Der Abschluss unserer Reihe über Beyond: Two Souls! Wenn Ihr das Spiel kennt, seid Ihr wie immer herzlich eingeladen, Eure Gedanken in den Kommentaren mit uns zu teilen. Wenn Ihr das Spiel nicht kennt, aber noch spielen wollt, macht Ihr besser einen Bogen um diesen Artikel.
– Teil 1: Allgemeines Gespräch (spoilerfrei)
– Teil 2: Prologue; Kapitel 1 bis 9
– Teil 3: Kapitel 10 bis 15
– Teil 4: Kapitel 16 bis 21
– Teil 5: Kapitel 22 bis 24; Epilogue
Doreen: Okay, hier ist es also – das Kapitel des Grauens. Wir beginnen auf Ski bei eisigen Temperaturen um die -40 Grad. Die Basis war mit Aidens Hilfe schnell ausgemacht, denn hier war es plötzlich wieder möglich, ihn viele Meter weit zu schicken, um eine ganze Lagerhalle auszuspähen. Ausgerechnet Jodie und Ryan begeben sich daraufhin mit einem U-Boot in die unter Wasser liegende Basis und beide sind natürlich auch in der Lage, dieses U-Boot zu steuern. Dort angekommen, werden Jodie und Ryan relativ rasch gefangen genommen und aufgrund der Experimente mit den Existenzen der Infrawelt, gibt es in der Basis auch Eindämmungsfelder. Diese trennten Jodie und Aiden, was bedeutete, dass Aiden allein einen Weg finden musste, diese Felder zu deaktivieren, um wieder zu Jodie zurückkehren zu können.
Hier habe ich die Gelegenheit auch mal genutzt und Ryan während der Folter ziemlich leiden lassen. Eigentlich kann ich Derartiges nicht wirklich durchziehen, ich werde am Ende doch oft wieder weich, aber hier war ich glashart.
Nachdem Aiden die Barrieren deaktiviert hatte, begann die Basis immer mehr in sich zusammenzubrechen. Das wahnsinnige Elend nahm seinen Lauf, als Jodie in den einzigen (und natürlich für sie passenden) Taucheranzug stieg und sich auf dem Meeresboden aufmachte, mit C4 den Kondensator zu zerstören. Jetzt traue ich mich gar nicht, die überdimensional große, dunkle Existenz zu erwähnen, die plötzlich aus den Tiefen des Meeres emporstieg, nachdem Jodie den Sprengstoff angebracht hatte. Ja ja, glaubt es oder nicht, es ist einfach so. Also schnell zurück zur Basis und nach einem letzten Nahkampf gegen die Besatzung galt es auch für Jodie das “sinkende Schiff” zu verlassen. Auf der Flucht half natürlich Ryan, der seinen deformierten Kopf aus der U-Boot-Luke ragte und noch einen lockeren Spruch brachte, was mich erneut fassungslos erstarren lies.
Den Höhepunkt der Bitternis erreichte das Kapitel aber am Schluss, nachdem Jodie und Ryan – im Eiswasser schwimmend – die Oberfläche erreichten. Das Jodie diese extremen Temperaturen irgendwie überlebt, kann ich Cage gerade noch so abkaufen, immerhin hatte sie ja noch den Taucheranzug an. Aber Ryan trug ein Unterhemdchen und Uniformhose – ich kann mich irren, aber im Wasser bei -40 Grad in den Klamotten – das macht keine Pumpe mit. Ich hoffte, Ryan würde sterben bei dem anschließenden Gespräch über Liebe und Reue in der eisigen Kälte. Nicht aus Groll gegen ihn, sondern weil es der Dramatik und dem Realismus nach dem eben vergangenen Quatsch gut getan hätte. Ja, ich wäre sogar etwas traurig gewesen, denke ich. Eine Endszene, ganz wie in Titanic. Aber dann plötzlich, hinter ihnen, die Retter im Schneemobil. Oh je.
