Es war einmal ein junger Mann, der wollte unbedingt Filme machen. Und so bewarb er sich Mitte der 1980er bei einer Firma namens LucasFilm. Leider hatte er in seiner Bewerbung erwähnt, dass er irgendwas mit Computern studiert hatte, weshalb man ihn zum Bewerbungsgespräch in den falschen Teil der Skywalker Ranch bestellte. Und da er sich so sehr über die Einladung freute und im Geiste noch einmal seine allerbesten Drehbuchideen durch ging, fiel ihm auch gar nicht weiter auf, dass dort überall hinter dem Namen LucasFilm noch das Wort Games angehängt war…
Das Bewerbungsgespräch verlief ausgesprochen positiv. Der junge Mann beeindruckte die Interviewer mit seinen ungewöhnlichen Ideen, detaillierten Settingentwürfen und liebevoll ausgearbeiteten Charakteren. Ganz besonders sein Talent amüsante Dialoge zu schreiben, wusste zu gefallen. Und so wurde man sich schnell einig. Der junge Mann, der übrigens Tim Schafer hieß, hatte, ohne es wirklich selbst zu realisieren, seinen ersten Vertrag mit einem Spieleentwickler in der Tasche. Böse Zungen behaupten, dass der liebe Tim sogar bis heute noch nicht so recht begriffen hat, dass er in Wirklichkeit gar keine Filme macht…
Eine wahre Geschichte! Möglicherweise. Naja, es könnte zumindest so gewesen sein. Vielleicht… Ist aber eigentlich auch egal, denn was uns diese kleine Mär sagen will, und ich auch schon an anderer Stelle erwähnt habe, ist, dass Schafers Spiele in erster Linie nicht durch das Gameplay, sondern durch ihre großartige Spielwelt und die darin agierenden Charaktere bestechen. Natürlich sind seine Titel keine spielerischen Katastrophen, aber alle Spiele, bei denen er federführender Entwickler war, hatten ihre Ecken und Kanten, was die Spielmechaniken angeht. Dies gilt für Full Throttle und Grim Fandango ebenso, wie für Psychonauts und Brütal Legend. Dennoch mag ich all seine Spiele sehr, weil das geniale Drumherum die eine oder andere Macke unterm Strich eher unerheblich erscheinen lässt.
Nachdem Brütal Legend, wie wir es von Schafer eigentlich nicht anders gewohnt sind, kommerziell nicht so erfolgreich war, wurde der geplante Nachfolger kurzerhand vom Publisher (EA) gestrichen. Dies veranlasste Tim Schafers Studio Double Fine wiederum dazu, nach zwei großen Produktionen, die beide jeweils 5 bzw. 4 Jahre Entwicklungszeit verschlungen hatten, als nächstes einmal kleinere Brötchen zu backen. 4 niedliche Download-Titel stehen in nächster Zeit auf dem Programm des Entwicklers, von denen der erste, Costume Quest, vor ein paar Tagen über THQ für XBLA und PSN erschienen ist.
In Costume Quest geht es um ein Geschwisterpaar, das an Halloween, wie wohl fast alle amerikanischen Kids (und seit ein paar Jahren, der hiesigen Karnevals-Industrie sei dank, auch deutsche Kinder) von Haus zu Haus geht, um „Trick or Treat“ zu spielen und dabei möglichst viele Süßigkeiten zu ergattern. Doch gleich am ersten Haus öffnet statt des netten Nachbarn ein Außerirdischer, der ebenfalls auf der Suche nach Süßigkeiten ist, und kidnappt eines der Kinder, weil er es für ein besonders großes Bonbon hält (nein, ich denke mir diesen kranken Kram tatsächlich nicht selber aus…). Das verbliebene Kind (ob Bruder oder Schwester, entscheidet der Spieler) macht sich nun zusammen mit zwei Freunden auf, den vermeintlichen Außerirdischen das Handwerk zu legen und so Halloween zu retten. Als besonders hilfreich erweisen sich bei dieser Aufgabe diverse magische Halloween-Kostüme, die den jeweiligen Träger zu einer Art Superheld werden lassen und es den Kindern so ermöglichen, gegen die bösen Aliens (die eigentlich gar keine Aliens sind…) zu kämpfen. Soweit die Rahmenhandlung. Alles klar? Ja, ähm… Ach, fragt lieber gar nicht erst…
