Telltale lässt die Toten wieder laufen, und mit ihnen das junge Mädel mit der alten Mütze, das wir alle so sehr ins Herz geschlossen haben. Aber kann die zweite Season von The Walking Dead genau so überzeugen wie die erste? Darüber haben wir uns unterhalten. Achtung, es wird gespoilert!
Zwerg-im-Bikini: Liebe Polyneux-Kollegen, wir müssen reden… denn irgendwie muss ich das verarbeiten, was Telltale auf mich losgelassen hat. Nach der ersten Season von The Walking Dead hätte ich mir eigentlich denken können, dass es wieder schlimm wird. Aber die liegt ja nun schon eine ganze Weile zurück und ich war guter Dinge, dass eine Fortsetzung nicht mehr die Intensität des ersten Teils erreichen würde. Man weiß inzwischen grob, was einen erwartet, und an dem grundlegenden Aufbau hat sich nichts geändert. Außerdem hat mich Telltales The Wolf Among Us zwar gefesselt, aber die Entscheidungen wirkten weit weniger quälend. Tja, aber da gab es halt keine Clementine… und nun ist sie zurück. Mit einem Haufen neuer Freunde, die sich als Feinde entpuppen können.
Viele waren ja im Vorfeld etwas skeptisch, ob ein kleines Mädchen als Protagonist funktionieren würde, aber ich habe mich sehr schnell daran gewöhnt. Vielleicht deshalb, weil man sich in dieser lebensfeindlichen Umgebung sowieso hilflos wie ein Kind fühlt. Aber Clementine entwickelt sich ja auch weiter und ist durchaus dazu in der Lage, zu helfen oder sich zur Wehr zu setzen – wenn man sie lässt. Häufig kreisten meine Gedanken bei den Entscheidungen nicht nur darum, wie ich selber mich verhalten würde, sondern auch darum, wie viel ich einer 11-Jährigen zumuten möchte. Das war für mich ein interessanter neuer Aspekt. Als Christa in Episode 1 umzingelt wurde, reagierte ich tatsächlich wie ein kleines Kind – ich hörte darauf, als sie mir zurief, dass ich wegrennen sollte. Aber danach meldete sich mein schlechtes Gewissen… vor allem als ich sah, dass ich zu den nur 15 % gehörte, die nicht versucht hatten, sie zu retten. Was war ich doch für ein Schwein. Und ohne mir eine Atempause zu gönnen folgte direkt eine der für mich schlimmsten Szenen der gesamten Season, als Clementine auf den Hund traf. Als Tierfreund war mein erster Gedanke, dass sie nun die Chance hatte, einen treuen Begleiter an ihrer Seite zu haben. Wer braucht schon Menschen? Und gerade Kinder lieben nun mal Hunde! Also wurde mit Bello fröhlich gespielt und als es ans Essen ging, teilte ich selbstverständlich mit ihm. Tja… und dann schlägt einem das Spiel mal so eben mit voller Wucht das Kinderlachen aus dem Gesicht. Da war mir klar, dass es für Clementine und mich nicht leicht werden würde.
Wie war es für euch, zu Clementine zurückzukommen?
SpielerZwei: Nachdem ich den TWD-Pausenclown 400 Days relativ enttäuschend fand, war meine Erwartungshaltung der zweiten Season gegenüber nicht besonders hoch. Aber ich wurde positiv überrascht: Auch wenn es Telltale nicht ganz gelingt, die einzigartige Chemie zwischen Lee und Clementine zu reproduzieren, so schaffen sie es doch wieder, die neuen Charaktere so gut zu schreiben, dass wieder viel Emotionalität für den Spieler drin steckt. Der Clou war natürlich, zumindest für mich, das Wiedersehen mit Kenny. Ich war die ganze Zeit hin und her gerissen. Ein Wechselbad der Gefühle. Erst war ich freudig überrascht, doch dann fiel mir wieder mehr und mehr ein, dass Kenny für mich eine der unsympathischeren Figuren in der ersten Season war, weil er immer “nur” an seine Familie dachte und auf den Rest der Gruppe geschissen hat. Und dann war da auch noch seine unberechenbare, aggressive Art…
Dieses Hin und Her zwischen der neuen Gruppe und dem alten Bekannten Kenny übertrug sich von Clementine direkt auf mich. In einer so beschissenen Welt wie der von TWD, ist es sehr verlockend, sich an die einzige vertraute Person zu halten, auch wenn sie so ein “Problem-Bär” ist wie Kenny.
