Während man bei King noch damit beschäftigt ist, The Banner Saga Steine in den Weg zu legen, weil man das altisländische Wort „Saga“ offensichtlich erst 2011 in einem komplizierten, wissenschaftlichen Prozess entwickelt hat, um Spiele zu kennzeichnen, die außer In-App-Käufen nichts miteinander gemein haben, baut man anderswo unter anderem Namen Candy Crush praktisch komplett nach.
Vorhang auf für Disney‘s Frozen – Free Fall. Ein Three-Match-Spiel, das in seinen Grundzügen ebenso von Bejeweled abgekupfert ist wie Candy Crush, sich aber der Charaktere aus Disneys neuestem Zeichentrickhit bedient. Statt Süßigkeiten schiebt man Eiskristalle verschiedener Art hin und her. Das erprobte Spielprinzip funktioniert wunderbar, das Spiel reagiert flüssig und ist mit viel Liebe zum Detail umgesetzt.
Auf gewisse Weise ist das ein Problem, denn das Monetarisierungsprinzip hinter der Fassade ist genauso hinterhältig wie schon bei Candy Crush. Das Spiel fängt in den ersten Leveln sehr leicht an, danach wird der Schwierigkeitsgrad allmählich angezogen. Es gibt eine Lernkurve, doch nur bis zu einem gewissen Grad. Mit der Zeit entdeckt man mögliche Kombinationen schneller und fängt irgendwann an, vielleicht ein paar Züge vorauszudenken, aber man kann nicht wissen, welche Eiskristalle von oben neu ins Spielfeld rutschen, wenn man andere eliminiert.
Was genau von oben nachrutscht, ist zufallsabhängig. Glück hat gerade in schwereren Leveln deutlich größeren Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg als das eigene Können. Der Trick, den Candy Crush und auch Free Fall richtig gut beherrschen, ist, den Übergang vom skillbasierten Spiel zum Glücksspiel zu verschleiern. So präsentiert man beispielsweise ein paar Level, in denen das Spielfeld beschränkt ist und der Spieler schlicht auf den Clou hinter dem jeweiligen Leveldesign kommen muss. “Aha! Ich brauche einen Spezialstein, der gleich eine ganze horizontale Reihe entfernt, sonst kriege ich den Eisblock unten rechts niemals weg!” Sobald man das weiß, kriegt man es hin. Direkt danach folgt ein Level, dass so bockeschwer ist, dass nur noch Glück weiterhilft. Der Spieler geht nach den zuvor gemachten Erfahrungen aber davon aus, dass es auch hier irgendetwas zu lernen, etwas zu durchschauen gibt.
Nun beschränkt das Spiel die Anzahl an Versuchen, die der Spieler hat, um ein Level zu lösen. Alle fünf Leben aufgebraucht? Dann heißt es, entweder eine halbe Stunde zu warten, bis man automatisch ein neues Leben erhält, oder sich ein Fünferpack für etwa achtzig Cent im Store zu kaufen. Praktisch für Disney, dass Warten nicht unbedingt zu den Dingen gehört, die Kinder richtig gut können. Praktisch aber auch, dass man als Spieler weniger schnell bemerkt, wie gering der Einfluss von Lerneffekten ist, wenn man nach nur fünf Versuchen jeweils längere Zeit pausiert.
Und wenn es einem doch auffällt? Dann tappt man in die nächste Falle. Vor allem, wenn man ganz knapp an der benötigten Punktzahl zum Levelabschluss vorbeischlittert. Eigentlich weiß ich doch, wie’s geht. Im Prinzip habe ich das Level doch gelöst! Ich brauche nur ein kleines bisschen Hilfe. Dafür gibt es Schneebälle, die einem fünf zusätzliche Züge gewähren. Nachschub bekommt man – wie bei den Spezialfähigkeiten, die die einzelnen Filmcharaktere zusätzlich noch mitbringen – über den Store. Es ist erstaunlich, wie wenig sich das nach Cheaten anfühlt, obwohl es praktisch nichts anderes ist. Wenn man die Schneebälle erst am Ende des Levels kauft, wenn man sie tatsächlich braucht, sind sie übrigens teurer, als wenn man sie schon vorher erwirbt.
Eine erkennbare Obergrenze, wieviel Geld man insgesamt in das Spiel stecken kann, gibt es nicht.
Bei Candy Crush sind mir all diese fiesen Kleinigkeiten, für die King mit seinen von Microtransactions durchsetzten Spielen längst bekannt ist, nicht so wichtig, weil ich das Spiel selbst als Bejeweled-Fan für absolut verzichtbar halte. Ob nun die tiefe Stimme des Ansagers, die Landkarte, die aussieht, als hätte sie ein Dreijähriger gemalt, der seltsame Typ mit den langen Armen oder das dicke, kleine Kind: Ich finde die ganze Erscheinung von Candy Crush ungefähr so symphatisch und vertrauenerweckend wie Peter Lorre, der in M – Eine Stadt sucht einen Mörder kleine Kinder von der Straße wegstiehlt. Das ist alles so creepy! Wie kann man das spielen?
Für Disney dagegen ist die Reputation als kinderfreundliche Firma ungleich wichtiger als für King. Die Eiskönigin, auf der das Spiel basiert, ist ein wunderbarer, herzlicher Film mit allem, was gute Disneyfilme ausmacht, inklusive viel zu viel Gesinge. Er hat, wie schon Rapunzel zuvor, wieder diesen Zauber der Filme aus Disneys Glanzzeit. Free Fall hat denselben Touch. Ich würde für ein derart hübsches und spielerisch grundsätzlich gelungenes Three-Match-Spiel liebend gerne ein paar Euro ausgeben, wenn man dafür im eigentlichen Spielablauf darauf verzichten würde, dauernd auf meine Brieftasche zu schielen. Kindern kann man es aus diesem Grund eigentlich kaum vorsetzen. Dass Disney das trotzdem tut, noch dazu in diesem harmlos wirkendem Gewand, ist schamlos und unverantwortlich.
1 Kommentar
echt tolles Spiel, aber für Kinder absolut nicht geeignet!!!