Der eigentliche Spielablauf teilt sich grundlegend in zwei Bereiche. Da wäre zunächst das Erkunden der Nachbarschaft: Man läuft durch die Gegend, klopft an Türen, unterhält sich mit anderen Kindern und sammelt so allerlei Zeug (Süßigkeiten, magische Kostümschnittmuster und –teile, Sammelkarten und Kampfmarken). Was man als Kind eben an so einem Abend in der Nachbarschaft macht, wenn einem Halloween von Außerirdischen versaut wird. Daneben gibt es dann natürlich noch die Kämpfe: Kommt es zur Konfrontation mit den Bösewichten, verwandeln sich die Kinder in Super-Versionen ihrer jeweiligen Kostüme und stehen dann den Kontrahenten in einer Art Kampfarena gegenüber. Der Kampf läuft rundenweise ab und erinnert an klassische Final Fantasy-Teile, wobei der Einsatz der jeweiligen (Spezial-)Fähigkeiten jedoch durch Quick Time Events gesteuert wird. Diese sind zwar durchweg fair und nicht sonderlich schwierig, aber werden eingefleischten QTE-Hassern sicherlich unangenehm aufstoßen. Taktische Tiefe erhalten die Kämpfe durch die Auswahl der jeweiligen Kostüme für die Party-Mitglieder und den Einsatz der schon erwähnten Kampfmarken, welche man gegen Süßigkeiten beim Kampfmarken-Dealer kaufen kann. Natürlich hat das Ganze auch einen leichten Rollenspieleinschlag, da man für gewonnene Kämpfe mit Erfahrungspunkten belohnt wird und nach jedem Levelaufstieg mehr Gesundheits- und Schadenspunkte erhält.
Beide Teilbereiche des Spiels funktionieren, obwohl relativ simpel und ohne viel Klimbim, wirklich gut. Dennoch hat Costume Quest zwei Probleme: Es ist viel zu kurz und vor allem viel zu leicht. Costume Quest richtet sich primär eher an Kinder zwischen 8 und 14 Jahren. Dies führt dazu, dass erwachsene Spieler sich zwar nicht langweilen, aber auch nicht länger als 4 bis 5 Stunden zum Durchspielen brauchen sollten. Danach gibt es weder Multiplayeroptionen, noch sonst irgendeinen Wiederspielanreiz. Ok, es ist „nur“ ein Downloadtitel, aber für einen etwa vierstündigen Durchmarsch ohne irgendeine echte spielerische Herausforderung, sind mir sogar die ca. 15 Euro etwas zu viel. Andere Download-Titel bieten da deutlich mehr für’s Geld.
Vermutlich wäre das Spiel aber auch nicht automatisch besser geworden, wenn man es einfach nur länger gemacht hätte (beispielsweise durch mehr als nur die 3 vorhandenen Gebiete). Wie mir der zweite Teil von Ron Gilberts DeathSpank kürzlich wieder einmal mit Bravour bewies, tragen viele einfachstrukturierte Spielmechaniken nur für eine relativ kurze Zeit. Verlängert man das Spiel dennoch über einen kritischen Punkt hinaus, ohne dabei auch die Spielmechanik aufzublasen, wird es irgendwann langweilig, ja sogar anstrengend. Und Costume Quest ist auch so ein Kandidat. Insofern ist es schon ganz gut, dass man am Ende denkt „Was? Das war’s schon?“. Immer noch besser als „Puh! Endlich ist das verdammte Ding zu Ende!“, wie es mir beim Abspann von DeathSpank: ToV spontan entfuhr. Ich mochte den ersten Teil ja wirklich, aber ToV war in Anbetracht seiner überschaubaren Spielmechanik einfach viel zu lang. Anyway. Wo war ich bevor ich wieder ins Faseln abgedriftet bin? Ah ja..
Alles in Allem ist Costume Quest also wieder ein typisches Tim Schafer-Spiel geworden, wenn auch diesmal aus etwas anderen Gründen: Es ist weit davon entfernt, ein perfektes Spiel zu sein, unterhält den geneigten Spieler aber trotzdem mit seinem unverwechselbaren Humor und der Liebe zu den Charakteren und der Spielwelt.