Ich habe im Spiel ein paar Entscheidungen zugunsten Kennys getroffen, die ich unter rationalen Gesichtspunkten im Nachhinein bereut habe. Einfach weil ich lange daran glauben wollte, dass Kenny vielleicht die Lücke in Clementines Leben füllen könnte, die Lees Tod gerissen hatte. Erst gegen Ende musste ich mir eingestehen, dass mit dem labilen Kerl dauerhaft kein Rennen zu gewinnen ist. Hinzu kam, dass mir die pragmatische Jane, die mich irgendwie sehr an Michonne aus der TWD-TV-Serie erinnert, in der zweiten Hälfte immer sympathischer wurde. Wenn Clementine in dieser Welt überleben soll, dann muss sie sich an “Survivor-Typen” wie Jane halten…
Der Award für die nervigste Figur geht in Season 2 übrigens an das Waldorf-Blag Sarah. Haltet mich für einen Arsch, aber ich war richtig froh, als sich endlich die Gelegenheit ergab, sie sterben zu lassen…
Doreen: Ich bin wahrscheinlich eine der wenigen, der die zweite Staffel noch etwas besser gefallen hat als die erste. Ich hatte das an anderer Stelle schon mal bei Facebook geschrieben. Ich empfand die zweite Staffel als weniger manipulativ, einfach deshalb, weil sie zwar immer noch emotional zu berühren wusste, aber nicht mehr ganz so arg auf die Tränendrüsen gedrückt hat. Die erste Staffel war schon sehr darauf ausgelegt, in gewissen Szenen ALLE Spieler wegzuhauen und setzte eher auf laute Töne. In Staffel 2 passierte auch mal mehr zwischen den Zeilen und mir gefiel auch, dass einige Stränge nicht direkt aufgelöst wurden. Z.B. der, was aus Christas Kind geworden ist. Ich hatte keine Gesprächsoption, die mir eine Antwort gab. Oder was ist generell aus Christa geworden. Schon allein der Anfang hat mir gefallen und ging mir sehr nah, als Omid starb und dann der Switch, ganze 16 Monate später. Christa und Clementine am Lagerfeuer, sehr krass und cool! Ich habe Clementine auch gerne gespielt und hoffe, dass es in Staffel 3 mit ihr weitergeht.
Mit Kenny ging es mir ähnlich wie S2, zu Beginn freute ich mich über seine Rückkehr, aber das kippte dann irgendwann, nach etlichen Chancen die ich ihm gab. Jane ist mein neuer Favorit denke ich, ich mag sie sehr. Und das mit dem Hund war definitiv eine sehr heftige Szene ja, ich teilte natürlich auch, aber eine Lehre war es mir wohl immer noch nicht.
Zwerg-im-Bikini: Oh ja, die Sache mit Christa fand ich auch sehr gut gelöst. Da brauchte es gar nicht mehr und es hat mich trotzdem mehr betroffen gemacht, als die gesamte Baby-Geschichte am Ende, die es für mich nicht unbedingt in diesem Umfang gebraucht hätte. Ich fand es etwas sogar etwas inkonsequent, dass es unter den vielen verschiedenen Enden keines gab, in dem das Baby stirbt oder abhandenkommt. Aber immerhin sorgte es für meinen bisherigen Lieblings-Cliffhanger, denn am Ende von Episode 4 habe ich nur mit offenem Mund den schwarzen Bildschirm angestarrt.
Mir ging es mit Kenny wie euch: Ich wollte zu ihm halten, weil ich ihn kannte, aber mit jedem seiner unkontrollierten Ausbrüche wurde es schwerer. Ich habe mich am Ende so gut es ging aus dem Kampf zwischen ihm und Jane herausgehalten, obwohl ich Jane sehr mochte… aber ich brachte es einfach nicht übers Herz, einen von beiden zu töten. Bei ihm bleiben wollte ich danach aber auch nicht und bin alleine mit dem Baby losgezogen. Eine Entscheidung aus dem Bauch heraus, die in dieser Umgebung bestimmt nicht clever war, aber ich wollte keine Menschen mehr sehen. Irgendwann hat man die Schnauze voll, wenn alle um einen herum dauernd am austicken sind.
