Ich hasse es wie die Pest, etwas über Fortsetzungen zu schreiben. Zumindest, wenn sich am eigentlichen Spiel kaum etwas geändert hat. Ich bin dann immer hin und her gerissen, ob ich die Spielmechanik noch einmal haarklein beschreiben soll oder nicht. Entweder langweilt man die Kenner des Vorgängers oder man lässt die anderen doof im Regen stehen. Ich könnte die Teil-1-Verpasser jetzt auch einfach mit “Pikmin wird in einer dunklen Gasse vom Dungeon Keeper vergewaltigt, trägt es aber mit einer kräftigen Portion Terry-Pratchett-Humor” abspeisen, aber das wäre im Grunde auch wenig hilfreich. Glücklicherweise habe ich schon vor zwei Jahren meiner Begeisterung für das erste Overlord Ausdruck verliehen. Wer also Bedarf hat, kann sich hier noch mal das Spielprinzip erklären lassen.
So. Nachdem das geklärt ist, können wir uns ganz entspannt dem widmen, was Overlord II von seinem Vorgänger unterscheidet…
Der Overlord ist tot! Lang lebe der Overlord! Als lange verschollener Sprössling des Overlords aus Teil 1 führt der Spieler die zwischenzeitlich führerlosen Schergen erneut in den Kampf, um das zerstörte Reich des Bösen wiederzuerrichten, welches ja am Ende des Vorgängers in Rauch aufgegangen ist. Dabei hat man es diesmal neben den bereits bekannten Schwuchtel-Ragga-Elfen auch mit einem sehr römisch anmutenden Imperium zu tun, welches nach dem Ableben Eures Vaters das Machtvakuum im Lande gefüllt hat. Unterstützt und beraten werdet Ihr dabei wieder vom altgedienten Schergen-Meister Gnarl, der schon Eurem Vater untertänigst ergeben war.
Natürlich ist das ganze Spiel wieder eine bitterböse Parodie auf alle erdenklichen Fantasy-Klischees, die nicht gerade mit politischer Unkorrektheit geizt. Erschlagene Robbenbabies, fette Meerjungfrauen und militante Öko-Terroristen inklusive. Wie schon beim Vorgänger, so schrieb auch hier Rhianna Pratchett (die Tochter vom eingangs erwähnten Terry “DiscWorld” Pratchett) wieder das Skript. Und das ist ihr tatsächlich auch wieder recht gut gelungen, nachdem sie der Welt mit Mirror’s Edge zuletzt bewiesen hat, dass sie durchaus auch nichtssagende 08/15-Langeweile verfassen kann.
Erwähnenswert ist bezüglich der Story, dass sich das Moral-Paradoxon des ersten Teils in Wohlgefallen aufgelöst hat. In meinem Artikel zu Overlord I philosophierte ich noch ellenlang über die Merkwürdigkeit, dass man als per se böser Overlord durchaus die Wahl hatte, gut oder böse zu sein. Overlord II hingegen lässt dem Gutmenschen kaum noch Schlupflöcher, sich als wohlwollender Herrscher zu profilieren. Die immer noch im Spiel vorhandenen Entscheidungsmöglichkeiten bieten dem Spieler im wesentlichen nur noch folgende Wahlmöglichkeiten: Böse oder ganz böse. Eine weise Entscheidung, wie ich finde, denn so kollidieren die Storyentscheidungen endlich nicht mehr mit dem Grundszenario.
Abgesehen von der deutlich aufgebohrten Grafikengine hat sich präsentationstechnisch eigentlich wenig verändert. Und das ist auch gut so, denn hier konnte man dem Vorgänger schon vor zwei Jahren kaum etwas negativ ankreiden. Insbesondere besticht mal wieder die exzellente deutsche Synchro, die entgegen allen Gewohnheiten deutlich witziger als die englische ist.
