Große glänzende Kuller-Augen gucken dich durchdringend mit einem Blick an, der alles Leid der Welt in einem Wimpernschlag zum Ausdruck bringt, als wollten sie sagen: “Rette mich vor den verrückten Wissenschaftlern und den irren Labor-Angestellten, die mich vivisezieren und schreckliche Experimente mit ätzendem Lipgloss und meinen wehrlosen wässrigen Welpen-Augen anstellen wollen!”. Ok, das war jetzt mein subjektiver Eindruck, denn in Wirklichkeit handelt es sich bei den Augen nur um zwei schwarze Pixel. Aber nicht umsonst heißt das Spiel, um das es hier geht, und darin gilt es, kleine, lustig tapsend herumlaufende Hunde einzusammeln und dafür zu sorgen, daß weder sie noch die eigene Spielfigur den oben beschriebenen Bösewichten in die blutbefleckten Hände fallen.
Die hauptsächliche Schwierigkeit jedoch besteht darin, die Hindernisse in Form tiefer Abgründe und steiler Klippen, die sich einem ständig aufs Neue in den Weg stellen, zu überwinden und springend und kletternd zwischen den drei sich mit unterschiedlichen Geschindigkeiten von rechts nach links bewegenden Ebenen hin und her zu wechseln. Dabei stehen einem Kletterseile, Fallschirme, die, ganz ungewöhnlich, seinen Fall in die Tiefe bremsen und, tatsächlich recht ungewöhnlich, dressierte Eulen, welche auf die Gegner losgelassen werden und diese in Luft auflösen können, zur Seite, so man es schafft, genug davon einzusammeln. Das gilt auch für Erste-Hilfe-Kästen, die einem, auf verletzte Welpen angewendet, einen Punkte-Bonus bescheren, genau wie am Ende des Levels nicht verbrauchte Items.
Der Clou von Rescue: The Beagles besteht darin, daß die Level mit den Standorten sämtlicher Items, Gegner und Dekorations-Elementen, sogar den Farben, dynamisch generiert werden: Es besteht keine Notwendigkeit, etwas auswendig zu lernen, praktisch jedes Level ist einzigartig. An diesem kostenlosen Plattformer könnten, ginge es nach mir, auch einige Produzenten kommerzieller 3D-Spiele ein Beispiel nehmen; daß sich im Laufe des Spiels unerwartet etwas an der Konfiguration eines Levels überraschend verändert, habe ich in letzter Zeit ausschließlich in S.T.A.L.K.E.R. erlebt. Sorry, Half-Life, aber geskriptete Kämpfe und immer an der gleichen Stelle spawnende Gegner sind sowas von von gestern!
Insecticide, der Tragödie erster Teil, ist das perfekte Beispiel dafür, wie man ein Spiel mit einem wahnsinnig hohen Potential so richtig in den Sand setzen kann. Dabei sah zu Anfang alles so gut aus: Der Trailer für das Spiel war richtig schön, ordentlich choreographiert, erzählerisch in Ordnung und hat weltweit einen Haufen Über-Spiel-Schreiber mächtig angefixt. Das Video zeigte einen älteren gesetzten, Zigarre qualmenden Polizeibeamten und seine junge energische Partnerin, die in einer dunklen Gasse einem Verdächtigen hinter her jagen; so weit, so Film Noir, mit der Besonderheit, daß es sich bei allen Beteiligten um Insekten handelt.
Dieses Szenario, das nach ganz anderen Gesetzmäßigkeiten funktioniert, in dem unterschiedliche Normen und Werte vorherrschen als bei uns, hätte man wunderbar dazu nutzen können, um der realen Welt ironisch den Spiegel vorzuhalten, wie zum Beispiel in Grim Fandango geschehen. Stattdessen bekommt man infantile Witze darüber, daß Insekten sich gern über gammliges Essen hermachen, serviert. Man könnte die Protagonisten auch durch Einzeller, Vögel oder Fische austauschen, es würde keinen großen Unterschied machen.
Die größte Bedrohung, die man sich in der von Käfern und anderen Krabblern bevölkerten Stadt Troy, dessen Luft mit Pollen gesättigt ist, vorstellen kann, wäre, daß ein menschliches Wesen es irgendwie schafft, in dieser für sie/ihn lebensfeindlichen Umwelt zu überleben und Anstrengungen unternimmt, dort die vorherschende Spezies zu werden. Darum hätte man ein spannendes Drama stricken können, das man erst am Ende des Spiels aufdeckt. So ähnlich geschieht es auch in Insecticide, nur mit dem Umstand, daß man schon in den ersten Minuten einen Menschen in einem Schutzanzug zu Gesicht bekommt.
