Star Wars, ach Star Wars. Wie so viele, war ich direkt verzaubert, als ich in Kindertagen die Original-Trilogie für mich entdeckte. Wir alle hatten sie uns irgendwie, irgendwo auf Video besorgt und guckten den Quatsch rauf und runter. Toll war das damals. Heute bin ich nicht mehr zwölf und ein verbitterter, alter Hund, und spüre keine Liebe mehr, wenn ich an Star Wars denke. Die Originale sind schlecht gealtert und gerade der erste ist durch die verunstaltete “Special Edition” praktisch unguckbar. Die Prequel-Trilogie ist der größte Mist, den man sich vorstellen kann und die neuen Streifen… Uff, die taugen eigentlich nur dazu, dass ich mal schön Laserkrieg über meine überdimensionierte Surround-Anlage ballern kann. (Hallo Nachbar!)
Dementsprechend ignoriere ich seit einiger Zeit all die Filme und Serien, die aus dieser zu Tode gemolkenen Franchise herausgequetscht werden. Aber wenn ein neues Star-Wars-Spiel angekündigt wird, werde ich trotz alldem hellhörig. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Respawn Entertainments Star Wars Jedi: Fallen Order aus dem Jahre 2019 ein überraschend gutes Spiel war. Ich hatte es aus Skepsis erst Monate nach Release gespielt, womit ich wohl unbewusst eine gute Entscheidung getroffen hatte, da das Spiel bei Veröffentlichung in einem technisch miserablen Zustand war. Aber dazu später mehr. Ich hatte jedenfalls viel Vergnügen und pumpte Stunde um Stunde in das 3rd-Person-Laserschwertgesäbel. Was da genau in der Story abging, tja nun, nichts Genaues weiß man nicht. Ich vermute, dass alles auf völlig egalem Star-Wars-Niveau ablief und ich mich zu Recht an nichts mehr erinnere. Durchgespielt habe ich es aber definitiv. Denn ich weiß noch genau, wie ich in dem unsinnig schwierigen Endkampf auf easy gestellt habe, verdammte Hacke.
Den Endboss im kürzlich erschienenen Star Wars Jedi: Survivor habe ich noch nicht gesehen. Aber ich bin schon weit genug drin, um zu sagen: Ja, wir haben hier grundsätzlich einen prima Nachfolger zu einem prima Spiel. Allerdings mit Einschränkungen. Aber von vorn: Survivor setzt einige Zeit nach den Ereignissen von Fallen Order ein. Held Cal Kestis kehrt zurück und sieht jetzt nicht mehr aus, als hätte er sich heute Morgen mit einem besonders scharfkantigen Toastbrot rasiert. Er ist ein gestandener Jedi mit Narben und Dreitagebart, der fleißig dem Jedi-Handwerk nachgeht. Im Tutorial-Level in der imperialen Hauptstadt Coruscant, ist er in geheimer Mission unterwegs, um den fiesen Gouverneur auszuquetschen. Nachdem anfangs die Zeichen noch auf Erfolg stehen, geht plötzlich alles schief und Cals gesamtes Team von liebenswerten Halunken kratzt ab. Das ist doof. Aber unser Held verzweifelt nicht, sondern legt eine Bruchlandung auf dem Planeten Koboh hin und stellt direkt eine neue Truppe auf, um dem Imperium schön den Arsch aufzureißen.
Für uns als Spieler:inen bedeutet das nach der linearen Coruscant-Partie, dass wieder durch semi-offene Welten gerannt, gehüpft, und geklettert wird. Wir erkunden die schön designten Level in Metroidvania-Manier. Neue Bereiche eröffnen sich uns, wenn wir passende Objekte finden oder Ereignisse auslösen. Im Zuge unserer Erkundungen entdecken wir Abkürzungen, versteckte Power-Ups, kosmetisches Gedöns und wertvolle Objekte an jeder Ecke. Das Kampfsystem ist erneut an Dark Souls angelehnt, wie blocken, parieren und hauen drauf. Das klappt aufgrund mangelnder Präzision alles nicht so gut wie in der Vorlage, aber dafür ist es auch nicht so unerbittlich. Wenn wir sterben, verlieren wir unsere XP. Im Gegensatz zur Souls-Reihe, liegen die Erfahrungspunkte dann aber nicht in der Gegend herum, sondern sind an den Gegner gebunden, der uns ins Jenseits befördert hat. Um den Fortschritt zu sichern, können wir an einem der über die Karte verteilten Meditationspunkte pausieren. Sich hinzusetzen speichert lediglich das Spiel. Zum Auffüllen von Energie und Stimpacks müssen wir meditieren, was aber auch alle Gegner:innen respawenen lässt. Man kennt es.
Wo XP ist, da wird auch gelevelt. Und Kumpel Cal kann einiges lernen, mehr noch als im Vorgänger. Neben den Lebens- und Macht-Energie-Upgrades gibt es jetzt mehr Kampfstile als zuvor. Nachdem in Fallen Order das Lichtwert einzeln, doppelt und im dual wielding geschwungen werden durfte, kommen jetzt das Kylo-Ren-Gedächtnis-Langschwert und eine Blaster-Schwert-Kombination dazu. Zusätzlich können Jedi-typisch noch einige Macht-Spielereien gelernt werden, was insgesamt für eine breite Palette an Moves sorgt. Vielleicht eine etwas zu breite, denn bei dieser Fülle an Optionen nutzt man eh nur die Hälfte und nach Spielpausen musste ich immer etwas herumprobieren, bis ich wieder drin war. Das ist nicht schlimm, zeigt aber, dass mehr Fokus gut gewesen wäre. Eine willkommene Neuerung ist hingegen die Schnellreiseoption, die das nervige Backtracking aus dem Vorgänger stark reduziert. Außerdem ist die Karte jetzt halbwegs lesbar, was ebenfalls hilfreich ist. Zur Story muss man wieder nichts sagen, denn diese ist halt typischer Star-Wars-Mumpitz. Reich an familienfreundlichem Humor und Drama, ist sie ausreichend für ein Videospiel, aber so interessant wie kalter Kaffee. Kollege Cal ist weiterhin kein Charismabolzen, aber auch nicht mehr ganz so blass wie in Fallen Order.