Die kleine Sarah war zwar wirklich ein Klotz am Bein, aber sie weckte meinen Beschützerinstinkt. Wir haben ja erfahren, dass ihr Vater sie versucht hatte, von allem fern zu halten, und dass sie deshalb nicht mit der plötzlichen Gewalt um sie herum klar kam – deshalb konnte ich ihr nicht böse sein. Wer mir hingegen furchtbar auf den Sack ging war Bonnie. Boah, dieses Weib! Zuerst nutzt sie eiskalt unsere Gastfreundschaft aus, dann macht sie einen mit mir auf Superkumpel, nur um mir nach der Sache auf dem See auf einmal wieder eiskalt in den Rücken zu fallen – und der Gruppe. Dabei war sie selber Schuld an dem Tod von Luke (den ich mochte, weil er ein Netter war). Ich glaube ich fand sie zu dem Zeitpunkt sogar schlimmer als Carver, weil man bei dem wenigstens wusste, woran man ist. Wenn sie mir noch einmal über den Weg laufen sollte, werde ich für nichts garantieren können. Aber solche Charaktere gehören natürlich dazu, man leidet ja gerne. Argh.
Doreen: Wie seid ihr denn bei Carver vorgegangen? Ich fand das alles ziemlich heftig. Kenny hat ihn getötet und ich ließ Clem dabei zusehen. Eigentlich sonst gar nicht meine Art, aber irgendwie war es mir ein inneres Bedürfnis.
Le Don: Ich hatte Clementine nicht zusehen lassen. Ich fand es richtig, Carver zu töten und hatte dabei auch ein gutes Gefühl, aber ich hatte nicht das Bedürfnis, dabei zugucken zu müssen. Das war leider eine der Entscheidungen, die mir egal waren. Glücklicherweise gab es von denen nur sehr wenige und die Season 2 hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Ich kann mich dabei nicht festlegen, welche Season mir besser gefiel, aber in jeden Fall können sie beide für mich bequem nebeneinander stehen. Season 1 hatte viele starke Momente und war vor allem wegen seiner Neuartigkeit frischer – möglicherweise auch ikonischer. Aber bei Season 2 hatte ich dieses permanent unangenehme Gefühl, es würde jeden Moment wieder etwas ganz furchtbares passieren und ich müsste wieder eine ganz schlimme Entscheidung treffen. Ich war mit einem guten Gefühl froh, als das ganze endlich vorbei war.
Bei Carver hatte ich in den ersten Episoden die Befürchtung, man würde ihn als großen Antagonisten in Episode 5 bekämpfen müssen und er würde die Rolle des Fremden aus Season 1 einnehmen. Das hätte mir nicht gefallen, weil es irgendwo so typisch video-gamey gewesen wäre, zumal ich mir mehr Background zu ihn gewünscht hätte. Denn es wird angedeutet, dass er ein Mann mit guten Intentionen gewesen sein mag und er wegen den Umständen so unerbittlich wurde, aber er war dann doch wieder zu sehr auf böse getrimmt. Es hat aber gut funktioniert, um mir zu zeigen, wie ein Mensch unter Druck zu so einer Person werden könnte, was sich wiederum bei Kenny angedeutet hat.
Bezüglich Kenny scheine ich mit meiner Meinung in der Minderheit zu sein. Ja, auch mir ist nach der Wiedersehens-Freude eingefallen, wie anstrengend Kenny manchmal war, aber ich konnte mich auch immer auf ihn verlassen. Zumindest klappte es mit Lee und er hat in Season 1 bei mir versucht, Ben zu retten. Er hat bei Carver die Prügel für Clementine eingesteckt, er hat sich bei AJ’s Geburt zusammengerissen und er hat mir die Entscheidung abgenommen, Rebecca zu erschießen. Ich empfand dieses Gefühl von Dankbarkeit für ihn und das Wiedersehen in Episode 2 war für mich ein Magic Moment, der mir Tränen in den Augen trieb – ungelogen nicht nur beim Spielen, sondern auch beim wiederholten Gucken auf Youtube. Ich war der Meinung, man könne gut mit ihm auskommen, wenn man ihn nicht zu sehr in die Ecke drängt. Ich wollte ihn nicht in Stick lassen, wie es Bonnie und Mike taten, und ich wollte ihn nicht zu einen Tyrannen wie Carver werden lassen. In dem Sinne hatte ich Jane auch nicht geholfen, denn ich fand ihren Plan insane. Was wollte sie beweisen? Dass Kenny töten würde, wenn man ihn ausreichend reizt? No shit, Sherlock. Er war schon vor ihrer Lüge kurz davor, sie zu töten. Das war für mich eines der dämlicheren Entscheidungen, die eine Figur in der Serie getroffen hat.
Sven: Witzig, was du über Carver zu sagen hast, Don. Bei mir ist es das genaue Gegenteil: Ich sehe im (viel zu frühen) Ableben Carvers eine beeindruckende Demonstration dafür, wie man erzählerisches Potenzial in den Wind schießen kann. Wieso machen die sowas? Zugegeben, bis zu dem Punkt hatte die zweite Staffel bei mir ohnehin schon einen schweren Stand. Ab da hatte sie bei mir regelrecht verschissen. Lange Rede, kurzer Sinn: Mit dem Ende der dritten Episode war für mich auch die komplette Staffel vorbei. Damit bin ich hier wohl in der Minderheit, oder?