Chris: Der Beginn des Kapitels, als Aiden ein Versteck im Schnee finden soll, ist der Knaller! Dass Aiden sich immer unterschiedlich weit von Jodie entfernen kann, je nachdem, wie es Cage gerade in den Kram passt, haben wir ja schon gelernt. Aber hier steht Jodie zu Beginn am Rand des Levels, deshalb ist der Bereich, den Aiden um sie herum umfliegen kann, nicht einmal kugelförmig. Hinter ihr komme ich keine zwei Meter weit, zu den Seiten etwas weiter, aber nach vorne ist richtig viel Platz! Ich habe die blöde Hütte ewig nicht gefunden, weil ich gar nicht davon ausgegangen bin, dass ich so weit fliegen könnte. Der große Haken ist, dass das Spiel nur eine Art kennt, dem Spieler zu kommunizieren, wann er aus dem ihm zugedachten Bereich fliegt. Man fliegt gegen die Wand und der Bildschirm wird dunkel. Es gibt keine Vorwarnung. Und weil die Bereiche immer unterschiedlich groß sind, entwickelt man auch kein Gefühl dafür. Jeder Spieler wird mindestens ein dutzend Mal gegen die Wand fliegen im Laufe des Spiels.
Geschenkt, dass die Bereiche immer unterschiedlich groß sind, aber lasst mich doch nicht dauernd mit Karacho gegen eine unsichtbare Wand laufen! Schon gar nicht, nachdem ihr in „The Embassy“ etabliert habt, dass das Jodie weh tut! Es wäre so einfach zu beheben, indem man den Bildschirm eben schon zwei Meter vor der Grenze langsam abdunkelt und der Wand etwas Rückstoß-Effekt verleiht. Götterspeise-Hüpfburg in „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“, anyone?
Ich habe „Talk“ gedrückt, noch in der Zehntelsekunde, in der „Talk“ auf dem Bildschirm erschien. So machen die das doch, in diesen Agentenfilmen! Labern irgendwelchen Blödsinn, um das Unvermeidliche hinauszuzögern, bis auf völlig abstruse Art doch noch Rettung eintrifft. Konnte ja nicht ahnen, dass Jodie gleich ihre komplette Biografie abliefert. Vielleicht wäre es nicht schlecht gewesen, zwei Gesprächsoptionen anzubieten. „Truth“ and „Lie“ oder so. „Shrug“, das Allround-Emote aus Kindertagen, hätte sich hier auch gut gemacht.
Zwerg-im-Bikini: Fast fand ich das Kapitel ja schon wieder putzig mit seiner geballten Aneinanderreihung von Klischees. Aber ihr habt schon Recht, dafür, dass die Geschichte ernst genommen werden möchte, war es viel zu dick aufgetragen. Alleine schon der Umstand, dass die beiden sich so einfach einschmuggeln können… Ein wenig Angst hatte ich, dass das schon das große Finale sein sollte, aber es gab ja zum Glück noch den anderen Kondensator und den offenen Handlungsstrang mit Nathan.
Als Jodie befragt wurde, habe ich direkt geredet. Was schuldete ich schon meinem Land und dem Geheimdienst, der mich garantiert nicht zum letzten Mal betrogen und belogen hatte? Patriotismus war noch nie meine Stärke. Und das Geschwimme durchs Eismeer am Ende war dann tatsächlich der große WTF-Moment! Ryan der Superheld!
Doreen: Das letzte Kapitel vor dem großen Finale, in dem wir die kleine Jodie spielen. Inhaltlich nicht unwichtig, denn sie führt zu dem Ursprung von Nathan Dawkins Motivation, sich noch viel tiefer mit der Materie des Übernatürlichen zu befassen als noch ganz zu Beginn. Nicht sehr überraschend, trotzdem gut es zu zeigen. Nathan ist wichtig.
Jodie hat eines Nachts Visionen von Nathans verstorbener Tochter, welche sie in sein Büro lockt, in das er sich seit Tagen weinend verschanzte. Jodie folgt dem Geist Lauras und greift dann kommentarlos Dawkins Hände, um als Sprachrohr zwischen ihm und seiner Familie zu fungieren. Ähnlich wie es Whoopie Goldberg in Ghost – Nachricht von Sam schon tat. Würde ich Jodie fragen, ob sie das auch für mich tun könnte? – Hm, sehr schwer, ich glaube ja.
Chris: Als Nathan nicht genug bekommen kann, ist klar, in welche Richtung das Spiel driften wird und was Cage spätestens seit „Separation“ vorbereitet hat. Immer hübsch ein Kapitel mit Nathan, ein Kapitel mit etwas völlig anderem, dann wieder ein Kapitel mit Nathan und so weiter. Zur Abwechslung vielleicht mal eins mit Cole, aber dann redet er auch über Nathan.
