erfährt, fühlte ich mich ihm direkt verbunden und freute mich darauf, ihn von jetzt an an meiner Seite zu haben.
Chris: Das Level ist an sich nicht groß, die Szene nicht lang, aber ich bin mir nicht sicher, ob man bei Quantic Dream korrekt eingeschätzt hat, wie sie wirkt, wenn man das nachfolgende Spiel und Jodies kompletten Lebenslauf nicht kennt. Ich habe noch mit der Steuerung von Aiden gekämpft und recht lange gebraucht, um herauszufinden, was hier überhaupt von mir erwartet wird.
Doreen: Oh Gott, ein Abendkleid. Ich musste erstmal lachen, denn ich hätte an Jodies Stelle nicht anders ausgesehen. Verkrampftes Gesicht, unbequeme Absatzschuhe, lästiges Make-Up. Ryan an meiner Seite erschütterte mich im ersten Moment. Wer ist dieser triste Typ? Okay, irgendein Auftrag, irgendwas Berufliches musste ich mit Aiden hier tun. Aber vorher ging ich erstmal allein zum Buffet und holte mir einen Drink. Ich entdeckte die lustigen Schilder für die Toiletten, alles ging wie von selbst. Was genau ich dort machte, habe ich bis heute nicht verstanden – ich habe den Scheich nie wieder gesehen. Der Abschnitt, in dem Jodie auf Zetteln aufschreibt, was Aiden sieht, erinnerte mich sehr stark an die Auflösung vom Film The Others mit Nicole Kidman. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, Cage hat sich sehr davon inspirieren lassen. Anyway, zumindest habe ich hier kapiert, dass es Jodie schwächt und schmerzt, wenn Aiden zu weit entfernt ist.
Zwerg-im-Bikini: Das Automatische Schreiben ist eine ziemlich verbreitete Methode bei Seancen, um Kontakt mit Geistern aufzunehmen. Das muss also nicht zwangsläufig durch The Others inspiriert worden sein. Wobei ich kein Profi auf dem Gebiet bin und nicht weiß, ob die dabei immer die Augen so verdrehen. Auch mein erster Gedanke war bei diesem Kapitel: Wer ist der Langweiler neben mir?! Also neben Jodie natürlich… ich versetze mich immer zu schnell in meinen Charakter hinein. Dementsprechend unwohl fühlte “ich” mich auf dieser feinen Party und flüchtete schnell in die Toilette. Eine sehr interessante Spielmechanik fiel mir dabei zum ersten Mal auf: Das Belauschen weit entfernter Personen durch Aiden. Schade, dass es selten relevant für das Weiterkommen ist, aber zumindest machen diese freiwilligen Spionageaktionen die Spielwelt lebendiger und geben einem hin und wieder kleine Zusatzinformationen.
Da saß ich nun also auf der Toilette, beschloss meinen Auftrag zu erledigen und verirrte mich dann erst einmal. Es ist doch etwas anderes, durch zwei kleine Räume zu fliegen, als sich in einem verwinkelten, zweistöckigen Haus zuechtzufinden. Ich hätte besser zuerst nachsehen sollen, wo ich eigentlich lang muss. Aber Beyond ist, was den Levelaufbau angeht, glücklicherweise idiotensicher und ich landete nach kurzem Herumgeeier fast wie von selber im Zimmer des Scheichs. Inhaltlich sagte mir das alles, dass ich also früher selber für die Regierung gearbeitet hatte, und dass ich einen Chef hatte, der ein Langweiler war. Im Traum fiel mir nicht ein, dass ich ihn zu einem Dinner einladen würde. Aber dazu später mehr…
Chris: Ich hasse diese Szene. Von Anfang an schreit alles nach Ärger. Das geschickt gewählte Geschenk, die verzogenen Gören. So sehr man sich auch bemüht, das drohende Ungemach abzuwenden, die Eskalation kommt. So unglaubwürdig diese Eskalation im speziellen Fall auch sein mag, denn die Szene ist recht variationsarm. Es geht auch auf die schlimmstmöglichste Art aus, wenn man eigentlich keinen Anlass dafür gibt. Aber das Gefühl von Macht, wenn man als Aiden Rache übt! Die passende Musik von Lorne Balfe, dem Hans-Zimmer-Spezi, der auch schon Assassin’s Creed 3 vertont hat. Herrlich übrigens das Music-Making-Of, in dem Zimmer gegen Ende minutenlang in völliger Regungslosigkeit erstarrt, während Balfe die Musik erklärt. Absolut großartig!
