Vor einem Jahr erschien das Adventure Harold Halibut. Obwohl es eines meiner liebsten Spiele des Jahres 2024 war und im Dezember verdienterweise den Deutschen Entwicklerpreis verliehen bekommen hat, bin ich doch irgendwie nie dazu gekommen, darüber zu schreiben. Es geht mir aber mit all seinem Herz immer noch gelegentlich durch den Kopf und zu seinem Jahrestag möchte ich mein Versäumnis wieder gutmachen und eine kleine Liebeserklärung an dieses narrationslastige Spiel schreiben.
Harold Halibut ist irgendwie der Arsch des Raumschiffs. Alle kommandieren ihn herum und trauen ihm wenig zu, dabei ist er unglaublich lieb und sympathisch! Nur die Professorin hat ihn zu ihrem Assistenten gemacht und versucht, ihn immer einzubinden. Aus Underdog-Perspektive sehr gemein alles, aber deswegen habe ich umso mehr mitgefiebert, als Harold sich einen Point und einen Click nach dem anderen zum Helden der Geschichte entwickelt.
Es begab sich an einem Tag, dass Harold im Filter einen Fisch fand. Also eigentlich einen Fischmenschen? Oder so? Auf jeden Fall einen Alien! Denn Harolds Raumschiff, das vor langer Zeit von der untergehenden Erde entsandt wurde, um die Menschheit auf einen anderen Planeten zu retten, ist leider zwischendurch auf einem Wasserplaneten abgestürzt und nunja.. liegt jetzt unpraktischerweise im Meer herum.
Der Fisch-Alien muss leider erstmal ein Geheimnis bleiben, da gerade einige seltsame Machtspielchen an Bord vor sich gehen, die das Schicksal des neuen Wesens beeinflussen könnten. Die Professorin und Harold versuchen also, den komatösen neuen Freund-Feind aufzupäppeln, ohne sich mit dessen Biologie auszukennen, und nach ein paar unschönen Fehlversuchen funktioniert es dann auch irgendwie ganz gut! Als diese Fischperson aufwacht, spricht sie selbstverständlich auch kein Englisch. Ihr glaubt gar nicht, wie lange so interkultureller Sprachunterricht dauern kann, vor allem wenn diese Kulturen auf komplett unterschiedliche Grundsätze aufbauen! Aber zum Glück mögen sich alle, freunden sich an und lernen neue Möglichkeiten und Lebensphilosophien voneinander kennen, die beide Gesellschaften beeinflussen wird.
Einigen ging es diese ersten paar Spielstunden zu langsam, was sicher auch der Tatsache geschuldet war, dass es im Game Pass rauskam (jetzt ist es leider nicht mehr drin) und solche Spiele natürlich direkt funktionieren müssen, sie dürfen sich keine Zeit lassen. Und ja ich versteh das irgendwie schon, aber nachfühlen kann ich es nicht, denn in der Zeit lernt man die Schiffsbewohner*innen und ihre Beziehungen gut kennen und nur dadurch kann man überhaupt einen Vergleich zwischen der “alten” und der “neuen” Welt ziehen, so wie Harold sie sieht. Die alte besteht aus den im Meer verstreuten, retro-futuristischen Schiffsteilen, die inzwischen über Schleusen verbunden sind. Aus den Überresten der Erde und der Kulturen, die alle mitgebracht und über 250 Jahre beibehalten oder weiterentwickelt haben. Das ist das Leben, das alle kennen, die Erde selbst hat niemand mehr kennengelernt und inzwischen geht es nur noch darum, ob man sich mit der Wassersituation abfinden will oder doch noch eine Möglichkeit findet, weiterzureisen. Ihr könnt euch vorstellen, wie viel Konfliktpotenzial in so einer riesigen Entscheidung liegt. Und natürlich ist Harold an der Lösung beteiligt.
Dass es mit den Flumylums auf diesem Planeten doch noch intelligentes Leben zu geben scheint, auch wenn es sehr anders aussieht als das eigene, bietet natürlich neue Perspektiven. Vor allem, da auf diesem Schiff viel Wissenschaft betrieben wird und wer kann schon von sich sagen, ECHTE Aliens kennengelernt zu haben? Ohne zu viel der Geschichte spoilern zu wollen, kann ich zumindest ruhigen Gewissens sagen, dass sie es extrem gut schafft, mich an die Figuren zu binden und sie lieb zu gewinnen. Am Ende wollte ich mich gar nicht von ihnen verabschieden und mein Herz wünscht sich einen zweiten Teil, auch wenn die Story das wirklich nicht nötig hat, nur um sie alle noch einmal wieder zu sehen. Das Sehen ist auch ein großer Teil des Spiels. Es ist nicht nur alles sehr wholesome und gleichzeitig aufregend, sondern auch wunderschön. Die Figuren und die gesamte Kulisse sind Claymation, also Knetanimationen. Sie wurden als Miniaturen hergestellt, eingescannt und in diesem Fall im Stile von Stop-Motion digital wieder animiert. Ich habe also natürlich wieder sehr viel Speicherplatz mit wunderschönen Screenshots belegt.
Aber auch der dezente Humor und insgesamt die Stimmung haben mich komplett in die Welt reingezogen. Habt ihr schon mal eine Cutscene gehabt, bei der ihr mit einem U-Boot ein komplettes Hildegard Knef-Lied lang durch eine außerirdische Knet-Unterwasserwelt gefahren seid? Weil ich bisher nicht! Harold Halibut und die Flumylums haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen und lassen mich hoffen, irgendwann noch einmal etwas ähnlich beeindruckendes vom Kölner Studio Slow Bros. zu sehen.
Neueste Kommentare