Kürzlich habe ich im Podcast noch groß herum getönt, dass ich bei Horizon: Forbidden West endlich mal ausprobieren wolle, wie lange es wirklich dauert, nur die Hauptgeschichte straight durchzuspielen und alle Open-World-Versuchungen sowie Platin-Ambitionen ins „Nachspiel“ zu verschieben. Wie so ein echter Profi-Redakteur, der aufgrund des Termindrucks genervt durch (viel zu) große Spiele wie Horizon: Zero Dawn oder Days Gone hetzt, um ihnen dann eine solide Mittelmäßigkeit und schwaches Story-Pacing zu attestieren…
Ziemlich genau 100 Spielstunden später ploppt die Platin-Trophäe zu HFW auf meiner PS5 auf. – Mist! Du hast dich wieder mal von einem Open-World-Spiel komplett einsaugen lassen. Wie so ein armseeliger Amateur-Kritiker, der Videospiele immer noch in erster Linie zum Spaß spielt. Was für’n Loser!
Die Profis schreiben, man könne die Story von Forbidden West in gut 20 Stunden durchspielen. Wenn der Chefredakteur genug Druck macht, vermutlich sogar noch schneller. Demzufolge habe ich also mindestens 80 Stunden meines Lebens mit unnötigen Nebenquests verschwendet. Nur dass es sich gar nicht nach Zeitverschwendung anfühlte, weil ich richtig viel Spaß hatte! Und dabei habe ich bei weitem noch nicht einmal alles gemacht, sondern nur das für die Platin-Trophäe nötige.
Forbidden West ist eine Fortsetzung eines AAA-Open-World-Spiels, wie man sie sich wünscht: Schneller, weiter, höher. Die Welt ist noch größer und schöner als schon im Vorgänger. Es gibt mehr Waffen, Rüstungen, Stämme, Maschinen und Nebenmissionen. Guerrilla Games liefern hier eine wirklich gelungene Mischung aus Bekanntem und Neuem ab und verbessern zudem viele Kleinigkeiten, an denen man bei Zero Dawn noch herum nörgeln konnte, wenn man wollte. Und trotzdem hat mir der erste Teil einen Tick besser gefallen…
Mein erstes „Problem“ mit Forbidden West ist, dass die faszinierende Welt des Spiels im zweiten Teil nun einfach da ist. Klar, abgesehen vom Prolog spielt man auf einer völlig neuen, toll designten Karte und entdeckt und erfährt auch viel Neues darüber, wie unsere Welt zum Teufel ging. Zudem gibt es eine ganz neue Bedrohung und am Ende einen dicken Story-Twist, der die Weichen für das dritte Horizon-Spiel stellt. Was mir aber fehlt, und da mache ich den Entwicklern gar keinen Vorwurf, weil es einfach in der Natur der Sache liegt, ist dieses Gefühl, wie ein kleines Kind mit weit aufgerissenen Augen eine neue Welt zu entdecken, welches Forbidden West in dieser Form nicht reproduzieren kann. Vielleicht geht es anderen Spielern ja anders, weil sie es vielleicht mehr schätzen, eine bereits bekannte Spielwelt tiefer erkunden zu können. Mir fehlt dieser Aspekt in HFW vermutlich auch deshalb so sehr, weil Zero Dawn genau das eben so herausragend gut gemacht hat, einen einfach in eine zunächst sehr bizarre Welt zu werfen und einem nach und nach alles so gut zu erzählen, dass selbst so ein abgefahrenes SciFi-Setting wie Aloys Maschinen-Monster-Welt absolut glaubhaft und in sich stimmig wird.
Und Aloy ist mein zweites „Problem“ in dieser Fortsetzung. Denn ebenso wie das World-Building, ist auch sie in Forbidden West halt einfach schon da. In Zero Dawn erlebte man, wie sie als Kind das Leben einer Ausgestoßenen führte, wie sie von Rost großgezogen wurde, wie sie den Focus entdeckte, der ihr Leben und ihre ganze Welt(-sicht) verändern sollte, und wie sie am Ende von der Ausgestoßenen der Nora zur Heldin von Meridian wurde. In der Fortsetzung ist sie schon zu Beginn die Retterin von Meridian und überall wo sie aufkreuzt, hat man schon von ihr gehört. – „Hey! Haare wie Feuer und eine so gute Kämpferin? Bist du nicht diese Aloy, von der alle erzählen?“ – Schon witzig, wie rasant sich auch im postapokalyptischen 31. Jahrhundert die Nachrichten unter den primitiven Stämmen verbreiten. Wer braucht da schon die Post oder gar das Internet? Anyway, in HFW ist Aloy schon zu Beginn eine Kriegerlegende und wenn der Abspann läuft, ist sie es noch immer. Eine wie auch immer geartete Entwicklung Aloys findet im zweiten Horizon-Spiel eigentlich kaum statt. Sie ist als Charakter einfach da, erkundet die wunderschöne Landschaft und tritt unzählige Ärsche, um die Welt zu retten.