Ein unerfreuliches Thema ist die technische Qualität des Spiels. Durch den Current-Gen- und PC-Fokus ist die Welt detaillierter und insgesamt hübscher als die des Vorgängers. Ein Hingucker ist das Raytracing, welches allerdings weder im Quality- noch im Performance-Modus abgestellt werden kann. Das sorgt einerseits dafür, dass die Lichtstimmung geil ist, gerade im Coruscant-Level. Andererseits laufen dafür beide Modi nicht rund. Gerade auf Performance bricht die Framerate krass ein und die variable Auflösung ist so aggressiv, dass das Bild trotz Upscaling immer unsauber aussieht. Aufgrund dessen entschied ich mich für die 30 Frames des Quality-Modus, der Dank VRR flüssig lief, aber nicht jede:r hat einen Fernseher mit diesem Feature. Darüber hinaus gibt es eine lange Latte an Bugs, darunter sogar solche, die ein Fortkommen im Spiel verhindern. Wer mehr darüber wissen möchte, bemühe bitte Google.
Survivor reiht sich ein in die lange Schlange der unfertig veröffentlichten Spiele, in der es mit The Callisto Protocol, Resident Evil 4 Remake und dem dieser Tage erschienenen Redfall steht. Während ich das letztere kotzend abbrechen musste, ist die Lage hier lange nicht so schlimm, verärgert bin ich trotzdem. Über den Publisher genauso wie über die Fachpresse, die bei diesem Mist viel zu gnädig ist. Wenn ein Spiel kaputt auf den Markt kommt, muss eine Kaufwarnung ausgesprochen werden, fertig. Mir blieb der Frust erspart, 70 Euro oder mehr für ein nicht richtig funktionierendes Produkt auszugeben, da EA mir freundlicherweise einen PS5-Key hat zukommen lassen. Und inzwischen wurden wie üblich Patches veröffentlicht, die zumindest die gröbsten Probleme Konsolenversionen behoben haben. Ob euch das gut genug ist, um es zu kaufen, müsst ihr selbst entscheiden. Vielleicht erscheint es unfair, ausgerechnet mit dem Finger auf Survivor zu zeigen, da es mitnichten das am unfertigsten veröffentlichte Spiel aus der jüngeren Vergangenheit ist. Aber das ist kein Grund zur Nachsicht. Wollen wir ein Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen dafür beklatschen, dass es ein Spiel veröffentlicht, dass immerhin nicht ganz so schlecht läuft, wie die der Konkurrenz? Nein, eher nicht.
Bei allem Unmut ist es schwierig, halbwegs versöhnlich schließen. Aber ich mochte es trotzdem versuchen. Trotz der technischen Malaise hatte ich viel Spaß dabei, Stormtrooper von Klippen zu schubsen, mit dem Lichtschwert herumzufuchteln und versteckte Kisten zu finden, in denen absurder Weise eine neue Frisur für Cal verborgen war. Die Steuerung abseits der Kämpfe fand ich sehr befriedigend und das Klettern und Hüpfen war selten nervig. Außerdem war das Level-Design selbst für einen Orientierungs-Legastheniker wie mich meistens nachvollziehbar und ich habe mich immer gefreut, verborgene Abschnitte, wie die alten Jedi-Tempel zu entdecken. Survivor ist eine klassische Fortsetzung, die einige Schwächen des Vorgängers behebt und, basierend auf dessen Fundament, alles etwas schöner, größer und besser macht. Das ist per se nicht schlecht, wenn auch wenig aufregend. Und da Verlässlichkeit ihre Vorzüge hat, werde ich auch in die unvermeidliche Fortsetzung reinschauen. Dann allerdings wieder sechs Monate nach Veröffentlichung, damit auch alles rund läuft.
2 Kommentare
Hatte übel Bock auf das Teil, aber uff, die Berichte über die Technik sind ja schon derb, und jetzt muss ich deswegen warten. Und dann verkündet EA auch noch, dass das Ding n guten Start hingelegt hat. Wird wohl Standard werden oder is schon so: miese Triple-A-Technik, die paar Monate später (wenn überhaupt) weggepatcht wird. Fuck that.
Und natürlich viel Liebe für deinen Text, wie immer. <3
Ich bin auch noch nicht mit der Story durch, aber abgesehen von den technischen Unzulänglichkeiten, hat das Spiel immer noch das grundsätzliche Problem des Vorgängers:
Wenn ich ein “Star Wars-Souls-Like” machen will, dann brauche ich auch ein entsprechend knackiges Kampfsystem mit einer präzisen Steuerung. Das hat Survivor aber genau so wenig, wie sein Vorgänger Fallen Order. Immerhin fühlt sich Survivor nicht mehr ganz so “broken” an wie Fallen Order, weil sie es schlicht etwas einfacher gemacht haben. Man wird hier wenigstens nicht mehr gleich am Anfang von irgendwelchen Alien-Steinböcken auf der Stelle gekillt. Aber im Kern ist es genau das gleiche, unausgegorene Kampfsystem.
Wie ich schon bei Fallen Order sagte: Ohne das fehlkonzipierte Souls-Für-Arme-System wäre es ein 1A-Action-Adventure im SW-Universum. So ist es aber wieder ein typisches Respawn-Spiel: Viel gewollt, aber nicht alles gekonnt.