Es ist schön, dass es Trials of the Blood Dragon gibt. Lasst es mich vorweg nehmen: Es ist in jeder Hinsicht ein ziemlich mieses Spiel. Aber ich bin froh, dass es existieren darf. Wenn es doch nur nicht so schädlich wäre…
Was man Trials of the Blood Dragon definitiv nicht vorwerfen muss, ist sein Style. Die 80er Jahre Trashfilm-Röhrenfernseh-Ästhetik mit Violettfilter, in der Rex Power Colt operiert hat ist passé, stattdessen ist 90er Jahre amerikanischer Cartoon angesagt, zumindest in den Zwischensequenzen und dem Hub. Immerhin spielt Trials auch mindestens 20 Jahre nach Far Cry 3: Blood Dragon. Es spielt also in den Cyber-90ern, da darf der Zeichenstil des Lebens ruhig wechseln (Genau genommen würden wir uns in den Cyber-2000ern befinden. Aber im Ultra-‘Murica von Blood Dragon ticken die Atomuhren eben anders). Die Zeichnungen kann man guten Gewissens als echt hässlich bezeichnen, aber im Nachhinein betrachtet waren das die meisten Cartoons dieser Zeit irgendwie auch und das ist okay so, weil es mich zurück versetzt in diese Epoche der Stickeralben und VHS-Kassetten. Auch die Musik ist toll, erneut von den Blood Dragon-Komponisten PowerGlove inszeniert, dessen Titelsong mir bis heute wohlige Trashfilmschauer über den Rücken jagt. Leider hält sich die Atmosphäre nicht bis ins eigentliche Spiel, denn die einzelnen Level bedienen sich der üblichen Trials-Ästhetik, mit dem ein oder anderen Spritzer Purpur versehen. Will heißen: Hässliche kleine Charaktermodelle vor lieblos zusammengepappten Kulissen. In Trials of the Blood Dragon ist das besonders unschön, weil es so völlig an beeindruckenden Panoramen wie etwa in Trials: Fusion fehlt. Palmenstrände, Canyons, Berge fehlen, dafür gibt es Fabrikgelände, Fabrikgebäude und die obligatorische Vulkanbasis.
Dass es bei einem Punktejagd-Spiel wie Trials nicht unbedingt auf die Optik ankommt, ist klar. Leider nutzt dieses Trials seine Blood Dragon-Prämisse dafür, ziemlich viel Müll durchzuziehen. Wenn dann nicht die Atmosphäre gehalten werden kann, um wenigstens den Trashfaktor genießbar zu machen, springt einem dieses spielerische Versagen umso deutlicher ins Gesicht.
Leider spielt sich TotBD nicht ausschließlich wie ein Trials. Denn Entwickler Redlynx, ein Ubisoft-internes Studio, hat sich an Sidescroll-Shooter Sequenzen versucht. In einigen Mission wirft Rex Power Colts Sohn oder Tochter, je nachdem wer grade dran ist, das Bike fort und zückt eine Knarre, und dann darf geschlichen werden; die Waffe ist zwar schallgedämpft und unendlich munitioniert, aber ein eingesteckter Treffer bedeutet bereits den Tod und eine weitere ‘Fault’ im Highscore, ähnlich einer unsanften Landung mit dem Bike. Power Colt Junior steuert sich dabei wie der Protagonist eines Newgrounds-Flashspiels – ob das auch Absicht ist, um die Anfänge der Flashära zu referenzieren vermag ich nicht zu sagen. Fakt ist allerdings, dass es eine sehr dumme Entscheidung – oder Auslassung; gehen wir realistischerweise davon aus, dass hier einfach Zeit und Budget gefehlt haben – war, denn diese Passagen schwanken ausnahmslos zwischen nervig-langweilig und unspielbar-empörend. Trials of the Blood Dragon will kein reinrassiges Trials sein und das ist ein interessantes Experiment. Aber mit einem Spielgefühl, als wäre es bei Mighty Nr. 9 in die Lehre gegangen, hätte Schuster mal lieber bei seinen Leisten bleiben sollen.
Versteht sich dann eigenlich auch fast schon von selbst, dass der Trials-Part ebenfalls unter dieser Aufteilung von Ressourcen gelitten hat. Keines der Level bietet besondere Herausforderung, das Gas durchgedrückt halten und ein wenig mit dem Stick wackeln reicht völlig, um auf den Rädern zu landen. Das könnte theoretisch immernoch dazu führen, dass sich ein Flow einstellt, ein perfekter Run, der meine Highscoresucht befriedigen würde, wenn ich eine hätte. Dummerweise sind die reinen Trials-Level viel zu selten, ständig kommt eine Ballerpassage dazwischen oder das Level ist plötzlich fertig, während man noch damit beschäftigt war, sich nicht von den hässlichen Lichteffekten ablenken zu lassen.
Alles in allem glaube ich nicht, dass Trials of the Blood Dragon Ubisoft gut getan hat. Schön, dass sich der französische Publisher hin und wieder auf Experimente einlässt, dass dabei auch nette Sachen herauskommen können, haben Child of Light oder Valiant Hearts bewiesen. Aber sowohl Trials als auch Blood Dragon als ‘Franchise’ haben hier einen gehörigenen Dämpfer bekommen. Während ich mir um die Trials-Serie keine Sorgen mache, habe ich tatsächlich Angst um die Zukunft von BD. Denn ich hätte sehr gerne ein weiteres abgedrehtes First Person-Geballer in diesem völlig bescheuerten Setting gehabt. Irgendwann vielleicht, auf Basis der Engine von Far Cry 5. Oder von mir aus als Assassin’s Creed-Spinoff. Aber wenn die Marketingabteilung der Franzosen aus Trials of the Blood Dragon die falschen Schlüsse zieht, dürfte diese Hoffnung eine vergebliche werden. Mach’s gut, Rex Power Colt.
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