Weil wir bekanntlich die brandaktuellste deutsche Spielewebsite sind, beschäftigen wir uns normalerweise nicht mit Videospielen, die älter als maximal 2 Tage sind. Aber aus Sommerlochgründen will ich mal eine Ausnahme machen und Euch auf eine kleine Indie-Perle hinweisen, die schon vor fast einem Jahr erschien: Rebel Galaxy.
Falls Ihr schon mal von dem Weltraumshooter/-trader von Double Damage Games gehört habt, könnt Ihr jetzt Review-Bullshit-Bingo spielen, denn kein Artikel zu Rebel Galaxy kommt ohne die folgenden vier Begriffe aus: Freelancer, Black Flag, Firefly und Grinding. Letzteren habe ich bereits vorsorglich in die Headline gepackt (BINGO!), werde aber trotzdem noch einmal darauf zurückkommen, weil er der häufigste Kritikpunkt von Leuten ist, die mit dem Spiel nicht dauerhaft warmgeworden sind…
Rebel Galaxy ist ein kleiner, aber feiner Vertreter eines Genres, das in den Neunzigern mal ganz fett und omnipräsent war (zumindest auf dem PC), aber in den letzten Jahren eigentlich nur noch sehr sporadisch vertreten ist: Space Sims. Der letzte prominente und mit Rebel Galaxy relativ gut vergleichbare Singleplayer-Vertreter war Freelancer (BINGO!) aus dem Jahre 2003. Es gab zwar immer wieder mal einzelne Titel, die in diese Kerbe schlugen, aber das Genre als solches gilt seit über zehn Jahren als klinisch tot. Erst durch David Brabens Elite Dangerous und das immer noch in Entwicklung befindliche und maßlos overhypete Star Citizen von Chris Roberts ist das Genre gerade wieder etwas mehr in den öffentlichen Fokus geraten, was aber nichts daran ändert, dass Rebel Galaxy letzten Herbst unterhalb des Radars der meisten Spieler erschienen ist. Und das ist wirklich schade, denn das was es macht, macht dieses Spiel eines sechsköpfigen Indie-Entwicklerteams (u.a. ehemalige Mitarbeiter der Torchlight-Macher Runic Games) besser als viele AAA-Produkte mit Multi-Millionen-Dollar-Budgets.
Man beginnt als Captain einer kleinen Raumschiff-Rostlaube, die man aus der 3rd-Person-Perspektive, vorzugsweise mit dem Gamepad, durch das Weltall steuert. Natürlich kann man die Bewaffnung und sonstige Ausrüstung des Schiffs auf den vielen Raumstationen ändern und verbessern. Außerdem kann man sich auch bessere bzw. größere Schiffe kaufen. Vom kleinen Jäger bis zum riesigen Schlachtschiff ist alles im Programm. An die dafür nötigen Credits kann man auf verschiedene Arten gelangen: Ob man sich als Händler, Schmuggler, Asteroiden-Bergbauer, Kopfgeldjäger oder Pirat verdingt, ist dem Spieler frei überlassen. Welche Aufträge man für wen übernimmt und mit wem man sich dabei anlegt, hat entsprechende Konsequenzen innerhalb des Fraktionssystems der Galaxie. Man bekommt auf Stationen dann, je nachdem, bessere oder schlechtere Preise und wird von dieser oder jener Fraktion angegriffen oder unterstützt. Wie auch immer man sich in Sachen Karriere entscheidet, um gepflegte Weltraumschlachten kommt man nicht vorbei, auch nicht als Händler oder Asteroiden-Bergbauer, denn sie sind nun mal der Kern des ganzen Spiels. Eine Story zum Durchspielen gibt es auch. Die ist zwar nett in Szene gesetzt und erinnert mit ihrem “Western in Space”-Flair und dem tollen Southern Rock-Soundtrack nicht von ungefähr an Joss Whedons großartige TV-Serie Firefly (BINGO!), aber unterm Strich viel zu kurz.
Dass man die Singleplayer-Story trotz ihrer Kürze dann doch nicht mal eben locker-flockig durchspielt, verhindert Rebel Galaxy dadurch, dass der Schwierigkeitsgrad der Story-Aufgaben von Missionen zu Mission rapide ansteigt. Eine Vorauswahl des Schwierigkeitsgrades gibt es nicht, wodurch sich der Fortschritt am Ende nur durch Grinding (BINGO!) reguliert. Das heißt konkret, dass man an der nächsten Story-Mission so lange scheitert bis man durch optionale Aufgaben genug Credits für ausreichende Verbesserungen bzw. ein neues Schiff zusammengegrindet hat. Das Ausmaß des erforderlichen Grindings hängt sowohl vom individuellen Können des Spielers, als auch von seiner allgemeinen Spielstrategie und den jeweiligen Schiffs-/Waffenvorlieben ab. Ich habe zum Beispiel etwa 35 Spielstunden gebraucht bis ich die Story durch hatte. Das geht sicherlich auch kürzer. Aber auch deutlich länger, was nicht einmal am jeweiligen Können liegen muss, sondern schlicht daran, dass die Spielmechanik, insbesondere die Kämpfe, meiner Meinung nach so ausgesprochen gut funktioniert, dass man oft gar keine Eile hat, das Ende zu erreichen. Und wenn man es dann doch erreicht hat, geht das Spiel einfach open ended weiter.