Aber was soll ich sagen? Ich fand die Staffel ziemlich Banane. Zu viel Wischi-Waschi. Mir fehlte da ein klarer roter Faden, wie bei Lee & Clementine. Ehrlich gesagt bin ich äußerst erstaunt, wie sehr ihr von der Fortsetzung schwärmt. Bin ich vielleicht übertrieben zynisch, wenn ich den Abgang von Christa und Omid in den ersten zehn Minuten der neuen Staffel als wahnsinnig plump empfunden habe? Bin ich total gefühlskalt, wenn mir 90% der Charaktere völlig egal waren, weil sie im Endeffekt ja doch nur als Schlachtvieh bei „moralischen“ Entscheidungen herhalten müssen? Bin ich zu verkopft, wenn ich Clementine als Quasi-Führungsperson einer Gruppe Erwachsener nicht ernst nehmen kann? Hilfe!
Urs: Der Skepsis meines Vorredners kann ich mich nur anschließen, Begeisterung wollte sich auch bei mir während des Spielens nicht einstellen. Aber bevor ich resümiere, möchte ich auf einige einzelne Punkte eingehen. Beginne wir mit einigen meiner Entscheidungen. Ich habe zugeguckt wie Kenny Carver tötete. Ich habe Sarah sterben lassen, habe Bonny und Mike verpfiffen und schließlich Kenny erschossen. Die meiste Zeit zuvor hatte ich zu Kenny gehalten, doch am Ende änderte ich meine Meinung. Warum? Weil es mir eigentlich egal war, keiner der Charaktere in dieser Season schaffte es mir ähnlich ans Herz zu wachsen, wie noch Clementine in der ersten Staffel. Schon der Einstieg mit Omids Tod, dem Hund und der übertriebenen Grausamkeit der neuen Gruppe Clementine gegenüber zeigten mir, dass Telltale nochmal so richtig hineinfurchen wollten in das Schmerzzentrum des Spielers. Gewalt, Verrat und Hoffnungslosigkeit wurden mir so dick aufs Brot geschmiert, dass mir der Appetit verging. Ein Doktor, der einen Hundebiss nicht von dem einem Menschen unterscheiden kann? Meinetwegen. Aber erwachsene Menschen, die zu jeder sich bietenden Gelegenheit einer Elfjährigen die Entscheidung in überlebenswichtigen Fragen überlassen, sie unvermittelt sowie unbegründet ins Vertrauen ziehen und sie schließlich auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit wissent- und willentlich in Lebensgefahr bringen? “Oh, da ist ein schmaler Spalt, quetsch dich durch Clementine. Ach, da war ein Zombie dahinter? Wer hätte damit gerechnet, in der VERDAMMTEN ZOMBIE-APOKALYPSE!”
Nein TWD, diesen Mist kaufe ich dir nicht ab. Zwar spielst du r gelegentlich wieder gekonnt auf der Klaviatur meiner Emotionen, zeichnest noch immer für Videospieleverhältnisse starke Figuren und Szenarien und kreierst eine in ihren besten Momenten enorm dichte Stimmung. Aber deine Logikfehler und Unglaubwürdigkeiten kann ich dir nur schwer nachsehen, insbesondere nach einer derart starken ersten Staffel. Deutlich glücklicher wäre ich, hätte diese für sich selbst gestanden und keine Fortsetzung erfahren. An einen solchen überragenden Titel anzuknüpfen oder ihn gar zu übertrumpfen ist schwierig, fast unmöglich. Die hohen Erwartungen zu enttäuschen ist ein Leichtes, ganz offenkundig. Zum wiederholten Male ein Schlag ins Gesicht war die technische Umsetzung. In den Anfangstagen Telltales noch verzeihlich, wachsen sich diese Schlampigkeiten zu einem rechten Ärgernis aus. Wenn ich bedenke wie flüssig deutlich aufwändigere Spiele auf den alten Konsolen laufen, sind das penetrante Geruckel und Nachgelade der von TWD und Konsorten auf PS3 und 360 wirklich eine Farce. Aber das nur am Rande.
