Seit jeher (oder zumindest kurz nach Verbreitung des Internets) gibt es eine Frage, die Spieleprogrammierer, -journalisten und -er stets zu heftigen Diskussionen anregt: “Wo auf der Welt ist Carmen Sandiego?”. Und dann gibt es noch diese eklige und völlig ausgetretene Randdebatte, ob Computerspiele eventuell, unter gewissen Umständen und von einer bestimmten Sichtweise Kunst sein könnte und, wenn ja, wieso wir nicht alle Barette und schwarzweissgestreifte Rollkragenpullover tragen und in Cafés über Absinth und Zigarillos gespielt gelangweilt über die Transzendenz des Doppelsprungs parlieren und damit reihenweise junge Französinnen mit unserer Vervé und unserem Esprit beeindrucken. Stattdessen müssen wir in einer Welt leben, die einen guten Haarschnitt mehr schätzt als einen Speedrun, in der eine Magisterarbeit in Theologie mehr Anerkennung erntet als ein Walkthrough auf Gamefaqs und Poker- statt Painkillermatches im Fernsehen ausgetragen werden. Aber hey, dafür sind wir eine der wenigen Randgruppen (neben Goajüngern und Goths) wo auch Vierzigjährige nicht negativ auffallen, das ist doch auch etwas. Zurück zum Ursprungsthema, die Antwort lautet natürlich: Bei jedem Spiel woanders. Und ob Spiele Kunst sind, ist schonmal deshalb eine doofe Frage, weil sie völlig falsch gestellt ist, in etwa wie: “Ist ein geschriebener Text Kunst?” Solltest Du nun bereits wissen, was ich meine, dann gehe zum Abschnitt 112. Hättest Du gerne noch ein paar Hinweise oder liest einfach nur gerne jedes meiner so selten der Leserschaft geschenkten Worten, ziehe vor bis zum Südbahnhof. Bist du verwirrt ob der langen Sätze, lass dir Zeit und trinke etwas Leinöl, da sind Omega-5-Fettsäuren drinne, die sind gut fürs Gehirn.
Südbahnhof
Also, erstmal sind Computerspiele natürlich ein Medium, so wie Whoopi Goldberg oder ein Drittel aller Steaks. Will sagen: Es kommuniziert, es drückt etwas aus. Andere (auch sehr spannende, Kinder!) Medien sind Bücher, Filme, Comics oder Musikstücke. Sie alle haben ihre Stärken und Schwächen (wie eure WOW-Charaktere!), aber jede Grundidee kann durch jedes Medium ausgedrückt werden, außer, wenn das nicht so ist. Was sind nun die Stärken und Schwächen der einzelnen Medien, fragt ihr? Nun, ich hoffe nicht, denn von Leuten, die ihrem Monitor Fragen stellen, möchte ich eigentlich nicht gelesen werden. Aber wenn ihr das wissen wollt, dann könnt ihr entweder Codemasters unter 01805-776775 für 0,24€ die Minute anrufen oder einfach weiterlesen. Also, in der nächsten Zeile halt.
Das Buch, hier mal als Vertreter für alle Medien des geschriebenen Wortes gewählt, ist bei Eltern und Erziehern meist das beliebteste Medium, jedoch nicht, wie oftmals angenommen, weil es niveauvoller oder so als andere Medien ist, sondern schlicht, weil die Blagen beim Lesen nicht so einen Krach machen. Ideen geschrieben zu übermitteln hat den unüberschätzbaren Vorteil, dass man absolut uneingeschränkt alles vermitteln kann, für das es Worte in der entsprechenden Sprache gibt. So ist es kinderleicht, wie beispielsweise Lovekraft von “nichteuklidischer Geometrie” zu schreiben (sogar ich kann das, siehe links), aber das jetzt in irgendeiner Art abzubilden ist was ganz anderes. Und da sowohl Filme, Spiele als auch Comics primär Bilder zeigen, geht der Punkt der Möglichkeiten eindeutig an die Bücher. Doch diese Stärke ist gleichzeitig ihre größte Schwäche, denn durch den schieren Mangel an Audio und Video kann halt ein Buch auch nichts abbilden, Stimme und Gesicht der Pro- und Antagonisten entstehen stets im Kopf des Lesers, Definitives geht nicht. Oh, und Sachen wie “The Fast and the Furious” funktionieren als Buch auch nicht so richtig.
Das Comic, von vielen belächelt, ist eine Art Zwittermedium. Einen Schritt weiter als das Buch haben Comics die visuelle Ebene erobert, auditiv sieht es aber weiterhin arm aus. Häufig sehr dialoglastig sind Comics eine gern belächelte, aber äußerst interessante Mischform mit der Möglichkeit, Text und Bild zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Außerdem das ideale Medium für anatomisch völlig unkorrekte, latexbekleidete Männer und Frauen, die sich gegenseitig verkloppen.
Die Musik, ach, was wäre die Welt ohne Musik? Nun, primär leiser. Das garantiert älteste Medium tut sich alleine meist schwer, eine Idee zu vermitteln (vor allem, wenn man den Text nicht versteht), ist aber ein essentieller Faktor in allen auditiven Medien, denn irgendwie schafft sie es wie kein anderes Medium, Gefühle zu erwecken. Kein Filmkuss ohne Geigen, kein Schreckeffekt ohne lautes Orchester, kein Sturm gegen den Feind ohne Musik. Und es funktioniert. Musik macht oder verstärkt Emotionen, sei es Zorn, oder Trauer, Freude oder Sehnsucht. Warum, weiß ich auch nicht. Warum sie in manchen Spielen unglaublich nervt und deshalb abgeschaltet wird, auch nicht. Prinzipiell ist Musik aber toll. Echt.
