Fortsetzungen von lieb gewonnenen Filmen oder Spielen sind so eine Sache. Meist passiert es wie bei „Indiana Jones“ und „The Matrix“, dass sie einfach nur dämlich sind. Manchmal sind sie Lückenfüller bis zum dritten Teil wie „Die zwei Türme“ und ab und an gibt es dann noch so etwas wie bei „Der Pate“, wenn die Fortsetzung das Original noch übertrifft.
Bei Guild Wars 2 habe ich so einen „Der Pate“-Moment. Guild Wars 1 war schon ein geniales Spiel, aber GW2 legt noch ‘ne gute Schippe drauf. Vielleicht liegt es auch daran, dass GW2 einfach noch ein bisschen mehr meinen Geschmack trifft, aber das sei mal dahingestellt.
Die Handlung spielt 250 Jahre nach den Ereignissen im ersten Teil und einiges hat sich verändert. Die Buhmänner namens Charr, die mich immer an auf den Hinterläufen aufrecht gehende Mischwesen aus Tauren und Hyänen erinnern, kommen jetzt mit den Menschen klar, die Asura sind an die Oberfläche gekommen, die Norn wurden aus ihrer Heimat vertrieben, die Sylvari erwachten, aber leider auch Drachen, die nun ziemlich angepisst durch die Welt wüten und vom Spieler aufgehalten werden sollen.
GW2 sollte mehr MMORPG werden als GW1, das als CORPG (Competitive Online Roleplaying Game) bezeichnet wurde. Eigentlich kann man es so beschreiben, dass GW1 sich so spielt, als hätte man einen ausgezeichneten PvP-Part eines MMORPGs, an dem zur Deko noch ein bisschen PvE gepackt ist. „Zur Deko“ deshalb, weil das Maximal-Level auf gerade mal 20 beschränkt ist und das ganze Spiel aus aneinandergereihten instanzierten Abschnitten besteht. Man begegnet anderen Spielern also nur in den Außenposten, in denen man sich Gruppen zusammensuchen kann, um die Instanzen zu spielen. Mittlerweile braucht man auch hierfür keine Menschen mehr, da die Helden-NPC, die man stattdessen mitnehmen kann, schlau genug für den Job sind.
In GW2 allerdings ist das maximale Level auf 80 gestiegen und instanzierte Bereiche sind auf Dungeons und die persönliche Geschichte beschränkt.
Die persönliche Geschichte ist etwas, das mir bei GW2 besonders gut gefällt. Man startet das Game wie eigentlich alle anderen diesen Genres auch mit der Charaktererstellung. Wo in GW1 nur Menschen zu sehen sind, hat man jetzt fünf Rassen zur Auswahl, was auch einen Schritt in Richtung MMORPG darstellt.
Gewählt werden kann zwischen Menschen, den Tauren-Hyänen Charr, den Sylvari, die aussehen, als wären sie aus Teilen von Büropflanzen zusammen gesteckt worden, den Norn, die wie aus dem Fitnessstudio entsprungene Wikinger wirken und den Asura. Asura sind klein, niedlich, haben große Augen und Schlappohren. Zwar riechen Asura verdächtig nach Bedienung von Vorlieben mancher asiatischer Spieler, allerdings lösen sie bei mir keinen komischen Beigeschmack aus wie ähnliche Rassen in FFIVX:ARR oder gar Tera.
Beim Aussehen des eigenen Chars kann man recht ordentlich herumbasteln, ist aber nicht so frei wie beispielsweise in CoV, was wohl auch dem schönen Fantasy-Setting von GW2 geschuldet ist. Aber immerhin gibt es bei den Menschen auch einen Skin, der eine deutlich ältere Person zeigt. Mehr Mut zur Hässlichkeit wird dem Spieler aber nicht zugestanden. Wirklich hässlich sind sogar die Hyänen-Charrs nicht.
Nach der Wahl der Rasse muss man sich für eine von acht möglichen Klassen entscheiden. Zur Wahl stehen die aus GW1 bekannten Mesmer mit ihren illusionistischen Verwirrungs- und Täuschungszaubern, der Elementalist, den man als Inkarnation des klassischen Elementar-Magiers verstehen kann, der Waldläufer, der mit seinem Tierchen gemeinsam kämpft, der Nekromant, der auf mich immer wie eine Gothic-Version vom Waldläufer wirkt, und der allseits übliche Krieger.
