Ich hasse es wie die Pest, etwas über Fortsetzungen zu schreiben. Zumindest, wenn sich am eigentlichen Spiel kaum etwas geändert hat. Ich bin dann immer hin und her gerissen, ob ich die Spielmechanik noch einmal haarklein beschreiben soll oder nicht. Entweder langweilt man die Kenner des Vorgängers oder man lässt die anderen doof im Regen stehen. Ich könnte die Teil-1-Verpasser jetzt auch einfach mit „Pikmin wird in einer dunklen Gasse vom Dungeon Keeper vergewaltigt, trägt es aber mit einer kräftigen Portion Terry-Pratchett-Humor“ abspeisen, aber das wäre im Grunde auch wenig hilfreich. Glücklicherweise habe ich schon vor zwei Jahren meiner Begeisterung für das erste Overlord Ausdruck verliehen. Wer also Bedarf hat, kann sich hier noch mal das Spielprinzip erklären lassen.
So. Nachdem das geklärt ist, können wir uns ganz entspannt dem widmen, was Overlord II von seinem Vorgänger unterscheidet…

Natürlich ist das ganze Spiel wieder eine bitterböse Parodie auf alle erdenklichen Fantasy-Klischees, die nicht gerade mit politischer Unkorrektheit geizt. Erschlagene Robbenbabies, fette Meerjungfrauen und militante Öko-Terroristen inklusive. Wie schon beim Vorgänger, so schrieb auch hier Rhianna Pratchett (die Tochter vom eingangs erwähnten Terry „DiscWorld“ Pratchett) wieder das Skript. Und das ist ihr tatsächlich auch wieder recht gut gelungen, nachdem sie der Welt mit Mirror’s Edge zuletzt bewiesen hat, dass sie durchaus auch nichtssagende 08/15-Langeweile verfassen kann.
Erwähnenswert ist bezüglich der Story, dass sich das Moral-Paradoxon des ersten Teils in Wohlgefallen aufgelöst hat. In meinem Artikel zu Overlord I philosophierte ich noch ellenlang über die Merkwürdigkeit, dass man als per se böser Overlord durchaus die Wahl hatte, gut oder böse zu sein. Overlord II hingegen lässt dem Gutmenschen kaum noch Schlupflöcher, sich als wohlwollender Herrscher zu profilieren. Die immer noch im Spiel vorhandenen Entscheidungsmöglichkeiten bieten dem Spieler im wesentlichen nur noch folgende Wahlmöglichkeiten: Böse oder ganz böse. Eine weise Entscheidung, wie ich finde, denn so kollidieren die Storyentscheidungen endlich nicht mehr mit dem Grundszenario.

Das Leveldesign hat sich hingegen schon etwas geändert. Die Spielwelt ist eindeutig größer und abwechslungsreicher geworden, bietet dafür aber gleichzeitig weniger Freiheit, da die einzelnen Abschnitte linearer gestaltet wurden. Diesen Umstand werden sicherlich einige Leute erst mal doof finden. Allerdings schlägt das Spiel aus dieser Designentscheidung den Vorteil, dass die einzelnen Missionen jetzt nicht mehr so unabhängig wirken, sondern alle ineinander übergehen und die Geschichte viel homogener und nachvollziehbarer erzählen.

Man hat dem zweiten Teil zwar keine neuen Schergen-Art spendiert (die Pikmins wurde ja seinerzeit von 3 auf 5 Arten aufgestockt), aber durch die Einführung von Reittieren und deren geschickter Einbindung ins Spielgeschehen wurden die strategischen Möglichkeiten durchaus sinnvoll erweitert. Die Braunen können nun auf Wölfen, die Roten auf Feuersalamandern und die Grünen auf Spinnen reiten, was sowohl ihre Kampfkraft, als auch ihre Agilität verändert. Lediglich die schwächlichen Blauen wurden nicht überarbeitet und führen damit weiterhin ein Schattendasein im Schergen-Arsenal, da sie nur zu gebrauchen sind, wenn man etwas aus dem Wasser holen muss oder die Kameraden zu heilen sind, wobei letzteres inzwischen eher reine Zeitverschwendung darstellt, weil man in Overlord II wesentlich weniger Probleme beim Beschaffen der Schergen-Seelen hat. Bei Overlord konnte es im Spielverlauf durchaus einmal angebracht sein, die Missionen ruhen zu lassen, um den Pool durch „Seelen-Farming“ (was sich doch wesentlich netter anhört als „skrupelloses Abmetzeln unschuldiger Menschen und Tiere“, aber nichts anderes darstellt…) wieder aufzustocken, was mir im Nachfolger nicht ein einziges Mal passiert ist. Entweder bin ich an Overlord II von vornherein cleverer herangegangen oder, was vermutlich eher zutrifft, es ist schlicht etwas leichter als der Vorgänger. Wie dem auch sei: Durch die Veränderungen im Gameplay wurden die ohnehin schon schwächsten Schergen weitestgehend zu unwichtigen Statisten degradiert, was ich persönlich etwas schade finde.