Wenigstens wird man etwas entschädigt, indem das Spiel im Verlauf der Geschichte eine Gruppe von (alten und neuen) Vertrauten um Aloy scharrt, die ihr bei der Rettung der Welt zur Seite stehen. Die daraus resultierende Thematik von Freundschaft, Beziehung und Verlust erinnert nicht von ungefähr an einen anderen Trilogie-Mittelteil, den viele von uns sehr schätzen: Mass Effect 2. Und das machen Guerrilla Games auch wirklich gut, so dass die Charakter-Seite der Handlung nicht vollends unter den Tisch fällt, nur weil ihnen zu Aloy selbst wohl nicht mehr so wahnsinnig viel eingefallen ist. Ich hoffe, dass sie diesbezüglich für den dritten Teil noch irgendwas in der Hinterhand haben, denn es wäre schon etwas blöd, wenn es dabei bleibt, dass die Hauptfigur einer Reihe schon nach dem ersten Teil im Wesentlichen auserzählt war…
Tja, und so fehlen mir im Nachfolger gleich zwei Dinge, die Horizon: Zero Dawn für mich so herausragend gemacht haben. Naja, sie fehlen nicht wirklich, weil die Welt immer noch faszinierend und Aloy immer noch eine tolle Figur ist. Aber das ist in erster Linie dem ersten Teil geschuldet. Forbidden West nimmt das quasi einfach nur auf und arbeitet damit weiter. Ich weiß auch gar nicht, ob man dem neuen Spiel wirklich einen Vorwurf daraus machen darf, denn das was es macht, macht es ja äußerst kompetent. Vielleicht muss ich mich einfach damit abfinden, dass es bei allem immer nur ein erstes Mal gibt…
Aber damit das ganz klar ist: Mein Genöle ist Genöle auf extrem hohem Niveau! Außerdem ist es mein ganz persönliches, subjektives Gefühls-Dings. Objektiv betrachtet ist Horizon: Forbidden West ein Fest. Zero Dawn war toll, Forbidden West ist in nahezu jedem Aspekt noch toller! Und das eingangs erwähnte „More of the Same“ soll nicht den Eindruck erwecken, dass man, wie bei manch anderer Videospielreihe, einfach nur mit noch mehr überflüssigem Zeugs beworfen wird, nach dem ohnehin keiner gefragt hat. Allein die beiden Neuzugänge Grappling Hook und Energieschild zum Gleiten eröffnen spielmechanisch schon so viele neue Optionen. Außerdem kann Aloy jetzt schwimmen und tauchen, wovon die Leveldesigner bei vielen Gelegenheiten auch regen Gebrauch machen. Und dass man jetzt auch fliegende Maschinen reiten kann, ist ein echter Knaller. Schade, dass man diese Fähigkeit, die einen diese wunderschöne Spielwelt aus einer neuen Perspektive erleben lässt, erst relativ spät im Spiel erhält, aber wie schon erwähnt, kommt ja definitiv ein dritter Teil.
Die drei neuen Stämme, die Aloy im Westen trifft sind ebenfalls sehr interessant (besonders die Quen, weil… nee, ich habe es bis hierhin spoiler-frei geschafft, dann behalte ich das besser für mich) und liefern neben viel zusätzlicher Lore und spannenden Geschichten auch wieder tonnenweise Aufgaben und Nebenmissionen. Und genau die sind, wie schon im Vorgänger, wieder ausgesprochen gut geworden, so dass sie eben nicht, wie in vielen anderen Open-World-RPGs, durch ihre lieblose Austauschbarkeit und Wiederholung ganz schnell nerven. Sprich: Ganz viel Fallout 3, wenig FarCry 3-X. Darum konnte ich diesen Text auch erst nach über 100 Spielstunden schreiben… zwinky zwonky.
