The Division ist so schizophren wie ein Tierarzt, der in Minecraft Schafe unterjocht. Einerseits bestritten die Entwickler vehement, dass es irgendeine Art von politischer Botschaft oder Ideologie im Spiel gebe. Andererseits weht die amerikanische Flagge über einer der vielen Gedenkstätten, an denen Footballhelme, Feuerwehrjacken und Kerzen für den in der Krise notwendigen Patriotismus sorgen. Das passt nicht zusammen. Eine Wohlfühlbranche fühlt sich bedroht von Ideologie, so scheint es, und sie mache aus einem Fußmassagegerät eine Käsereibe.
Wenn New York in Trümmern liegt, dann regeln die das schon: die, das ist die Division, eine Reihe von Schläfer-Agenten, die im Fall einer Katastrophe den Fortbestand der öffentlichen Ordnung aufrecht erhalten sollen. Im Idealfall, also eigentlich im einzigen Fall heißt das: Den Fortbestand der Regierung unter Anwendung von Gewalt sicherstellen, koste es, was es wolle und herrje, es kostet vor allem eins: Menschenleben. Tausende.
Am Black Friday schmuggelten Terroristen mit Hilfe von Geldscheinen einen Virus unter die Bevölkerung. Die Regierung riegelte New York ab und ermöglichte so erst das Szenario von The Division: Drei Fraktionen ballern um die Vorherrschaft einer gescheiterten Stadt. Ein privates Sicherheitsunternehmen, ehemalige Müllmänner mit Flammenwerfer und ausgebrochene Verbrecher (vornehmlich People of Color), während wir als Teil der Division New York wieder herstellen oder vielmehr: zivilisieren sollen.
Selbst das unkommentierte Ausgangsszenario weckt alle erdenklichen Assoziationen. Ein Unterhaltungsprodukt kann The Division auch dann noch sein, wenn es sich hinter fragwürdigen Botschaften versteckt. Ein Leugnen selbiger verschlimmert ein ohnehin jämmerliches Abbild einer Branche, die um jeden Preis selbst die nicht verschrecken möchten, die in Extremen denken.
Abseits dieser notwendigen Diskussion formten die Entwickler eine Stadt, die so voll war von Klischees und Dummheiten, dass die atmosphärische Brillanz unterging. Denn das Gesocks gewordene New York ist eine Spielwelt, in der man alles zu finden glaubte — aber doch nur die Hälfte fand.
In dieser unheilvollen Konstellation von Ideologie, Spielmechanik und Spielwelt stecken sie, die, die man sonst nirgends erwartet: die sieben Todsünden. Jeder Skepsis zum Trotz lohnt sich ein Blick in diesen Abgrund, in den man zwar niemals fallen, aber unbedingt kurz blicken möchte. Es zeigt sich ein Spiel, das — trotz der Widersprüche — fasziniert und anwidert.
Zorn
Als Spieler trete ich als Agent der Regierung auf. Als Agent der Regierung beschränken sich meine Handlungen auf: töten. Ich kann nichts anderes als ballern, schlagen und Granaten werfen. Ich kraule hinter ein Auto der Polizei, auf dessen Windschutzscheibe ein toter Polizist liegt, und reagiere auf jeden Verstoß gegen das Gesetz mit Gewalt, bis die Schreie, bis die Waffen der anderen, der Feinde verstummen. Ich kenne nur Zorn und Zorn ist mein Gesetz, es ist das Gesetz der Regierung und somit auch mein Gesetz, das ich durchsetzen muss um jeden Preis.
Längst nicht alle Zivilisten konnten aus New York fliehen. Die Quarantäne und die Abriegelung verhinderten es. Somit treffe ich mindestens in jeder zweiten Straße auf unbewaffnete Menschen; genau genommen sind sie nicht nur nicht bewaffnet, sie humpeln, halten sich den Bauch vor Schmerz und sacken zu Boden. Ich kann, ich darf ihnen nicht helfen. Diese Menschen sind zu Unrecht Verurteilte, die von fehlerhaften Galgen fallen, und ich bin der Henker, der gar nicht erst zur Tat schreiten muss. Helfen kann ich nicht, ich kann nur zusehen. Und ballern natürlich, wenn hinter ihren egalen Leichen meine Feinde aufkreuzen.
In einem als Onlinespiel gedachten Multimillionen-Projekt mag dies nicht weiter verwundern; in dem Kontext einer virusbefallenen Stadt als Szenario jedoch sehr. Als Alibi-Entschuldigung bieten die Entwickler schlichte Möglichkeiten: Ausgewählten Zivilisten kann ich Müsliriegel, Wasser oder Verbandskästen geben, doch das geschieht vielleicht bei einem von zehn Spielcharakteren. Als Dankeschön überreichen mir diese Personen nützliche Gegenstände wie lilafarbene Schals, gelbe Daunenjacken und abgesägte Schrotflinten, wohlgemerkt von Zivilisten, die sich wegen Krankheit und Kälte krümmen wie Gollum nach einer gescheiterten Wirbelsäulenkorrektur.
Es gilt: Spielmechanik vor Spielwelt. Das Töten ist das Werkzeug für den Spaß, alles andere ist optional, es soll das Perfekte lediglich abrunden. Perfekt heißt hier, dass ich tausendfach morde für die öffentliche Ordnung und die beste Ausrüstung und in der gleichen Zeit vier Leben rette für ein Paar Laufschuhe, zwei Hosen und eine Maschinenpistole. Es ist absurd.