Doreen: Ich mochte diese Szene. Jodie ist hier ungefähr 14, glaube ich, schüchtern und unsicher, sie konnte einem leid tun. Die übrigen Teenager waren die typischen Pestbeulen, da taugte ja so rein gar niemand etwas. Für mich stand schnell fest: Geht irgendjemand Jodie übel an, will ich unbedingt dagegensteuern. Der Beschützerinstinkt war voll da. Und im nächsten Augenblick stand ich plötzlich schon mitten im Raum und musste mit dem blonden Jüngling tanzen. Als ich dann entscheiden konnte, ob ich den Kids eine kleine Kostprobe von Aiden gebe, entschied ich mich dafür und dann geriet die Sache aus dem Ruder. Egal was man tut, die Situation eskaliert jedes Mal und man landet immer eingesperrt im Wandschrank. Natürlich nahm ich mit Aiden Rache und hatte einen Mordsspaß dabei. Das war genau das, was ich gerne noch öfter getan hätte. In dieser Szene am Ende anders zu entscheiden, hob ich mir wieder für später auf.
Zwerg-im-Bikini: Natürlich habe ich mich ebenfalls für die offensichtliche Lösung entschieden und Aiden das gesamte Zimmer auseinandernehmen lassen. Schade, dass mein Verhalten davor anscheinend keine Auswirkungen auf den Handlungsverlauf hatte… aber andererseits auch verständlich bei einer solchen Ausgangssituation. Die Vollpfosten hat halt nicht interessiert, was für ein liebes Mädchen ich eigentlich sein will. Selber Schuld! Ihr hättet so eine coole Freundin mit Gespensterkumpel haben können, aber ihr wolltet ja stattdessen lieber herumpöbeln und mir den Tag vermiesen. Ich merkte hier langsam, dass ich die Szenen mit der jüngeren Jodie allgemein spannend fand. Vielleicht, weil man realistisch umgesetzte Kinder und Jugendliche selten in Videospielen steuern darf. Und die Alltagsszenen liegen Cage sowieso.
Doreen: Eine kurze, aber interessante Szene. Jodie trifft zum ersten Mal auf Dawkins in seinem Büro. Witzig ist, dass sich in dem Zimmer alles befindet, was man über ihn wissen muss. Dazu gehört vor allem das Foto seiner Familie auf dem Schreibtisch. Irgendwie war mir hier von Anfang an klar, dass das irgendwann noch eine Rolle spielen wird. Die Entwicklung von Dawkins war von Beginn an recht vorhersehbar. Er wirkte wie ein netter, verständnisvoller Wissenschaftler, der recht schnell und gekonnt einen Draht zu Jodie fand – hier wurde nicht viel Zeit verschenkt. Ich liess Jodie ein Bild von Aiden malen, ich sollte es für immer behalten.
Zwerg-im-Bikini: Diese Szene hat mir aus zwei Gründen gefallen: Zum einen weil ich ziemlich lange das Büro als Aiden untersucht habe, denn mit vielen kleinen Details gestaltete Zimmer haben es mir schon immer angetan. Zum anderen, weil ich mich bei dem Gespräch so fühlte, als könnte tatsächlich ich entscheiden, wie viel ich über Aiden verrate. Das fiese daran war, dass man als Spieler zu diesem Zeitpunkt ja selber noch kaum etwas weiß. Als ich gefragt wurde, ob ich ein Bild von ihm malen kann, kitzelte es mich kurz in den Fingern, weil ich neugierig auf das Ergebnis war. Aber dann entschied ich mich dagegen, weil ich es ja nicht konnte. Und ich war schließlich Jodie. Es erschien mir unrealistisch, dass sie Aiden als eine sichtbare Erscheinung wahrnehmen konnte.
Chris: Die ersten Stunden von Beyond sind reich an Brüchen. Warum plötzlich die CIA? Was macht Jodie da? Und warum fährt sie auf den charismabefreiten Sunnyboy ab, der ab und an unmotiviert in der Szene herumsteht und noch weniger Mimik hat als Hans Zimmer?
Doreen: Ahh, naja. Die Ausbildung bei der CIA fand ich gar nicht mal so verkehrt, allerdings nur auf Jodie bezogen. Ich kann mir vorstellen, dass außerordentlich talentierte Leute aufgrund ihrer Begabung für gewisse Einsätze rekrutiert werden. Ich denke da mal spontan an den Film Good Will Hunting. Anfangs wehrt sich Jodie dagegen und später findet sie Gefallen daran, weil sie merkt, dass ihr die Sache irgendwie liegt. Sie hat einfach Talent dafür und ich glaube, sie fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben einer Sache wirklich sicher. Es wird etwas von ihr verlangt und genau das kann sie erbringen. Je besser sie wird, desto mehr Bestätigung bekommt sie von Ryan und Kollegen. Dass Ryan ein vollkommener Schmock ist, wird hier aber schon ziemlich gut deutlich.