Ebenfalls nicht gut gelungen ist die technische Umsetzung des Spiels. Es sieht richtig häßlich, verwaschen und beinahe vollständig monochrom grün aus, kein Vergleich zu den Zwischensequenzen, die ein moderner PC auch on-the-fly rendern können müßte, zudem in einer maximalen Auflösung von 1024 x 640 (wtf?). Genau so unraffiniert wurden auch die Level gestaltet: Linear geht es trepp auf, trepp ab, mal auf einen größeren Platz, dann über ein paar Seile, man kann hüpfen, schießen und im gesamten Spiel eine Hand voll Schalter betätigen — Selbst das unsägliche PacMan-3D-Jump ‘n Run für die Playstation bot mehr Besonderheiten.
Nicht anders verhält es sich mit den Point & Click-Abschnitten: Man läuft durch den Raum, stoppt, sobald auf dem Radar ein Fragezeichen erscheint, drückt die Leertaste, sammelt mit dem Cursor Objekte ein oder führt unspektakuläre Gespräche, das wäre vielleicht vor 15 Jahren als innovativ durchgegangen. Die Rätsel gehen kaum über Aufgaben wie “Besorge alle Zutaten, um deinem Partner einen ranzigen Kaffee servieren zu können, damit er dich an die Papiere in seinem Kühlschrank läßt” hinaus, aber immerhin muß man nicht Katzen mit Klebeband das Fell abreißen, um sich einen falschen Schnurrbart zu basteln (Keine Verarsche, siehe Gabriel Knight 3).
Insecticide tut für die Wiederbelebung des Adventure-Genres also ungefähr so viel wie diese obskuren Firmen, die für einen Haufen Geld Leute nach ihrem Ableben in einen Stickstoff-Bottich werfen.Man kann beinahe von Glück sprechen, daß es nicht einmal 4 Stunden dauert.
Cortex Command ist eigentlich nicht viel mehr als eine pixelige Physik-Simulation mit bewaffneten Männeken. Ach ja, und, im Gegensatz zu Dust oder Soldat, einem coolen und sehr ansehnlich gemalten Intro, bei dem “SID-Metal” im Hintergrund läuft, und einer Story. Und die geht folgendermaßen: Nach verheerenden Kriegen kehrt auf der Erde Frieden ein, die Menschen streifen ihre körperliche Hülle ab und schießen ihre Gehirne in den Weltraum, bauen dort riesige Handelsimperien auf und als die Ressourcen sich dem Ende neigen, bekriegen sie sich mithilfe von Roboter-Armeen.
Das Vergnügen, diese Kämpfe auszufechten, hat dann der Spieler: In einem Bunker, den man je nach Szenario am Anfang aus verschiedenen Bauteilen selbst gestalten und mit gepanzerten Türen und Fallen ausstatten kann, befindet sich in einem Goldfischglas das Gehirn, welches die Roboter-Truppen steuert und daher natürlich auf keinen Fall zerstört werden darf. Mit dem anfänglichen Budget erwirbt man Einheiten, die mit Waffen oder Werkzeugen für diverse Aufgaben wie Angriff, Verteidigung, Goldabbau oder Blöd-Herumstehen ausgerüstet werden können. Die Lieferung übernimmt ein Raketen-Pilot vom Kaliber Ijon Tichys, der die Blech-Genossen gern so unsanft absetzt, daß sie physikalisch korrekt die Extremitäten, mit denen sie eigentlich eine Waffe halten oder laufen sollten, verlieren. Nicht selten geht auch das gesamte Raumfahrzeug mitsamt Fracht und Pilot in Flammen auf, das ist dem Fortkommen zwar etwas hinderlich, aber immer wieder ein grandioses Schauspiel.
Mit dem Jet-Pack oder, sofern vorhanden, zu Fuß begibt man sich dann auf feindliches Gebiet, um die gegnerischen Einheiten und schlußendlich natürlich dessen Gehirn physikalisch korrekt zu Klump zu schießen oder läßt tiefe Stollen in den Boden graben, um die zwischen Felsbrocken und den durch das Bohren physikalisch korrekt entstandenen Abraum-Haufen schwer zugänglichen Gold-Vorkommen abzubauen. Aber eigentlich spielt man Cortex Command nicht, um möglichst schnell zu gewinnen, sondern um wie in Worms möglichst nachhaltig die Landschaft umzugraben und meterhohe Schrott-Berge aus den Überresten feindseliger und eigener Einheiten aufzutürmen, sodaß am Ende keiner der Kontrahenten, das kann, so vorhanden, ein Freund an der gleichen Tastatur im Splitscreen-Modus oder (unter anderem) im Story-Modus ein CPU-Gegner sein, mehr den anderen erreichen kann.
Wer gern vorschnell auf mit “Buy now!” beschriftete Knöpfe klickt, sei hiermit ausdrücklich gewarnt, daß man das Spiel zwar schon kaufen kann, es jedoch noch nicht annähernd fertiggestellt ist (und daher vergünstigt angeboten wird). Das sollte allerdings kein Hinderungsgrund mehr sein, nachdem ich gleich das absolute Killer-Argument zugunsten von Cortex Command herausgelassen haben werde: Es gibt Krabben für lau, so viel man möchte!
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Viva la Cortex Command!