The Division kennt nur Zorn, kein Mitleid, und erhebt das zum Spielsinn. In einer Welt, die alles braucht. Nur nicht noch mehr Tote.
Wollust
Ich erreiche die Höchststufe und entdecke folgende Mission auf der Karte: In einem Quarantänezentrum liegt eine Sprengladung, die ich untersuchen soll. Kurz bevor ich das Gebäude betrete, explodiert die Bombe. Dutzende Zivilisten sterben, wie man mir über Funk mitteilt. Während im Inneren Menschen verbrennen und krachende Feuerbalken sie zertrümmern, diene ich meinem geliebten Land und seinen Einwohnern auf einzig erdenkliche Art: Ich töte.
Es erschüttert, wie die Entwickler Zivilisten abschlachten, die sich nach Hilfe, Schutz, Wärme sehnen. Eine durch Rache und Tod und Erfahrungspunkte erlangte Erlösung findet allerdings nicht jeder. Das Massaker an Zivilisten hat nämlich nur ein Ziel: Es kostet 15 Euro und heißt „Untergrund“. Möchte ich den nächsten Teil der Mission erleben, also Erlösung finden, für Gerechtigkeit sorgen, zumindest die weitere Handlung erleben, eventuell ja sogar das Quarantänelager wieder aufbauen im Rahmen neuer spielmechanischer Möglichkeiten, muss ich die Kreditkarte zücken.
Schreiende Zivilisten sind Ubisoft also 15 Euro wert. Ist das jetzt viel oder wenig? Es ist auf jeden Fall schäbig und zeugt von einem vor Ideologie speienden Endprodukt, das sich windet und krümmt, damit ihr ballert und blecht. Wenn mein Charakter die Höchststufe erreicht, erscheinen auf der Karte natürlich weitere Missionen, für die ich zusätzlichen Inhalt brauche, diesmal weisen die Entwickler allerdings mit dem Zusatz „DLC benötigt“ darauf hin und Ubisoft muss nicht erneut irgendwas anzünden, ein Krankenhaus vielleicht oder einen Kindergarten. Puh! Wer die Atmosphäre eines Spiels so nachhaltig stört, verdient keinen Cent der Welt — und arbeitet mit einem ausformulierten Auftrag, einem präzisen Weltbild, also: mit Ideologie.
Mit dieser nimmersatten Lust nach Knete und Kohle verhindert Ubisoft jeden Zugang zur Stadt abseits spielmechanischer Branchenkonventionen. Wer ballern und looten will, kann das woanders besser; das, womit The Division wirklich heraussticht, ist dieser rostige, unbequeme Nagel namens New York, der von den Entwicklern aber immer wieder glatt poliert wird, damit es nicht zu doll zwickt — schließlich muss das Geld ja fließen, die Geldbörse kribbeln, die Zivilisten verrecken.
In meiner Operationsbasis, unten im Keller, vorbei an den frierenden, Zuflucht suchenden Menschen, den UV-Filtern für das Abtöten des Virus, den Soldaten, die einem für den Einsatz im Krisengebiet danken und der Tafel, an der Fotos von verschwundenen Personen hängen, da spaziere ich also gemächlich in den Keller und kaufe mir für Echtgeld Waffenskins, Lederjacken und Wanderstiefel. Weil das ja klar ist. In so einem Spiel, in dem jede Mission, jeder Funkspruch und jedes Massengrab dir zeigen möchte, dass hier unveränderbare Not herrscht.
Ob ich den Inhalt der Lootboxen unabhängig vom Echtgeldeinsatz finden kann, beantwortet mir das Spiel natürlich nicht. Dass der „Let it Snow“-Waffenskin für mein Maschinengewehr derzeit 15 Prozent weniger kostet, schreit es mir allerdings ins Gesicht.
Jedes bisschen Unverfälschtheit weicht einer vollumfänglichen Ausschweifung; Geld muss auch da noch geholt werden, wo es niemand erwartet, wo es genau genommen sogar unangebracht ist. Mit Gier hat das schon längst nichts mehr zu tun. Es ist eine Befriedigung niederster Gelüste. Es ist: widerlich.
Hochmut
Das Szenario von The Division beruht auf einem wissenschaftlichen Experiment, das die Auswirkungen eines biologischen Terroranschlags auf eine Großstadt simuliert. Durch die auch im Spiel explizite Bezugnahme darauf, ebenso wie die Nachbildung von Manhattan soll ein möglichst realistisches Bild gezeigt werden, wie eine solche Katastrophe aussehen kann. Sowohl in der Simulation als auch im Spiel lautet die Antwort: nicht gut, überhaupt gar nicht gut.
Der Unterschied jedoch: Ubisoft fügt dem Experiment die Schläfer-Agenten hinzu und erschafft ein Weltbild, wie es ekliger kaum sein könnte. In der branchenerprobten Schießwut steckt angesichts solcher Verweise eine fatale Botschaft: Gesetze und Gerichte werden ausgehebelt, damit Soldaten der Regierung tausendfach töten dürfen. Das ist der Kern des Spiels und er ist es von Anfang bis Ende. Mittels der Direktive 51 verfügt der Präsident der Vereinigten Staaten über die Befehlsgewalt von Militär, Umweltbehörde, Polizei und Ampelschaltung. Es ist eine Handlungsvollmacht, die andere Regierungsmitglieder, den Kongress, also prinzipiell das System Demokratie abschafft.