Cage nutzt die Zeitsprung-Erzählweise hier vor allem dazu, die größten Hinweise auf den Twist in Kapiteln zu verstecken, die nicht allzu lange vor der finalen Wendung kommen, auch wenn sie sich eigentlich in Jodies Kindheit zugetragen haben. Das ist ein Spiel auf Sicherheit, denn so man kann in der ersten Hälfte des Spiels schwer auf irgendwas schließen, auch wenn Doreen früh etwas ahnte. Es bedeutet aber auch, dass die Hinweise kurz vor dem Twist so gehäuft auftreten, dass sie kaum zu übersehen sind. Den klassischen Effekt des „OMG! Warum habe ich es nicht kommen sehen? Es war doch von Anfang an so KLAR!“ nimmt man dem Spieler so.
Doreen: Zielgerade. Das finale Kapitel ist auch das längste. Ich sehe es mit gemischten Gefühlen. Wie schon erwähnt, hätte ich die Geschichte lieber enger um Jodie und Aiden gesehen. Was braucht es mehr als eine interessante Protagonistin und ihren rätselhaften Begleiter? Dieses Wunderwerk hätte alleine auch super funktioniert. Aber gut, man muss es nehmen wie es kommt, uns blieb ja keine Wahl.
Der mühsam aufgebaute “Böse” in der Geschichte sollte also tatsächlich Nathan Dawkins sein, der Jodie in einem Gespräch, kurz vor ihrem Abgang aus der CIA, reinen Wein einschenkte. Seit dem Tod seiner Familie keimte in ihm die Idee, Leben und Tod zu vereinen, eine Welt zu erschaffen, die beides zusammenschliesst, damit seine Frau und seine Tochter wieder bei ihm wären. Das ist weder wahnsinnig clever noch sonderlich außergewöhnlich und derartige Geschichten wurden auch schon oft genug erzählt. Dass Nathan die Seelen seiner Familie in den Jahren der Experimente in einer Art Limbus gefangen hält und sie nicht “gehen lässt”, missfällt Jodie natürlich und sie ist nicht bereit, ihn bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Ich lehnte alles ab, die großzügige Abfindung der CIA, den falschen Pass und verließ das Büro. Was ist eine neue Identität, erschaffen von der CIA, schon wert? Das Geld hätte ich gerne genommen, aber hier ging nur ganz oder gar nicht.
Der Weg nach draußen in die “Freiheit” wurde erneut mit einem Schlag auf Jodies Hinterkopf unterbrochen – oh Wunder, die CIA wollte und konnte sie mit ihrer Gabe wohl nur schwer gehen lassen. Die CIA hatte vor, Jodie lahmzulegen, wie sie es schon mit Norah getan hatten. Sie sollte den Rest ihres Daseins im Wachkoma verbringen, aber natürlich vergaßen sie dabei völlig, dass Aiden nicht anfällig für die lähmenden Medikamente ist. Ja, sind die denn alle blöd?!
Der Abschnitt, in dem ich mit Aiden Ryan und Cole zu Jodie lockte, hat mir ganz gut gefallen. Aber wie das wieder umgesetzt wurde, herrje. Ryan, Cole und Aiden mussten vorbei an einen Guard und Aiden manipulierte daraufhin den Computer, damit die beiden Zugang bekamen und Ryan sagte dann vor dem Guard laut in die Luft “Hurry, Aiden, take us to Jodie”. Da können einem nur die Nackenhaare nach oben gehen. Jeglicher Spannungsaufbau fand so ein jähes Ende, aber immerhin war Jodies Rettung nah.
Ab da wurde es laut und hektisch. Dawkins hatte in seinem Wahn das große Eindämmungsfeld deaktiviert und die dunklen Existenzen flogen unkontrolliert umher und verbreiteten Unheil. Wir folgten Cole zur Steuerkonsole und auf dem Weg dorthin bekommt der große, korrupte CIA-Chef von Ryan natürlich noch eins auf’s Maul. Wenn es doch immer so einfach wäre… Gut, das Feld konnte man nicht mehr reaktivieren und den Kondensator nicht stoppen. Wir mussten also dort rein, mitten in den Herd, um den Kondensator direkt zu zerstören. Cole meinte, dass ginge mit mobilen Eindämmungsfeldern in Form eines Gürtels, von denen natürlich genau drei Stück dort herumlagen, das funktionierte ja schließlich auch schon super im letzten Kapitel mit dem Taucheranzug.
Kurz bevor wir am Kondensator ankamen, begegneten wir Dawkins, der wie von Sinnen nach den Seelen seiner Familie suchte, sie aber nicht fand. Jodie konfrontierte ihn ein letztes Mal, entweder sanft oder vorwurfsvoll. Hier kann man den Verlauf des Moments etwas beeinflussen. Ryan könnte sterben, im Kampf gegen Dawkins. Oder Nathan richtet sich selbst und ist somit wieder mit seiner Familie vereint – ganz einfach, ganz schwulstig. Das ganze große Drama um Dawkins endete ganz schlicht und unspektakulär. Selbst in dem Moment, wo es um seine Figur noch einmal interessant hätte werden können, blieb sie doch nur oberflächlich und einfach gestrickt. Sehr schade.
