Oh Junge, hab ich mich auf dieses Spiel gefreut. Aber das ist ja bekanntlich der beste Weg, um vom Endprodukt dann enttäuscht zu sein.
Dass Shadow Warrior in Sachen Singleplayer-Shooter meine große Liebe ist, ist das schlechtgehütetste Geheimnis meiner Blogginglaufbahn. Mit Shadow Warrior 2013 habe ich begonnen, überhaupt Spiele zu reviewen. Classic Redux folgte. Und weil das beste an Lo Wang für mich immer der Humor war und der oft in Glückskeksen steckte, habe ich auch noch eine Bildergalerie mit selbigen angelegt. Ich war im Hype. Die Tage bis zum Release von Shadow Warrior 2 habe ich gezählt, daran ein Testmuster von Devolver zu bekommen, habe ich nicht geglaubt, das war mir aber auch egal. Ich hätte es gekauft. Als das Testmuster dann doch kam, war ich im siebten Himmel. Auch als die Introsequenz lief. Da startete wieder Stan Bushs You’ve got the Touch, wie eben im ersten Teil, und Lo Wang fuhr in seinem schwarzen Sportwagen durch den Wald, Wackelkopf-Gozilla inklusive. Ein Throwback zum ersten Teil, freue ich mich, und warte gespannt auf den ersten großen Gag, auf Lo Wangs großes Maul oder irgendeine Art, wie Shadow Warrior 2 meine Erwartungen nimmt, auf links dreht und sie einem Dämonen in den Hintern schiebt. Aber da wartete ich lange. Denn ihr Humor scheint dem Team von Flying Wild Hog bei der Produktion abhanden gekommen zu sein. Der irre Killer mit dem nominalen Peniswitz hat zwar immer noch ein loses Mundwerk, doch das scheint betrüblich ausgeleiert zu sein. Ich kann nicht anders als mich zu fragen, ob der Wahn ums prozedurale Generieren den Wild Hogs nicht ein bisschen zu sehr in die Knochen gefahren ist. Denn Lo Wangs Sprüche und auch die seiner Gegner scheinen aus demselben Generator gerutscht zu sein, wie die aus handgemachten Bausteinen zufällig zusammengesetzten Gebiete. Bevor ich mich überhaupt auf die pseudo-japanische, ehrlich hübsche Umgebung und die stimmungsvolle Abschlachtmusik einlassen kann, höre ich im Dreissig Sekunden-Takt Variationen der gleichen Sätze: “Your ass is mine, Wang!”, “Your Wang is mine, ass!”, “Seems like this isn’t your day/week/month/decade!” beschallen mich ohne Unterlass nach jedem Kill oder selbst eingesteckten Treffer. Dazwischen, spärlich eingestreut, finden sich einige der Gassenhauer aus dem ersten Teil, deren erneutes Auftauchen ihren Witz ebenfalls trübt.
Ich sehe, dass Shadow Warrior 2 ein deutlich weniger witziges Spiel werden musste als Teil eins. Es ist kaum zu übersehen, wenn man erst mal richtig im Spiel angekommen ist. Ein großer Teil von Shadow Warriors Lachern entsprang der Beziehung von Wang und dessen unfreiwilligem Dämonenbeifahrer Hoji, die sich von zynischer Verachtung zu interdimensionaler Bromance entwickelte. Da jener Hoji aus Storygründen in Shadow Warrior 2 nicht mehr mit von der Partie ist, hat Flying Wild Hog ihn durch einen anderen körperlosen Trittbrettfahrer in Wangs Körper ersetzt: Die Seele von Kamiko, Versuchskaninchen von Wangs ehemaligem Arbeitgeber Zilla, der schon im ersten Shadow Warrior ein ausgemachtes Arschloch war. Nur besteht ihre Konversation mit Lo Wang hauptsächlich im gegenseitigen Angiften. Keine fortschreitende Entwicklung der Beziehung wie im ersten Teil. Wenn die Entwickler damit der Emanzipation genüge tun wollten, haben sie ins Klo gegriffen; Kamiko trieft vor Geschlechterklischees, sie ist zickig, launisch, humorlos und durch ihren der Seele beraubten Zustand quasi die Bilderbuchdefinition der Damsel in Distress. Mal ehrlich, von hier:
Ist es nicht mehr allzu weit bis dahin:
Dazu kommt die Art der Präsentation im gesamten Spiel: Shadow Warrior 2 folgt nicht mehr linear einer einzigen Story, sondern lässt mich nun dank missionsbasiertem Questsystem auch mal vom Pfad abweichen. Das wäre eine dankenswerte Änderung, wenn mich die Nebenmissionen nicht in genau die gleichen Gebiete und Gebäude schicken würden, in denen ich gerade war – teilweise so kurz hintereinander, dass die Gegner noch nicht einmal Zeit hatten, nachzuspawnen. Dazu gibt es auch gerademal eine Handvoll neben den ebenso wenigen Hauptmissionen, sodass wirklicher Erkundungsdrang gar nicht aufkommen kann. Ich nehme mir eben eine der maximal drei gleichzeitig offenen Quests vor, wohlwissend, dass mindestens eine andere davon mich ins selbe Gebiet führt, ich jedoch nicht zwei Ziele gleichzeitig erfüllen kann. Stattdessen muss ich jedes mal wieder zurück ins Hub, auf den Dragon Mountain, dass sich vermutlich wie Zuhause anfühlen soll, aber eher durch zu lange Wege zwischen den Händlern auffällt. Und so hübsch ich das Neonschild über Los ‘geheimer’ Wang Cave auch finde, war ich doch bisher auch da nur einmal aus Storygründen drin.
