Jetzt noch einen Artikel über Star Wars Battlefront II zu schreiben ist undankbar. Ich komme eigentlich nicht darum herum, zu erwähnen, wie das Spiel zum Flaggschiff einer Glücksspiel-Diskussion wurde, die bis vor die Gerichte und Landtage des Erdkreises schwappt. Jeder Artikel muss – und das zu Recht – damit eröffnen, dass EAs Lootbox-Praxis allerunterste Schublade ist, dass der gesamte Multiplayerteil sich raubtierartig auf jüngere Spieler und solche mit Suchtgefahr stürzt und dass auch das zeitweise Herausnehmen der Bezahlwährung das System nicht besser gemacht hat. Ohnehin kommt die Aufforderung zur Echtgeldinvestition ja im nächsten Jahr wieder, EA und Dice möchten nur das Weihnachtsgeschäft so unfallfrei wie möglich mitnehmen.
Kurzum: Jeder Text über Star Wars Battlefront II sollte betonen, dass man dieses groteske Machwerk der Unternehmenslogik nicht kaufen sollte. Das sei hiermit getan. Unterstützt das nicht; kauft es nicht.
Und nachdem die Lage der Nation damit abgehakt sein sollte, kann ich mich nun dem eigentlichen Spiel widmen. Nicht dem Multiplayer, und eigentlich auch nicht der Einzelspieler-Kampagne, wie sie im Spiel selbst existiert; vielmehr dem Luftschloss Star Wars Battlefront II, wie es in meinem Kopf Form annahm, während ich die wunderschönen Setpieces der Kampagne durchstreift habe und von vielversprechenden Erzählansätzen in lachhafte Sackgassen navigiert wurde.
Redet eigentlich überhaupt jemand über die Singleplayer-Teile des Spiels? Es sollte genug Spieler geben, die nach der kürzlichen Umstrukturierung von Visceral Games’ begonnenem Star Wars-Einzelspielergame nach einer ordentlichen spielbaren Geschichte im Star Wars-Universum lechzen. Gut, dass sich niemand vorgemacht hat, Battlefront II könnte dieses Loch stopfen; niemand außer einigen Zahlenschiebern bei Electronic Arts, meine ich. Trotzdem liefert Battlefront einen kleinen Tropfen von dem, was hätte sein können. Die insgesamt 13 Einzelspielermission sind jeweils verdammenswert kurz, kaum je länger als zwanzig Minuten. Der einstellbare Schwierigkeitsgrad macht nahezu keinen Unterschied, was am generellen Handling des Spiels liegt: NPC-Gegner sind eben tot, wenn man sie irgendwo in Helmnähe trifft. Die Krux eines Lebenspunktesystems, dass für Versuskämpfe entwickelt und nachträglich auf KI-Opponenten angepasst wurde. An sich ist das aber auch gleich, denn die Geschichte würde durch längere Kämpfe ja auch nicht besser. Was sie bräuchte, wären weniger Lücken.
Denn grundsätzlich macht die Kampagne von Battlefront II gar nicht so viel verkehrt. Als Iden Versio, neu dazuerfundene, hochwichtige imperiale Infernotrupplerin, gespielt von True Blood– und Vampire Diaries-Schauspielerin Janina Gavankar, beginne ich kurz vor dem Untergang des Imperators, Rebellensoldaten niederzumähen. Iden erlebt live die Zerstörung des zweiten Todessterns mit, nachdem sie direkt unter dem kolossalen Kampfschiff auf Endor eine Schlacht schlägt, und ist daraufhin tief in ihrem Glauben ans Galaktische Imperium erschüttert. Als die Überreste der imperialen Armee schließlich mit einer Miniversion des Todesstern-Death Rays Idens Heimatplanet zerstören wollen – einfach so, um ein Exempel zu statuieren, anstatt sich wenigstens ein bisschen Mühe zu geben, das Imperium auch mal in Grautönen und nicht als das pure Böse darzustellen – brennt Iden und ihrem Truppengefährten Del die Sicherung durch und sie desertieren zu General Leia Organas frisch gegründeter neuer Republik. Ab hier fährt das bisschen Charakterbau Idens und das Vorantreiben einer zusammenhängenden Geschichte komplett weg; Versio schlägt ein paar Schlachten an der Seite der ehemaligen Rebellion, dann gewinnt sie die Schlacht von Jakku und am Ende liegen sie und Del sich knutschend in den Armen. Ersetzt wurde die in diesem Intervall durchaus noch möglich gewesene Erzählung von Geschichte durch Fülllevel, in denen jeder beliebte Rebellionsheld einmal gesteuert werden darf. Und Lando Calrissian.