Chris: Gerade dieser Moment ging mir SO auf den Senkel! Wenn man freundlich mit Nathan argumentiert, schießt er sich eine Kugel in den Kopf, Familie Dawkins sieht man im Jenseits glücklich wiedervereint und man bekommt das Achievement „Dawkins geholfen, die Wahrheit zu erkennen“. Was für eine Wahrheit soll DAS denn bitte sein? Es tut mir leid, dass ich hier permanent den Moralischen raushängen lassen muss, aber soll das jetzt heißen, dass er sich am Besten direkt nach dem Tod seiner Familie die Kugel gegeben hätte, anstatt noch lange zu warten? Was wäre dann aus Jodie geworden?
Dass dieser Augenblick so rüberkommt, als wäre Selbstmord eine vollkommen valide Option, wenn man mit dem Tod eines geliebten Menschen nicht klarkommt, halte ich für grundfalsch. Okay, ich weiß, es kommen auch Hollywoodfilme und Oscarpreisträger mit sowas durch. Ridley Scotts Gladiator ist ein einziges „Ich räche euren Tod und dann folge ich euch nach.“ Trotzdem…
Doreen: Ich finde Deinen Aspekt durchaus verständlich. Ich hatte etwas Ähnliches auch schon bei dem Film Monster mit Charlize Theron. So gut der Film auch gemacht ist, aber irgendwie kommt er mir so vor, als würde er die Taten von Eileen etwas entschuldigen oder verharmlosen. Er zeigt quasi viele Seiten und Erlebnisse Eileens, in denen sie wirklich arm dran war. Die grausame Vergewaltigung des Freiers und dann den Mord in Notwehr, Hunger, Prostitution, kein Geld und kein Heim. Aber das spätere Töten, das nicht mehr aus Notwehr geschah, sondern aus Hass an den Freiern, kam irgendwie viel zu kurz. Das hat in etwa einen ähnlichen Effekt, es ist diese Einseitigkeit. Man bekommt – im Falle von Beyond – irgendwie einen komischen Eindruck davon, wenn nach dem Suizid etwas “Schönes” passiert. Das ist ein merkwürdiges Phänomen in Erzählungen.
Gut, weiter in der Story: Jodie sollte nun also den Kondensator direkt zerstören. Ich war aufgeregt, denn ich wollte nun unbedingt auch wissen, was aus Jodie werden würde und was am Ende passiert. Ein letzter Kampf gegen das große Dunkel, welchen man auch verlieren konnte, was ein weiteres Ende bedeutete, man brauchte nur die QTE nicht ausführen. Auf ihren letzten Schritten zum Kondensator wird Jodie immer jünger, sie kehrt zurück zu ihrem Ursprung und sieht Vergangenes – Audiovisuell machte das schon ‘ne ganze Menge her. Mein Atmen stand still als Jodie den Hebel betätigte…
Rückblende: Ich sehe wieder Norah im Kreissaal, wie einst in ihren Erinnerungen und in Jodies Komaträumen. Direkt nach Jodies Geburt, wird die Kleine weggetragen. Norah will sie sehen, aber sie darf nicht. Sie ruft “I wanna see her… my little girl… my little boy. I wanna see my son.” WTF, was ist da los? Aiden ist tot. Aiden ist der Geist des totgeborenen Zwillingsbruders von Jodie. Wow, das ist ja fantastisch – ich hatte an alles mögliche geglaubt, aber das hatte ich nicht auf dem Schirm. Als ich Jodie und die Silhouette von Aiden auf der grünen Wiese am Baum des Lebens stehen sah, wurde mir zugegebenermaßen etwas warm ums Herz. Auch ihre Worte an ihn, wie sie ihn all die Jahre liebte und zeitgleich hasste, mich hat das wirklich berührt und geflasht. Daraufhin entschied mich für das Leben und gegen das Jenseits. Das Jenseits wird eines Tages sowieso kommen und einen Rückweg gibt es (vielleicht) nicht. Also ruhig noch ein bisschen Leben, bevor ich in das Licht gehe, obwohl es sehr verlockend war.