Chris: Okay, die Argumentation kann ich nachvollziehen. Was mich hier irritiert hat, ist der Tutorial-Charakter der gesamten Szene. Ich sah schon einen Haufen übler CIA-Missionen mit Deckungsshooter-Einlagen auf mich zukommen.
Zwerg-im-Bikini: Mich hat das CIA-Training aus Story-Sicht auch nicht gestört, allerdings fand ich es im Vergleich etwas langweilig. Ein ganzes Spiel, das nur aus Dialogen besteht, wäre natürlich zu trocken gewesen, aber ich hatte bei den Actionszenen das Gefühl, dass es fast egal ist, wie ich mich anstelle… und das motiviert einen nicht unbedingt. Bei Heavy Rain und Fahrenheit war die Herausforderung, soweit ich mich erinnere, größer. Schade, denn sie haben sich diesmal bemüht, das Knöpfchendrücken logischer einzubauen. Das merkt man vor allem in den Kampfszenen. Aber auch dabei besteht, finde ich, noch Verbesserungsbedarf. Bei Heavy Rain wusste ich genau, was ich falsch gemacht habe, wenn ich eine angezeigte Taste nicht getroffen habe. Hier habe ich oft nicht genau gewusst, in welche Richtung ich mich wegducken soll, und deshalb versagt.
Wie gesagt… letztendlich ist es egal, weil man sowieso nicht verlieren kann. Aber trotzdem ärgerten mich diese Patzer mehr, als wenn ich einfach nur zu langsam gewesen wäre. An Ryans Auftritt erinnere ich mich ehrlich gesagt gar nicht… Vielleicht war ich zu schlecht beim Training und deshalb wollte er nichts von mir wissen.
Chris: Mangelhaftes Drehbuch! Regiefehler! Motivation der handelnden “Person” ist unklar! Jodie schläft im Zug. Ich spiele Aiden und will jetzt wirklich nicht herumstressen, aber scheinbar erwartet das Spiel, dass ich genau das tue. Nur: Warum sollte ich? Irgendwann erbarme ich mich, schmeiße eine Wasserflasche um und werde dafür prompt von Jodie gerüffelt. Sagenhaft. Ich wollte das doch gar nicht! Erst jetzt hält der Zug, erst jetzt kündigt sich die kommende Durchsuchung an, erst jetzt habe ich ernsthaft einen Grund, Jodie zu wecken.
Die anschließende Verfolgungsjagd ist für mich die erste richtig spannende Szene im Spiel. Die erste Szene, die mich wirklich in die Handlung hineinzieht. Das hält ungefähr bis zu der Stelle an, an der Jodie umzingelt ist und Aiden sie herausboxen muss. Ich verfliege mich andauernd und brauche viel Zeit, bis ich Interaktionsmöglichkeiten finde, von denen es für meinen Geschmack hier viel zu wenige gibt. Dieses Gefühl von Macht, das ich bei der Rache nach der Party hatte, mag sich deshalb hier nicht einstellen.
Zwerg-im-Bikini: Och, unklare Motivation… Ich mag es, wenn mir Rätsel aufgegeben werden und die Geschichte nicht chronologisch erzählt wird. Lieblingsfilm: Memento. Lieblingsserie: LOST. Das härtet ab. Ich habe erst einmal gar nicht danach gefragt, warum Jodie auf der Flucht ist – das würde bestimmt noch erklärt werden, und wenn nicht, auch egal. Klar war, dass sie nicht geschnappt werden dürfte, und darum bemühte ich mich. Ich habe es tatsächlich beim ersten Anlauf bis zum Ende geschafft, auch wenn ich im Wald sicher war, mich verlaufen zu haben. Erstaunlich, dass es dort anscheinend nur einen engen Weg gab, dass ich es aber in der Eile nicht so wahrgenommen habe.
Gezogen hat sich dann nur das Ende, als ich am Kino verschanzt war. Ich hatte das Gefühl, nur stumpf einen Polizisten nach dem anderen suchen und übernehmen zu müssen. Wieso kann ich nur bestimmte übernehmen? Wieso darf ich hier nichts machen, was die Handlung nicht unbedingt voranbringt? Einfach ein bisschen Chaos stiften… Oder hätte man nicht wenigstens zwei, drei verschiedene Möglichkeiten haben können? Anscheinend gab es ja nur den Weg, die Polizisten nacheinander zu übernehmen und dann den Hubschrauber abstürzen zu lassen. Abgesehen davon hat mir aber das gesamte Kapitel wegen seiner Inszenierung sehr gut gefallen. Man fühlte sich tatsächlich gehetzt.