Neu hinzu gekommen sind der Dieb, Wächter und der Ingenieur. Als Dieb wandelt man auf den Pfaden der Schurken und Assassinen und arbeitet mit Tarnung und Angriffen aus dem Hinterhalt. Der Wächter ist ein paladinisierter Paragon und heilt und unterstützt meist sich und eventuell anwesende Mitspieler während er sich durch die Gegner schnetzelt. Mein persönlicher Schatz ist der Ingenieur. Mein Spielfigur gewordener Steampunk-Traum. Wenn ich diesen Char spiele, möchte ich mir immer wieder gern eine Tasse Darjeeling eingießen und meine Taschenuhr aufziehen. Der Ingenieur kämpft eigentlich mit Gewehr oder Pistole – er kann auch eine Pistole und ein Schild tragen, was mir aber irgendwie blasphemisch vorkommt – und trägt seine immense Ausrüstung in einem Rucksack mit sich herum. In diesem Rucksack können sich – je nach Spezialisierung bzw. ausgewählten Skills – kleine Mörsertürmchen, automatische Maschinengewehre oder Bomben befinden.
Der Witz an den Klassen in GW2 ist, dass es eigentlich kein festes „Tank-Healer-Damage Dealer“-Schema gibt. Soweit ich die Klassen spielte, können sie sich entweder selbst ausreichend heilen, um keinen fremden Heiler zu benötigen oder kurzfristig so mit Skills ausgerüstet werden, damit sie in schwierigen Kämpfen auch mal einen Heiler mimen können. Theoretisch kann auch jeder tanken – bisher hat sich bei mir in der Praxis allerdings gezeigt, dass es leichter geht, wenn eine Klasse mit dicker Rüstung vorne steht.
Ist die Klassenwahl abgeschlossen und die perfekte Nasenlänge gefunden, erreicht man den Teil der Charaktererstellung, der die weitere persönliche Geschichte im Spiel beeinflusst. So kann man beispielsweise bei den Menschen die Herkunft bestimmen. Ob man nun aus adeligen, einfachen oder ärmlichen Verhältnissen stammt bestimmt auch, welche Freunde man hat, die einem im Laufe des Spiels immer wieder in der persönlichen Geschichte als Questgeber oder helfende Hand begegnen.
Je nach ausgewählter Rasse und auch Klasse variieren diese Turning Points der eigenen Vergangenheit. So muss man als Sylvari nicht festlegen, aus welchen sozialen Verhältnissen man stammt, sondern zu welcher Tageszeit man erwachte oder als Ingenieur, ob man eher auf Googles oder Rucksack setzt. Nach der Erstellung des Charakters wird man an unterschiedlichen Punkten Tyrias entlassen und darf sich genauso durch Quests und Erfahrungen sammeln seine Level erarbeiten, wie in anderen MMORPGs auch. Nur wie man das macht, ist ein bisschen anders als bei den anderen derzeit laufenden MMORPGs.
Questgeber sind nicht immer mit irgendwelchen fetten Symbolen über den eigenen Köpfen markiert. Oft rennt ein NPC auf einen zu, winkt und erbittet Hilfe bei einem Problem. Oder man geht gemütlich seiner Wege und ist plötzlich in einer Schlacht gegen ein Elitemonster, dass gerade ein Dorf zerlegt. Hier muss die Quest nicht groß angenommen werden, sie wird einfach ins Log eingetragen und gilt als abgegeben, wenn das schurkische Monster erledigt wurde. Belohnung erhält man in diesem Fall per Post.
Über Quests, die die eigene Geschichte vorantreiben, kann man allerdings nicht stolpern. Diese Questreihe findet recht linear von einer im Log vermerkten Quest zur nächsten statt, allerdings beeinflussen innerhalb der Reihe getroffene Entscheidungen – wie z.B. ob man benötigte Informationen mit roher Gewalt oder eleganter Spionage beschafft – den weiteren Verlauf der eigenen Geschichte.
Ein weiteres wichtiges MMORPG-Element hat GW2 auch nach Tyria gebracht: Das Crafting. Es stehen acht klassische MMORPG-Berufe zur Auswahl von denen zwei gleichzeitig beherrscht werden können. Traditionelles Erlernen von Rezepten durch Kauf der selben von entsprechenden Händlern ist möglich, viel lustiger finde ich das Entdecken durch Herumprobieren mit Zutaten.