Auch wenn es sich so anhören mag, ich bereue es nicht die zweite Season gespielt zu haben, aber ich hätte genausogut einen beliebigen anderen Durchschnittstitel spielen können. Die Aussicht auf die bereits angekündigte dritte Staffel vermag mich nicht zu begeistern. Eine Fortsetzung zu The Wolf Among Us oder das neu angekündigte Game Of Thrones bergen meines Erachtens deutlich mehr Potenzial für die fortschreitende Entwicklung von Geschichten und Charakteren. Wäre TWD eine einmalige Veranstaltung, ein kurzer Ritt in die Hölle und zurück gewesen, es hätte als Geniestreich in die Annalen der Videospiele eingehen können. So ist die Serie nur eine unter vielen, solide Unterhaltung. Zu einem weiteren Ausflug in die Zombie-Apokalypse verpüre ich dementsprechend nur wenig Lust, in ihrem gegenwärtigen Zustand ist die Serie mehr “Dead” als “Walking”.
Zwerg-im-Bikini: Die Spiele stehen und fallen damit, ob man sich in die Geschichte hineinziehen lassen kann oder nicht. Ich habe erfreulicherweise von den ersten Szenen an mitgefühlt, mitgelitten und war deshalb durchgängig gespannt darauf, wie es weitergeht. Das hat es zu etwas besonderem gemacht, weil mir nur sehr wenige andere Spiele einfallen, die mich emotional so in ihren Bann ziehen. Ob mir nun die erste oder zweite Staffel besser gefallen hat… knapp die erste, aber ich war überrascht, wie gut ich die zweite noch ohne Innovations-Bonus fand. Sind einem die Charaktere und Entscheidungen allerdings egal, wird man wenig Freude haben – denn was bleibt dann übrig? Nichts. Spielerisch wurde meinem Empfinden nach sogar noch weniger gefordert als im Vorgänger. Gut, dass sie auf wegen der Steuerung nervige Actionszenen verzichtet haben. Technische Probleme hatte ich mit der PC-Version diesmal zum Glück keine. Ein paar Mal musste ich aber schmunzeln, wenn mal wieder ein Gegenstand ins Inventar wanderte, das nun wirklich überhaupt keinen Nutzen mehr hat und deshalb eigentlich auch hätte weggelassen werden können. Wenn einen die Geschichte und Charaktere fesseln können, braucht man das alles nicht unbedingt. Eine gute Visual Novel funktioniert schließlich auch ohne Geschicklichkeitseinlagen, und ich glaube dass sich niemand The Walking Dead zulegt, weil er eine spielerische Herausforderung sucht.
Zu Carver: Ich finde es interessant, dass so viele Clementine seinen Tod haben mitansehen lassen. Den Tod gegönnt habe ich ihm zwar auch und bin Gore normalerweise nicht abgeneigt, aber in dem Fall war mir wichtig, dass sie nicht noch mehr Gewalt mitansehen muss, als sowieso schon. Und außerdem hat Carver sie dazu ermutigt zuzusehen, was bei mir eine trotzige “Dann erst recht nicht!” Reaktion zur Folge hatte. Ich wollte Clem ein besserer Mensch sein lassen als er oder Kenny es waren. Dass er so früh starb, hat mich nicht gestört, sondern ich fand es auch angenehm, dass sie nicht einfach die Geschichte der ersten Staffel mit neuen Charakteren wiederholt haben.
Sven: Urs spricht da noch etwas an, was mir fast wieder entfallen wäre. Als ich die zweite Staffel runtergeladen habe, habe ich erstmal einen Schreck bekommen. Meine Save Files von Season 1 mit dem 400 Days-DLC wurden nicht gefunden. Gut, dachte ich mir, das ist vielleicht nur halb so schlimm, und ich muss nochmal fix die erste Staffel runterladen, damit Season 2 auf die Daten zugreifen kann. Als die erste Staffel geladen war und ich sie gestartet habe, konnte Season 2 die Save Files aber immer noch nicht finden, obwohl sie definitive vorhanden waren. Das Problem lag nun darin, dass ich Season 1 damals in dem XP-Kompatibilitätsmodus spielen musste, weil offenbar auch bei mir die Save Files diesen ganzen Druck nicht mehr standhalten konnten und sich selbst das Leben nahmen – so manch einer kennt das ja. Damit Season 2 die Save Files finden konnte, musste ich es also auch in den Mode spielen. Neben dem ganzen Mambo Jambo hatte ich auch einige Ruckler, und ich machte mir nicht nur um Clementine Sorgen, sondern auch um die Stabilität des Spiels und meine Save Files.
