Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass ich dem ersten Mirror’s Edge einen Text widmete. Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel bereits knapp sieben Jahre alt und es hatte mir beim Durchspielen einigen Frust beschert. Doch trotz allen enthaltenen nervigen Quatsches, spielte ich Mirror’s Edge durch und mochte es anschließend nicht vollständig in den Boden stampfen: Vieles war schön an diesem Spiel, die Optik begeisterte mit ihrem Minimalismus, das Parkoursystem funktionierte und bereitete mir in seinen (und meinen) besten Momenten einiges Vergnügen. Auf der anderen Seite funktionierte das Gehüpfe, Geschliddere und Wandgerenne aber längst nicht immer und bescherte mir manches Frustmoment. Zudem war das Kampf- und Schießsystem großer Mist und auch diverse andere Ecken und Kanten verdarben mir den Spaß. Nun hat sich EA erbarmt und den Fans des Originals eine Fortsetzung spendiert. Mirror’s Edge Catalyst ist seit ein paar Wochen für Konsole und PC erhältlich und macht bestimmt alles viel, viel besser als der Vorgänger.
Falscher Prophet
Ich mag es kaum glauben. Prophezeite ich vor einem guten Jahr noch, dass das zweite Mirror’s Edge bestimmt einiges von dem über Bord werfen werde, was den Fans gefiel, mich aber nervte, so sehe ich mich schon zu Beginn des Spiel mit genau den Problemen konfrontiert, die mich beim Vorgänger den Controller an die Wand pfeffern ließen. Ständig schmiere ich irgendwo ab und knalle auf’s Pflaster, ich habe nie das Gefühl Herr der Lage zu sein, sondern breche mir einen ab bei dem Versuch, flott durch die Stylowelt zu manövrieren. Ich bin locker zehn Mal gestorben, bevor ich das Tutorial verlassen habe. Wäre ich ein professioneller Spielejournalist (hah!) müsste ich jetzt die Zähne zusammenbeißen und durchziehen. Zum Glück bin ich jedoch Hobbyist und Knalloballoblogger (hah!), sodass ich einfach abkneifen und irgendeine Intellektuellensauce in Netz schmieren könnte. Doch die Gam0rehre lässt es nicht zu. Mit einer Blende auf die Schickimickikulisse der Stadt, gekrönt vom Mirror’s-Edge-Logo, endet das Tutorial und meine wahre Prüfung beginnt.
Baukasten will be Baukasten
Das Stadtpanorama setzt nicht nur die Stimmung für die nächsten Stunden, sondern weist auch dezent darauf hin, dass wir uns in einem Open-World-Spiel befinden. Zwar gibt es keine Berge in Mirror’s Edge, aber wenn ihr im Spiel einen Wolkenkratzer seht, dann könnt ihr da auch drauf klettern. Als wäre das Einhaken ins Bewegungsfreiheitsparadigma nicht genug des Guten, bietet das Spiel auch, ganz klar, ein Levelsystem, mittels dessen die Fähigkeiten der Protagonistin erweitert werden können. Und ja, auch im zweiten Teil spielt die subversive Botin Faith wieder die Hauptrolle, zum Leidwesen aller Dudebros, die Frauen in ihren Gaemz nur maximal durchsexualisiert und objektifiziert ertragen können. Faith läuft durch die offene Welt (seufz), levelt auf (doppelseufz) und kann neben den Hauptquests auch noch Nebenmissionen und Rennen absolvieren, die auf der Weltkarte markiert sind (UBIseufz). Dass ich das Konzept von Mirror’s Edge für ausbaufähig halte, schrieb ich schon in meinem bereits drei Mal erwähnten Text zum Vorgänger. Aber warum Catalyst ausgerechnet zu einem Teller der tausendfach servierten Open-Wurstsuppe wurde, weiß wohl nur die Marketingabteilung von EA.
Es war nicht alles schlecht
Aber so negativ das jetzt klingt, auch Mirror’s Edge Catalyst hat seine lichten Momente. So sieht die Kulisse wieder prima aus und knüpft an den Minimalismus des ersten Teils an, ohne diesen schlicht zu kopieren. Wenn beim Durch-die-Gegend-pesen mal ein Fluss entsteht, dann ist dies äußerst vergnüglich, besonders wenn man den herumirrenden Wachen buchstäblich im Vorbeigehen die Fresse poliert. Apropos, wie angekündigt wurde das Geballere komplett verbannt, Faith benutzt keine Feuerwaffen, sondern vermöbelt ihre Kontrahenten nach Strich und Faden. Und obwohl das Kampfsystem nicht überragend ist, bereitet es eine gewisse Befriedigung, einen Gegner per Fußtritt gehörig an die Wand zu klatschen. Trotz des Bemühens manchen Klischees konfrontiert einen Catalyst mit einem ansprechenden Setting und einigen interessanten Charakteren. Zu diesen zählt nicht zuletzt die Protagonistin selbst, deren Hintergrundgeschichte näher beleuchtet wird.
Schmirror’s Schmedge
Besonders lange fesseln konnte mich Mirror’s Edge Catalyst aber trotz der coolen Faith nicht. Schon nach ein paar Stunden habe ich das Spiel gelangweilt abgebrochen. Zu beliebig wirkt die Open-World-Rennerei, zu sehr ist sie ein Ausdruck der unguten Entwicklung, allen Spielen eine offene Welt überzustülpen, auch wenn es im Zusammenhang mit Geschichte und Mechanik unsinnig ist. Videospiele sind wie Kinder: Manchmal brauchen sie enge Grenzen, sonst essen sie ihren Teller nicht auf und scheißen einem schließlich in die Bude. Catalyst hätte eine stringentere Führung gut getan, um seine Stärken auszuspielen. So bleibt es leider nur ein weiteres belangloses Open-World-Spiel und damit ein Beispiel dafür, wie man sein Potenzial verschenken kann. Schade Marmelade.
8 Kommentare
Du leistest wichtige Arbeit darin, den Tag “UBIseufz” salonfähig zu machen. Guter Mann!
Ich gebe mein Bestes. Der “UBIseufz” ist im richtigen Kontext ein sehr mächtiger Tag.
Ich finde es unfassbar, dass sie (bis auf das Streichen der Gunfights) keinen der Kritikpunkte des ersten Teils wirklich angegangen sind. Anscheinend lesen auch die meisten Entwickler nur die Prozent-Wertung am Ende der Reviews. Und das vermutlich auch nur, wegen der vertraglich vereinbarten Meta-Kritik-Boni… m(
Vielen Dank für die ausführliche Darstellung der zweiten ME-Inkarnation. Meine Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle beim ersten Teil waren ganz ähnlich zu deinen. Und ich wollte das Spiel sogar eine Zeit mögen. Allerdings war die Summe der Ragequits und Frustrationen mit dem Leveldesign und verzwicktem Platforming für mich genug, um Catalyst erst gar keine Chance zu geben. Bedauerlicherweise bestätigen das auch alle Artikel und Reviews, die ich seit dem Release auch dazu mitbekommen oder gelesen hab’.
Jaaaa. In Mirror’s Edge steckt ja durchaus ein gutes Spiel und es wäre wirklich schön, wenn es sich gut machen würde, aber da sind eben auch diese Details und Kleinigkeiten, die das wieder runterziehen und weswegen wir von dem Franchise vermutlich auch nichts wieder sehen werden. Woran das wohl liegt? Haben die Entwickler zu wenig Zeit, bzw. stehen zu sehr unter Druck? Wissen sie es tatsächlich nicht besser? Oder – Achtunch, Verschwörung – werden sie von weiter oben ausgebremst? Wer weiß…