Ebenfalls neu ist die Möglichkeit an bestimmten Stellen in die Haut eines Schergen zu schlüpfen, beispielsweise wenn ein Mauerspalt zu eng für den breitschultrigen Overlord ist. Der besessene Scherge kann dann einen Trupp durch Levelabschnitte kommandieren, die für den klobigen Chef nicht zugänglich sind. Diese Incubus-Nummern sind eine wirklich gute Idee und machen richtig Spaß. Natürlich dienen sie vornehmlich dazu, zusätzliche Knobeleien einzubauen. Das Gameplay ändert sich eigentlich kaum, da man den Overlord ohnehin kaum direkt einsetzt. Aber da die bekloppten Schergen ja die eigentlichen Sympathieträger des Spiels sind, hat das Losziehen ohne den Obermotz schon einen gewissen anarchischen Charme. Man fühlt sich irgendwie noch stärker inmitten einer amoklaufenden Horde Gremlins.

Natürlich gibt es an Overlord II auch einige Dinge zu beanstanden, die ich zwar alle nicht für gravierend halte, aber der Vollständigkeit halber hier mal kurz abarbeite:
Der Multiplayer ist zwar etwas besser als beim ersten Overlord, aber immer noch nicht kaufentscheidend. Als Mutliplayerspiel taugt die Serie leider immer noch nicht, obwohl einem das Potenzial geradezu ins Gesicht springt.
Die Schergen-KI wurde zwar verbessert, so dass es eigentlich kaum noch vorkommt, Schergen unterwegs irgendwo zu verlieren, aber die Gegner sind blöd wie eh und jäh. Überschreitet man deren Trigger-Linie nicht, greifen sie auch nicht an, auch wenn meine Schergen direkt vor ihrer Nase plündern und brandschatzen.
Die Bossfights haben durch den leicht geringeren Schwierigkeitsgrad leider auch etwas an Herausforderung eingebüßt, wodurch sie weniger episch wirken als noch im Vorgänger. Ich kann mich noch heute an einige Bosse des ersten Teils erinnern, muss aber wirklich nachdenken, um alle Obermotze des gerade erst gespielten Nachfolgers aufzuzählen…



9 Kommentare
Klasse Kommentar dazu!
Overlord 2 ist aber finde ich etwas kampflastiger geworden als Teil 1 aber das macht wenig.
Vielleicht sehen wir in Overlord 3 ein paar gravierende Neuerungen mehr. Ich empfand aber Overlord schon irgendwie als Geheimtipp und nicht wirklich als ein „Hitspiel“ ala Assassins Creed.
Preisfrage, Teil 1 oder doch lieber Teil 2?
Welchen Du spielen sollst? Fang doch mit dem ersten Teil an, den gibt es inzwischen schon billiger. Für den PC würde ich mir natürlich Overlord: Raising Hell (inlusive AddOn) und nicht die normale Edition holen.
Wenn würde ich mir das auf der 360 geben, die Steuerung scheint sehr darauf ausgelegt, was ich so gesehen habe (zudem bezweifle ich das meine PC Mühle Overlord annehmbar darstellen kann).
Die Frage ist, es ist ja zweimal das gleiche Spiel (mehr oder weniger). Welcher Teil ist denn insgesamt kurzweiliger (und kürzer)? Die Screenshots hier sehen schon teilweise sehr spannend aus (Riesenspinnenkampf). Und die Grundidee gefällt mir auch.
Angeblich soll sich die Wii-Version noch einen Tick besser Spielen (minus pissender Schergen).
@ Aulbath: Die Steuerung ist bei der PC-Version mit Abstand die beste. Bei der 360 bemängelten mehrere Reviewer die Steuerung als zu kompliziert/umständlich. Der erste Teil sollte eigentlich keinen halbwegs anständigen PC ins Schwitzen bringen. Bezüglich Kurzweil und Spieldauer nehmen sich beide Teile eigentlich nichts.
@ Ben: Die Wii-Version ist aber auch gameplay-mäßig deutlich vereinfacht worden, soweit ich das den Reviews entnommen habe. Außerdem sollte man sich als Wii-Besitzer zunächst mal unbedingt die Neuauflage von Pikmin 2 kaufen, denn an die kommt kein Overlord-Teil wirklich heran.
Ich wollte Teil1 wirklich mögen aber irgendwie hatte ich nach 15 Minuten rumlaufen und wahllos quatschen plötzlich 10 Side Quests an der Backe und keine Map um deren „Locations“ zu bestimmen. Ist das in Teil 2 besser geworden?
Teil 2 hat eine Übersichtskarte mit allen (bisher entdeckten) Portalen im Lande und eine ordentliche Minimap. Genau wie schon Teil 1… ;)
Wii Version: Unglaublich einfach, durchgezockt, ohne einmal auch nur annähernd zu sterben. Steuerung super. Grafik für Wii auch. Ansonsten, aber das ist ja beinahe üblich mittlerweile, viel zu kurz.