Es zeugt von einer fast schon biblischen Haltung. Der Präsident herrscht, und er sah, dass es wüst war und chaotisch. Da entsandte der Präsident die Agenten und sie liefen los. Sie meuchelten und massakrierten, sie raubten und mordeten, und der Präsident war glücklich, daß die Meuchler, Massakrierenden, Räuber und Mörder nun nicht mehr waren. (Außer halt die eigenen.) Und der Präsident war froh und stolz, und er hinterfragte die Taten seiner Agenten nicht, und so schlief er ein mit seinem Hund am Fußende seines Boxspringbetts.
Der Ist-Zustand von The Division lässt diese Überspitzung sogar zu. In den fraktionslosen Stadtteilen untersuchen Spielfiguren häufig Leichen, kommentieren ihre Taten mit Sätzen wie „Na, was haben wir denn da?“, tragen jedoch keine sichtbaren Waffen und haben auch zum Tod der am Boden liegenden Person offensichtlich nicht beigetragen. Für den Spieler erscheinen sie jedoch als Feinde. Sie sind zum Abschuss freigegeben. Wieso? Weil sie als kapuzentragende Überlebende nach Nahrung suchen auch dort, wo es sich „nicht gehört“? Darauf antwortet niemand.
Gesetze spielen keine Rolle mehr. Für Ubisoft ist dieser Zustand sogar wortwörtlich spielenswert, denn ohne die Aufhebung der Gesetze gäbe es keinen von Agenten ausgeübten Massenmord und somit: kein Spiel. Jeder, der nach Verbrecher aussieht oder zumindest so riecht oder vielleicht auch nur humpelt, weil Bösewichte ja gerne mal einen Gehfehler haben oder dergleichen — jeder kann Opfer werden. Welche Kriterien zur Feindernennung führen, wird nie deutlich.
Die Regierung, konkreter: das Entwicklerstudio erhebt sich und lässt andere herab. Einzig die private Sicherheitsfirma Last Man Battalion lässt eine irgendwie geartete Bekämpfung zu, hat sie der Regierung doch explizit den Krieg erklärt und jeden, der mit ihr zusammenarbeitet. Die ehemaligen Häftlinge, Müllmänner und Plünderer jedoch, die natürlich von branchenüblichen Führern (und somit Missionszielen) angeleitet und zu einer speziellen Denkweise gezwungen werden, sind ausnahmslos die Bösen, die Schludrigen, die Flüchtigen.
Ein Überleben ist ihnen unter keinen Umständen gewehrt. Sonst hätte der Konsument ja keinen Spaß und somit kein Spiel. Also lautet das Motto: Erst der Hochmut, danach die Gewalt. Und die dann so richtig krass. Nicht hinterfragen, bitte.
Geiz
Ein Mann purzelt auf seine Knie. Starrt auf den Boden, fixiert ihn, das Nichts darin. Seine Begleiterin verzweifelt: „Bleib’ bitte nicht stehen! Was, wenn sie uns finden?“ Er bewegt sich nicht, antwortet leise: „Wozu soll ich noch weitergehen? Er ist tot.“ Aufgeregt hält sie dagegen: „Wir müssen weiter. Meinst du, er hätte es gewollt, wenn wir jetzt aufgeben?“ Der Mann zögert. Ich stehe einige Meter entfernt und sehe, wie er auf den Knien verharrt und verzweifelt. Nach einiger Zeit richtet er sich auf, hoffen will er aber nicht: „Okay. Aber ich kann nichts versprechen.“
Diese Momente beleben The Division, auch wenn in ihnen selbst oft nur die Verneinung von Leben steckt. In den sonst furchtbar statischen Zwischensequenzen zehren und nagen die Entwickler an bereits verdauten Konventionen, tausendfach besser erzählt in Filmen, Büchern, Comics und anderen Spielen. Doch in den Momenten, in denen die Bevölkerung zweifelt, offensichtlich über Selbstaufgabe grübelt und dem Leben abtrünnig wird, erhebt sich die Stimmung nicht, sondern fällt, sie stürzt tief ins Dunkle, so wie es sich gehört für ein derartiges Szenario.
Hoffnung darf dabei niemals fehlen. In kurzen Schüben, lichten Augenblicken sollte auch der Spieler sehen, dass seiner eigenen Spielfigur zwar die Menschlichkeit abhanden kam, vielen Bewohnern New Yorks jedoch nicht. Als die junge Frau zum Beispiel im Müll nach Essen wühlt und schaufelt und ein wildfremder Mann einige Meter von ihr entfernt auf der Straße sitzt und hin und her wippt und nach Essen fleht. „Bitte! Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal gegessen habe!“ Für ihn ist die Frau fremd, andersherum auch, trotzdem geschieht folgendes: Sie findet eine Kleinigkeit, guckt zwischen dem Mann und dem Essen hin und her, zögert, überlegt, Sekunden vergehen, eine halbe Minute, und dann schenkt sie ihm das Essen.
