Lange Zeit konnte ich LucasArts nicht verzeihen, dass sie den Amiga irgendwann links liegen ließen. Selbst als ich längst zu PC und Konsolen gewechselt und meine „Freundin“, so nannten Fachmagazine damals den Heimcomputer von Commodore, verkauft hatte, war ich noch enttäuscht und verärgert darüber, dass mein Lieblingsentwickler meinen Lieblingscomputer so einfach hatte fallen lassen. Selbst nach ihrem Ende als Entwickler, welches der neue Besitzer Disney 2013 verkündet hatte, hegte ich noch Groll gegen die Firma. Dabei kann man LucasArts in dieser Angelegenheit objektiv nichts vorwerfen, denn sie hatten dem Amiga länger die Treue gehalten, als gut für alle Beteiligten war: Monkey Island 2 erschien auf zwölf Disketten. Es zuspielen, war auf einem Amiga 500 ohne Festplatte und mit nur einem Diskettenlaufwerk eine Herausforderung, begann aber eigentlich nur richtig zu nerven, wenn dann mitten im Spiel einer der raubkopierten Datenträger nicht funktionierte.
Indiana Jones and the Fate of Atlantis ist, wenn ich mich recht entsinne, auf elf Disketten erschienen. Über die mögliche Entwicklung einer Amiga-Version des Spiels, dessen Geschichte den Hintergrund für den vierten Indiana-Jones-Film hätte darstellen sollen, und nicht dieser Hokuspokus mit den interdimensionalen Außerirdischen und ihren magnetischen Schädeln aus Kristall, die aber frappierend an irgendwelches Plastikspielzeug aus überdimensionierten Kaugummiautomaten erinnerten, wurde lange spekuliert. Doch sie erschien irgendwann, und wie Monkey Island 2, gehörte Indy 4 zum Besten was ich je auf dem Amiga hatte spielen dürfen. Ich kaufte mir für 100 DM das Original in der schönen Box mit Anleitung und Komplettlösung und entging so dem Frust der defekten Kopien. Allerdings forderte das Spiel einen derart häufigen Diskettenwechsel, dass sich über weite Strecken kein rechter Spielfluss einstellte. Das störte mich als verblendeten Fanboy damals zwar kaum, heute würde ich das aber vermutlich anders beurteilen. Ganz zu schweigen von der undankbaren Jugend der 2010er Jahre, die ja nicht einmal weiß, was eine Diskette ist und sowieso und überhaupt keine Ahnung hat, was gut für sie und andere ist und mal so einige Monate in einem Erdloch leben sollte, um zu wissen, WIE gut sie es eigentlich hat und ohnehin war früher alles besser.
Vielleicht mit Ausnahme der Portierungen, denn diese ließen, besonders am Ende des Lebenszyklus des Amiga, doch einiges zu wünschen übrig. Wer sich vor ein paar Jahren über die schlechtere Performance von Multiplattformtiteln auf der PS3 beschwerte oder heute ob fehlender Frames oder Pixel bei Xbox-One-Titeln schäumt bzw. spottet, der hat die wenig glorreiche Endphase des Amiga offensichtlich nicht erlebt oder schlicht vergessen. Dass die Portierung des Hochgeschwindigkeitsactionspiels Wing Commander auf ungetuneten 500ern in erster Linie durch Zähigkeit und Farbarmut beeindruckte, ist bekannt. Wer heute bei leichten Rucklern oder einer Framerate unter 60 (sacrebleu!) zu Wutausbrüchen bzw. Weinkrämpfen neigt, der sollte mal ein YouTube-Video dieses Fiaskos anschauen, sofern jemand sich die Mühe gemacht hat, diesen Scheiß hochzuladen. Ich habe es damals übrigens gekauft und durchgespielt. Es war schlimm.
