Das Telefon klingelt.
Es ist eine schwüle Sommernacht. Ich klebe in meinem Sessel. Das Apartment ist leer, hier sind nur ich und meine Sorgen. Wie von außen sehe ich einen verschwitzten Kerl aufstehen, in Richtung des regelmäßigen und hypnotischen Läutens wanken. Ich hebe ab, eine unbekannte Stimme teilt mir mit, wo es was zu tun gibt. Ein neuer Job steht an. Nehme ich schon länger telefonisch Aufträge entgegen? Keine Ahnung, wird schon seine Richtigkeit haben. Also steige ich in meine Karre.
Auf der Fahrt drehe ich das Tape bis zum Anschlag auf. Der Synth-Bass pulsiert, die Hitze drückt, obwohl es Nacht ist. Da ist der Laden. Ich steige aus und denke mir, dass eine Verkleidung ganz gut wäre. Nicht dass mich irgendwer erkennen würde. Ich kenne mich ja nicht mal selbst. Aber sicher ist sicher. Heute bin ich der Hahn. Mir ist einfach danach.
Tür auf und der Wachtyp im weißen Anzug geht zu Boden. War ich das? Meine Hände sind blutig. Es geht weiter. Wachtypen fallen, ich halte bald ein Stahlrohr, ein Messer, eine Flinte, ein Maschinengewehr in den Händen. Seit wann bin ich zu so etwas fähig? Aber es ist zu spät, ich stecke mittendrin und mache einfach weiter, bis nichts mehr in der Bude atmet außer mir. Ich sollte mich eigentlich schuldig fühlen. Stattdessen denke ich nur: Arbeit getan.
Auf dem Rückweg mache ich nochmal Halt in der Pizzeria. Der Kerl quatscht mich an, als würden wir uns ewig kennen. Ich bekomme eine Gratispizza. Komischerweise ist in dem Karton gar keine Pizza. Nur etwas Grünes, das kein Brokkoli ist.
Das Telefon klingelt.
Ich bin in meiner Wohnung.
Das Telefon klingelt.
War das alles nur ein schlimmer Alptraum?
Das Telefon klingelt.
Es ist schon wieder so heiß und schwül.
Das Telefon klingelt.
Ich gehe ran. Das Gespräch geht keine 30 Sekunden.
Bald bin ich wieder auf der Straße, der Elektrobeat geht ins Ohr und ich pflastere die Tanzfläche mit weißen Anzugstypen. Sie patrouillieren wie ein Uhrwerk, wenn ich nicht um mich schieße oder sie mit der Tür wegknalle. Um ihre gefallenen Kollegen sorgen sie sich nie, steigen über sie drüber, als ob nichts wäre. Sind das überhaupt noch Menschen? Keine Ahnung, ich bin schon lange kein Mensch mehr, ich bin nur ein Arschloch mit einer Tigermaske.
Das Telefon klingelt.
Ich bin bereit.
Das Telefon klingelt.
Wo geht’s als nächstes hin?
Das Telefon klingelt.
Ich hebe den Hörer ab.
Schillernde Keyboardmelodien. Ein Fehltritt, einer dieser Dreckskerle schießt mich nieder, ich bin tot. Oder bin ich? Ich komme wieder, und wieder, immer wieder, und setze meinen Feldzug fort. Ich bin das Ende aller Anzugstypen, der Sensenmann mit einer Eselsmaske. Jeden Laden, jede Spelunke, jeden Apartmentkomplex verwandle ich in ein grässliches Gemälde aus Körpern, Blut und weißen Anzügen.
Das Telefon klingelt.
Und klingelt.
Immer wieder klingelt es.
Einmal, einmal nur verlässt noch jemand lebend eines meiner Ausflugsziele. Sie bittet mich, ihrem Elend ein Ende zu bereiten und in meiner unermesslichen Grausamkeit beschließe ich, sie zu retten.
Das Telefon klingelt.
Die Frau, die ich gerettet habe, ist im Bad.
Das Telefon klingelt.
Es war also doch alles keine Einbildung.
Das Telefon klingelt.
Was geschieht hier bloß?!
Das Telefon klingelt.
Keine Zeit, weiter darüber nachzudenken.
Das Telefon klingelt.
Jemand zieht wieder an meinen Strippen.
Das Telefon klingelt.
Ich hebe den Hörer ab.
Hotline Miami, wie kann ich Ihnen helfen?
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