Und jetzt noch schnell ein knackiges Fazit, das Sony auf die Hülle drucken kann: Wer eine PS5 hat und Horizon: Forbidden West nicht spielt, ist doof. So.
9 Kommentare
Hm, du erwähnst tolle Nebencharaktere…
Bisher hatte ich nur gehört, dass die Nebenrollen zwar ganz nett sind, mit denen aber nicht viel gemacht wird und die nach dem “Aufsammeln” nur lethargisch in der Basis rumstehen und nix weiter sagen/machen.
Kannst du das näher erläutern?
hätte schon Bock auf Horizon FW aber sitz gerade an Salt & Sacrifice und eigentlich müsste ich Elden Ring weiterspielen (100h bei ca. 40% progress) und EIGENTLICH ist die neue Season bei DeepRockGalactic gestartet und das letzte The Expanse-Buch erschienen AAAAAAHHHHHH
bald is Urlaub…
Das stimmt so überhaupt nicht. Deine Mitstreiter laufen dir nicht die ganze Zeit hinterher (wer würde das auch wollen? !) und sammeln sich nach und nach in der Basis, aber jedes Mal, wenn ich dort vorbei schaute, gab es neue Gesprächsoptionen, Entwicklungen, etc. . Auch zwischen ihnen entwickeln sich Beziehungen, über die du sie ausfragen kannst. Außerdem ergeben sich durch diese Gespräche auch diverse Charakter-Missionen. Und bei den wichtigen Story-Missionen stehen sie dir natürlich tatkräftig zur Seite.
Darüber hinaus gibt es aber auch viele NPCs, die zwar nicht zu deiner eigentlichen Truppe gehören, aber trotzdem viel Story über mehrere NPC-Missionen hinweg liefern, weil du öfter mit ihnen zu tun hast (sofern du die Nebenmissionen machst).
Da haste also falsch gehört. ;-)
Nichtsdestotrrotz fand ich den ganzen Basen-Teil und die Implementierung der Charaktere dort völlig lieblos und überflüssig. Die scheinen eigentlich nur dort rumzustehen und mit langweiligen neuen Gesprächsoptionen ausgestattet zu werden, damit man sich nicht 150 Stunden lang fragt, was sie eigentlich zwischen den 3 Missionen, in denen sie mal kurz auftauchen, eigentlich sonst so treiben.
Überhaupt: die Basis. Why. I mean: WHY?!? Bis auf Gaias Holo-Höhle hat KEINER der anderen Räume irgendeine Bewandnis.
Gaia: “I unlocked a new room for you.”
Ich: “Wow. What the fuck for?!”
Spiel: beschämtes Schweigen.
OK, das hilft mir jetzt absolut nicht weiter
Ich denke ich kann das schon mal auf meiner Waschliste stehen lassen aber ich muss mich dahingehend wohl nochmal genauer informieren.
Hab den Vorgänger und das AddOn geliebt und sicherlich wird auch Forbidden West nicht enttäuschen aber da ich eh nur ne Bauern PS4 hab ist die Prio jetzt nicht so hoch.
Danke trotzdem für die kompetent diametralen Antworten ^^
Deswegen mag ich euch Hoschis doch :)
Wenn du nicht mitbekommen hast, was man in den einzelnen Räumen so machen kann, ist das schade…
Ich fand die Idee einer Basis gar nicht schlecht. Ohne sie würden einige Mechaniken merkwürdig wirken. Aloy zaubert ja schon jederzeit und überall on-the-fly neue Munition… Aber der wichtigste Grund für ihre Existenz ist schlicht, dass ja irgendwo dieses (ME2-)Team-Dings stattfinden muss. Da könntest du auch fragen, warum die Normandy so viele Räume hat, anstatt nur einen, in dem man alles machen kann. ;-)
Du mochtest es nicht so sehr, ok. Aber deine Begründungen finde ich etwas an den Haaren herbei gezogen, Christian.
Ich hätte wirklich tausend Beispiele, die ich wirklich wirklich schlecht an HFW finde.