Aber ich gebe zu, nicht die große Crafting-Queen zu sein, daher liegt dieser Teil des Spiels bei mir relativ brach. Ein weiterer Teil, dem ich mich bisher noch nicht allzu ausgiebig gewidmet habe, ist die bisherige Stärke von Guild Wars: Das PvP. Bisher habe ich nur kurz in die wöchentlichen Turniere geschaut, die zwischen drei Servern ausgetragen werden und auch so lustige Kleinigkeiten wie Katapulte und Nachschubversorgung der eigenen Truppen beinhalten. Etwas länger hängen geblieben bin ich bei den schnellen 5vs5 Maps, die mir einen Wahnsinnsspaß gemacht haben. Die Maps sind schön gestaltet und gerade dieses King of the hill-Ding mag ich immer wieder gern. Dadurch, dass angefangene Spiele nicht durch Verlassen von Spielern beendet, sondern die leeren Plätze mit neuen Spielern aufgefüllt werden, sind zwar die Wartezeiten gering, allerdings kann es passieren, dass man nicht mit Spielern, mit denen man sich als Gruppe mit weniger als fünf Mitgliedern angemeldet hat, auch wirklich in eine Gruppe kommt. Aber auch nicht schlimm, eher lustig, vor allem, wenn man zusammen im TeamSpeak hockt.
Meine Hauptbeschäftigung ist aber immer noch das PvE. Bisher war ich nie sonderlich bestrebt jede Ecke eines MMORPGs zu sehen, aber Tyria ist zum großen Teil sehr hübsch geraten und die überall in den Herausforderungen versteckten Skillpoints und Ausgucke, verleiten mich dazu, doch noch in ein Gebiet zu gehen, das ich noch nicht kannte und die Karte immer weiter aufzudecken. Toll ist auch, dass gerade Lowlevel-Gebiete auch für einen großen Char nicht langweilig werden. Der eigene Charlevel wird auf die Umgebung herunter gerechnet. So macht es z.B. auch viel mehr Spaß, einem anderen kleineren Char zu helfen, da man nicht auf stupides Ziehen beschränkt ist.
Süß finde ich auch solche Sachen wie Jumping Rätsel, bei denen sich der eigene Char x-mal den Hals bricht, um in komplizierten Abfolgen von Sprüngen an eine Kiste mit Belohnungen heranzukommen. Oder ein lustiges „Level“ das im Retro 8-bit look gehalten ist. Genauso die in GW1 begonnene Tradition von realen Festen, die in Tyria ihre Entsprechung haben. Halloween z.B. wird mit aus Bonbons zusammen gesetzten Monster, Kürbisköpfen und lustigen Events gefeiert.
Was sicher ein weiteres gutes Argument für GW2 ist, ist der Verzicht auf monatliche Gebühren. Einmal das Spiel gekauft, muss man nichts mehr für zahlen. Es gibt zwar einen Itemshop, aber der enthält hübsche oder höchstens nützliche Dinge und muss nicht zwingend genutzt werden. Zur Not kann auch das ingame Gold gegen die Echtgeldwärung im obligatorischen Auktionshaus getauscht werden. Ich allerdings habe schon mehrfach etwas für echtes Geld gekauft. Wenn ich mich als Spieler wohl fühle in einem Spiel, sitzt der Geldbeutel doch etwas lockerer und man hat die herrliche Argumentationshilfe, dass man die Macher des Games ja unterstützen will – habe ich in letzter Zeit öfter gehört. Vor allem, wenn sich derjenige so richtig unnützes Zeugs wie hübsche Klamotten und niedliche Haustiere gekauft hat.
Mehr Texte von mayaku findet Ihr auf ihrem Blog Nerdperle.
6 Kommentare
Guild Wars 2 hat in meinen Augen den kompletten Reiz des ersten Teils verraten, um sich bei der üblichen MMORPG-Klientel anzubiedern. Ich hab’s nicht über mich bringen können, auch nur einen Charakter komplett durch das Spiel zu ziehen und nach ein paar Stunden stumpfen (Quest-)Gegrindes aufgegeben. Das neue Fertigkeitensystem ist völlig simplifiziert und oberflächlich, es gibt zwar mehr zu tun aber nichts davon hat mir auch nur ansatzweise Spaß gemacht. Zumal auch das Zusammenspiel mit der Gilde total den Bach runtergegangen ist, da man auf instanzierte Gebiete größtenteils verzichtet und so meist genügend Random-Spieler wortlos mitmischen. GW1 war das einzige MMO was mich je interessiert hat, und das ist es leider auch nach der Veröffentlichung des zweiten Teils geblieben. Superschade.