Chris: Den Moment, als sich Jodie und Aiden auf der Wiese gegenüberstanden, fand ich ziemlich strange, weil Aiden völlig stumm und unbeweglich ist und man sein Gesicht nicht sieht. Mir fielen auch sofort die Größenverhältnisse zwischen den Geschwistern negativ ins Auge. Gut, Ellen Page ist keine 1,60m groß und dass sowohl Jay als auch Ryan sie überragen, wird deshalb keinen wundern. Aber ihr eigener Zwillingsbruder soll anderthalb Köpfe größer sein als sie? Damit sie schön zu ihm hochschauen kann? Er ist ein Stereotyp, kommt aus der gleichen Schublade wie Jay und Ryan. Die typische Fraktion 1,80m plus, muskulös und wortkarg. Ob das nun passt oder nicht.
Ich muss gestehen, ich habe mir zu Beginn des Spiels viele Gedanken darüber gemacht, wer Aiden sein könnte und mir fiel – im Gegensatz zu Doreen – nur eine brauchbare und halbwegs logische Erklärung ein: Dass er ihr Bruder ist. Später habe ich darüber nicht mehr nachgedacht, insbesondere nicht darüber, wie das mit Norah und den Erinnerungsfetzen aus der Vergangenheit zusammenpassen könnte. Führte trotzdem dazu, dass ich bei der Auflösung nur dachte, das wäre ja eh klar gewesen.
Doreen: Die Explosion des Kondensators hätte eigentlich etliche Menschenleben kosten müssen. Doch Ryan überlebte es trotz des Verzichtes auf den Eindämmungsgürtel auf den letzten Metern. Jodie und er finden sich erschöpft in den Trümmern des CIA-Towers wieder. Lasst uns uns alle kurz tot stellen, damit die Szene schnell vorbei ist und wir das vergessen können.
Zwerg-im-Bikini: Ich fand diese Glorifizierung oder zumindest das Herunterspielen des Todes auch irritierend. Erst Norah, dann Nathan und zuletzt auch noch Jodie. Mal davon abgesehen, dass auch noch Ryan und Cole ihr Leben bei der letzten Mission opfern wollten. Hängt hier denn niemand an seinem Leben? Vielleicht denkt man anders, wenn man weiß, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist… immerhin haben diese Menschen genug mit Geistern zu tun gehabt. Dennoch merkwürdig.
Meine Entscheidung am Ende war deshalb klar: Natürlich lasse ich Jodie nicht sterben! Da musste ich nicht einmal kurz nachdenken. Mich würde interessieren, wie viele sich für diese Option entschieden haben.
Von der Inszenierung her hat mir das Finale aber sehr zugesagt, da durfte es ruhig etwas übertrieben werden. Kurz in Panik geraten bin ich, als Cole fast gestorben wäre, aber ich konnte ihn noch retten. Nathan hat sich bei mir erschossen und Ryan hat überlebt. Die Sequenz in der Zwischenwelt war berührend. Darüber, dass Aiden Jodies Bruder sein konnte, hatte ich vorher nicht nachgedacht, sonderlich überrascht hat mich diese Erklärung aber trotzdem nicht. Sie war logisch, und es hat mich gefreut, dass am Schluss alles zusammenpasst. Dass er größer als sie ist, würde ich dem Spiel nicht ankreiden, denn es wurde ja, meine ich, nicht behauptet, dass sie eineiige Zwillinge sind. Und ich fand es sehr gut, dass man sein Gesicht nicht gezeigt hat. Aiden war für mich so viele Stunden lang eine abstrakte Geistererscheinung gewesen, dass es für mich ein “Die Schöne und das Biest”- oder “Casper”-Effekt gewesen wäre, ihm in der letzten Szene irgendein menschliches Gesicht zu verpassen. Bitte nicht, das hätte nur enttäuschen können.