Trotzdem heißt das nicht, dass ich es nicht mag. Bin nun bei 58 Stunden und spiele immer noch weiter. Weil es eine tolle Spielwelt ist, weil es immer wieder Spaß macht, die Welt zu erkunden, weil es fantastisch aussieht, weil der Soundtrack der helle Wahnsinn ist und weil es einfach immer wieder genügen Spaß- und Erfolgsmomente bietet, um mich am Ball zu halten.
Dass man in der Basis nun in einem Raum Override-Mechanismen freischalten kann (bzw. muss, obwohl man doch schon, wie im ersten Teil, dafür eigentlich die Cauldrons raidet, weil hey, wir brauchen eine neue Idee….) ändert meines Erachtens nichts daran, dass in der Basis unterm Strich einfach VIEL zu wenig passiert, um sie als zentrale Anlaufstelle aufzubauen. Worüber sich wohl auch das Spiel im Klaren ist, denn es gibt auch viel zu wenig Gelegenheiten, bei denen man überhaupt in die Basis MUSS. Sie ist halt einfach da.
Und nur weil ein 15 Jahre altes Spiel es genau so gemacht hat, heißt es ja noch lange nicht, dass man es anderthalt Jahrzehnte später noch genau so machen muss, ohne irgendeine Idee durchblitzen zu lassen, ob oder dass man es eventuell besser könnte.
Aber wie gesagt: 99+ Problems, but the fun ain’t one.
@Timberfox: das Spiel sieht auf meiner Bauern-PS4™ grandios aus und spielt sich butterweich.
Das ganze Höher, Schneller, Weiter finde ich aber etwas übertrieben. Jetzt neu mit Plasma, Purgewater und Säure. Das macht es unübersichtlicher (wo zum Geier ist der Bogen, der Plasma hat), die Kriegerbogen finde ich komplett nutzlos. Ich habe Hunderte Spulen, Maschinenteile, was weiss ich gesammelt und keine Ahnung, ob ich die nochmal brauche. Die Cauldrons finde ich nicht so optimal balanciert, die mit dem Grimhorn relativ zu Beginn fand ich unfair schwer, die anderen Couldrons sind dagegen easy (gespielt auf ultra hard, soviel muss schon sein).
Dafür ist der Claw Strider ein prima Kampfgefährte (geh’ du schon Mal vor, ich sammle nachher die Scherben auf). Ein paar Features, die zum kreativen cheaten eingeladen haben, wurden wegoptimiert: unbegrenzt Fällen aufstellen,die Fähigkeit eine beliebige Reitmaschine zu rufen, da muss ich viel zu Fuß gehen, da ich meine Robobuddies gerne im Kampf verschleisse.
Aber am Allerschönsten ist es, wenn die Handlung mal aussen vor bleibt, man frei rumzieht, ein paar Thunderjaws platt macht (ich mag ihn einfach), über verschneite Berggipfel zieht oder völlig sinnlos Dinge macht, wie checken wie lange man bergab über den Schnee rutschen kann (das geht auch viel länger als im Teil 1)
Ich vermisse leider die Banuk People mit ihrem religiösen Maschinen Cargo Cult, das war ein sehr intelligenter Aspekt der Handlung in Teil 1. Aber vielleicht kommt noch was. Ich bin ja erst zwei Drittel durch.
@Ove Gamer: dass das Ding läuft stand nie in Frage :) bin mit Elden Ring zB von der Performance her sehr zufrieden, die Visuals sind halt nur großartig und nicht oberaffentittengeil (hab eh nen 720p HD-ready TV von 2006 der einfach nicht die Hufe hochreißen will…)
Ich meinte eher, dass ich keinen Druck hab das irgendwie jetzt zu spielen und kann das auch später mit Genuss nachholen.
Vielleicht (!!) hab ich dann auch ne PS5 aber sollte es dazu kommen, ist das Erste mein drölzigster Durchgang mit Demon’s Souls denn DAS sieht auf PS5 wirklich ABARTIGST geil aus.
und zu meinem ersten Post: nach dem Urlaub hab ich jetzt zwar das letzte The Expanse Buch durch, Salt and Sacrifice bis in die 4. Welt weitergespielt und auch Elden Ring etwas Zeit gewidmet aber die meiste Zeit ging für einen Neustart von Salt and Sanctuary drauf, was ich jetzt auf der Switch nochmal mit 2 neuen Characterbuilds durchgeprügelt hab. Das ist wie gemacht für den Handheld <3