Und ich? Ich stehe daneben mit Blick auf mein Scharfschützengewehr, meine Pistole und meinen Rucksack, der voller ist als Dagobert Ducks Tresor nach dem Disney-Einkauf der Star Wars-Lizenz. Obwohl ich die Operationsbasis ausbaue und immer mehr Ressourcen sogar durch externe Truppen sammle, stehe ich vor den kleinen Tragödien dieser Spielwelt und lasse sie geschehen. Ich muss sie geschehen lassen.
Es ist eine Spirale, die die Gier der Entwickler offenbart; gewollt ist ein authentisches Abbild, kreiert wurde zumeist Fremdscham. Liebevoll wird das auch: Loot-Spirale geschimpft. Möglichst viel soll dem Spieler zuteil werden, er soll sich alles nehmen, doch nie zu viel geben. Das ist das wesentliche Spielprinzip von solchen „Games as a Service“, die Belohnungen sogar für das seltene Füttern von Hungernden herausgeben, damit man sich angefixt von kosmetischen Items vielleicht die ein oder andere Lootbox kauft für fünf oder 99 Euro zuzüglich dem Season Pass für 40 Euro. Läuft bei Ubisoft, diesen niederträchtigen Geiern.
Laufen können die Zivilisten indes nicht mehr, die vor meinen Augen in sich zusammenfallen. Wozu auch Empathie gewordene Spielfunktionen einbauen, wenn Menschenverachtung besser funktioniert? Den Vorwurf höre ich mir gerne an, das Helfen sei auf Grund akutem Ressourcenmangel nicht realistisch, während ich überlege, ob der nächste Gegner da hinten nun tausend oder zehntausend Schuss schluckt. Massiv Entertainment entschied sich gegen Zuwendung und für, man ahnt es bereits: Entertainment.
Sicherlich kann ein derartiges Projekt wie The Division nicht so funktionieren wie das brillante I Am Alive, das im Szenario kaum Unterschiede aufweist, in der Spielmechanik allerdings mit Reduktion und Konzentration bewusst auf derlei plumpe Dynamiken verzichtet. Dennoch: Wenn jede Mission, jede zufällige Begegnung, jedes bisschen Handlung erzählt, wie viele Menschen krank, tot oder verschwunden sind, ist ein Mindestmaß an helfenden Tätigkeiten im Spiel für eine gewisse — nicht lächerliche — Atmosphäre unbedingt notwendig.
Zu einem gewissen Grad ist das gelungen. Das beweisen die kleinen Schicksale auf der Straße, die sogar noch nach 50 Stunden Spielzeit berühren. Wie die zwei Männer, die getrennte Wege gehen, nachdem der eine herausgefunden hat, dass der andere Essen bei sich trug. „Nach allem, was wir durchgemacht haben! Obwohl ich so großen Hunger hatte?“, brüllt er, als sein Gegenüber es herausholt und angegriffen wird. „Es ist meins! Es gehört mir! Ich behalte es, denn ich brauche es!“
Glaubwürdig ist das allemal. Aber auch selten. Zu selten für die Menge an Zivilisten auf der Straße. Die Gier nach einem schnellen Erfolg überwiegt, der eben nicht durch sperrige, aber ebenso furiosen Mechaniken ausgelöst wird, sondern mit Widersprüchen in Spielmechanik und Geschichte. Hier heißt das: Sorge für Zerstörung und Elend bei deinen Feinden mit Haftgranaten, Geschützen und Flammenwerfern, aber wenn eine Frau vor deinen Füßen abkratzt, hilf ihr nicht. Geize mit Zuwendung, klotze mit Gewalt.
Neid
Wann immer ich die Operationsbasis betrete, beneide ich sie. Jene, die am kerzengedeckten Tisch auf den Weihnachtsbaum blicken oder Sandwich essen oder einfach nur dasitzen und froh sind, wenn keiner schreit, ächzt oder stirbt. Es ist eine Wohltat, dass in diesem Bereich keine Spielfigur etwas verkauft oder mich nach meinem Erfolg fragt oder mir dankt. Kaum jemand nimmt mich wahr, ich sie aber umso mehr. Weil es tatsächlich ein Ort der Ruhe ist, weit weg von den vermeintlich spielmechanischen Notwendigkeiten wie Werkbank, Lagertruhe oder Munitionskiste.
Hier flirren Lichterketten mehr als das Feuer der Explosionen; Kinder malen und spielen so, wie ich es im Elend draußen nie sah; ein junges Mädchen ruht in der Ecke und klimpert auf der Gitarre. Unter zwei Weihnachtsbäumen stehen tatsächlich eingepackte Geschenke. Auf dem Tisch daneben auch! Wundervoll, diese Harmonie mitten im Leichensack namens New York. Und ich?
Na klar: Ich töte. Das kann ich einem Shooter nicht vorwerfen, aber die Art und Weise sehr wohl. The Division wiederholt sein Missionsdesign häufiger als ein AfD-Wähler seine hohlen Phrasen. Wenn das Mündungsfeuer blendet, weiß ich wieder: Das dauert jetzt ein paar Minuten, also viele Minuten, manchmal sogar eine Viertelstunde, und wenn schon die Zeiteinheit wechselt, darf man wütend gähnen.