Doreen: Jodie versuchte in der Einsamkeit das Vergangene zu verarbeiten und sich an ein Leben ohne Aiden zu gewöhnen, der offensichtlich nun verschwunden war. Cage begründet die nicht chronologische Erzählweise mit einer Art Amnesie, die Jodie erlitten hat, während sie sich in den Strömen der Black Sun befand. Für mich wirkt das im Grunde plausibel, wenngleich ich auch etwas verwundert bin, dass Ryan diesen Gedächtnisverlust offenbar nicht hat. Genauer wird das zumindest nicht thematisiert. Ich konnte mich entscheiden, was aus Jodie werden würde, wie und wo sie einen Neuanfang starten wird. Sie allein ziehen zu lassen erschien mir zunächst am attraktivsten, aber ich weiß, dass man irgendwann andere Menschen braucht. Ganz allein wollte ich sie nicht fortgehen lassen. Eine Rückkehr zu Ryan kam nicht in Frage und ein Leben bei meinen ehemaligen Obdachlosenfreunden? Das wirkte auf mich etwas zu weit weg, wir hatten zwar unsere Zeit, aber für ein gemeinsames Leben reichte es für mich nicht. Ein abgeschiedenes Leben in der Natur, mit viel Ruhe und möglicher Weitsicht, erschien für mich das Idealste. Jodie ging zurück auf die Ranch, zu Jay und seinem Bruder, zu Schafen und Pferden. Aiden wartete dort auch auf sie, aber sicherlich etwas anders als gewohnt. Ich war zufrieden. Doch dann…
Cage hat es sich leider nicht nehmen lassen, wieder einen draufzusetzen und am Ende des gelungenen Epilogs noch einen Apokalypsen-Cliffhanger dranzuklatschen. Ich weiß wirklich nicht, was das bei ihm ist, dass er diese gewohnten Aussetzer immer in den falschen Momenten hat. Ich versuche das jetzt einfach auszublenden, aber diesen Cliffhanger brauchte man nun wirklich nicht.
Eine Sache ist mir aber nach der Auflösung um Aiden noch nicht ganz klar. Als wir Norah im Krankenzimmer besuchten, konnten wir ihre Gedanken lesen. Wir sehen sie bei Experimenten mit der CIA, ähnlich wie auch bei Jodie. Es wird erwähnt, dass auch sie begabt sei und auch der Vater des Kindes, mit dem sie schwanger war. Auch sie konnte wie Jodie Dinge bewegen und die CIA glaubte, das Kind in ihrem Bauch würde auch begabt sein. Ich frage mich: Norah wird doch gewusst haben, dass sie 2 Babys erwartet. Die CIA wird doch gewusst haben, dass 2 Babys in ihrem Bauch sind. Die Rede ist aber die ganze Zeit von nur einem Kind in den Rückblenden. Auch bei den vorangegangenen Szenen der Geburt, wurde immer nur ein Kind erwähnt – außer ganz am Ende. Und wie wurde die Begabung von Norah begründet? Gar nicht. Ist ihre Begabung durch ihr Wachkoma einfach abgestorben? Man hätte hier die Rückblenden nicht so deutlich zeigen dürfen, sie werfen einfach mehr Fragen auf als nötig. Sie führen den Spieler hinters Licht, gleiche Szenen wurden am Ende nur durch ein Detail erweitert.
Nun gut, das war es also mit Beyond. Bis auf einige Patzer hat es mir doch ganz gut gefallen. Diesen ganzen Wahnsinn um die Kondensatoren hätte es zwar nicht gebraucht, aber okay. Ellen Page hat ihren Teil dazu beigetragen, sie hat mich ganz hervorragend durch das Spiel begleitet, ich mag sie so unglaublich gern. Man kann geteilter Auffassung davon sein, ob bekannte Schauspieler etwas in Videospielen verloren haben oder nicht. Ich finde, das hat ganz toll funktioniert. Warum sollten sie also nicht? Ich hoffe, dass Quantic Dream trotz der vielen Häme weiterhin genug Ehrgeiz und Geduld haben, ihre Ideen und Vision in Videospielen zu verarbeiten. Wer das Genre nicht mag, kann ja gerne einen Bogen darum machen, aber ich schätze die Andersartigkeit ihrer Werke und ihr technisches Talent, ihre Spiele umzusetzen. Man muss das nicht gut finden, aber man sollte ihnen ruhig den Platz neben all den anderen Entwicklern gewähren – schaden wird das der Branche sicherlich nicht. Und vielleicht holen sie sich ja doch einmal einen anderen Autoren ins Boot. David würde damit nur gewinnen.
Zwerg-im-Bikini: Schöne Erklärung mit dem Gedächtnisverlust, ich hatte eigentlich nicht damit gerechnet, dass uns ein Grund für die Erzählstruktur gegeben wird. Die Farm wurde es auch bei mir. Jay schien ein anständiger Typ zu sein und dort würde Jodie sich am ehesten erholen können. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich an diesem Ort am wohlsten gefühlt hatte… wenn man mal von den leicht traumatisierenden Indianerdämonen absieht, mit denen sie zu tun hatte. Also alles in Butter. Zu Elisa und Zoey zu gehen, erschien mir unangebracht, weil ich nicht da Gefühl hatte, eine große Bindung zu ihnen aufgebaut zu haben. Ich wäre neugierig gewesen, was für ein Ende das gewesen wäre… aber entschied mich dann doch für die meiner Meinung nach logischste Wahl. Ganz alleine wollte ich nicht bleiben. Und Ryan kam selbstverständlich nicht in Frage, was für eine Klette. Selbst im Epilog hatte er noch nicht aufgegeben.
