Riley wollte eigentlich nur ihre Ruhe. Am liebsten mit maximalem Abstand zu ihrem Leben und ihrer Vergangenheit. Also hat sie sich ein Boot zugelegt und ist schön abgelegen in der Gegend herumgetuckert. Aber Unwetter kann man mitten auf dem Meer nicht ganz so leicht ausweichen wie zuhause, also muss sie doch den Anker auswerfen. Das klappt zumindest ganz gut, da ihr kurz vor einer Insel eine fremde Stimme in den Kopf poppt und ihr dabei hilft.
Wait What?
Stellt sich raus Josh ist so etwas wie ein Geist, der sich nun aber in Rileys – also meinem – Hirn manifestiert. Das lief jetzt nicht so wie sie sich ihren Abstand zu Menschen vorgestellt hatte.. Aber was soll man da machen, man kann sich so einen Geist ja auch nicht mit einer Pinzette aus dem Ohr ziehen, also gehen sie zusammen die Insel erkunden, um herauszufinden, was eigentlich los ist und wie sie die Situation möglichst schnell wieder beenden können. Außerdem ist es ja auch ein Walking und kein Shipping Simulator!
Die Insel ist komplett verlassen, hier können sie wohl keine Hilfe erwarten. Erstaunlicherweise haben sich in den teils verfallenen Holzhäusern aber hilfreich viele Papieraufzeichnungen erhalten, die uns nach und nach die Geschichten der Menschen, die hier gelebt haben, rekonstruieren lassen. Eine Adelsfamilie, die alles gekauft und dann vernachlässigt hat, Alkoholschmuggler, Ermittler auf der Suche nach vermissten Personen und verlassene Kinder auf Erkundung ihrer Herkunft, es ist wirklich alles dabei! Abgesehen von Briefen und Tagebucheinträgen werden gelegentlich auch Visionen aus der Vergangenheit ausgelöst, die uns Zusammenhänge nahebringen und die Puzzleteile nach und nach ineinander stecken.
Aber neben Rileys Hintergrund, zu dem sie lieber schweigt, bleibt auch unser Bild von Josh – unserem Brainbuddy mit Gedächtnisverlust – erst einmal extrem unklar. Er taucht immer wieder in Erinnerungen und Aufzeichnungen auf, aber auch dort schon als Stimme in den Köpfen Anderer. Ist er wirklich ein Geist? Wo kommt er her und was ist mit ihm und seinen bisherigen “Freunden” passiert? Was wird da noch auf uns zukommen?
Dass plötzlich ein weiterer Geist auftaucht und sie vor ihm warnt, macht es wirklich nicht besser und langsam nagt die Ungewissheit doch sehr an Riley. Mit ihrem zum bedrohlichen Störfaktor gewordenen Mitbewohner versucht sie allem auf den Grund zu gehen, immer in der Hoffnung, zu ihrem Normalzustand zurückkehren zu können, während die Atmosphäre sich ihrer düster werdende Stimmung fast schon anzupassen scheint.
Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber sobald ich eine hübsche begrünte Felsenlandschaft am Meer sehe, ist mein Herz schon gewonnen. Da möchte ich mich hinsetzen und dem Sonnenuntergang entgegen blicken, das reicht schon vollkommen. Wie auch bei Draugen zeichnet die Protagonistin besonders hübsche Stellen in ihr Notizbuch, das einem auch beim Durchblicken und Einordnen der aufgedeckten Geschehnisse hilft. Mein Gedächtnis ist solchen Funktionen ja immer extrem dankbar! Ganz im Gegensatz zu den zu lesenden Textmengen, die stellenweise für müde Abende ein klein wenig zu viel für meinen Geschmack waren, aber die haben mich nicht von der Geschichte abhalten können, denn Josh ist nicht beliebig geblieben und ich wollte am Ende wirklich wissen, wie er in diese 200 Jahre umfassenden Lebensgeschichten und Intrigen verstrickt ist und was ihn an diesem Ort festhält.
Handlungen aus aufleuchtenden Erinnerungen oder Visionen zu rekonstruieren, konnte schon Everybody’s gone to the Rapture gut. Man muss das Rad nicht neu erfinden, wenn man weiß, was man will. Ghost on the Shore präsentiert eine Geschichte über Familienabgründe, Verlust und auch Wut, die mich deutlich mehr hineingezogen hat als die meisten anderen des Genres, die zum Glück nicht einfach (wie ein wenig befürchtet) ein Abklatsch von alten Sachen war sondern etwas ganz eigenes, das seinen Platz unter den Walking Simulators verdient hat.
2 Kommentare
Der Absatz “Die Insel ist komplett verlassen, hier können sie wohl keine Hilfe erwarten.” ist doppelt im Artikel.
Ups! Das hat meine Bilder-in-Wordpress-Wut wohl übersehen, danke!