Das Leveldesign hat sich hingegen schon etwas geändert. Die Spielwelt ist eindeutig größer und abwechslungsreicher geworden, bietet dafür aber gleichzeitig weniger Freiheit, da die einzelnen Abschnitte linearer gestaltet wurden. Diesen Umstand werden sicherlich einige Leute erst mal doof finden. Allerdings schlägt das Spiel aus dieser Designentscheidung den Vorteil, dass die einzelnen Missionen jetzt nicht mehr so unabhängig wirken, sondern alle ineinander übergehen und die Geschichte viel homogener und nachvollziehbarer erzählen.
Spielerisch gibt es viele Detailänderungen, die aber alle nicht darüber hinwegtäuschen können, dass es sich im Kern um exakt das gleiche Spiel handelt.
Man hat dem zweiten Teil zwar keine neuen Schergen-Art spendiert (die Pikmins wurde ja seinerzeit von 3 auf 5 Arten aufgestockt), aber durch die Einführung von Reittieren und deren geschickter Einbindung ins Spielgeschehen wurden die strategischen Möglichkeiten durchaus sinnvoll erweitert. Die Braunen können nun auf Wölfen, die Roten auf Feuersalamandern und die Grünen auf Spinnen reiten, was sowohl ihre Kampfkraft, als auch ihre Agilität verändert. Lediglich die schwächlichen Blauen wurden nicht überarbeitet und führen damit weiterhin ein Schattendasein im Schergen-Arsenal, da sie nur zu gebrauchen sind, wenn man etwas aus dem Wasser holen muss oder die Kameraden zu heilen sind, wobei letzteres inzwischen eher reine Zeitverschwendung darstellt, weil man in Overlord II wesentlich weniger Probleme beim Beschaffen der Schergen-Seelen hat. Bei Overlord konnte es im Spielverlauf durchaus einmal angebracht sein, die Missionen ruhen zu lassen, um den Pool durch “Seelen-Farming” (was sich doch wesentlich netter anhört als “skrupelloses Abmetzeln unschuldiger Menschen und Tiere”, aber nichts anderes darstellt…) wieder aufzustocken, was mir im Nachfolger nicht ein einziges Mal passiert ist. Entweder bin ich an Overlord II von vornherein cleverer herangegangen oder, was vermutlich eher zutrifft, es ist schlicht etwas leichter als der Vorgänger. Wie dem auch sei: Durch die Veränderungen im Gameplay wurden die ohnehin schon schwächsten Schergen weitestgehend zu unwichtigen Statisten degradiert, was ich persönlich etwas schade finde.
Die Schergen sind natürlich wie gehabt upgradebar: Durch das Aufsammeln von gegnerischen Waffen und Rüstungen verbessern sie ihre Schlagkraft sowie durch schlichtes Überleben im Kampf ihre Erfahrungsstufe. Overlord II verleiht diesen bekannten Mechanismen aber dadurch größere Bedeutung, dass man diesmal einen kleinen Schergenfriedhof nebst Schergen-Sensenmann in der Overlord-Festung hat, der es einem ermöglicht, gefallene Veteranen auf Kosten von Frischlingen wiederzubeleben. Auch der Overlord selbst kann wieder durch Waffen, Rüstungen und Zaubersprüche aus der festungseigenen Produktion verbessert werden. Diese und andere Upgrades müssen aber selbstverständlich erst einmal in der Spielwelt in Form von Totems gefunden und von unseren niederträchtigen Helfern nach hause geschleppt werden.
Ebenfalls neu ist die Möglichkeit an bestimmten Stellen in die Haut eines Schergen zu schlüpfen, beispielsweise wenn ein Mauerspalt zu eng für den breitschultrigen Overlord ist. Der besessene Scherge kann dann einen Trupp durch Levelabschnitte kommandieren, die für den klobigen Chef nicht zugänglich sind. Diese Incubus-Nummern sind eine wirklich gute Idee und machen richtig Spaß. Natürlich dienen sie vornehmlich dazu, zusätzliche Knobeleien einzubauen. Das Gameplay ändert sich eigentlich kaum, da man den Overlord ohnehin kaum direkt einsetzt. Aber da die bekloppten Schergen ja die eigentlichen Sympathieträger des Spiels sind, hat das Losziehen ohne den Obermotz schon einen gewissen anarchischen Charme. Man fühlt sich irgendwie noch stärker inmitten einer amoklaufenden Horde Gremlins.