Eine solche Katastrophe war die Amiga-Umsetzung von Indy 4 nicht, doch sah man auch hier deutlich, dass der PC die überlegene Plattform war. Ein Adventurespiel bietet in der Regel wenig Action, aber manche Animation lief geradezu in Zeitlupe ab und insgesamt schleppte sich das Spiel eher vorwärts, als dass es floss. Als Adventure- und LucasArts-Freund merkte ich das damals natürlich nicht oder ignorierte es zumindest geflissentlich, doch offenbarte sich spätestens jetzt jedem, der nicht komplett verblendet oder verblödet war, dass die Tage des Amiga endgültig gezählt waren. Ob es je ernstzunehmende Gerüchte um eine Amiga-Umsetzung von Day of the Tentacle gab, weiß ich nicht mehr. Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, war eine solche aber von vorne herein kein Thema für LucasArts. Der Entwickler hatte den Spielecomputer endgültig abgeschrieben und was jedem Menschen mit Technikverständnis oder Einblick in Softwareverkaufszahlen folgerichtig und vernünftig erscheinen musste, war für mich ganz klar Hochverrat. Zusätzlich gespeist wurde mein Zorn durch die Tatsache, dass ich keinen PC besaß und auch kein Geld hatte, mir einen anzuschaffen. Somit sah ich mich gezwungen, Day of the Tentacle bei einem Freund zu spielen, der über einen entsprechenden Computer verfügte. Denn Verrat hin oder her, selbst meinem jugendlichen Ich war klar, dass es sich hier um ein prima Adventure handelte, das ich keinesfalls verpassen durfte.
So begab es sich, dass ich meinen ersten Durchlauf von Day of the Tentacle mehr beobachtend denn spielend verbrachte, erst Jahre später holte ich es vollständig und in Ruhe auf meinem eigenen PC nach. Schon 1993 waren sich Fachpresse, Spieler und selbst die Amiga-Fanboys (s.o.) einig, dass DotT ein ganz besonderes Spiel war. Dessen Vorgänger, Maniac Mansion, hatte 1987 den Grundstein für das prototypische LucasArts-Adventure gelegt, dessen Konzept in den darauffolgenden Jahren perfektioniert wurde. Zwar waren DotT schon einige Perlen des Adventuregenres vorausgegangen, aber hier war die Mischung aus Comicgrafik, Rätseln und Geschichte einfach besonders stimmig. Und selbst heute bezeichnen es noch viele als bestes Abenteuerspiel aller Zeiten. Doch der Glanz vergangener Tage ist passe, Adventures bedienen nur noch ein Nischenpublikum und LucasArts existiert nicht mehr. Während Star Wars auch im weiter wie irre vermarktet wird, liegen nun zahlreiche Lizenzen brach, die für den gemeinen Videospieler reines Gold, für einen Konzern wie Disney aber uninteressant sind.
Dieser Umstand versetzt Tim Schaefer, Ex-LucasArts-Mitarbeiter, Mit- bzw. Hauptverantwortlicher für zahlreiche Adventure-Granaten und Gründer von Double Fine, jedoch in die Glückliche Lage, sich einiger seiner dieser Lizenzen beschaffen und sich der alten Schätze annehmen zu können. Wenige Jahre vor dessen 25. Jubiläum werden wir nun mit der Day of the Tentacle Remastered beklückt. Ob ein nahezu perfektes Spiel ein Remake benötigt, ist eine berechtigte Frage, die ich aber mit einem „Ja“ beantworten möchte. Legen wir das Original ein, können wir erahnen, warum es seinerzeit Begeisterungsstürme auslöste. Die Witze sind witzig, die Rätsel rätselig usw. Und wenn auch die Grafik nach wie vor über viel Charme verfügt, so stellen wir doch fest, dass deren technische Qualität den Genuss empfindlich mindert. Zum Glück geht Double Fine bei der Remastered-Version genau richtig vor: Am eigentlichen Spiel und seiner Mechanik wurde nichts verändert, doch die Grafik wurde liebevoll ins HD-Zeitalter übertragen und das Seitenverhältnis auf 16:9 erweitert. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass Day of the Tentacle heute so aussieht, wie wir uns mit unseren zur Romantisierung neigenden Gehirnen daran erinnern. Wer einen direkten Vergleich wünscht, kann jederzeit per Knopfdruck in die Originalversion wechseln und wird dabei mit Überraschen feststellen, dass früher eben DOCH nicht alles besser war.