Sorry, Lando. Deine Mission ist sogar ganz cool, sogar die Beste gemeinsam mit der von Han Solo. Der Kniff an den eigentlich nur als Füllmaterial gedachten Passagen ist nämlich, dass darin die Persönlichkeiten der Charaktere ziemlich gut zur Geltung kommen. Han Solo verbringt eben die meiste Zeit damit, sich unter Alkoholeinfluss in einer Taverne mit alten Bekannten zu unterhalten (die ihn nicht mögen, weil er sie in naher Vergangenheit über den Tisch gezogen hat), da er wie gewohnt nicht wirklich weiß, auf welche Art er den ihm gestellten Auftrag erfüllen soll. Lando Calrissian soll eine Waffenfabrik übernehmen, indem er Terminals hackt. Wie gut das funktioniert lässt sich am besten über die Aufgabenbeschreibungen im Spiel selbst zeigen.
“Push some Buttons?”
“Push some more Buttons”
“Just Shoot the Thing”
“Get out, already”
Bei aller Liebe für die in bester Arcade-Shooter-Manier alles zerstörenden Heldeneinheiten kann das ja aber nicht das Ziel einer groß angekündigten und durchaus gut aufgebauten Geschichte sein. Iden hätte tatsächlich ein interessanter Charakter werden können. Selbst die plötzlich auftauchende Liebesgeschichte in den letzten beiden Missionen wäre zu verkraften gewesen, hätte man ihr ein wenig mehr Zeit gewidmet. Nein, das eigentlich Problem ist das Design der Missionen, und zwar so grundlegend, dass es auch auf die Erzählung überschwappt. Iden ist letztendlich eine verdammt durchschnittliche Sturmtrupplerin, die sich nur durch ihre hübsche Rüstung hervorhebt. Ich schieße in jeder einzelnen Mission genauso geistlos auf schießbudenartig aufploppende Gegner wie ich das auch im Multiplayer als Klonkrieger oder Rebellenscharfschütze tue. Dabei hätte man mit wenigen Handgriffen nicht nur Iden Versio, sondern auch das generelle Handling signifikant verbessern können: Anstatt mich zu zwingen, mir zu Anfang eine Waffe auszusuchen und diese bis zum nächsten zufällig verteilten Waffenschrank zu behalten, hätte man mich eine zweite Waffe ausrüsten oder von besiegten Gegnern selbige aufsammeln lassen können. Aber nö. Zweitwaffen, wenn man sie so überhaupt nennen kann, sind zeitlich stark begrenzte, über eine Fähigkeit aktivierbare Ausrüstung mit hoher Abklingzeit. Ich kann nicht mit einem Raketenwerfer bewaffnet einen AT-ST beharken und dann unter dem Druck von feindlichem Dauerfeuer hinter einer Kiste Schutz suchen, um das unhandliche Ding nachzuladen. Stattdessen renne ich wie eine Irre über die Karte und suche einen Raketenwerfer-Drop, den ich dann einmal abfeuere, auf die Abklingzeit warte und solange eben munter mit dem Sturmgewehr auf den Walker ballere. Star Wars Battlefront II ist – egal ob in der Einzelspielerkampagne oder dem Online-Multiplayer – ein einziges hübsch verpacktes Menü, in dem alles über Untermenüs und Knöpfchendrückerei funktioniert. Vorbei die Zeit, in der Fahrzeuge auf der Karte herumstehen, von Gegnern verteidigt werden und mit genug Mühe in heroischen Aktionen gekapert werden können. Stattdessen kaufe ich mir meinen AT-RT für ein paar Punkte im Menü oder werde an festgesetzten Punkten innerhalb der Story in ein Flugzeug teleportiert. Electronic Arts hat die Kunst der Menüsteuerung aus Wirtschaftssimulationen wie Der Patrizier gerissen und ins Shootergenre implantiert. Warum, das kann ich nicht sagen; sicher ist aber, dass es den Flair der atemberaubend schönen Umgebungen und der generell eigentlich erfolgreichen Star Wars-Atmosphäre vollkommen zerlegt. Und weil das Spiel eben auch sonst nicht viel hat, braucht es schon viel Eigendisziplin, an dieser zerstückelten Krieg der Sterne-Erfahrung Freude zu finden.
Achja, einen Multiplayer hat das Teil wie kurz angerissen auch noch. Dass sich der aber nicht gut spielt, weil man an jeder Ecke auf imaginäre EA-Salesmen trifft, die gerne eine Lootbox verkaufen wollen, hat mittlerweile vermutlich wirklich jeder mitbekommen. Auch hier gilt, was den Rest des Spiels herunterzieht: Es hätte so schön sein können, aber ‘schön’ bringt eben nicht so viel Geld, wie die Aktieninhaber verlangen.
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