Zwei weitere Neuerungen sind Ballisten und Schiffe, die in einigen Spielabschnitten vorhanden sind. Erstere machen einem zunächst das Leben schwer, da man in ihrer Reichweite nie zu lange an einem Fleck verweilen darf. Gelingt es einem jedoch, diese Katapulte zu erobern und mit Schergen zu bemannen, kann man damit ganz bequem die imperialen Kohorten zu Kleinholz verarbeiten. Die Schiffe dienen primär der Fortbewegung, können aber auch offensiv benutzt werden, indem man auf Deck rote Schergen verteilt, die dann Gegner mit einem ungemütlichen Feuerregen beglücken.
Natürlich gibt es an Overlord II auch einige Dinge zu beanstanden, die ich zwar alle nicht für gravierend halte, aber der Vollständigkeit halber hier mal kurz abarbeite:
Der Multiplayer ist zwar etwas besser als beim ersten Overlord, aber immer noch nicht kaufentscheidend. Als Mutliplayerspiel taugt die Serie leider immer noch nicht, obwohl einem das Potenzial geradezu ins Gesicht springt.
Die Schergen-KI wurde zwar verbessert, so dass es eigentlich kaum noch vorkommt, Schergen unterwegs irgendwo zu verlieren, aber die Gegner sind blöd wie eh und jäh. Überschreitet man deren Trigger-Linie nicht, greifen sie auch nicht an, auch wenn meine Schergen direkt vor ihrer Nase plündern und brandschatzen.
Die Bossfights haben durch den leicht geringeren Schwierigkeitsgrad leider auch etwas an Herausforderung eingebüßt, wodurch sie weniger episch wirken als noch im Vorgänger. Ich kann mich noch heute an einige Bosse des ersten Teils erinnern, muss aber wirklich nachdenken, um alle Obermotze des gerade erst gespielten Nachfolgers aufzuzählen…
Und schließlich ist da noch das Savepoint-System. Größtenteils ok, aber in einigen Spielabschnitten zu knapp gesetzt. Gerade im späteren Verlauf des Spiels sollte man sich nicht mit ein paar Minuten Zeit im Rücken ans Spiel setzen, da es durchaus vorkommen kann, dass zwischen zwei Savepoints locker 45-60 Minuten vergehen. Im Falle eines Ablebens ist das meist nicht so schlimm, da erledigte Gegner und Aufgaben größtenteils erledigt bleiben. Muss man das Spiel aber unvorhergesehen beenden, weil die Oma an der Tür klingelt oder das Haus brennt, kann einem gerne mal ein Spielfortschritt von einer Stunde den Bach runtergehen.
Gegen Ende möchte ich Euch auch nicht vorenthalten, dass ich zunächst ein Opfer des vom Spiel verwendeten Kopierschutzes (SecuRom 7) geworden bin. Die Tatsache, dass ich das Spiel am Releasetag gekauft habe, es aber erst zwei Tage später endlich starten konnte, verdanke ich zudem weder dem Support von Codemasters, noch dem von SecuRom, sondern einem Crack aus dem Netz. Ich will mich jetzt nicht großartig über den altbekannten Kopierschutzschwachsinn aufregen (dafür haben wir ja unseren offiziellen Polyneux-Meckerheini SeniorGamer), aber dennoch darauf hinweisen, dass a) ich als Käufer dazu gezwungen war, mein Original zu cracken, um es spielen zu können, und b) der ganze Mist die illegale Kopie im Netz lächerliche zwei (!) Tage verhindern konnte. Aber wie gesagt, man kennt das ja schon seit Jahren: Die vom Kopierschutz gearschten sind im Zweifel immer die Käufer, nicht die Sauger…
