Wir schreiben das Jahr 1979. Der Tiefseetaucher Stan Moray arbeitet in einer Unterwasserstation als eine Art Hausmeister für die Ölbohrfirma UniTrench in der Nordsee. Es ist ein einsamer Job. Seine einzige Verbindung zur Außenwelt stellt ein Funkgerät dar. Neben den täglichen Briefings mit seinem Vorgesetzten kann Stan so auch den Kontakt zu seiner Frau aufrechterhalten. Aber gerade durch diese Gespräche merken wir bald, dass Stan die Einsamkeit dieses Jobs bewusst gewählt hat: Das Paar hat vor einiger Zeit einen heftigen Schicksalsschlag erlitten und Stan erhofft sich, diesen in der Isolation besser verarbeiten zu können.
Ein kleines, aber erstaunlich hübsches Indie-Spiel, in dem sich der Protagonist in die Einsamkeit begibt, um mit einem Verlust fertig zu werden und die wenigen Kontakte mit anderen Menschen finden ausschließlich über Funk statt… Na? Ihr habt doch auch sofort an Firewatch gedacht, oder? Und was die Stimmung und die Geschichte der Hauptfigur angeht, habt ihr verdammt recht. Andererseits ist das Gameplay schon sehr unterschiedlich. Firewatch ist ein klassisches Beispiel für einen Walking Simulator, wo hingegen Under The Waves deutlich mehr Freiheit und Interaktion bietet, und damit insgesamt mehr „Spiel“. Im Grunde kann man sich die Spielmechanik von Under The Waves am ehesten als eine Art „Subnautica Light“ vorstellen.
Stan bekommt jeden Morgen über Funk seine To-Do-Liste für den Tag und dann geht es auch schon mit Moon, seinem kleinen U-Boot, los zu den entsprechenden Orten in der Open-World. Die Unterwasserwelt lässt sich über die täglichen Aufträge hinaus aber auch komplett frei erkunden. Und dort gibt es einiges zu entdecken: Versunkene Wracks, Unterwasserhöhlensysteme und andere Geheimnisse, die überwiegend optional sind, aber auch Möglichkeiten zur Verbesserung der Ausrüstung bieten. Wie im erwähnten Subnautica gibt es ein Crafting-System, um z.B. die Station, das U-Boot oder Stans Taucherausrüstung zu verbessern, nur dass sich Under The Waves nicht wie Subnautica im Mikromanagement verliert und man außer Ressourcensammeln fast nichts anderes mehr macht. Und wem die Schönheit der Unterwasserwelt als Motivation für weitere Exkursionen nicht reicht, hat vielleicht Lust, den diversen Sammelkram zu suchen, den die Entwickler überall versteckt haben…
Genau wie in Firewatch, gibt es hier auch eine zweite, größere Geschichte, die über das Charakterdrama des Protagonisten hinaus geht. Ohne euch diese spoilern zu wollen, sei nur verraten, dass es um die Verschmutzung der Meere geht. Aus diesem Grund wurde das Spiel vom französischen Parallel Studio auch in Zusammenarbeit mit der Surfrider Foundation entwickelt, einer Umweltorganisation, die sich dem Schutz der Küsten und Meere widmet. Obwohl ich die Öko-Message an der einen oder anderen Stelle etwas platt fand, wird das Ganze unterm Strich aber spannend und eindringlich erzählt.
Die hübsche Grafik habe ich schon erwähnt, aber der Soundtrack von Nicolas Bredin verdient eine besondere Erwähnung: Es gelingt ihm, sowohl die Schönheit der Unterwasserwelt, als auch die Melancholie und Tragik der Geschichte wunderbar zu unterstreichen. Die sphärischen Stücke, die hauptsächlich von Piano und Synties getragen werden, verleiten zusätzlich, einfach zu verweilen und dem Schildkrötenschwarm oder den Walen zuzuschauen, anstatt direkt zum nächsten Missionspunkt zu fahren. Und Stans Suche nach einem Abschluss und innerem Frieden gewinnt durch die Musik an Eindringlichkeit und Schwere.
Als ich Under The Waves direkt zum Release spielte, litt es auf der PS5 noch an einigen Bugs, wie zum Beispiel plötzlichen Abstürzen und Fehlermeldungen beim automatischen Speichern (obwohl das Spiel meinen Fortschritt immer korrekt speicherte!). Außerdem gab es innerhalb der Unterseestation sehr auffälliges Tearing und die ansonsten wirklich gute Synchro war oft nicht Lippensynchron. Alles nicht gravierend, zumal das Spiel von einem kleinen Team entwickelt wurde, aber schon erwähnenswert. Der erste Patch kam dann just an dem Tag, an dem ich das Spiel nach etwa 15 Stunden Spielzeit beendete. Doh! Ich gehe also davon aus, dass die genannten Fehler inzwischen überwiegend behoben wurden.
Ich kann das Spiel auf jeden Fall allen nur wärmstens ans Herz legen, die Firewatch mochten. Ihr müsst hier zwar deutlich mehr machen, als nur im Wald auf streng festgelegten Wegen herumlaufen, aber die Mechaniken dürften trotzdem niemanden überfordern. Ihr seid hier genau richtig! Doch eigentlich ist Under The Waves eine Empfehlung für wirklich jeden, der seine Videospiele mit einer ernsten, gut erzählten Geschichte mag und auch mal auf intergalaktischen Laserkrieg verzichten kann.
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