Ich esse kein Fastfood, das Zeug widert mich an. Noch bis vor einigen Jahren habe ich unreflektiert alles in mich hineingeschaufelt was mir vor die Flinte kam, doch dann setzte das Umdenken ein. Ich fing an Sport zu treiben und setzte mich mit dem Ursprung und der Zusammensetzung von Lebensmitteln auseinander. Als Ergebnis ernähre ich mich heute vegetarisch und verzichte auf prozessierte Lebensmittel. Alles andere ist mir schlicht unmöglich. Wenn ich einen Burger oder eine Pizza sehe und rieche, fühle ich mich einerseits dazu hingezogen, möchte mir den fett- und kohlehydratreichen Starkschmecker einverleiben. Ein weitaus größerer Teil von mir reagiert jedoch mit tiefer Ablehnung und Ekel. Ich weiß was in diesem Zeug enthalten ist, wo es vermutlich herkommt und dass ich besser den Inhalt meiner Biotonne fressen könnte, als diesen Klumpen teilweise organischen Abfalls. Wenn ich dann doch mal einen veganen Burger zu mir nehme, schmeckt er mir im ersten Moment relativ gut. Hinterher wird mir jedoch übel, ich schlafe schlecht und fühle mich elend.
Mit Süßigkeiten verhält es sich ebenso. Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal Snickers oder einen ähnlichen Schokoriegel gegessen habe, aber vermutlich werde ich es nie wieder tun. Zwar mag ich Süßes, Schokolade besonders, doch stoßen mich die an der Supermarktkasse erhältlichen Produkte ab. Sie werden in der Regel aus Abfallprodukten hergestellt, ihre Rohstoffe stammen teils aus Sklavenarbeit und ihr brutal überhöhter Zuckergehalt eliminiert jeden Ansatz charakteristischen Geschmacks. Alles ist gleichermaßen ekelhaft. Dasselbe gilt aus meiner Sicht auch für den Löwenanteil der Softdrinks und Limonaden. Fast- und Convenience-Food sind minderwertige Schrottlebensmittel und es ist mir schleierhaft, warum jemand sich diese freiwillig zuführt.
„Kommt auf die Pommes was drauf?“ „Ja. Salz, du Affe.“
Vor dem Hintergrund dieser strengen, an Borniertheit grenzenden Einstellung in Bezug auf Ernährung, erscheint mein Spielverhalten umso verwunderlicher. Die Videospiel-Entsprechung des Bio- und Nachhaltigkeitsfundamentalisten ist am ehesten der PC-affine Indiefreund, der jedes Spiel ablehnt, welches sich häufiger als 50 Mal verkauft und abseits obskurer Nischenblogs besprochen wird. Große Publisher? Verbrecher! Fachpresse? Advokaten des Teufels! Während ich der im ersten Absatz nachgezeichneten Klischeevorstellung einigermaßen entspreche, könnte ich von der letztgenannten kaum weiter entfernt sein. Ich bin begeisterter Konsument des Videospielfastfoods. Seit über zehn Jahren spiele ich fast ausschließlich auf Konsolen, kaufe mir die Spiele, reiße die Packung auf und stopfe den ungesunden Inhalt ins Laufwerk. Nur die volle Dröhnung gesättigter Fettsäuren vermag mein Verlangen zu stillen; Schlauchlevel, Auto-Heal, Tutorials, wundervoll. Anspruchsvolle bzw. vermeintlich anspruchsvolle Kost gibt es nur gelegentlich. „Thirty Flights of Loving“, „Papers, please“, „Depression Quest“? Klar habe ich die gespielt, um mitreden zu können. Dauert ja nicht lange. Danach gab es wieder eine Extraportion „Mass Effect 3“, „Max Payne 3“ oder „Irgendetwas anderes 3“. Oder fünf, völlig egal. Eine ganz besondere Fastfood-Affäre ging ich mit „Diablo 3“, einer der bekanntesten Kalorienbomben des populären Systemgastronomen „Blizzard Entertainment“ ein. Als PC-Abstinenzler nahm ich an der Erstveröffentlichung im Jahre 2012 nur als Beobachter teil, las manches und sprach mit meinem damaligen Mitbewohner, einem ungepflegten, aber herzenswarmen Hochleistungsspieler, über den vergeigten Launch. Dieser berichtete mir von Preloading sowie -freude, von den Serverproblemen und „legte“ mit seinen Kumpels bereits in der ersten Session den Oberbösewicht Diablo. Das Gemoser über das dürftige Loot- und Level-System und das allgemein verhasste Auktionshaus drangen ebenfalls an mein Ohr, ließen mich aus genannten Gründen aber kalt. Erst die Veröffentlichung auf den Konsolen weckte meinen Appetit.