15 Stunden vergehen, bis in den Hauptmissionen so etwas wie Abwechslung aufkommt, zumindest im Rahmen der The Division-Verhältnisse, die irgendwo zwischen Tetris-Hauptmenü und Untertitel-Einstellung bei Yakuza 5 liegen. Tatsächlich greift ein Oberheini im Hubschrauber an, der seine Angriffe mit einem roten Kreis auf dem Spielfeld ankündigt. Also eine Sendungsverfolgung für Raketen. Mehr kommt nicht. The Division ist wie Schleswig-Holstein: Viel Flachland und nirgends ein Höhepunkt, sondern irgendwo ein Pünktchen.
Ein bisschen Neid stünde indes auch den Entwicklern gut. Auf Bungie und Destiny, auf Digital Extreme und Warframe. Auf mehr als Pengpeng. In Destiny schlängelt sich das Design der Missionen um die Umgebung; nicht nur in den fast schon komplexen Raids springen und düsen die Hüter, auch in den einfachen Strikes oder öffentlichen Events muss etwa ein Punkt erobert und verteidigt oder mit dem langgezogenen Mofa gedüst werden. Das kennt The Division ebenso. In Nebenmissionen. Manchmal. Ohne Bums und ohne Mofa, dafür mit Schulterzucken.
Zählt man einen Angriff auf ein gepanzertes Auto mit, der nach 15 Gegnerwellen und dem Platzieren von Sprengstoff endet, kann man die Frage nach Abwechslung mit der Zahl zwei beantworten. Zwei Missionen, die irgendwie okay sind. Zwei ist nicht viel. Zwei ist nur eins mehr als eins und für eine Beschreibung des Spieldesigns sollten nicht so oft die Zahlen eins und zwei fallen.
Für jede Minute Stille bin ich daher dankbar. Die entwicklerbedingte Hetze ermüdet umso mehr, je tiefer sie mich in die Handlung jagt und dabei so viel Ernst verbreiten will wie ein Mann namens Jürgen, der mich mit erhobenen Zeigefinger ermahnt. Je weiter ich gelange, desto häufiger herrscht trostlose Grimmigkeit und so größer wird mein Verlangen Teil der Zivilisten zu sein. Aus der Todsünde eine Tugend machen, hätte hier vielleicht helfen können: Das Beneiden anderer Spiele und den Willen, es besser zu machen.
Maßlosigkeit
In einigen Facebook-Gruppen für Fans von The Division lautet die Devise: Sei heftig und drehe ein Video. Unterlegt mit Musik, die so klingt wie raschelnde Alufolie über einer Freiwild spielenden Pringles-Dose. Sie erlegen in der offenen Spieler-gegen-Spieler-Zone jeden, der das Spielfeld frisch betritt. Gegenwehr? Kaum möglich. Diese Idioten vermiesen jeden vor Lust tropfenden Grundgedanken der sogenannten Dark Zone.
Dieses riesige eingezäunte Todesurteil mitten in New York dient als Schauspiel für billige Tricksereien von frustrierten Spielern. Dabei bietet kaum ein Element von The Division so viel Potenzial im besten Phrasensinn: Nicht nur Spieler, auch vom Computer gesteuerte Figuren wildern umher. Die ständige Suche nach neuer Beute erhält eine weitere Front. Ein ständiges Umherblicken, von kribbelnder Angst umgeben, dass vielleicht, eventuell, hoffentlich doch ein anderer Spieler aufkreuzt — aber bitte nur, wenn er schwächer ist.
Jede Moral geht dabei verloren für diejenigen, die ohnehin schon alles haben. Wann immer ich durch die Dark Zone rannte, überwältigte mich mindestens ein Spieler mit überlegener Ausrüstung innerhalb von Sekunden. Ich fühlte mich wie Kevin Spacey ein paar Minuten danach, als er seinem Manager sagte: „Ja, das Statement kannst du so abschicken.“ Etwaige Übereinstimmungen mit der besonderen „Ohgottogottogottogott ist das spannend!“-Atmosphäre gibt es nicht, ein fairer Kampf ist nie möglich. Im Gegenteil: Bewege ich mich flink wie der spinatgefütterte Bizeps von Popeye und bin so in der Lage mit Schüssen zu antworten, fallen die Lebenspunkte kaum, weil mein Feind besser ausgerüstet ist.
Pech gehabt, könnte man meinen. Wer jemals innerhalb kurzer Zeit von immer anderen Spielern mit der derzeit angesagten Waffe „Das Haus“ niedergestreckt wird, absolut ohne eine Chance auf einen Sieg oder zumindest die Flucht — so jemand redet nicht von Pech, sondern fordert Chancengleichheit. Das könnte mit Instanzen klappen, die ähnlich ausgerüstete Agenten in einen Hexenkessel schmeißen, das wäre sogar für Spieler auf der höchsten Stufe überlebenswichtig.
Denn jeder faire Kampf in der Dark Zone verwandelt die Nerven aus Stahl in Nerven aus Löwenzahn. Jede erspielte Beute muss schließlich per Hubschrauber aus dem Gefahrengebiet gebracht werden, zum Beispiel sieben extravagante Knieschoner. Das dauert mehrere Minuten. Und lockt andere Spieler an. Die helfen möchten. Vielleicht. Meistens aber nicht. Eigentlich selten. Die Wahrheit ist: Sie helfen nie, diese Penner.