Der Film war, bis zur Erschaffung der Computerspiele, die ganz heiße Scheisse. Erst letztes Jahrhundert erfunden war er der Segen für alle Menschen, die nicht nur darüber lesen wollten, daß der eine von dem anderen eine Sahnetorte ins Gesicht geworfen kriegt. Film hat eigentlich alles: Bild! Ton! Schnelle Schnitte! und ist ausserdem das beste Medium für Erwachsenenunterhaltung (grins grins zwinker zwinker). Mit Unterstützung von Musik bringt uns Film zum Heulen, zum Zittern, zum Schwelgen. Primäres Problem des Films ist neben der horrenden Kosten und dem riesigen Aufwand im Vergleich zu einem geklampften Lied oder einem im eigenen Kämmerlein geschriebenen Roman die Tatsache, daß man halt nur das abbilden kann, was sich in der realen Welt (oder in den Rechnern der SFX-Crew) findet. Während also in Büchern oder Comics problemlos Aliens angreifen können, wird die Menschheit in Filmen von jungen Männern in Gummianzügen oder mehr oder weniger echt wirkenden CGIs attackiert. Während in anderen Medien problemlos ein Schwarzer die außerirdische Brut zurücktreiben kann, muss der Filmproduzent erstmal checken, ob Wesley Snipes Zeit hat. Das gilt natürlich nicht für Animationsfilme, die wesentlich mehr mit den
Computerspielen gemein haben. Denn hier gilt: Solange die Rechnerpower das packt und die Designer das hindesignen können, ist alles möglich. Vom vielbeschworenen Photorealismus sind wir zwar noch weit entfernt, aber die Realität ist ja nur eine von vielen möglichen Welten, die im Rechner erschaffen werden können. Ansonsten bedienen sich Spiele gerne auch an Elementen des Films, gerade was Zwischensequenzen angeht, Musik ist ein fast noch wichtigerer Bestandteil als im Film, da sie gerne auch konstant läuft, und Texttafeln finden sich auch immer noch zu Genüge (und Gottseidank, denn wer möchte sich denn jede Einheitenbeschreibung oder ähnliches erzählen lassen?). Das Problem des Spiels liegt in seiner Bestimmung: es muss interaktiv sein, ja mehr noch: Wo bei einem Buch und vielleicht sogar noch bei einem Film eine gute Story alles rausreißt, ist sie bei einem Spiel nur ein Stück des Ganzen. Wenn die Spielmechanik Grütze ist, dann macht die schickste Präsentation daraus kein gutes Spiel (ob es sich gut verkauft, ist natürlich ein ganz anderes Thema). Aber, und jetzt verliere ich gleich doppelt den Faden, ist denn ein Spiel ein Medium, wenn man aktiv etwas tut, also nicht nur etwas vermittelt kriegt? Und ist denn ein gutes Spiel mehr Kunst als ein schlechtes? Ist Kunst abhängig vom Gesamten, oder kann ein Teilbereich bereits als Kunst gelten? Wollte ich diese Frage nicht eigentlich nicht stellen, war das nicht die Intention dieses Artikels? Vor allem: Wie soll man bitte schön definieren, ob etwas Kunst ist, wenn man nicht einmal genau weiß, was Kunst ist? Ist ja auch egal.
Aber:
Nicht alle Bücher sind Kunst (Dan Brown)
nicht alle Musikstücke sind Kunst (DJ Ötzi)
Nicht alle Filme sind Kunst (Uns Uwe)
nicht alle Comics sind Kunst (Rob Liefeld)
Also ist FIFA 2006 wahrscheinlich auch keine Kunst. Macht ja auch nix. Kann trotzdem Spaß machen. Weiter beim Schlussgedanken.
112 Dein Gegenüber schaut dich missgünstig an. “So, Du bistn ganz Schlauer, wa? Solche wie Du leben hier nicht lange!” Er zieht einen Dolch. Du musst dich verteidigen!
SpielerDrei Gewandtheit:5 Stärke: 4
Wenn du deinen Gegner bezwingst, findest Du in seinen Habseligkeiten einen bronzenen Schlüssel. Du folgst dem Pfad weiter zum Schlussgedanken.
Schlussgedanke: Der Autor grübelt selbstreferentiell darüber nach, ob er diesen Artikel in dieser unsäglich langen, ausschweifenden und absolut nichts Erhellendes beinhaltenden Form auch geschrieben hätte, wenn der verfluchte Händler vom Amazon Marketplace das Buch, auf dem der Film basiert, auf dem das Spiel basiert, eher geschickt hätte und der bereits erwähnte Autor all dies sonst auf zwei Zeilen in einem ansonsten drei Medien übergreifenden Review gequetscht hätte. Hätte hätte hätte, schlechter Stil. Ganz schlechter Stil. Genau wie das Metagequatsche. Sowas ist keine Kunst. Benutzen wir dies als Lackmus-Test: Sind Spiele wie dieser Text? Dann sind sie keine Kunst. Oh ja, ich habs immer noch drauf. Außer wenn Du von Abschnitt 112 kommst, dann bin ich tot. Aber dafür hast Du einen Schlüssel.
Neueste Kommentare