Ebenfalls angenehm ist die Tatsache, dass das Spiel nun völlig problemlos auf modernen PCs läuft und auch erstmals den Weg auf Konsolen gefunden hat. Ich hatte das Vergnügen die Vita-Version auszuprobieren und musste hier erneut feststellen, wie gut sich eine Touch-Oberfläche zur Bedienung von Adventures eignet. Denn während ich auf der PS4 nur die Wahl zwischen der klassischen Verbensteuerung und einer Bedienung mittels Piktogrammen habe, kann ich auf dem Handheld interessante Punkte direkt auf dem Screen anwählen. Famos! Wer das nicht möchte, kann natürlich ebenfalls die Analogsticks benutzen und bequem durch die Hotspots schalten. Wer DotT schon im Schlaf durchspielen kann, sollte sich die Remastered-Version alleine aufgrund des amüsanten und informativen Entwicklerkommentars zulegen, der Einblicke in die Entstehung gewährt. In diesem kommt neben Tim Schaefer und anderen auch Dave Grossman zu Wort, der derzeit mit Ron Gilbert an Thimbleweed Park arbeitet, das ebenfalls einen vielversprechenden Eindruck erweckt.
Muss man noch mehr Worte über ein Spiel verlieren, das seit über 20 Jahren regelmäßig in Bestenlisten auftaucht und um das sich ein regelrechter Kult nebst Speedruns und mannigfaltigem Merchandise gebildet hat? Ja, wenn auch nur um nochmals zu unterstreichen, dass Double Fine nach der angenehmen, aber nicht überragenden Neuauflage von Grim Fandango bei DotT Remastered den perfekten Mittelweg zwischen Authentizität und Modernisierung beschritten hat. Es zu spielen ist so, als ob man nach einem längeren Urlaub wieder nach Hause kommt. Mit dem Unterschied, dass die Wohnung während der Absenz unverhofft aufgeräumt, geputzt und ein wenig renoviert wurde. Letzteres würde die Meisten zumindest verwundern, wenn nicht gar verstören. Das Spielen des frühjahrsgeputzen Adventureklassikers löst hingegen ungetrübte Wonnegefühle aus. Abschließend möchte ich den Lesern, seien sie Veteranen, die DotT schon zehn Mal durchgespielt haben oder Frischlinge, an denen das Spiel qua später Geburt vorüber gegangen ist, drei abschließende Wörter mit auf den Weg geben: Kaufen, kaufen, kaufen.
9 Kommentare
Na, da habe ich aber noch einmal Glück gehabt. Mit zirka fünf Durchgängen gehöre ich nicht zu den Veteranen und auch nicht zu den Frischlingen und kann mich dadurch dem Kaufbefehl locker entziehen. :-P Zumal ich, wenn ich wirklich noch einmal DOTT spielen wollte, in den Keller gehe, die Originaldisketten samt Zeitmaschinenhandbuch aus dem Originalkarton hole, mich daran erinnere das mindestens eine Diskette defekt ist, den Stapel Kopien daneben anschaue, mich daran erinnere, dass ich kein Diskettenlaufwerk mehr besitze, die kopierte CD-Version raushole und dann letzten Endes doch alles stehen und liegen lasse und schnell irgendwo das Ding für ScummVM aus dem Netz ziehe. Ganz ohne schlechtes Gewissen, da Original und zwei Kopien samt Hardware-DRM vorhanden sind.
Ich hätte wissen müssen, dass mein “Kaufbefehl” zu viele Schlupflöcher enthält…
“Dass die Portierung des Hochgeschwindigkeitsactionspiels Wing Commander auf ungetuneten 500ern in erster Linie durch Zähigkeit und Farbarmut beeindruckte, ist bekannt.”
Ja und ??????
Bist du etwa auch einer von denen, der Framerate mit Spielspaß gleichsetzt?
Urs, das solltest du aber besser wissen….
Also ich hatte damals auf dem Amiga 500 tierisch viel Spaß mit meiner Wing Commander Raubkopie. :-)
Ok, als ich dann die PC Version auf eine 386/16 Highend Höllenmaschine sah und vor allen dingen auch hörte (Gravis Ultrasound anyone?) fiel ich ein Stück weit vom Glauben ab aber, was aber an meinem Initialspaß auf dem Amiga mit WC nichts änderte.
Wir waren halt bescheiden damals…
@Greulich: Dass mit dem Spiel auf dem Amiga u.U. nicht alles Ordnung war wurde mir tatsächlich auch erst bewusst, als ich dann die PC-Version sah (ja, UND hörte, der Sound war in der tat sensationell!). Als ich mich durch die 500er-Version quälte war mir einfach nicht bewusst, dass es an und für sich anders laufen sollte, daher hatte ich dabei auch durchaus meinen Spaß. Man stelle sich jetzt vor, dass heute ein Port von PS4 zu Xbox One derart abgespeckt daherkäme. Die Fanboys würden sich heiser schreien und Twitter zur Explosion bringen.