Jetzt muss man der Richtigkeit halber noch erwähnen, auch wenn ich dadurch Gefahr laufe, meinen gesamten Text am Ende komplett zu versauen, dass Costume Quest gar kein richtiges Schafer-Spiel ist. Für die Idee, das Konzept und die wesentlichen Teile der Spielmechanik zeichnet sich Tasha Harris verantwortlich, die vorher bei Pixar arbeitete, bevor sie zu Double Fine stieß. Ihr haben wir es vermutlich auch zu verdanken, dass Costume Quest nicht die üblichen Schafer-Macken besitzt und bezüglich der Spielmechanik und Steuerung sehr gefällig geworden ist. Dennoch ist Tim Schafers Einfluss an jeder Ecke deutlich auszumachen. Obwohl er in erster Linie nur für die abstruse Story und die witzigen Dialoge im Spiel verantwortlich ist, trägt auch die liebevolle Gestaltung der Spielwelt ganz klar seine Handschrift. Und dies ist auch der Grund dafür, dass ich mich trotz der kurzen Spielzeit und des viel zu geringen spielerischen Anspruchs gut unterhalten gefühlt habe. Und so kann ich auch allen anderen Schafer-Fans da draußen Costume Quest warm ans Herz legen. Ihr werdet sicher euren Spaß haben. Wer sogar Kinder in besagtem Alter hat, wird mit dem Spiel besonders gut bedient, zumal meine persönlichen Hauptkritikpunkte (Anspruch und Dauer) für die Kurzen komplett irrelevant sind. Alle Anderen sollten sich jedoch noch einmal gut überlegen, ob ihnen 4 Stunden spielerisch eher seichte Unterhaltung wirklich 15 Euro wert sind…
7 Kommentare
Mir war schon die Demo zu repetitiv. Außerdem fand ich gar nicht alle Süßigkeitenhäuser und hab dann aufgehört. Zusammen mit Ruckeln ist es dann ganz schnell von der Platte geflogen, obwohl es tatsächlich lustig ist und schön die “Kinderrealität” benutzt.
PS: Wurden die Gegenspieler wirklich als Aliens bezeichnet? Dachte als Monster.
Och, so eintönig ist das Spiel gar nicht. Bei der Demo hat man das Problem, dass man noch nicht genügend Kostüme und Kampfmarken hat, um ernsthaft taktieren zu können. Das Kämpfen wird im kompletten Spiel nach etwa einer Stunde Spielzeit aber abwechslungsreichen. Außerdem wird der Adventure-Teil des Spiels auch noch durch die eine oder andere Zusatz-Quest und ein paar Minispielchen (Skaten, Apfeltauchen) aufgelockert.
Ich weiß zwar was Du meinst, HomiSite, kann die in vielen Reviews unterstellte Eintönigkeit aber nicht unterschreiben. Wie gesagt: Wäre das Spiel deutlich länger, würde es bestimmt irgendwann öde werden, aber so kurz wie es ist, finde ich es nicht langweilig.
P.S.: Die Widersacher sind zwar keine richtigen Aliens (was sie wirklich sind, will ich hier nicht spoilern), werden zu Beginn des Spiels aber als solche bezeichnet. ;)
Also bei mir das ein heißer Kandidat für ein Angebot der Woche für Golmember. In dem Zuge warten auch noch The Maw und P.B. Winterbottom auf dem digitalen Pile of Shame. Aber bis nächstes Halloween wird Costume Quest gespielt! Versprochen.
Bin ja gespannt, wie die weiteren 3 Titel aussehen werden, die Double Fine geplant hat…
[quote]Ich weiß zwar was Du meinst, HomiSite, kann die in vielen Reviews unterstellte Eintönigkeit aber nicht unterschreiben.[/quote]
Ich denke, das liegt vor allem an den Limitierungen der Demo: Alle Nebenquests sind da ja deaktiviert, die Kampfmarken ebenfalls und man sucht also nur die Häuser.
Halt halt! Das englische (amerikanische) ALIEN übersetzen wir halt immer mit Außerirdischer. Das ist nicht richtig.
Ich denke, hier wird ALIEN eher als “Fremdling”, “Gebietsfremder”, “nicht Angemessener” etc. benutzt. Ist auch passender.
Damit haben Übersetzer schon ganze Romane versaut bzw. aus Krimigeschichten dann SciFi erstellt…
@Sibylle: Jup. Kategorie: Things i learned from Sting
Außerirdische sind nun mal Fremdlinge. Insofern liegt das Problem nicht beim Wort “Alien”, sondern – wie so oft – nur beim schlechten Übersetzer.
Wenn man bedenkt, wie manche Achievements für Xbox/GfW LIVE übersetzt werden [was, so weit ich weiß, Microsoft’s Job ist], will ich gar nicht, wer für die Indie- und Arcade-Titel ohne großen Publisher dahinter verantwortlich ist… Mein Verdacht liegt aber auf jeden Fall auf den Achievement-Lokalisatoren.