Dabei möchte mich doch Shadow Warrior so sehr zum Erkunden anregen. Und das tut es auf die Art, die den meisten Spielen ohne gesunden Fokus zu eigen ist: Durch Sammeln. Das meiste zeigt mir das Spiel direkt auf der Minikarte an, damit ich auch ja den Drang bekomme, wild herumzulaufen; gerade bei den Shadow Warrior auszeichnenden Glückskeksen bin ich darauf auch gerne hereingefallen. Aber dass mich auch deren Humor nicht mehr von den Socken haut – im Gegenteil, die sind diesmal richtig öde – lässt sich ja auch weiter oben unschwer herauslesen.
Generell fühle ich mich beständig auf mehreren Ebenen daran erinnert, dass vor vielen Jahren Gearbox die Diablo-Formel auf First Person Shooter übertragen und Borderlands getauft hat, denn letztendlich wünscht sich Shadow Warrior 2, Borderlands gewesen zu sein. Ebenso wie die Missionsstruktur und der Multiplayer orientiert sich auch die Waffenauswahl am Koopshooter schlechthin. Es gibt zwar keine Bazillionen Wummen, aber einen riesigen Haufen, der sich dann per (ebenfalls Diablo-typischer) Runenslots beliebig aufrüsten lässt. Vorbei die Zeit, wo Lo Wang von jeder Waffengattung ein liebevoll designtes Gerät schwang, dass im Laufe von drei Upgradestufen nicht nur wirkungsvoller, sondern auch hübscher wurde. Hallo zahlreiche Pistolen, Schrotflinten und Schwerter, die ausnahmslos alle nutzlos werden, sobald man die entsprechend nächste Waffe der Kategorie freischaltet. Selbstverständlich musste auch Crafting im Spiel sein, sonst würde es sich ja gar nicht lohnen, die unendliche Masse an nutzlosen Upgrades einzusammeln. Die Seele ist herausgeflossen aus dieser im letzten Teil noch so liebevoll bescheuerten Reihe, zugunsten von Trends und dem Versuch, auf der Spitze der Retroshooter-Welle neben DOOM zu reiten. Zugegeben, wenn ich mich zwischen dem DOOM-Soundtrack und Stan Bush entscheiden muss, weiß ich nicht, wem ich den Vortritt gebe. Aber obwohl sich das reine Waffenhandling in Shadow Warrior 2 noch einen guten Tick besser anfühlt als im ersten Spiel: Die Chance aufs Treppchen hat sich Lo Wang bei mir verbaut.
Das ist okay, ich habe es schnell verarbeitet. Shadow Warrior 2 spielt sich nett weg, ich kann meinen Ärger ganz gut unterdrücken bis nach dem passabel inszenierten Endboss. Aber was mich einfach nicht loslässt ist die eklatante Einbuße an Humor. Wurde ich alt? Nein, über Machete lache ich immer noch. Die grobe Richtung der Witze ist noch die gleiche; trotzdem ist es kein Fall von “zu viel vom Gleichen”, denn genau danach verlangt es mir, immer noch. Nein, was mir aufstößt ist neben dem allzu offensichtlichen Recycling der Verlust der Identität. Während Wang sich im ersten Teil noch über Filme, Comics, Videospiele und diverse Stereotypen lustig machte, hat er jetzt – auch in Ermangelung von Gesprächspartnern, die auf ihn eingehen – noch genau ein Thema: Seinen Lörres. Und auch wenn das eigentlich nicht überraschen sollte bei der Prämisse, bleibt der Lacher bei der dritten Erinnerung daran, dass Schwertkampf solo blind macht, eben aus. Da suhle ich mich lieber ein letztes Mal in der großartigen Symbiose zwischen Lo Wang und Stan Bush und komplimentiere Flying Wild Hog für ihre beste Entscheidung: Den Soundtrack.
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