SpielerZwei: Urs und Sven stehen mit ihrer Meinung ja nicht alleine da: Ich habe die Season (wie auch schon die erste) am Stück gespielt, weil ich diesen “Episodic Content” bei Videospielen nicht mag. Während ich so auf die letzte Episode wartete, bekam ich vorher auf Twitter und Co. schon mit, dass relativ viele Leute der Meinung waren, Season 2 sei deutlich schlechter als die erste. Folglich hatte ich beim Spielbeginn eine entsprechend niedrige Erwartungshaltung. Und wurde dann positiv überrascht. Wie schon gesagt, finde ich Season 2 nicht ganz so stark wie die erste, aber dennoch sehr gut und lange nicht so schlecht, wie vorher von einigen anderen geäußert.
Ich lese die Comics nicht und vergleiche das Spiel daher immer direkt mit der TV-Serie, die ich nebenbei bemerkt sehr geil finde. Von daher ist Carver für mich die Entsprechung vom Governor in der TV-Serie. Ich komme drauf, weil einige hier das verschenkte Potenzial von Carver ansprechen, was ich durchaus verstehen kann. Der Governor im Comic ist ja eine abgrundtief perverse und grausame Sau. Komplett böse. In der TV-Serie haben sie jedoch versucht, ihn ambivalenter darzustellen, indem man auf seine Back-Story einging. Da war er nicht einfach nur böse, sondern ein gebrochener Kerl mit guten Absichten, dem der ganze Scheiß aber irgendwann entglitten ist bzw. zu einem Selbstläufer aus Macht, Ordnung und Notwendigkeit wurde, bei dem dann irgendwann die gute Intention auf der Strecke blieb. Sowas ähnliches hätte Carver auch ganz gut gestanden. Dennoch fand ich die Wendung, dass die Season eben nicht in einem Endkampf gegen Carver mündet, sondern noch eine ganz andere Richtung bekommt, auch nicht schlecht. Und als reine Zwischenstation innerhalb der Season kann man Carver auch gerne einfach als Arsch ohne große Erklärung stehen lassen, finde ich.
Ich habe Clem übrigens auch zusehen lassen, als Kenny ihm den Schädel eingeschlagen hat. Ich fand es richtig, weil für mich zu diesem Zeitpunkt schon klar war, dass Clem keine normale 11jährige ist und auch nicht sein darf, wenn sie weiterhin überleben soll. Spätestens nach dem Ende der zweiten Season steht fest, dass sich Clem im Grunde auf niemanden außer sich selbst verlassen kann, wenn sie irgendwann einmal 12 oder noch älter werden will. Und vor diesem Hintergrund fand ich es sogar “pädagogisch sinnvoll”, so viele Entscheidungen wie möglich so zu treffen, dass Clem schneller altert bzw. reift. Einfach deshalb, weil das ihre einzige Chance aufs Überleben in dieser Zombie-verseuchten Welt ist. Was mit Kindern passiert, die man in der Zombie-Apokalypse vor der Realität beschützen will, sieht man ja sehr schön an Sarah…
Nebenbei ist das ja auch im Comic und der TV-Serie ein wichtiges Thema. Stichwort: Ricks Sohn, Carl.
Doreen: Jop, sehe ich ähnlich. Clementine soll zwar ihr Herz am rechten Fleck haben, allerdings muss sie auf die Eine oder Andere Art und Weise eine Härte erfahren, auch wenn das in der Apokalypse schon fast wie von selbst geschieht. Man wird nicht automatisch ein schlechter Mensch, wenn man Gewalt mit ansehen muss, schon gar nicht wenn sie auf eine Art Selbstjustiz aufbaut – egal was man von dieser nun hält.
Was Svens “plumpige” Ansicht angeht: Ormids Abgang empfand ich nicht als plump, Christas Schnitt schon eher. Beziehungsweise ist “plump” das falsche Wort. Dass ihr Kind nicht weitere Erwähnung fand, empfand ich erzählerisch als sehr gut. Ihr eventueller Tod (?) schon eher. Sie fand im späteren Verlauf glaube ich nur noch 1 Mal Erwähnung, das tat mir schon etwas weh. Und ob ich Clem nun als Chefin akzeptiere? Naja, ist sie für mich irgendwie gar nicht. Sie ist Teil einer Gruppe und bringt sich gut ein, warum nicht. Großen Realismus erwarte ich da eh nicht und will ich auch nicht. Das verhält sich bei mir ähnlich mit der Serie, die ich auch sehr mag. Und mit Videospielen halt eh: Das meiste ist Quatsch mit Soße. Manches mag ich, manches nicht.