Der Dreh- und Angelpunkt von Rebel Galaxy sind die Kämpfe. Interessanterweise handelt es sich um ein reinrassiges 3D-Spiel, bei dem man aber nur in 2D navigiert. Die Galaxie im Spiel ist also eigentlich eine Scheibe und kein Raum. Das hört sich erst mal kurioser an als es tatsächlich ist, denn das Fehlen der z-Koordinate erleichtert die Navigation ungemein. Das mag sich für alte Dogfight-Haudegen der Wing Commander– und X-Wing-Schule wie ein Unding anhören, spielt sich aber auch ohne Loopings im freien Raum sehr geschmeidig und macht es Genre-Neulingen zudem deutlich leichter, ins Spiel zu kommen. Da die Schiffe neben diversen Plätzen für allerlei Raketenwerfer und Geschütze auch Breitseitenbuchten an Backbord und Steuerbord besitzen, erinnern die Kämpfe mehr an die Seeschlachten in AC: Black Flag (BINGO!) als an klassische Space Sims der 90er Jahre. Während man kleine bis mittelgroße Schiffe mit den Geschütztürmen erledigt, welche wahlweise auch automatisch auf Ziele feuern können, führt bei größeren Pötten kein Weg an den wesentlich stärkeren, aber gleichzeitig auch unflexibleren Breitseiten vorbei. Wer schon mal einen Piratenfilm gesehen hat, weiß wie das funktioniert: Man bringt das eigene Schiff relativ nah neben den Gegner und feuert im richtigen Augenblick eine fette Breitseite auf ihn ab. Da dieser natürlich das Gleiche macht, muss man regelmäßig von Backbord auf Steuerbord wechseln, damit nicht die eigenen Schilde (und danach auch die Schiffspanzerung) auf der entsprechenden Seite vom Gegner weggeputzt werden. Das ist im Endeffekt mehr Seeschlacht als Weltraumschlacht, macht aber trotzdem ziemlich viel Spaß und ist spielmechanisch auch nicht so “verbraucht” wie der klassische 3D-Dogfight.
Ob einen Rebel Galaxy wirklich längere Zeit bei der Stange halten kann, hängt neben dem Vorhandensein einer grundlegenden Genre-Affinität vor allem davon ab, wie gut einem die Mechanik der “Seeschlacht-Weltraumkämpfe” gefällt, denn Grinding nimmt man erst dann als solches wirklich negativ wahr, wenn die Mechanik die ständige Wiederholung nicht trägt und das Spiel dadurch eintönig und am Ende sogar nervtötend wird. Mich persönlich hat es bei Rebel Galaxy nicht gestört, aber es gibt wohl auch nicht wenige Spieler, deren Fazit sinngemäß “Echt nettes Spiel, aber irgendwann wegen des Grindings nicht weitergespielt” lautet. Und so gerne ich allen Fans von Wing Commander, Privateer, X-Wing, Freelancer und Konsorten zurufen würde, dass sie hier blind zugreifen können, es wäre schlicht gelogen. Wer jetzt aber trotzdem neugierig geworden ist, kann für kleines Geld (als PS+-Abonnent sogar kostenlos) ein sehr sympathisches und technisch erstaunlich hochwertiges Indie-Game erstehen, dass er im schlimmsten Fall nach ein paar Stunden nicht mehr weiterspielt, aber höchstwahrscheinlich trotzdem nicht scheiße findet, sondern nur zu “grindig”. Mir hat’s auf jeden Fall sehr gut gefallen.
2 Kommentare
Wie konntest du nicht die tolle Rockmusik erwähnen, die mich auch nach 20h noch kickte und mich grinsend durchs recht schöne All donnern ließ, kurz bevor mich der Grind abtörnte bzw. der Schwierigkeitsgrad der Story wie von dir geschrieben wirklich massiv anstieg, ich ewig weit fliegen sollte und zu wenig Geld zum Aufrüsten hatte. Die Breitseiten-Mechanik mit verschiedenen Türmen, die man ja quasi etwas programmieren kann, fand ich auch toll, aber mir fehlte dann halt etwas die Abwechslung – da merkte man schon das kleine Entwicklerteam.
Klar hab ich die Musik erwähnt. Wenn auch nicht so ausführlich, wie sie es sicher verdient hätte. Der Soundtrack ist wirklich ein Highlight des Spiels!