Ich entsinne mich dunkel, eine Demo des ersten „Diablo“ gespielt zu haben, die Begeisterung, die einige meiner damaligen Freunde für das Spiel entwickelten, wollte sich bei mir allerdings nicht einstellen, und so beließ ich es bei dieser kurzen Erfahrung. „Diablo 2“ habe ich niemals angerührt, vermutlich würde ich es auf Screenshots nicht erkennen. Warum die ersten beiden Teile mein Interesse nicht wecken konnten, ist mir aus heutiger Sicht schleierhaft. Denn das ihnen zu Grunde liegende Spielprinzip vermag mich durchaus zu begeistern, schon auf der PS2 hatte ich Titel wie „Baldur’s Gate: Dark Alliance“ mit Genuss gespielt. Da mir nach „Torchlight“ auf der XBOX360 weiteres Klopperfutter fehlte, freute ich mich auf die Konsolenportierung. Ich erwarb „Diablo 3“ kurz nach Erscheinen für die PS3 und war hingerissen. Es spielte sich famos, verfügte über eine ansehnliche Präsentation und motivierte mich dermaßen, dass ich es als erstes Spiel überhaupt drei Mal in Folge durchspielte. Viele von den in der PC-Version monierten Aspekten waren für die Konsolenfassung überarbeitet, das Auktionshaus ersatzlos gestrichen worden. Dass das Spiel auf dem Rechner besser aussah und flüssiger lief, scherte mich nicht, fehlte mir doch der Vergleich. Ich war selig. Erst die Ankündigung einer neuerlichen Portierung, dieses Mal für die damals noch neue Konsolengeneration, ließ mich das Spiel beiseitelegen und der Veröffentlichung für die PS4 entgegenfiebern. Nun ist es soweit, „Diablo 3“ ist inklusive des Addons „Reaper of Souls“ erschienen, in der sogenannten „Ultimate Evil Edition“. Ein ähnlich verheißungsvoller Titel wie „Maxi Sparmenü mit extra Schmalz obendrauf“. Im Gegensatz zu den ungenießbaren, krankmachenden Speisen der gängigen Fastfoodketten lässt die Aussicht auf ein „Diablo 3“ im Super-Size-Format mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Und tatsächlich sind meine hohen Erwartungen nicht enttäuscht worden.
Loben & Hudeln
Es ist schwierig zu ergründen, was genau „Diablo 3“ über den Großteil der faden Konkurrenz erhebt und seinen für mich spezifischen Reiz ausmacht. Die mich begeisternden Komponenten im Einzelnen darzustellen ist hingegen ein leichtes. Während mir eine Käsepizza mittelschwere Vergiftungssymptome sowie Abstoßungsreaktionen beschert und ich jeden genossenen Bissen nachträglich doppelt bereue, empfinde ich eine Partie „Diablo 3“ als wohltuend und befriedigend. Tatsächlich freue ich mich bereits morgens bei der Arbeit darüber, abends noch eine Runde zu spielen. So profan das klingen mag, so bemerkenswert ist es, denn dieses Gefühl überkommt mich seit meiner Jugend nur noch selten. Und obwohl ich bereits die PS3-Version ausgiebig gespielt habe, motiviert mich die PS4-Fassung erneut und sogar noch stärker. Das liegt zum einen an der geschliffenen grafischen Präsentation, die zwar nicht überwältigt, aber stimmig und einfach schön ist. Das Design des fünften Aktes sagt mir in seinem Abwechslungsreichtum besonders zu und hebt sich wohltuend vom Rest des Spiels ab.