Zwerg-im-Bikini: Ich erinnere mich an einige Situationen, in denen ich als Dialogoption die Möglichkeit hatte, Christa zu erwähnen oder neue Bekanntschaften nach ihrem Verbleib zu fragen. Ich habe dann zwar meistens etwas anderes gewählt, aber dadurch hatte ich zumindest das Gefühl, dass sie nicht sofort komplett vergessen war. Es hätte mich nicht einmal sonderlich überrascht, wenn sie noch irgendwo aufgetaucht wäre – vielleicht gibt es ja dann in Season 3 ein Wiedersehen. Nur bei dem frisch geborenen Baby hat es mich dann gewundert, dass Clementine Christa überhaupt nicht mehr erwähnt, obwohl sie doch mitbekommen haben muss, was bei ihr geschehen ist. Das könnte man höchstens damit erklären, dass sie es verdrängt. Sonderlich gesprächig war sie ja nie, wenn sie nicht direkt nach etwas aus ihrer Vergangenheit gefragt wurde.
Le Don: Wie erwähnt wurde, ist mittlerweile auch schon die Season 3 bestätigt. Wie sieht bei euch die Erwartungshaltung aus? Freut ihr euch auf eine weitere Season oder reichen euch die bisherigen beiden?
Doreen: Nee, ausreichen tun die beiden Staffeln noch nicht, mir fehlt da ein richtiger Abschluss bisher. Ich denke, 1 Staffel darf es ruhig noch sein, aber dann kanns auch zum Ende kommen. Zu viele Staffeln dürfen es auch nicht werden, sonst wird das irgendwie zu unknackig. Und Clem kann für mich auch ruhig weiter die Protagonistin sein, obwohl ich eure Kritikpunkte zum Teil auch nachvollziehen kann. Aber eben nur zum Teil, haha!
Zwerg-im-Bikini: Volle Zustimmung. Eine Trilogie wäre schön, wobei die letzte Staffel einen ordentlichen Abschluss haben sollte. Bisher waren sie ja immer unterwegs, vielleicht könnte es nächstes mal dann zur Abwechslung darum gehen, sich an einem Ort richtig etwas aufzubauen? Clementine hätte ich gerne wieder dabei, sie ist zu sehr der rote Faden, um jetzt von ihrer Geschichte abzuweichen. Ob man sie selber spielt oder einen treuen Begleiter von ihr, ist mir allerdings egal, solange es überzeugend umgesetzt wird. Ich bin insgesamt guter Dinge, dass Telltale die Geschichte zu einem Ende bringen wird, mit dem ich zufrieden bin. Aber gespannt bin ich auch darauf, was sie aus Game of Thrones machen – immerhin kenne ich dazu im Gegensatz zu The Walking Dead auch die Serie und zumindest einen Teil der Bücher.
SpielerZwei: Ob es jetzt eine Trilogie oder doch noch weitere Seasons werden, finde ich jetzt nicht so wichtig, so lange die Staffeln weiterhin unterhalten können ohne sich totzulaufen. Aber das Gesamt-Thema steht schon jetzt irgendwie fest: The Walking Dead von Telltale ist jetzt definitiv die Geschichte von Clem. Und Clementine sollte am Ende auf jeden Fall einen sicheren Hafen finden, wie auch immer dieser aussehen wird. Sie dann irgendwann doch noch nach drei oder mehr Seasons sterben zu lassen, sehe ich inzwischen nicht mehr als Option an, wenn die Macher keinen Shitstorm der Marke “Mass Effect 3” erleben wollen. Ob es Außerdem noch eine Art “Coming of Age”-Story vor dem Hintergrund der Zombie-Apokalypse wird, hängt davon ab, wie lange die Serie noch läuft und welche Zeitsprünge man bereit ist, zu machen. Die Idee an sich finde ich aber persönlich sehr reizvoll.
Sven: Mit großartigen Zeitsprüngen ist wohl nicht zu rechnen. Robert Kirkman, der Mensch hinter der Comicvorlage, soll bei solch tiefschürfenden Eingriffen in sein Universum wohl sehr den Finger drauf haben. Ob ich jetzt aber eine weitere Staffel bräuchte? Ihr ahnt es sicher schon: Nö. Die Staffel 2 hat sich bei mir leider ziemlich totgelaufen (haha, Wortspiel!) und dabei habe ich die erste Staffel geliebt! Wenn da doch noch mal was mit Clementine als Protagonistin kommen sollte, bin ich aber trotzdem gespannt, wie sie die erstaunlich abwechslungsreichen Enden dieser Staffel wieder auf eine Schiene bringen wollen. Okay, da schwingt auch eine gute Portion erwartungsvolle Gehässigkeit mit, aber ich lasse mich gerne überraschen. Mal so als Vorschlag zur Güte: Wie wär’s denn mit Christa als Hauptfigur?
