Ewiges Eis, alles im Zwielicht. Es barst die Luft. Die Götter sind tot und ein dicker Wikinger latscht durch den Schnee. Ist es ein Wikinger? Nein, es ist ein Varl. Die Varl sehen aus wie dicke Wikinger, haben aber zusätzlich Hörner vorne am Kopf dran. Außerdem sind sie gut drei Meter groß, leben Jahrhunderte und jeder einzelne ist ein Mann. Bärtige ungepflegte Typen, die noch nie eine Frau gesehen haben? Sind wir hier etwa auf der Gamescom?! Nein, wir sind in der Welt von The Banner Saga. Diese ist auch von streng riechenden Wesen bevölkert, hat sonst aber nichts mit der beliebten Publikumsmesse gemeinsam. Menschen und Varl führen eine friedliche Koexistenz, haben aber insgesamt wenig miteinander am Hut. Seit dem Tod der Götter bewegt sich die Sonne nicht mehr vom Fleck und auch sonst ist alles eher ungeil. Die Dredg, ein fieses Volk von Maschinenwesen kommt aus seinen Löchern gekrochen und macht alle kalt. Und zu allem Überfluss kriecht noch eine riesige Schlange durch die Landschaft. Die führt doch bestimmt nichts Gutes im Schilde, ja leck mich fett!
Auch unbelehrbare Optimist:innen hätten Schwierigkeiten sich die nihilistische Scheiße schön zu reden, die in The Banner Saga passiert. Klar, es gibt Freundschaft und Liebe und so Zeug. Aber meistens endet alles Schöne damit, dass irgendwer von einem Pfeil durchbohrt wird oder von einer Klippe fällt. Ein Teil des Taktikrollenspiels besteht darin, dass wir unserem Trek aus Varl und Menschen dabei zugucken, wie er durch die hübsch gemalte Landschaft zieht. Es geht von rechts nach links und das titelgebende Banner weht im Wind. Parallel werden Vorräte aufgezehrt und die Moral kackt ab. Sinkt letztere auf einen kritischen Wert, sollten wir ausruhen, wobei aber weiter Vorräte verbraucht werden. In Siedlungen können wir neuen Proviant sowie Items kaufen und uns durch storyrelevante Multiple-Choice-Dialogen klicken. Selbige erwarten uns auch bei Zufallsereignissen, die die Reise regelmäßig unterbrechen. Je nachdem wie wir uns entscheiden, steigt oder sinkt die Moral, gehen Vorräte oder gar Spielfiguren verloren bzw. kommen zur Party hinzu. Letztere ist besonders wichtig, denn Kämpfer:innen können in den Rundenkämpfen eingesetzt werden, in denen sie Erfahrungspunkte zum Aufleveln ernten usw. Wir kennen den Scheiß. Bei allem was wir tun, spielt Zeit eine Rolle. Denn die Dredg sitzen uns beständig im Nacken und überhaupt scheint die ganze Welt vor die Hunde zu gehen.
The Banner Saga ist hübsch, aber simpel. Denn obwohl es von einer Gruppe um BioWare-Veteranen entwickelt wurde, war das Budget schmal. Ein Kickstarter brachte gut 700.000 Dollar ein, nicht viel im Vergleich zu Platzhirschen wie dem DoubleFine-Adventure. Im Gegensatz zu letzterem gab es aber auch keine nebulösen Versprechungen oder Wünsche und das Endergebnis bot ziemlich genau das, was zu erwarten war. Und was vorhanden ist, ist sehr schön. Ich habe Banner Saga an einigen Abenden nach der Arbeit durchgespielt und fast jede Minute genossen. Den Schwierigkeitsgrad musste ich nach kurzer Zeit auf Easy stellen, da mir die Kämpfe zu hart waren. Selbst so war es kein Spaziergang, aber durchaus Feierabendhirnmus-kompatibel.
Die Strategieklopperei war für mich ohnehin nicht das Highlight des Spiels. Wirklich fasziniert haben mich die Geschichte, die Figuren und die schön gemalten (Stand)Bilder. Im Spielverlauf ereignete sich manches Drama. Held:innen wuchsen mir ans Herz und kurze Zeit später verlor ich sie schon wieder. Nicht selten, weil ich eine falsche Entscheidung traf. Es ist ein Klischee, aber The Banner Saga erreicht viel mit wenigen Mitteln. Ich bin sehr froh, dass ich es endlich nachgeholt habe und werde dieser Tage den zweiten Teil starten. Denn der erste endet auf einem Cliffhanger und ich MUSS wissen, wie es weitergeht. Vielleicht landen die Varl ja doch irgendwann auf der Gamescom, denn da würden sie bestimmt super hinpassen.
1 Kommentar
Hhhm, ich fand, dass das Spiel einen oft nur den Anschein von Auswahl gibt, und wenn die Geschichte Tragik verlangt, ist dann jede Entscheidung schlecht. D.h. sieht aus wie Zufall, aber in den entscheidenden Momenten ist es gescriptet.
Und da das Spiel auch bei anderen Entscheidungen (z.B. “verfolge ich die Nahrungsräuber oder bewache ich das Lager”) keinen Hinweis darauf gibt, was eine gute Entscheidung sein könnte, d.h. auch keine Kriterien und Anhaltspunkte, entstand für mich keine bedeutungsvolle Kette von eigenen Entscheidungen, bloß quasi Schicksalswürfelei, willkürlich und damit langweilig. Denn das Spiel sagt mir ganz klar “Das hätte jedem passieren können” und damit hat die Geschichte nicht wirklich mehr was mit meinen Entscheidungen zu tun.