Da es ja schon vorher Anspielungen auf das apokalyptische Ende gab, hatte ich schon damit gerechnet und es hat mich nicht gestört. Jodie hat immerhin eine CIA-Ausbildung hinter sich und gezeigt, dass sie, wenn es drauf ankommt, den Kopf für andere hinhält. Ganz so abwegig finde ich den Gedanken deshalb nicht, dass sie versuchen würde zu helfen, wenn die Welt von Dämonen überrannt wird. Glaubhafter wäre es allerdings gewesen, wenn sie noch Aiden an ihrer Seite gehabt hätte. Er war zwar offensichtlich noch in irgendeiner Form da, aber wie sehr konnte er ihr noch helfen?
Insgesamt hat mir Beyond: Two Souls etwa genau so gut gefallen wie Heavy Rain. Ich mag die filmreife Inszenierung sehr und das Quantic Dream ein Auge für Details hat. Das merkt man zwar mehr in den Alltagsszenen, als wenn es actionlastig wird, aber die Mischung hat gepasst. Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass mein Versagen deutlichere Konsequenzen gehabt hätte und dass bestimmte Entscheidungen schwerer zu fällen sind. Aber da merkt man dann halt, dass in erster Linie eine schon feststehende Geschichte erzählt werden soll. Wie Doreen schon schrieb: Das muss man halt mögen. Aber dieses Genre hat auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung, schon alleine deshalb, weil es sehr wenige vergleichbare Titel gibt, und ich immer für Vielfalt bin.
Nach dem Abspann habe ich mich gefühlt wie nach einem guten Film. Was ich allerdings für mich nicht sagen kann, ist, dass mich Beyond: Two Souls zum Nachdenken angeregt oder tief berührt hätte. Es war eine ergreifende Geistergeschichte, die mich aber trotz vieler dramatischer Szenen und den überzeugenden Schauspielern nicht so sehr ins Herz treffen konnte wie z.B. das sehr viel kleinere To the Moon, das ich ebenfalls dieses Jahr gespielt habe. Dort geht es ebenfalls um den Tod, auch dort mit phantastischen Elementen angereichert. Aber anders als Jodies Geschichte hat mich die von Johnny und River nicht nur gut unterhalten, sondern so sehr berührt, dass ich Rotz und Wasser geheult habe. Gefühle sind halt nicht ans Budget gebunden.
Chris: Vorneweg: Meine Jodie hat überlebt und ist mit Ryan Bootfahren gegangen, weil sie das ja offensichtlich wollte. Wer bin ich, dass ich ihr Vorschriften mache?
Es hätte mich nicht die Bohne gestört, wenn es für die verhackstückte Erzählweise am Ende keine Erklärung gegeben hätte. Die, die gegeben wird, ist ausschließlich deshalb im Spiel, um eben die Sprünge in der Erzählung plausibel zu machen, hat aber keinen anderen, darüber hinausgehenden Zweck. Weshalb ich mich frage, warum man das überhaupt – mit so einem 08/15-Condenser-Quatsch – erklärt und einen zum Schluss nochmal darauf stößt, dass zu Beginn des Spiels die Reihenfolge der Szenen ein bisschen komisch war.
Wichtig für das Ende sind vor allem die Widmungen vor und nach dem Abspann. Die für Maria und Mercedes, auf die sich David Cage sicherlich bezog, als er im Making Of sagte, ein großer persönlicher Verlust sei für ihn der Ausgangspunkt von Beyond gewesen. Die Widmung für Normand Corbeil, der den Soundtrack zu Heavy Rain komponiert hatte und im Januar 2013 verstarb. Die Arbeiten an der Musik zu Beyond konnte er nicht mehr abschließen.
