Es fühlt sich doch fast ein wenig seltsam an, im Jahr 2022 über Paradise Killer zu schreiben, als wäre es ein neues Spiel und ich würde eine Rezension liefern. Schließlich habe ich dem Spiel des britischen 2-Mann-Studios Kaizen Game Works schon 2020 die Krone für mein Spiel des Jahres geschenkt, nachdem ich ausführlich im Podcast darüber geredet und einen ganz schön langen Text über meine Faszination darüber geschrieben habe, wie das Spiel Schriften und Sprachen einsetzt.
Doch nun hat das ursprünglich für PC und Nintendo Switch erschienene Indiegame ein ordentliches Update erfahren. Das fügt vor allem neue tolle Stücke vom Komponisten Barry “Epoch” Topping und diverse neue Dialoge ein. Zum anderen bringt es das Spiel aber auch auf alle anderen Konsolen – nun kann ich dieses audiovisuell ohnehin sehr einzigartige und beeindruckende Spiel auch auf der PS5 genießen. Und meine Begeisterung hat nicht nur mit meiner Vorliebe für den großen Bildschirm zu tun. Ja, die PS5- und XBox Series-Versionen von Paradise Killer sehen echt gut aus, sie fügen unter anderem Ray Tracing ein. Das macht im purpur-reflektierenden Vaporwave-Paradies echt einiges her. Ich würde aber nicht sagen, dass diese Version optisch “besser” ist also die Switch-Version, die ich 2020 so genossen habe. Denn ausnahmsweise macht die schwache Leistung der Switch hier tatsächlich was her – der Nebel, die zusätzlichen Kanten und die leicht gedämpften Farben passen so gut in den Stil dieser seltsamen Insel, dass ich die Switch-Version rein optisch tatsächlich immer noch empfehlen würde.
Nein, was Paradise Killer auf der PS5 zur perfektion Version macht, ist nicht die Optik. Es ist die großartige Implementierung des DualSense-Controllers und seiner einzigartigen Eigenschaften. Deswegen vermute ich auch, dass die Series-Version, so baugleich sie technisch auch sein wird, lange nicht den Charme hat, den Paradise Killer auf Sonys Konsole hat. Die adaptiven Trigger sind dabei noch das kleinste Detail, auch wenn ich noch nie zuvor eine virtuelle Taschenlampe so befriedigend eingeschaltet habe. Die DualSense-Motoren simulieren nicht nur ähnlich fantastisch wie Astro’s Playroom den Untergrund, auf dem die Protagonistin Lady Love Dies läuft, von knirschendem Sand bis zum abwechselnd links und rechts tönenden blechernen Tappen auf einer Leiter. Paradise Killer dürfte auch das einzige Spiel sein, dass die Lautsprecher des DualSense-Controllers wirklich toll nutzt. Das Feature fand ich schon auf dem DualShock 4 recht nutzlos und gimmicky, und in der Hinsicht konnte auch Astro’s Playroom als Showcase nicht wirklich viele Ideen einbringen. Paradise Killer nutzt die Lautsprecher nun zur Orientierung in der Spielwelt. Die seltenen und wichtigen Münztelefone, Speicher- und Schnellreisepunkte von Paradise Killer, machen sich über den Controller-Lautsprecher bemerkbar. Sammelobjekte zeigen über (zugegeben nerviges, aber abschaltbares) Rauschen ihre Nähe zur Protagonistin an, als hätte man einen Metalldetektor zur Hand. Und ein wichtiger, dämonischer Charakter, der regelmäßig auftaucht und wieder verschwindet, vermittelt über ein leiser werdendes Kichern in Kombination mit den DualSense-Motoren, wie er mit den Begrenzungen der Welt spielt, die für ihn nicht gelten.
Audio ist das wahre Verkaufsargument der definitiven Version von Paradise Killer. Insbesondere hier auf der PS5, aber in vielerlei Hinsicht auch auf der XBox und dem PC. Kaizen Game Works sind sich vollends bewusst, dass Epochs grandioser Soundtrack die Atmosphäre des Spiels fast alleine trägt, und die Einstellungsmöglichkeiten sind beeindruckend. So kann ich mir im Menü beispielsweise aussuchen, ob die Musik diegetisch gespielt wird – aus Lautsprechern auf der Insel, die eben nicht überall aufgestellt sind und so für ein zusätzliches Raumgefühl sorgen – oder einfach dauerhaft für die Spielenden aus dem Laptop der Protagonistin tönt. Die ganze Stimmung des Spiels wird so stark von seinem Audiokonzept getragen, und es ist interessant zu sehen, wie das anscheinend auch die Figuren im Spiel betrifft – auf der Switch bekam ich zum Beispiel eben nicht mit, dass auf dem paradiesischen Tatort voller Intrigen und kultischen Ritualen 24/7 Musik aus Lautsprechern geballert wird. Jetzt hingegen kann ich mir sehr gut vorstellen, wie die entführten Bürger mit konstanter Beschallung gehirngewaschen werden sollen. In Kombination mit dem DualSense-Controller ist mein zweiter Spieldurchgang von Paradise Killer also nochmal eine wirklich andere Erfahrung, und das, obwohl ich bisher kaum etwas vom neuen Content gesehen habe. Wahrlich eine perfekte PS5-Version.
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