Und was die Framerate anbetrifft bin ich total entspannt. Wenn’s kurz mal nur 59 fps sind, mache ich den Entwicklern noch keinen (großen) Vorwurf. Ab 58 bestelle ich allerdings direkt Mistgabel und Fackel bei Amazon.
Was habe ich darum gebeten, gebettelt und gequengelt, ein Amiga sollte es sein, musste es sein. Übernachtungswochenenden bei meinem Cousin hatten diesen Wunsch in mir geweckt und wurde regelmäßig erneuert. Doch es gab keinen Amiga, stattdessen legte sich mein Vater einen neuen PC zu, der mir ebenfalls frei zur Verfügung stand. Nun ja, toll, aber ich wollte doch einen Amiga…
Es hat etwas gedauert, aber doch relativ schnell realisierte ich, besonders wenn ich das Gejammer der Kollegen mit einem Amiga auf dem Schulhof hörte, dass ich damit den deutlich besseren Weg eingeschlagen hatte.
Eltern sind halt doch klüger als ihre Blagen.
Alles eine Frage des Zeitpunkts. Als ich meine Amiga bekam, war ich auch schon fast “late to the party”. Aber wenige Jahre zuvor war auf dem PC Commander Keen noch das höchste der Gefühle, da war der Amiga noch die klügere Wahl. Und Jahre danach habe ich mir den Amiga gelegentlich zurück gewünscht, wenn es wieder irgendwelche Treiber-, Soundkarten- oder Speicherprobleme gab.
Ja, definitiv. Der alte PC, ein X86, war gamingtechnisch schon lange abgeschrieben. Ein Amiga erschien da halt wie das Paradies. Das die neuen PC-Generationen den gerade überholten und eher zum Auslaufmodell machten, überstieg damals einfach meine Kenntnis. Ich wußte nur C64 – nein, Amiga – ja, Konsolen – nein. PC war in der Rechnung nicht vorhanden.
Was die Treiber-, Soundkarten- oder Speicherprobleme angeht: Oh ja, aber im Rückblick betrachtet, hat es mir in jungen Jahren schon einen versierten Umgang mit all dem beschert. Auch wenn ich damals lieber die Stunden verspielt hätte, als dieses Gefrickel zu machen. Vielleicht bin ich darum dann später aber auch mit fliehenden Fahnen fürs Zocken zu den Konsolen gewechselt und nur selten zum PC zurückgekehrt.
Aber mal zum eigentlichen Thema: All diese Neuauflagen gehen irgendwie an mir vorbei. Habe vor etlichen Jahren schon mal per ScummVM all die alten Adventures, nicht nur LucasArts, wieder gespielt. Bei einem Remake würde ich mich dann sicherlich nicht über die Grafik erschrecken, das allseits bekannte “Ui, so scheiße habe ich das aber nicht in Erinnerung”, allerdings ist dieser Effekt damals bei den Monkey Islands Remakes für die PS3 auch schnell verpufft und Rätsel, bei denen einem dann doch nach kurzer Zeit wieder die Lösungen einfallen, sowie Witze, die man einfach schon zu oft gehört hat, befriedigen dann vielleicht nostalgische Tendenzen, aber richtig Spielspaß hat es mir nicht mehr gebracht. Und auch The Cave hat mich nur noch bedingt begeistert. Was aber trotzdem nicht verhindert, dass ich immer Artikel wie diese lese, die neuen Adventures verfolge und bei Sonderangeboten dann auch mal zugreife. War dann wohl doch alles zu prägend, diese Adventures der späten 80er bis späten 90er.
Ich mag die Neuauflagen grundsätzlich ganz gerne und spiele auch einige. Allein aufgrund der Möglichkeit, die alten Titel etwas aufgehübscht auf der Plattform meiner Wahl zu spielen, lohnt für mich die Anschaffung von Remasters und HD-Versionen.
Ich habe auch einige Originalkonsolen daheim, auf denen ich die Klassiker spielen könnte, aber ich lade sie mir i.d.R. lieber in die Virtual Console oder so, als das SNES anzuschließen. Und in Fällen wie diesem, ist es auch einfach schön zu sehen, was aus dem Original gemacht wurde.