Beyond ist ein Spiel über den Verlust von geliebten Menschen. Verlust ist ein Thema in praktisch allen größeren Kapiteln. In “Homeless” erfahren wir, dass Stan durch den Tod seiner Familie völlig aus der Bahn geworfen wurde. In “Navajo” betrauern wir den Tod eines oder mehrerer Menschen, die wir auch selbst kennengelernt haben. In “The Mission” verliert ein Sohn seinen Vater. In “Norah” wird – geradezu beiläufig – Sterbehilfe ein Thema. Sterbehilfe für die eigene Mutter! In “Night Sessions” und “Hauntings”, die praktisch zusammengehören, erfährt Nathan vom Tod seiner Familie und scheitert beim Versuch, damit umzugehen. Im Epilog schließlich verliert Jodie Aiden. Der Spannungsbogen ist absolut erkennbar und auch, warum Cage die Geschichte in dieser Reihenfolge erzählen musste. Als Aiden schließlich nicht mehr da war, hat mich das umgehauen.
Wegen Ellen Pages schauspielerischer Leistung, aber auch wegen der Inszenierung und der technischen Umsetzung des Ganzen. Das muss man Quantic Dream absolut zu Gute halten: Die Umsetzung der Figur Jodies über das gesamte Spiel hinweg, so lebensnah und ohne nennenswerte Ausflüge ins Uncanny Valley, setzt Maßstäbe. Sowas ist in dieser Form noch nicht da gewesen und spielt eine deutliche Klasse über L.A. Noire und Heavy Rain.
Aber zurück zu den Momenten in der Holzhütte, als Jodie den Verlust Aidens beklagt. Ich fand die sehr ergreifend. Dieses Gefühl, als wäre mit Aiden auch ein Stück von Jodie selbst gestorben. Gerade auch, weil sie Zwillinge sind, die gemeinsam aufgewachsen und durch die verschiedenen Phasen ihres Lebens gegangen sind.
Leider torpediert der Schluss vieles davon. Die Apokalypse sowieso, darüber müssen wir gar nicht reden, aber auch Verschiedenes davor. Dass Aiden plötzlich wieder auftaucht, halte ich für feige und inkonsequent. Noch schlimmer ist, wie schon im letzten Kapitel gesagt, dass sich Nathan eine Kugel in den Kopf schießt und dann plötzlich glücklich mit seiner Familie wiedervereint ist.
Der Tod eines geliebten Menschen tut verdammt weh, und aus einer solchen Situation gibt es keinen magischen Ausweg, wie ihn Beyond für viele seiner Charaktere auf den letzten Metern kreiert. Das schadet, denke ich, dem Anspruch und der eigentlichen Intention hinter dem Spiel. Das Ende hätte in mir deutlich länger nachgehallt, hätte Jodie weiterhin ohne Aiden zurechtkommen müssen – und hätte Cage sich den ganzen „Matrix, nur mit Geistern statt Maschinen“-Quark gespart.
THE END
6 Kommentare
Können sie gar nicht mit unterschiedlichem Geschlecht. ;-)
Wenn Jodie unter dem Turner-Syndrom leiden würde, wäre das möglich, weil dann ja das fehlende Y-Chromosom… argh… nein, natürlich hast du vollkommen recht, da hilft mir jetzt auch kein Wikipedia-Halbwissen, um mich rauszuwinden :/. Mein Biologielehrer würde im Grabe rotieren!
Geht konkret um diese Stelle hier: http://youtu.be/5UHO9O5aIZ4?t=38m50s
Mir geht’s da weniger um die Frage, ob das möglich wäre (sicherlich!), sondern darum, dass Jay, Ryan und jetzt Aiden schon rein optisch alle aus der gleichen Klischeekiste kommen. Wär’s nicht nett gewesen, wenigstens einen jungen Mann drin zu haben, der nicht 1,80m plus mit Fitnessstudiomaßen und kurzen, dunkelbraunen Haaren ist?
Natürlich ist das nichts, was man dem Spiel als objektiven Kritikpunkt ankreiden sollte. Ist nur meine Meinung. Mich stört das, rein subjektiv. Zumal der Junge halt ne Totgeburt war, er nie ausgewachsen ist und sein optisches Erscheinungsbild im Gegensatz zu allen anderen, die man im Jenseits noch sieht, eine reine Projektion, ein Wunsch- oder Traumbild ist.
Finde ich nicht schlimm. Diese “Zusammenführung” entspricht halt klassischen Jenseitsvorstellungen. (wobei Selbstmörder natürlich gar nicht in den “Himmel” kommen dürften…, davon abgesehen ist das Wiedertreffen aber ein Klassiker).
Das macht einen ziemlich erheblichen Unterschied, oder? In der klassischen Variante wird die Wiedervereinigung im Jenseits ja selten selbst herbeigeführt. Das ist auch das Einzige, was mich hier stört, nicht das Wiedertreffen an sich.
Aber bei meiner PlayStation 3 steht am Ende komischerweise Prolog