Daran, dass mir Overlord II (trotz des SecuRom-Ärgers, für den übrigens nicht der niederländische Entwickler Triumph Studios, sondern der Publisher Codemasters verantwortlich ist) sehr gut gefallen hat, habe ich bis hierher sicher keinen Zweifel gelassen. Es sollte aber wohl auch klar geworden sein, dass das Spiel in gewisser Weise eine typische EA-Fortsetzung geworden ist: Overlord II ist das gleiche Spiel in grün, nur mit Grafikupdate, neuer Story und kleineren Gameplay-Änderungen bzw. -Ergänzungen. Das ist für Fans des ersten Teils natürlich kein Problem, da man, mal abgesehen von einem besseren Mehrspieler-Modus, eigentlich genau das haben wollte. Das heißt aber auch, dass Overlord II kaum einen neuen Fan für die Serie finden wird, denn der erste Teil war ja bekanntlich kein Geheimtipp, sondern ein hochdekoriertes Hitspiel, und wem schon das Original-Overlord nicht zugesagt hat, der kann auch Teil 2 getrost ignorieren. Bei aller Gefälligkeit gegenüber den Fans des Originals ist es den Entwicklern nicht gelungen, das Kunststück eines Pikmin 2 zu vollbringen, nämlich trotz Beibehaltung der grundlegenden Prinzipien durch viele kleine Veränderungen einen noch deutlich besseren Nachfolger zu schaffen. Overlord II ist dem tollen Vorgänger ebenbürtig, jedoch nicht überlegen. Aber hey! Wer würde sich darüber ernsthaft beschweren wollen?
9 Kommentare
Klasse Kommentar dazu!
Overlord 2 ist aber finde ich etwas kampflastiger geworden als Teil 1 aber das macht wenig.
Vielleicht sehen wir in Overlord 3 ein paar gravierende Neuerungen mehr. Ich empfand aber Overlord schon irgendwie als Geheimtipp und nicht wirklich als ein “Hitspiel” ala Assassins Creed.
Preisfrage, Teil 1 oder doch lieber Teil 2?
Welchen Du spielen sollst? Fang doch mit dem ersten Teil an, den gibt es inzwischen schon billiger. Für den PC würde ich mir natürlich Overlord: Raising Hell (inlusive AddOn) und nicht die normale Edition holen.
Wenn würde ich mir das auf der 360 geben, die Steuerung scheint sehr darauf ausgelegt, was ich so gesehen habe (zudem bezweifle ich das meine PC Mühle Overlord annehmbar darstellen kann).
Die Frage ist, es ist ja zweimal das gleiche Spiel (mehr oder weniger). Welcher Teil ist denn insgesamt kurzweiliger (und kürzer)? Die Screenshots hier sehen schon teilweise sehr spannend aus (Riesenspinnenkampf). Und die Grundidee gefällt mir auch.
Angeblich soll sich die Wii-Version noch einen Tick besser Spielen (minus pissender Schergen).
@ Aulbath: Die Steuerung ist bei der PC-Version mit Abstand die beste. Bei der 360 bemängelten mehrere Reviewer die Steuerung als zu kompliziert/umständlich. Der erste Teil sollte eigentlich keinen halbwegs anständigen PC ins Schwitzen bringen. Bezüglich Kurzweil und Spieldauer nehmen sich beide Teile eigentlich nichts.
@ Ben: Die Wii-Version ist aber auch gameplay-mäßig deutlich vereinfacht worden, soweit ich das den Reviews entnommen habe. Außerdem sollte man sich als Wii-Besitzer zunächst mal unbedingt die Neuauflage von Pikmin 2 kaufen, denn an die kommt kein Overlord-Teil wirklich heran.
Ich wollte Teil1 wirklich mögen aber irgendwie hatte ich nach 15 Minuten rumlaufen und wahllos quatschen plötzlich 10 Side Quests an der Backe und keine Map um deren “Locations” zu bestimmen. Ist das in Teil 2 besser geworden?
Teil 2 hat eine Übersichtskarte mit allen (bisher entdeckten) Portalen im Lande und eine ordentliche Minimap. Genau wie schon Teil 1… ;)
Wii Version: Unglaublich einfach, durchgezockt, ohne einmal auch nur annähernd zu sterben. Steuerung super. Grafik für Wii auch. Ansonsten, aber das ist ja beinahe üblich mittlerweile, viel zu kurz.