Doreen: Der Abschnitt ist bei mir beim ersten Mal total chaotisch abgelaufen, aber das ist mir erst klar geworden, als ich meinen zweiten Durchgang spielte. Außer im Wald bei den Hunden, wurde ich immer von der Polizei geschnappt. Zum ersten Mal im Zug, danach ich konnte wieder fliehen. Im Wald war es finster wie im Bärenarsch, aber ihn hatte ich auf Anhieb gepackt und bei der Straßenbarriere hatte ich dann wieder versagt. Danach war das Kapitel zu Ende. Das absolute Finale in Bakertown mit dem Swat-Team habe ich erst beim zweiten Durchgang erlebt. Das war ziemlich geil. Ich war überrascht, dass da noch was gekommen ist. In “Hunted” ist man ja noch relativ am Anfang des Spiels, es war also noch genug Zeit herauszufinden, weshalb Jodie auf der Flucht war. Die Frage nach dem “Warum” habe ich zu diesem Zeitpunkt auch noch genossen. Meine einzige Motivation war es, mit Jodie einfach nur abzuhauen und das tat ich. (“Next time, i’ll kill everyone” <3).
Chris: Wahrscheinlich gab es vorher schon welche, aber ich sehe hier die erste Bonusfreischaltung für Aiden und halte sie aus dem Stand heraus für richtig beschissenes Gamedesign. Anstatt mich für Aktionen innerhalb des Spiels mit Boni und Freischaltungen zu belohnen, fügt man einen eigenen Interaktionspunkt ein, der innerhalb der Spielwelt keinen einzigen Zweck erfüllt, sondern ausschließlich durch die vierte Wand bricht, um irgendwelche Making-Of-Videos freizuschalten? Warum bitte muss ich diese Videos überhaupt freischalten und kann mir das Making Of nicht einfach komplett ansehen, sobald ich das Spiel einmal beendet habe?
Alltagsszenen sind das, was Cage am Besten beherrscht. Das zeigt sich auch hier. Wie Aiden versucht, Jodie vor dem Mittagessen Kekse zu verschaffen – das kann schiefgehen oder auch nicht, man kann es auch ganz lassen. Die Szene mit den Puppen. Das Einschlafenlassen. Mich irritiert nur, dass Jodie scheinbar niemals rennt. Sie muss das einzige Kind auf diesem Planeten sein, das überall nur langsam hinschlurft, aber es nie eilig hat.
Doreen: In meinem ersten Spieldurchgang hatte ich gerade mal einen Bonus freigeschaltet und das war ausgerechnet der, der einem direkt vor die Nase gehauen wird in “The Mission”.
Zum Kapitel selbst: Cage hat definitiv ein Faible für Schnee, Obdachlose und Übernatürliches, soviel steht fest. Das wiederholt sich irgendwie immer wieder in seinen Spielen. Der Vater präsentiert sich als absolut unfähig, auch nur annähernd väterliche Gefühle zu zeigen und die Mutter ist die Leidtragende dieses Fluchs, der sich Ehe nennt. – Ein himmelweiter Unterschied in der Intensität, aber einige Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen: Regan in The Exorcist lag auch auf einem bebenden Bett und bekam Schnittwunden auf der Haut, als der Dämon sie heimsuchte. Hm, kann mir das aber auch nur einbilden.
Chris: Eine großartige Sache noch: Jodie sieht ihren Eltern nicht ähnlich! Das ist eine Sache, die man aus Film und Fernsehen geradezu gewohnt ist, die hier – und in Videospielen generell – aber eine größere Rolle spielt. Denn die sechsjährige Jodie ähnelt Ellen Page ungeheuer, obwohl das für die Darstellerin des Kindes sicherlich nicht gilt. Man kann das Erscheinungsbild der Charaktere anpassen. Man hätte ihre Eltern so darstellen können, dass die Verwandschaftsbeziehungen klar sind, wenn man das denn gewollt hätte. Offenbar wollte man nicht. Dass es dem Vater völlig an väterlichen Gefühlen für die Kleine mangelt, kommt noch dazu.
Doreen: Du sagst es. Dazu noch die Möglichkeit, in das Schlafzimmer der Eltern zu gehen und mit Aidens Hilfe einen Karton vom Schrank zu holen. In diesem befindet sich ein Foto von Jodie und der Mutter, welches bei der Kleinen ein ungutes Gefühl auslöst. Eine Art Kälteschauer war es wohl, glaube ich. Alles vollkommen optional, obwohl das nicht ganz unbedeutende Dinge sind. Mir gefällt das.
