Ein schönes Beispiel für den kulturellen Einfluss von Videospielen auf die Welt da draußen bietet sich dem, der schon einmal etwas von Escape Games gehört hat. Das sind Räume, in die sich Menschen freiwillig und gegen nicht wenig Geld einsperren lassen, um anschließend die darin angelegten Rätsel und Herausforderungen unter Zeitdruck zu lösen. Am Ende winkt der Schlüssel zum Ausgang – doch hauptsächlich geht es um das Erfolgserlebnis, um den Adrenalinstoß und um das Setting, in dem der entsprechende Raum dekoriert ist.
Wer begeisterter Konsument japanischer Visual Novels ist oder meinen Text über Verrat in Videospielen gelesen hat, dem wird jetzt schon ein Glöckchen klingeln. Spiele wie die Zero Escape-Reihe (9 Hours, 9 Persons, 9 Doors, Virtue’s Last Reward und Zero Time Dilemma) und Danganronpa haben die Flucht aus von bösartigen Masterminds konzipierten Thriller-Räumen innerhalb der Videospiellandschaft quasi salonfähig gemacht. Auch schon vorher boten kleine Spiele, oft auf Mobiltelefonen, wie etwa The Room den gleichen Rätselfokus, wenn auch ohne den narrativen Kontext. Und letztendlich geht das Konzept vermutlich sogar auf Point & Click Adventures und Wimmelbild-Spiele zurück, in denen regelmäßig Gegenstände gefunden und an anderer Stelle eingesetzt werden müssen, um daraufhin ein Rätsel aus- und schließlich aufzulösen. Spätestens mit der vierten Staffel der BBC-Serie Sherlock hat es das Escape Game zudem auch in die Fernsehlandschaft gebracht, von den Saw-Filmen einmal ganz zu schweigen.
Als ich vor ungefähr zwei Jahren das erste Mal ein solches reales Escape Game gespielt hatte (damals mit dem Setting ‘Waschsalon’ – alles noch deutlich weniger elaboriert als heute) musste ich allen meinen Freunden noch erklären, was das denn überhaupt ist. Heute ist die Werbung von Escape Game München, dem Unternehmen, bei dem ich das Geisterhaus gespielt habe, überall öffentlich in der Stadt zu sehen, die Räume selbst sind über drei verschiedene Orte verteilt. Mittlerweile gibt es gar in Buchhandlungen und Spielzeugläden Ecape Room-Brettspiele, die sich zu Hause mit Freunden spielen lassen – meist genau einmal, da man Karten beschriften, Zettel zerreißen und Kästchen aufbrechen muss. Ob diese Brettspiele einen ähnlichen Reiz wie eine inszenierte Raumflucht oder das virtuelle Entkommen des Mörders im Raum bieten, muss ich selbst noch ausprobieren. Die Geisterhaus-Herausforderung bei Escape Game jedenfalls war ein voller Erfolg.
Anlass des Besuches war der Geburtstag meiner Freundin, die sich für ihre Feier mal etwas anderes gewünscht hat. Da sie in letzter Zeit gern und viel mit mir neue Videospiele entdeckt, war sie Feuer und Flamme für die Idee, ein solches Escape Game auszuprobieren. Und weil Grusel, Zeitdruck und Adrenalin generell eine gute Kombination sind, bot sich das Geisterhaus natürlich an.
Angekommen in der Tengstraße, einer der drei Locations von Escape Game, betritt man erst einmal stilecht ein Kellergewölbe, wo man sich am besten seiner Mobiltelefone entledigt, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, die Taschenlampe einzuschalten.
Anschließend bekommt man eine kurze Einweisung und eine Rahmenhandlung erzählt, die allerdings während des Spiels nicht ins Gewicht fällt. Die Spannung erzeugt die Atmosphäre des Raumes mit seiner stimmigen Deko und natürlich der Kick, die Rätsel lösen zu wollen. Doch dazu müssen sie erst einmal gefunden werden, ist es doch auf den ersten Blick nur ein ‘ganz normaler’ Raum – im Sinne des Szenarios, also ein ganz normales, verlassenes Geisterhaus voller verschlossener Türen. Aber wenn man sich umsieht, wird man fündig. An einer Schublade fehlt der Griff und sie geht nicht auf, und die ominös beleuchtete Schreibmaschine ist auch etwas zu prominent platziert, um unwichtig zu sein…
Die Qualität des Raumes kann ich hier nur loben; Die einzelnen Rätsel und Puzzles arbeiten viel mit Technik, die zwar leicht zu durchschauen ist, aber sehr zur Stimmung beiträgt, wenn man sich auf das Setting einlässt. Auch abwechslungsreich sind sie, für jede Denkvorliebe war etwas dabei und kein Rätsel wiederholt sich (wie das raumübergreifend aussieht, kann ich natürlich nicht sagen; Eventuell werden dort Elemente wiederholt eingesetzt). Von dem guten Dutzend einzelner Kopfnüsse, die wir bewältigen mussten, war keine frustierend, alle sehr fordernd und bei erfolgreicher Lösung auch entsprechend belohnend – lediglich einmal, gegen Ende, leidet ein Rätsel unter recht unklaren Anweisungen, die sich leicht beheben lassen würden. Hier brauchte es eine Erläuterung vom Operator, der über eine Kamera beständig zusieht, aufpasst, dass es keine Komplikationen gibt und über Lautsprecher aushilft, wenn man sich zu lange an einer Aufgabe aufhängt.
Eine Stunde Zeit hat man als Team von bis zu sechs Personen, aus dem Spukhaus zu entkommen. Wir waren zu viert und hatten am Ende noch knappe zehn Minuten übrig; im Nachhinein erschien uns das als die optimale Gruppengröße. Mehr Leute hätten die Rätsel entweder zu schnell gelöst oder wären sich in den engen Räumen zu sehr im Weg gestanden, weniger Leute hätten eventuell nicht genug kombinierte Brainpower aufbringen können, um die unterschiedlichen Rätselarten zu lösen.
Wir hatten alle vier eine Menge Spaß und verließen den Keller mit dem festen Vorsatz, auch die anderen Räume auszuprobieren. Der Spaß ist allerdings nicht ganz billig: zwischen 20 und 25 Euro pro Person kostet eine Stunde Escape Game. Das ist aber für ein so spezielles Vergnügen definitiv zu verschmerzen und der Aufwand, der in die Räume geflossen sein muss, rechtfertigt in meinen Augen den Preis ebenfalls.
Erwähnenswert für Leute mit klaustrophobischen Tendenzen ist vielleicht außerdem, dass man nie wirklich eingeschlossen ist: Die Eingangstür wird nicht abgesperrt, der Ausgang des Abenteuers ist ein ganz anderer. Panik kommt also nicht auf – vom Erschrecken einmal abgesehen.
2 Kommentare
Das Ver- und Gebrauchsmaterial ist gar nicht das Problem. Jedenfalls bei Escape Room kann man sich wohl nachbasteln und -drucken; es gibt dafür extra Vorlagen zum Download. Aber man kann ein Szenario trotzdem nur ein Mal sinnvoll spielen, weil man dann eben die Rätsel und deren Lösung kennt. Dürfte aber bei den “echten” Räumen auch nicht anders sein.
Ich war heute mit Frau, Kind und ein paar Freunden das erste Mal in einem Escape Room in Münster. Hat wirklich Spaß gemacht und war sicher nicht das letzte Mal…