Kann ich einerseits voll verstehen und andererseits absolut nicht nachvollziehen :D
Ich hab mich gefreut wie Bolle über die Anbiederung, weil ich mir ein Guild Wars MMORPG wünschte, aber klar, Guild Wars 2 ist so gesehen recht weit weg von Guild Wars 1.
Dass die Gilde an Relevanz verlor war doch aber auch schon bei GW1 mit den Helden oder war das bei Dir in der Gilde kein so krasser Kaputtmacher?
Ach und hast Du Dir denn auch den PvP-Teil angeschaut? Ist der auch so weit weg vom Spirit des PvP in Teil 1?
Ich habe kurz überlegt, ob ich erwähne, dass es eigentlich schon seit den Helden so ist, aber das ist jetzt ne ganz andere Dimension. Seit in Nightfall die Helden dazu kamen, war man nicht mehr so darauf angewiesen, dass man ne Gruppe voll bekommt, ist aber dennoch in der Regel zumindest mal mit ein – zwei Freunden losgezogen. Bei GW2 war trotz über 50 Mitgliedern nahezu jeder allein unterwegs, da jeder irgendwie seine eigenen Ziele verfolgte und die anderen dafür nicht mehr brauchte. Fast schon antisoziale Züge kann man da ausmachen, was ja eigentlich das komplette Gegenteil von nem MMO sein sollte.
PvP habe daraufhin auch nur kurz angetesten. Nach 3 Runden Welt gegen Welt hatte ich da aber auch schnell den Rand voll, zumal es auch nicht mehr diese Tiefe beim Skillsystem gibt, wie man es noch im Vorgänger vorfand. Wobei es dort dann auch durch die Erweiterungen irgendwann balancemäßig nicht mehr das Gelb vom Ei war. Generell waren die Erweiterungen für den Charme des Spiels eher abträglich, muss man im Nachhinein sagen.
Bei den Skills war/bin ich auch echt irritiert. Ich warte immer noch drauf, dass sich mir der Unterpunkt im Menü zeigt, damit ich mir die restlichen Skills anzeigen lassen kann…
Und als Nightfall kam war ich schon in Azeroth. Hab mir die Erweiterungen dann doch irgendwann gekauft aber nie wirklich gezockt.
Ich fand ja den Ritualisten so geil in GW1, den habe ich neben meiner Mönchin am liebsten gespielt. Waldläufer auch, aber die waren ja immer irgendwie der Liebling. Ein bisschen schade finde ich, dass es keine richtige Heilerklasse mehr gibt, das mochte ich immer am meisten, vor allem wenn man mit der Gilde im Riss unterwegs war und die Herausforderung auch angewachsen ist. Ich kann mich auch noch an lange Farmsessions bei Faulschuppe erinnern, der hat ja immer ganz nette Sachen gedropt.
Teil 2 habe ich mir aber nicht angetan bisher, da ich schon dazu neige, bei GW eine ziemliche Sucht zu entwickeln, wo mein Privatleben extrem drunter leiden würde. (Mal davon ab fehlt mir auch die nötige Hardware.) Damals ist da wirklich alles draufgegangen an Zeit die ich hatte, durch das Gildenleben hatte man dann auch ein zusätzliches Verantwortungsgefühl und auf Dauer kann das echt ganz schön stressig werden. Aber reinschauen würde ich trotzdem gerne mal, für mich klingt das schon alles ziemlich gut was du so schreibst. Aber selber spielen würde ich es nicht mehr wollen.
Das Problem ist hauptsächlich die falsche Erwartungshaltung der GW1-Spieler. Der Vorgänger von Guild Wars 2 war nämlich kein MMO, auch wenn das häufig behauptet wird. Man könnte es am ehesten als ein Koop-Rollenspiel bezeichnen (daher ja auch „CORPG“). Wer keine MMOs mag, der wird auch GW2 nicht plötzlich mögen.
Auch halte ich es für merkwürdig, dem Spiel die Schuld zu geben, dass man nicht mehr mit Freunden oder Leuten aus der Gilde zusammenspielt. Das ist nämlich selbstverständlich möglich und auch von Vorteil. In Guild Wars 2 spielt man durch die offene Spielwelt und dynamischen Events sogar häufiger mit anderen, als es noch im Vorgänger der Fall war.