Als ich das erste Mal ein paar unbedeutende Gegenstände den Hubschrauber hoch schickte, röhrte meine Lunge aus allen Öffnungen. Von zwei Seiten sprangen feindliche Spieler herbei, die im Zielen lieber Nase als Auge nutzten, Gott sei Dank!, viel schlimmer waren deshalb auch die Nicht-Spieler-Charaktere, die Granaten klopften und Sprüche warfen und puh, ich war da ein bisschen durch den Wind. Tatsächlich überlebte ich den Angriff mit der Hilfe eines Unbekannten. Ich nannte ihn „brother from another mother“, er antwortete „…“, also gar nicht, so ein Heini, warum, warum nur, ich habe so viel mit ihm durchgemacht, ich hasse ihn!
So sollte ein offenes PvP-System funktionieren, gerade dann, wenn die Dark Zone noch abgewrackter katastrophisiert als im schlimmsten Loch außerhalb des Zauns. Eine Art von Spannung, die sich — anders als in kleinen Arenen — nie voraussagen lässt, die nicht enttäuscht, sollte ich doch verlieren.
Im PvP-Modus „Schlacht“ wechselt der Kampf in geschlossene Areale. Vier gegen vier, das verspricht Spannung, wie schon Destiny 2 beweist, wobei das jetzt ein Witz war und auch in The Division nichts nervenkitzelt, sondern eher hornhautreibt. Auf der einen Karte versperren unzählige Container den Weg, auf der anderen geht es unter die Erde, und es sind bestimmt die langweiligsten PvP-Karten seit der Miniatur-Version von „Schiffe versenken“, zumal man immer bedenken muss, was für Szenarien möglich wären: Theater, Kino, Museum, Times Square, Flugzeugträger, stattdessen steht der Flugzeugträger am Rand und schauwertet da einsam vor sich her.
Jedes Maß geht verloren. Verschleiß gewordener Spielinhalt, der Unmengen an Arbeit und Geld frisst, aber zu nichts passen will. In der Dark Zone geschieht hin und wieder noch ein Wunder, mal im Zeichen der Freundschaft, mal im Zeichen der Wut. Sie nutzt die Prämisse der Katastrophe, in der auch vermeintlich gute Bundesagenten einander misstrauen. Im Schlacht-Modus hingegen vergisst jeder alles; Entwickler und Spieler verdrängen den Hintergrund ihrer Mission und kämpfen auf teilnahmslos gestalteten Karten. Es ist ein maßloser Witz, der zehn Minuten dauert und die Pointe irgendwas von Kot erzählt.
Ubisoft hält sich an den Grundsatz: In der Spielmechanik liegt die Kraft, die Konventionen des Genres sind die dazugehörigen Proteinmischungen. Dass die von der Regierung angetriebene Völlerei — unzählbare Tötungen von Unschuldigen, Deponieren von kontaminierten Müll vor Haus und Hof — unkommentiert bleibt, ist egal. Es zählt der PvP-Modus, es zählt die Stärke, es zählt somit einzig und allein: die Mechanik.
(Es ist übrigens ironisch, dass der im PvP spielbare Modus „Überleben“ fantastisch klingt — jedoch nur gegen einen Aufpreis von 15 Euro erhältlich ist. Ja, doch: Es ist jedes Maß verloren.)
Trägheit
Über der größten Diskussion von The Division hing auch immer ein nicht zu bestätigendes Gefühl, das den Vorwurf einer fast schon perversen Ideologie nicht abstreitet, ja sogar bekräftigt, aber eben auch leise tuschelt: Vielleicht waren einige Kritiker vorschnell — oder faul. Fünf Stunden in Manhattan und jedes Urteil bekräftigt sich ganz von selbst mit einem Dampfhammer. Es ist nicht zu übersehen.
Dahinter, in der Spielwelt, verbirgt sich das Genie, und es ist klein und schüchtern und gehemmt, aber es ist da und lugt manchmal heraus. Wie die Gegensätze, die erschüttern: Wenn man das Mädchen mit der Gitarre beobachtet, blickt man gleichzeitig auf eine Wand mit Steckbriefen von Vermissten.
Es ist Groteskes wie die Werbung, die über den Leichen wacht: „Be Brave“ prangt auf einem LKW, „The New Era Is Here“ beschreibt nicht nur das neue Smartphone und das aktuelle Theaterstück am Broadway lockt mit dem Prädikat „Multi Award Winning“.
Es sind die heimlichen Botschaften der Bevölkerung an Freund und Feind: In einem U-Bahn-Tunnel über einer Gedenkstätte mit Kinderzeichnungen und Kränzen steht „ITS NOT FLU!!!“, auf einem Banner mit der Aufschrift „New York“ malte jemand ein „RIP“ davor und mit einem Bettlaken an einer Hauswand dankt ein Unbekannter den JTF genannten Rettungstruppen mit der Aufschrift „Thank you JTF“ — daneben zwei Herzchen.
Einst sollten sie warnen, jetzt erzählen sie nur noch traurig von einer gescheiterten Rettung: Die vielen Plakate und Schilder, die die Bewohner während der Ausbreitung schützen sollten. An einer U-Bahn-Station rät die Regierung mit einem „Caught Dirty-Handed“-Plakat zum Händewaschen, denn: „A single handwash makes a difference.“ Vor einem Park, der unter Quarantäne steht, alarmieren gleich sechs Schilder, die unter anderem Schutzanzüge fordern, ein Umkehren nahelegen und Plünderungen mit „lethal force“, also tödlicher Gewalt bestrafen.
