“Hat die Menschheit denn überhaupt nichts aus Jeff Goldblums unheiliger Vereinigung mit einem Insekt gelernt?”, mag man sich fragen, wenn man zum ersten Mal von City Rain – Building Sustainability hört. Doch die jungen experimentierfreudigen Gamedesigner von Mother Gaia haben nicht etwa eine blutrünstige Mutation wie die “Brundlefliege”, sondern ein hübsches kleines Videospiel mit einer gesunden DNS geschaffen, als sie die charakteristischen Gameplay-Elemente von “Tetris” mit denen von “SimCity” kreuzten. Wider Erwarten passen die Gene, die das Spiel von Will Wrights Städtebau-Simulation geerbt hat (ein in kleine quadratische Einheiten auftgeteiltes Spielfeld, auf dem man verschiedene Elemente, die in einer idealisierten Metropole keinesfalls fehlen dürfen, platzieren muss) erstaunlich gut zu denen, die das Puzzle-Spiel “Tetris” zu “City Rain” beigesteuert hat: Das Inventar der Spiel-Stadt wird hier nicht frei mit Hilfe der Mouse positioniert, sondern es regnet, zufällig zusammengewürfelt, in Form von S-, L- und T-förmigen Tetris-Blöcken (zu Beginn auch einzeln, nie jedoch in “Vierern”) vom Himmel und muss durch die Benutzung des Keyboards oder eines Gamepads gedreht und korrekt positioniert werden.
Damit zwei so grundverschiedene Spielmechaniken perfekt wie die Zahnrädchen in einem Uhrwerk ineinandergreifen, mussten naturgemäß ein paar Anpassungen daran vorgenommen werden. Da wäre zunächst die Perspektive: Ein Tetris-Spiel betrachtet man aus der Horizontalen, SimCity mehr oder weniger direkt von oben. Um die Bewegung der Steine auf dem Stadtplan und gleichzeitig das Tetris-typische Herabregnen auf der Z-Achse darstellen zu können, wird das Spielgeschehen aus einer isometrischen Perspektive gezeigt, was das Navigieren erheblich erschwert und auf Seiten des Spielers eine gute räumliche Vorstellungskraft voraussetzt. In diesem Modus würde das Bauen von Straßen oder Stromleitungen Ewigkeiten in Anspruch nehmen, also ließ man derartige Elemente einfach weg. Man kann ausschließlich Wohn-, Industrie- und Gebiete, auf denen sich Dienstleistungsunternehmen angesiedelt haben, Kraftwerke, Müllhalden (je größer die Siedlung, desto häufiger regnet es auch Abfälle), Schulen, Krankenhäuser, Parks, Polizeireviere und einige Spezialgebäude, die man extra kaufen muss, bauen.
Die Überführung des Tetris-Konzepts in die dritte Dimension bringt natürlich auch mit sich, dass fallende Blöcke diejenigen, die schon auf dem Spielfeld liegen, überlagern können. Diese Eigenschaft haben sich die City Rain-Entwickler zunutze gemacht und in ein zentrales Spielelement verwandelt: Anstatt sich wie in SimCity quasi von allein weiter zu entwicklen, wachsen die Fabriken, Kranken- und Wohnhäuser nur dann in die Höhe, wenn man mehrere gleichartige Elemente übereinander stapelt. Auf der anderen Seite werden bestehende Bauwerke, egal wie weit entwickelt, sofort abgerissen, landet ein artfremdes Puzzleteil an der gleichen Stelle. Und das gefällt den Einwohnern der Stadt natürlich gar nicht, denn, ja, es existieren auch immer noch eine Handvoll verschiedener Balken, die anzeigen, wie gut man als Bürgermeister die unterschiedlichen Bedürfnisse seiner virtuellen Untertanen befriedigt.
Da die Entwickler von Mother Gaia (Nomen est omen) anscheinend verdammte Öko-Freaks sind, existiert auch noch ein weiterer, bislang unbekannter Balken, der mit “Sustainability” beschriftet ist. Man muß wohl annehmen, dass sich die Stadtbewohner, die man jedoch leider nie zu Gesicht bekommt, nicht allein von verpesteter Luft und Liebe ernähren können, denn immer, wenn man ein grünes Waldstück zugunsten einer Qualm ausstoßenden Fabrik abholzt oder eine Müllkippe mit Meerblick errichtet, wird einem von diesem Bio-Balken ein unverschämt großes Stück abgeknappst. Man selbst wird schlussendlich über die Stadtgrenze gejagt, sollte sich ausschießlich Signalrot (anstelle von Froschgrün) zeigen.