Zwerg-im-Bikini: “My imaginary friend” gefiel mir unheimlich gut. Wie viel Mühe sie in das Haus gesteckt haben, obwohl es nur in dieser einen Szene vorkommt! Darüber kam ich nicht hinweg. Dabei dürfte die Szene den meisten Spielern weniger in Erinnerung bleiben als spätere, in denen sich die Handlung zuspitzt.
Aber nicht nur durch die Umgebung fühlte ich mich in Jodies Kindheit zurückversetzt, sondern auch durch die Tätigkeiten. Der Mutter etwas aus der Garage holen, Kekse klauen, mit Puppen spielen, eine Schneeballschlacht veranstalten… Nicht alles davon MUSS man tun, aber es trägt sehr zur Atmosphäre bei. Außerdem hatte ich einen echten Aha-Moment, als Jodie das Haus verließ. In ihrer Winterjacke sah sie so echt aus, dass es kaum einen Unterschied zu einem echten Kind gab. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die einen über gute Grafik staunen lassen.
Die Eltern, die Nachbarskinder, Jodie… sie wirkten alle überzeugend und es wird klar, weshalb sie abgeschoben wurde. Über eine Szene musste ich allerdings grinsen, und zwar beim Einschlafen. Die Idee, dass man sich herumwälzt, weil einem langweilig ist (man will ja einschlafen, kann aber nicht) wurde nett umgesetzt. Ich wollte ausprobieren, was passiert, wenn man einfach ruhig liegen bleibt… aber dann geht es nicht weiter. Irgendwann wälzt man sich dann aus Langeweile doch in Bett herum. Entweder eine ganz blöde Spielmechanik oder eine, die der Realität sehr nahe kommt.
Doreen: Das war das erste Kapitel, bei dem ich mit starkem Kopfschütteln zu kämpfen hatte. Dawkins benötigt Jodies Hilfe, da die DPA bei einem ihrer Experimente mit der Infrawelt die Kontrolle verloren hatte. Es wurde ein Portal geöffnet, durch das dunkle Existenzen des Jenseits in unsere Welt gelangten. Nur Aiden kann irgendwie gegen diese Viehcher etwas anrichten und Jodie sollte das Portal wieder schließen. Atmosphärisch war das Kapitel recht düster und es gefiel mir, mit Hilfe der Toten in dem zerstörten Gebäude die Geschehnisse zu rekonstruieren. Nur leider nimmt das Kapitel hier zum Finale diese wahnsinnigen Züge an, die einfach nicht mehr meins waren. Wie schön wäre es gewesen, sich mehr auf Jodies Gabe zu beschränken und ihre Besonderheit mehr für sich sprechen zu lassen, als noch die großen Ungetüme aus der anderen Welt mit einzuflechten. Jodie und der übernatürliche Aiden. Das war doch schon das Einzigartige, es brauchte einfach keine zusätzlichen dunklen Wesen ohne Gesicht. Ich war niedergeschlagen. Ich wollte die Geschichte nicht so abdriften sehen. Merkwürdig auch: Wenn man es bis zum Ende nicht schafft, weil man die QTE verbockt, dann bleibt das Portal einfach mal offen. Tja, das ist dann halt einfach so.
Zwerg-im-Bikini: Interessant, ich wusste gar nicht, dass man komplett versagen kann und das Portal dann offen bleibt. Es ist doch nett, etwas bewirkt zu haben. Bei dieser Szene fühlte ich mich das erste Mal wie auf einer richtigen Mission und das war gar nicht schlecht umgesetzt. Die Actionszenen haben mir diesmal mehr Spaß gemacht als bei dem CIA Training, weil sie nicht so geballt kamen, und dadurch weniger auffiel, wie stumpf sie eigentlich sind. Zwischendurch die Erinnerungen der Toten anzuzapfen war eine interessante Abwechslung, wobei wieder die Frage in mir aufkam, warum es bei manchen geht und bei anderen nicht. Es wäre schön gewesen, wenn dies zumindest knapp im Verlauf der Handlung aufgegriffen worden wäre. So hat es mich immer wieder daran erinnert, dass ich nur Dinge tun kann, die für das Spiel relevant sind.
Dass es ein Portal in die andere Welt gab, und dass von dort böse Dämonen zu uns durchdringen wollen, hat mich nicht gestört. Nicht die innovativste Idee, aber spannend genug umgesetzt, und irgendwie mag ich diesen übertriebenen Quatsch.
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