Nichts davon drängt sich auf. Auch die zwei toten JTF-Einsatzkräfte nicht, deren Füße an ein Auto gebunden sind und die Schleifspuren hinter ihnen alles erklären. Der in einen Müllcontainer gestopfte JTF-Mann kann den Kommentar über ihn nicht mehr lesen: „JTF to trash.“ Die Drohung „Fuck Justice, We Want Revenge“ an mehreren Absperrungen lässt keine Zweifel am Vorhaben einiger Personen zu. Ebenso wie die neun toten Polizisten, Ärzte und Feuerwehrmänner, die an Kränen und Ampeln und Laternen hängen wie zerbrochene Kugeln am dürren Weihnachtsbaum.
Eine Pause davon kann man sich nur gönnen, wenn man in den sogenannten Safehouses für einen Moment innehält. Sie tragen das Elend draußen nicht mit, denn das Vortäuschen von Sicherheit zehrt schon genug an den Kräften. So wie im ehemaligen Boxstudio: Ein kleiner Junge, vielleicht neun oder zehn Jahre alt, kauert auf dem Bein seines Vaters, beide schweigen, im Hintergrund schneidersitzt ein Junge in einem Boxring, in dem eine Art Spielzeughaus steht. Es besteht aus Kartons und Matratzen.
Auch in der Kanalisation ist ein solcher Ort, der dich willkommen heißt mit einem „Take what you need“-Pappschild und einer Lichterkette. In der Sporthalle ein paar Kilometer weiter leuchtet kein Weihnachtsschmuck, die vielen Betten in den müden Augen der Zivilisten aber umso mehr. All diese Safehouses erzählen etwas, Kleinigkeiten meist. Schicksale, die für sich sprechen. Unkommentiert und ungeschönt.
Wer nicht nach Tragödien, sondern Loot sucht, spielt lediglich das Handbuch von einem Shooter: präzise und klar, aber auch grau und ermüdend. Manchmal reicht sogar schon ein Blick nach oben. Als ich das ausprobierte, erschreckte mich eine junge Frau an einem Fenster mitten in New York, wo ich nicht mit einem Hausbewohner und schon gar nicht mit Strom rechnete, und nachdem sie irgendwann das Fernglas weglegte, entdeckte sie auch mich und da wusste ich, dass sich wohl nur ein Helikopter-Papa in Sorge um seine gestürzte Tochter schneller gen Boden bewegt als sie. Zwei Sekunden später schaltete sie das Licht dann auch noch aus.
Mindestens ein Dutzend weitere Beispiele könnten dem noch folgen. Mal sind sie — wie die Frau am Fenster — sogar ein bisschen witzig. So entsteht ein differenziertes Bild von The Division, das nicht nur Kritik an jeder Menge verblödeter Designentscheidungen und einem verhunzten Weltbild aufzeigt, sondern auch eine Spielwelt skizziert, die zu den Besten der vergangenen Jahre gehört. Wer an diesen Punkt kommen will, braucht ein bisschen Geduld, Spucke. Empathie, ja ganz besonders Empathie ist nötig, ein Haufen davon, damit jeder ziellos getrampelte Meter nicht lediglich in der Fitness-App als hingenommenes Übel zur nächsten Mission gespeichert wird.
Spätestens wenn der Nebel mir die Sicht stiehlt, der Schnee wie Asche eine vergangene, aber noch immer nahe Katastrophe bedeckt und meine Vorstellung von Spielen zerbricht, bin ich bereit für alles, was kommt, selbst wenn ich stundenlang suchen muss nach dem Zorn und der Munitionskiste, die mir noch mehr Leichen verspricht, nach der Wolllust und der Lootbox, die es den Entwicklern unendlich oft besorgt, nach dem Hochmut und der Regierung, die Unschuldige zum Schrotflintenschuss freigeben, nach dem Geiz und den Zivilisten, die ich zwingend ignorieren muss, nach dem Neid und der Stille, die ich an Gedenktafeln und Weihnachtsbäumen finde, nach der Maßlosigkeit und den Spielern, die sich nur für Loot, nicht für Leben interessieren, nach der Trägheit und der Gewissheit, dass auch Zartes Teil sein kann von vehement verschlossener Pixelgewalt.
Ich fand all das in der Ideologie der Entwickler von The Division, von denen sie selbst sagen: Das ist keine Ideologie — es ist nur ein Spiel.
Und das ist — wie auch ein großer Teil des Spiels und somit angekommen am sich schließenden Kreis — ja nun wirklich lächerlich. Wer Politik oder Weltanschauung in Videospielen leugnet, ist ein Heuchler. Und vor allem: ein Kunstfeind. Das merkt man der vermeintlichen Kunst an.
Bestes Beispiel? The Division.
8 Kommentare
Wow. Dickes Ding. Tolle Analyse. Fühlte mich mittendrin.
Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass man aus den eigentlich ziemlich gewöhnlichen Makeln eines insgesamt ziemlich gewöhnlichen MMO-Shooters so ein Drama machen kann, aber vielleicht habe ich auch ein anderes Division gespielt.
@ SOMA: Vielen Dank für das Lob!
