Jetski-Spiele lungern schon eine Weile in der Peripherie meines Interesses herum. Seit dem Nintendo 64 scheinen sie fester Bestandteil der liebevollen Gaming-Erinnerung zahlloser Menschen zu sein, die Wave Races ihrer jeweiligen Zeit. Wohl hauptsächlich dieses Erbe wegens finden sich die meisten Jetski-Spiele auch eher im Nintendo eShop als auf Steam oder im PSN. Nicht so Kandagawa Jet Girls, das PC und PS4 in den Genuss dickbrüstiger Wassersport-Action bringt. So zumindest der Werbe-Claim, denn in Wahrheit fühlt sich auch Kandagawa eher an wie ein Griff in die Ramsch-Ecke des Switch-eShops.
Es plätschert vor sich hin
Es gibt Dinge, die muss ein Rennspiel haben, um gut zu sein. Schnell muss es sich anfühlen, spannende Zweikämpfe mit den Kontrahentinnen zulassen, optisch opulent sollte es am besten auch noch sein. Und die Steuerung, das Handling der Vehikel sollte ansprechend sein – spaßig, denn nichts anderes tut man ja die ganze Zeit über. Idealerweise ist es einfach zu erlernen und schwierig zu meistern. Kandagawa Jet Girls ist nichts davon. Und obwohl es aus dem Hause der Senran Kagura-Entwickler kommt, fehlt auch von absurdem Anime-Fanservice fast jede Spur. Nicht einmal style over substance kann ich Kandagawa Jet Girls attestieren. Es hat zwar gewollt, aber doch nicht gekonnt. Kein Geschwindkeitsgefühl will aufkommen, während ich im gleichen Trott zwischen zwei geraden Wänden entlangziehe, egal, ob der Tacho 60km/h oder 120km/h anzeigt. Die Steuerungsoptionen erwecken den Anschein, auf eine gewisse Tiefe angelegt worden zu sein. Neben üblicher Mario Kart-Leihen wie Blitzstart, aufsammelbaren Waffen und Nitro-Boosts kann ich die Kurvenlage meines Jetskis verbessern, indem ich seine Nase ins Wasser drücke, oder seine Höchstgeschwindigkeit, indem ich sie hochziehe. Ein interessanter Twist für ein Wassersport-Spiel, der sich aber am Ende doch nur darin äußert, dass ich ungelenk um eine Ecke wobble, weil ich den Analogstick nach vorne gedrückt halten muss, während ich versuche, gleichzeitig mit ihm zur Seite zu lenken. Erst vor kurzem hat Crash Team Racing Nitro-Fueled gezeigt, wie ein anspruchsvoller moderner Fun Racer aussehen kann. Kandagawa Jet Girls hat daraus leider kaum etwas gelernt.
Nix zu sehen
Immerhin ist das Spiel ganz hübsch, die Ästhetik bleibt aber auf den vollständig weiblichen Sportlerinnen-Cast beschränkt. Die Strecken sind größtenteils graue Backsteinkanäle mit ein paar wenigen bunten Hochhäusern, Wassereffekte gibt es fast keine. Dafür sind die arcadigen Streckenelemente wie Boost-Ringe, Waffen-Pickups und zerstörbare Wasserbälle so bunt und großzügig verteilt, dass die hässlichen Streckenbegrenzungen vor lauter visuellem Rauschen schon fast nur noch dann auffallen, wenn man immer wieder abgelenkt dagegen kracht. Visuelle oder spielerische Auflockerung der drögen Settings wie Arenakampf-Rennen oder abgefahrene Strecken mit Sci-Fi-Bezug oder einem Funken Fantasy gibt es keine: Es wird im Kreis gefahren oder halt gar nicht.
Nix zu lesen
Nun mag man berechtigterweise einwenden, dass es bei Spielen von Honey ∞ Parade Games doch ohnehin hauptsächlich darum geht, hübsche Frauen anzugucken. Schließlich ist Senran Kagura eine Reihe von Dynasty Warriors-Klonen, bei denen man den gut bestückten Ninja-Damen mit Gusto die Klamotten vom enorm weich animierten Leib prügeln kann. Ihre Physis haben die Frauen auf jeden Fall in Kandagawa Jet Girls mitgenommen. Sie kommt aber nur noch in den Visual Novel-Sequenzen zum Tragen, in denen jede Sportlerin einen Animefiguren-Archetypen annehmen und bis zum Erbrechen durchexerzieren darf. Von der hochnäßigen Tochter reicher Jetski-Stars bis zum naiven Mädchen, dass außer ihrer Suche nach ‘Cryptids’, also Fabelwesen wie dem Yeti kein Gesprächsthema hat, ist alles dabei. Das hat dann auch dazu geführt, dass ich nach der einleitenden Geschichte konsequent alle Zwischensequenzen übersprungen habe – und von jemandem, der Visual Novels so gern mag, dass er am liebsten ein Buch darüber herausgeben würde, ist das schon ein eher hartes Urteil. Immerhin habe ich bei der Recherche herausgefunden, dass Kandagawa Jet Girls auf einem gleichnamigen Anime basiert. Der scheint seinen hauptsächlichen Reiz allerdings ebenfalls aus der Kombination nervtötender Tropes mit aggressivem Fanservice zu ziehen und landet daher garantiert nicht auf meiner Watchlist.
Nix zu holen
Wer schlussendlich hofft, die immerhin nach Belieben mit freigeschaltetem Schmuck und Unterwäsche ausstaffierbare Frauentruppe während der Rennen betrachten zu können, irrt. Der Hintern einer der beiden eigenen Sportlerinnen bleibt zwar brav in der Mitte des Bildschirms fixiert, von den Kontrahentinnen sieht man aber während des Rennens nicht viel. Das liegt zum einen an der Perspektive, zum anderen aber auch an der katastrophalen KI, die oft schon nach einem gelungenen Boost-Start so weit hinten liegt, dass sie keine Chance mehr hat, aufzuholen. Ich gestehe gerne jedem Spiel zu, Wichsvorlage zu sein, wenn es das will. Kandagawa Jet Girls ist nur einfach keine gute. Als Rennspiel taugt es ebenfalls nicht. Wer unbedingt Jetski auf der Heimkonsole spielen will, kann wohl zu Kandagawa greifen, furchtbar ist es nicht, immerhin läuft es flüssig. Und wer weiß, Senran Kagura hat auch als ziemlich grobschlächtiger Sidescroller auf dem Nintendo 3DS begonnen, bevor es eine wirklich gute 3D-Prügler-Reihe wurde. Vielleicht wird Kandagawa Jet Girls mit einem eventuellen zweiten Teil ja zu einem ordentlichen Rennspiel für Partys und zwischendurch. Bis dahin bleibt es jedoch eine Welle, die man nicht mitreiten muss.
1 Kommentar
Das heißt, wenn mir Wave Race (64) schon total egal war, dann habe ich keinen Grund, oder vielmehr keine Ausrede, für Kandagawa Jet Girls?
Da gibt es doch auch etwas von Mario Kart!