Doreen: Das wäre natürlich ein Riesenkniff mit Christa, so habe ich noch gar nicht gedacht. Dann hätte der Abgang, bzw. die Art des Abgangs einen besonderen Zweck erfüllt. Würde mir denke ich sehr gut gefallen. Wenn Du damit jetzt richtig liegst Sven, dann geb’ ich einen aus. Wir haben es hier sogar schriftlich.
Le Don: Ich bin mir nicht sicher, ob ich in der 3. Staffel Christa als Hauptfigur haben möchte. Wobei ich ohnehin Zweifel habe, ob ich überhaupt eine dritte Staffel will. Denn obwohl mir die 2. Staffel insgesamt gut gefallen hat, war ich zum einen emotional froh, als ich die Staffel hinter mich gebracht hatte, weil immer irgendwas schlimmes passierte und ich mich nach jeder Episode erschöpft fühlte. Das wirkte alles so hoffnungslos und zermürbend. Wenn ich mich nicht irre, dann war die erste Staffel nicht ganz so schlimm und hatte mehr Ruhephasen. Oder es lag vielleicht auch an Rebeccas Schwangerschaft mit AJ, welche mich mental dauerbelastet hat – gut, das Thema ‘Kindererziehung’ verursacht generell flaue Gefühle bei mir. Das Kenny-Ending war dann ein schöner Abschluss für mich, welches ruhig so stehen bleiben kann.
Zum anderen habe ich aber auch Angst vor Abnutzungserscheinungen. Zum Ende der 2. Staffel hatte ich das Gefühl, sie durchschaut zu haben. Zum Ende der Staffel wollte ich nämlich auch nicht mehr diese Konflikt-Situationen haben, weil es so häufig das gleiche Schema ist, als Spieler eine Entscheidung zwischen zwei unangenehmen Varianten treffen zu müssen, wobei danach in jedem Fall versucht wird, bei mir ein schlechtes Gewissen zu verursachen. Im Gegensatz zur ersten Staffel hatte ich nicht das Bedürfnis, mich mit anderen Leuten über meine Entscheidungen auszutauschen. Es sind mir stattdessen anderen Szenen in Erinnerung geblieben, die sich von den üblichen Konflikten abgehoben haben, wie die Überraschung mit dem Hund oder das Wiedersehen mit Kenny. Ansonsten fühle ich mich mittlerweile zu abgebrüht, um mich von der nächsten böse Wende oder den nächsten Verrat überraschen zu lassen. Ich hoffe auch von einer Abkehr, Kinder als Story-Vehikeln zu benutzen, um bei mir eine emotionale Reaktion auszulösen. Das funktioniert zwar bei mir, war aber nun in den beiden Staffeln mit Clementine und AJ der Fall, wurde aber auch in schon in anderen Spielen wie den Bioshocks oder dem Trailer zu Dead Island verwendet. Ich habe ja die Befürchtung, in der 3. Staffel werden Clementine und AJ die Rollen von Lee und Clementine einnehmen und man spielt vielleicht sogar AJ. Nebenbei befürchte ich generell, dass die Schreibe – welche ja die treibende Kraft hinter den Serien ist – nicht ihren hohen Standard halten mag. In der Session 2 gab es einige Stellen, bei denen ich mir nicht ganz sicher war, ob das so noch Hand und Fuß hat oder doch etwas zu gewollt ist. Dazu erwähnte ich schon meine Unzufriedenheit mit dem Jane/Kenny-Abschluss und lupenrein mag auch die Bonnie-Situation nicht gewesen sein, um zwei Beispiele zu nennen.
Ich könnte mir eine dritte Staffel mit einer älteren Clementine vorstellen, um einen “wirklichen” Abschluss der Clementine-Trilogie zu liefern, weil die Serien mit der 2. Staffel zu ihrer Reihe wurden. Es gäbe zwar die Möglichkeit, andere Geschichten aus dem Walking Dead-Universum zu erzählen, aber ich denke, dies hätte man schon in der 2. Staffel anfangen sollen. Aber gut, wenn es dann doch noch so kommen sollte, dann wäre ich nicht abgeneigt, aber ich wünsche mir wirklich, dass sich The Walking Dead nicht totreitet. Ansonsten hatte ich mich als Alternative über The Wolf Among Us gefreut, die sich stark von den The Walking Dead-Staffeln abhebt und mir sehr gut gefallen hat. Da mich Game of Thrones nicht interessiert und ich wegen Gearbox eine Abneigung gegen Borderlands habe, würde ich mich von den Telltale-Entwicklungen über eine Wolf-Fortsetzung freuen.
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