@ Poly: Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass es immer noch Leute gibt, die es uncool finden, wenn andere mehr in einem Spiel sehen als man selbst.
Manche der “Todsünden” finde ich zwar einleuchtender argumentiert als andere, aber insgesamt interessante Analyse!
Ich frage mich, ob man diesen Blickwinkel nicht auf jedes halbwegs narrative Spiel anwenden könnte?
@Yannick: Sorry, falls mein Kommentar zu sehr nach Troll roch, das ist eigentlich nicht meine Art (einige hier kennen mich ja). Ich hatte ehrlich gesagt vorher auch echt lange überlegt, was ich dazu sagen kann und ob ich das überhaupt sollte. Hier noch mal ein Versuch, etwas konstruktiver zu kommentieren:
Einem ganzen (und ziemlich großen) Entwickler-Team eine “böse Ideologie” vorzuwerfen, obwohl es im Grunde nichts anders macht als unzählige vor ihm, ist halt irgendwie daneben, zumal du eben wirklich alles viel dramatischer darstellst als es letztlich ist (oder die Masse empfindet). Viele dieser “Todsünden” kann man in ähnlicher Form hunderten anderen Shootern/Action-Spielen vorwerfen. Wenn man diese etablierte Design-Philosophie (Fokus auf Gewalt, Militarisierung, Fehlen von Empathie etc.) nun anprangert, ist das völlig richtig (wenn auch nicht neu), aber jetzt auf einen bestimmten Vertreter einzuknüppeln macht wenig Sinn, wenn er nicht gerade aus der Masse heraussticht.
Zudem hatte ich beim Lesen leider eher das Gefühl, dass du dich einfach mal in nem Text ordentlich austoben wolltest und das Spiel halt nur als Aufhänger herhalten musste. Kann man so machen und ist sprachlich zweifellos gelungen, aber dem Spiel und den Entwicklern gegenüber nicht unbedingt fair. Du kannst aber gern weiterhin alle, die deine Erkenntnisse nicht teilen, einfach als zu doof abstempeln.
Es macht aber noch weniger Sinn, Jannicks kritische Blickweise abzutun, nur weil er keine Abhandlung über jeden erschienenen Titel, der ähnliche Tendenzen aufweist, schreibt. Das ist dann leider keine konstruktive Kritik, sondern eher der Versuch, Kritik unter den Teppich zu kehren. Aber gerade weil diese Tendenzen so etabliert sind, mag ein solcher Kommentar wie von Jannick noch wichtiger sein.
@Le Don: Du musst es nicht gleich ins Lächerliche ziehen. Was wäre so verkehrt daran, einfach mehrere Beispiele zu nennen (etwa für jede Todsünde ein Beispiel aus einem anderen Titel) statt The Division als die digitale Ausgeburt der Hölle und Massive (sowie die helfenden Studios) als die übelsten Typen der Entwicklerszene zu präsentieren?
@ Poly: Ich habe dich nicht als doof abgestempelt. Wer auf meinen Text allerdings kaum eingeht und ihn als “Drama” bezeichnet, darf von mir keine ausschweifende Antwort erwarten.
Ich verstehe nun aber nicht ganz, was du meinst. Soll ich Spiele erst dann kritisieren, wenn sie aus der Masse herausstechen? Oder soll ich, wenn ich das Geballere in Modern Warfare kritisiere, gleich das ganze Genre auseinander nehmen? Das ist doch absurd.
The Division krankt ja an vielerlei Dingen, die zusammengenommen ein deutliches Bild zeichnen von einer gewissen Ideologie. Das zeigt schon der Grundtenor des Spiels: Das Außerkraftsetzen der Gesetze durch fragwürdige Erlasse und das Einsetzen von Agenten, die wahllos töten. Das ist bedenklich. Der Fokus auf Gewalt wiegt bei The Division schwerer als zum Beispiel bei Destiny, da es auf ein viel realistischeres Bild setzt und explizit damit eine gewisse Atmosphäre erschaffen will, die immer wieder durch dumme Designentscheidungen leidet.
“Was wäre so verkehrt daran, einfach mehrere Beispiele zu nennen”
Es geht in diesem Artikel explizit um The Division. Nicht um Destiny oder Warframe oder Rainbow Six Siege. Ein paar allgemeine Bezüge zum Genre gibt es und zum Teil erwähne ich ja sogar andere Beispiele, aber wie gesagt: “Die sieben Todsünden von The Division” sollte schon recht deutlich machen, dass es ein Artikel über ein einziges Spiel ist. Und nein, ich präsentiere es nicht als Ausgeburt der Hölle. Ich kritisiere eine Weltanschauung und die Spielmechanik, lobe aber gleichzeitig die Spielwelt als eine der besten der vergangenen Jahre. Soll ich aus Rücksicht auf Massive keine Kritik üben oder nur dann, wenn ich sie in Relation setze zu anderen Spiele?
@ Homisite: Man kann dieses Prinzip definitiv auf andere Spiele anwenden. Es würde bei Journey anders funktionieren als bei Counter Strike, aber ich glaube fest daran, dass es irgendwie klappt. Das wird bestimmt auch nicht das letzte mal sein, dass ich die Todsünden als Konzept nutze. (Also vielleicht nicht nächste Woche, aber in einem Jahr maybe.)