Der Kampagnen-Modus von City Rain wirkt leider ein wenig wie mit der heißen Nadel gestrickt, was angesichts der Tatsache, dass es sich um einen der Gewinner des IGF Student Showcase handelt und man, so lang sich das Werk noch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit einiger Medien befindet, wohl möglichst schnell eine Verkaufsversion zur Hand haben wollte, verständlich ist. In der Hauptsache werden die Spezial-Gebäude, die man mit Hilfe von Steuereinnahmen finanziert, eingeführt. Hauptsächlich besänftigen diese Bonus-Items, unter ihnen befinden sich so illustre Dinge wie eine Baumschule, futuristische Gärten oder eine NGO, nur den bereits erwähnten Captain-Planet-Index… Andere Bauwerke dagegen bringen einem einen echten Vorteil: Eine Bank erhöht die Einnahmen, das Recycling-Center sorgt dafür, dass weniger Deponien gebaut und weniger Müll entsorgt werden muss, und wer einen Safari-Park hat, erhält glücklichere Stadtbewohner.
Nur die Art und Weise, wie man, zumindest während der Kampagne, zu all dem kommt, läuft stets nach dem gleichen Schema ab: Baue innerhalb von X Zügen Y mal das Gebäude Z und spare ausreichend Geld an. Dabei wären mit den vorhandenen Spielelementen viel interessantere Szenarien denkbar, zum Beispiel könnten die Spielerinnen und Spieler versuchen, eine weit entwickelte Stadt, die sämtliche Energie von Kohlekraftwerken bezieht, versuchen, auf Strom aus nachwachsenden Rohstoffen umzurüsten, Schwerindustrie durch Dienstleistungsgewerbe zu ersetzen oder alle CO2-reduzierenden Maßnahmen einzuführen oder oder oder… Die letzten paar Missionen sind deutlich schwerer und bieten ein wenig Abwechslung vom Einerlei, wenn man beispielsweise innerhalb kürzester Zeit alle Bedürfnisse der Einwohner stillen muß. Bedauerlicherweise kommt es auch schon einmal vor, dass die Missionsbeschreibungen so unverständlich formuliert sind, dass man das Level erst nach mehreren Anläufen erfolgreich abschließen kann.
Längerfristig beschäftigt man sich eh nur mit dem Punkte-Modus, in dem es innerhalb von 150 Zügen mit der besten Strategie die höchste Punktzahl auf dem (Online-)Scoreboard zu erreichen gilt. Als Alternative steht auch noch der Endlos-Modus bereit, bei dem man ausschließlich darauf zu achten hat, dass man die immer schneller fallenden Blöcke auf einem, je nach Level, mehr oder weniger dicht bebauten Spielfeld so ablegt, dass möglichst wenig bestehende Häuser planiert werden. Die etwas eingeschränkten Möglichkeiten in City Rain sind mir nicht einmal besonders negativ aufgefallen, denn erstens wirkt die Spielidee so schon ziemlich auf den Punkt gebracht und zweitens hat man jetzt schon genug zu beachten – vielleicht ist es ganz gut, dass man sich nicht auch noch darum kümmern muss, die Feuerwehr zu etwaigen Brandherden zu schicken und Demonstrationen zu beenden. Andererseits ist dieser ganze Nachhaltigkeits-Quatsch schon sehr trocken und eine deftige Katastrophe, wie eine Alien-Invasion oder der Besuch von Godzilla, könnte für viel Auflockerung sorgen. Aber vermutlich ist für Neo-Hippies die bloße Existenz einer Großstadt schon Katastrophe genug. ;)
2 Kommentare
Hab’ mir jetzt mal die Demo angeschaut um überhaupt mal eine konkrete Vorstellung vom Spielablauf zu haben. Ich muss sagen nach kurzer Eingewöhnungszeit geht das Spielen ganz locker von der Hand.
Nach wenigen Minuten kam dann allerdings schon fast Langeweile auf. Mir war nicht ganz klar, welchen Einfluss die Gebäude auf die Einwohner haben und so lachte mich öfter mal ein Game Over an.
Demo-Fazit: Aussergewöhnliche Spielidee, die mich wahrscheinlich nicht lange genug fesseln kann.
Klar, es ist schon eher ein Spiel für die Mittagspause.. So wie Tetris eben..