Zum anderen sind die kleinen, aber immer sinnvollen Neuerungen und Ergänzungen lobend hervorzuheben. Diese reichen von Boni für Gegenstandszerstörungen, über das verbesserte Beutesystem, bis hin zu dem Abenteuer-Modus, der einem nach wiederholtem Durchspielen das lineare Abarbeiten der Kampagne erspart, sollte man nur an einem Happen Looten & Leveln interessiert sein. Sie gestalten das Spielerlebnis noch flüssiger und lassen es flutschen wie eine Portion Majo mit Pommes. Auch in punkto Spielmusik sind Verbesserungen zu verzeichnen, die im fünften Akt dargebotenen Stücke übertrumpfen jene aus dem Hauptspiel nochmals. Die Mischung aus Bombast, Horrorfilmsoundtrack und sanften Tönen schmeichelt meinem Ohr. Ist die Begleitmusik eines Spieles gutklassig, fällt sie mir in der Regel kaum auf. Ist das Dargebotene weniger gelungen, halte ich gelegentlich inne und schüttele den Kopf. Doch um mich das Spiel pausieren und einige Minuten lauschen zu lassen, ist deutlich mehr vonnöten. In einigen besonders guten Momenten fühlte ich mir gar sachte an das Rheingold erinnert. Und das ist meines Erachtens nie verkehrt.
Bring den Vorschlaghammer mit
„Diablo 3“ ist kein Kleinod, kein Diamant. Es ändert nichts an der Art und Weise, wie wir Videospiele betrachten, beschert uns auch keine neuen Eindrücke oder Erfahrungen. Es ist Fastfood. Fettes, salziges, köstliches Fastfood, ein nahezu perfekt gestaltetes Produkt. Ich verstehe jene, die verächtlich gucken und diesen rundgerollten Schleimklumpen aus Marktanalyen und Fanservice voller Ekel in die Gosse treten. Auch ich kann diese Form der Perfektion nicht jeden Tag und nicht auf Dauer ertragen, manchmal wünsche ich mir Ecken und Kanten und diesen ganzen Farz an dem ich meinen Verstand schärfen kann, der mir hilft mich mal wieder so richtig zu spüren etc. Doch wenn es gilt an einem Sonntagnachmittag gepflegt abzudösen, kann ich mir zurzeit wenig Schöneres vorstellen, als eine gepflegte Klopperei auf der Road to Alcarnus oder eine Portion Haumiblau für fünf Pfennig in der Pandemonium Fortress. Ob alleine oder im Koop, online oder lokal, es ist ein Genuss. Ich spreche also eine klare Kaufempfehlung aus und warte auf den Anruf von Blizzard, die mir jetzt hoffentlich eine Stelle in ihrer PR-Abteilung anbieten.
5 Kommentare
Sind Absätze und Zeilenumbrüche auch Teufelszeug?
Die waren aus, sind aber eben nachgeliefert worden.
Ehrlich gesacht: Diese Querverbindung hatte ich so gar nicht, auch wenn ich den Soundtrack des AddOns für weit besser als den des Hauptspiels halte.
Weißt du noch, welcher Track der Musik aus RoS dich ungefähr an welche Stelle im Rheingold erinnerte? Fände ich echt spannend.
Welches Stück das genau war, kann ich nicht sagen. Aber es gibt eine ruhige Passage, deren Stimmung mich an das Vorspiel des Rheingolds oder “Weia! Waga! Woge, du Welle!” denken ließ. Insgesamt wirklich ein sehr gelungener Soundtrack.
“Woglinde, wachst du allein?” ;)
Echt? Gerade das Vorspiel? Ich hatte eher auf sowas wie den Abstieg nach Nibelheim gehofft! ;)
Meinst du Chains of Fate? Das baut sich zumindest ähnlich aus dem Nichts auf wie das Vorspiel. So fröhlich, heiter, ausgelassen wie die Rheintöchter-Szene, die darauf folgt, fand ich RoS aber nirgendwo.
Bei A Mortal Heart ganz am Ende hatte ich auch den Eindruck: “Großartig, aber irgendwo haste das schon mal so ähnlich gehört.” Seven Years in Tibet? Out of Africa? Irgendwie finde ich dann doch nichts, was wirklich ähnlich klingt.