Kinder, wie die Zeit vergeht. Wie die vorgeschriebene Backdauer einer Vierkäsepizza von Alberto verging auch dieses Jahr schneller, als ich eigentlich erwartet hatte. Aufgrund der weisen Entscheidung, von Beginn dieses nun in den letzten Zügen liegenden Jahres an meinen Spielekonsum genauestens zu protokollieren, kann ich nun der geneigten Leserschaft verkünden, daß ich viel zu viel Zeit und Geld in diesen Kinderkram stecke. Für rund 100 Euros pro Monat stahlen mir über 60 Spiele wertvolle Lebenszeit, die ich wesentlich produktiver mit lieben Menschen, körperlicher Ertüchtigung oder dem Schreiben von ein paar mehr als nur neun Artikeln verbringen hätte können (Der niedrige Preis errechnet sich übrigens durch häufige Videothekenbesuche, Budgetsoftware und Spiele, die auf SpielerEins’ PS2 dank schwächelndem Laser nicht mehr laufen). Über die Hälfte davon wurden durchgespielt, etwa drei Viertel waren von diesem Jahr.
Wer wäre nach diesem hochpeinlichem Geständnis zum eremitischem Nerdtum nun besser geeignet als ich, die wahren Höhepunkte und grausamsten Tiefen der Spieleindustrie der breiten Masse darzulegen? Sicherlich ein ganzer Haufen Leute, aber irgendwie muss ich ja die Unsummen und die verlorene Zeit rechtfertigen. Denkt euch bei jeder Kategorie einfach eine toll gestaltete Trophäe dazu, die das Besondere des entsprechenden Preises auf eine unaufdringliche, aber scharfsinnige Weise widerspiegelt.
Zu Beginn vergebe ich den Gunther Messner-Gedenk-Award für die miserabelste Klettersteuerung an Fahrenheit. Hoch und links, hoch und rechts, hoch und links hoch und… oh, zu langsam, alles nochmal! Extrapunkte gibt es für das Fehlen jeglicher Konsequenzen bei den meisten Abstürzen und für mehrere Kletterpartien hintereinander.
Analog zu MTVs “Free your Mind”-Award vergebe ich den “Fuck your mind”-Award an Killer7. Selbst wenn man den Grafikstil und die Geschichte mal außen vor lässt, enthält K7 immer noch mehr Verspultes als alle anderen Spiele dieses Jahr. Brieftaubenpost mit “The Smiths”-Songtiteln? Fake(?) Programmcode im Inventar? Power Rangers-Ripoffs? Bekloppt. Aber geil.
Der Preis für das beste Eingabegerät ever geht eindeutig an Harmonix für ihren Guitar Hero-Gitarrencontroller. Ich spielte schon mit Bongos, Tastatur, Joystick, Joypad, Maus, Trackball, Touchscreen, Mikrophon, Tanzmatte, Maracas, Lightgun, Gameboyhinundherkippen und Kamera, aber seitdem ich davon gehört habe, fühlen sich alle andern Eingabegeräte öd und langweilig an. Obendrauf gibts gleich noch den Preis für die am sehnlichsten erwartete PAL-Version.
Ich glaube, der “Endlich passt das Wort visceral mal wirklich”-Award am goldenen Band sollte wirklich vorher erklärt werden. Visceral heißt, sofern man meinem Oxford Advanced Learner’s Dictionary trauen darf, soviel wie “ohne daß man einen triftigen Grund nennen kann” bzw. “die Eingeweide betreffend” und ist ein inflationär genutztes Wort in englischsprachigen Spielereviews. Beide Bedeutungen treffen jedoch aufs Genaueste auf Shadow of Rome zu. Ich kann tatsächlich nicht erklären, wieso es sich gut anfühlt, jemanden solange mit seinem eigenen Arm zu verkloppen, bis er sich in die Hosen macht, aber es fühlt sich gut an. Okay, herausquellende Herzen und Lebern gibts so dann doch nicht, aber nah genug für mich.
Der GBA-Einschaltton-Award für besten Soundeffekt 2005 geht an diverse Mario Smash Football-Figuren für ihr schrilles Gekreische, wenn man sie in die elektrisch geladene Spielfeldbegrenzung tackelt. Stundenlanger Spaß für die ganze Familie. Zumindest für mich.
Das beste Spielecover 2005 hatte The Warriors für die schlichte Gruppenaufnahme. Gut, es ist nur ein Ausschnitt aus dem tatsächlichen Filmplakat, aber was soll ich sagen, ich hab halt ein Herz für Gangs.
Der Schall-Award für den treffendsten Spieletitel 2005 geht eindeutig an Destroy all Humans!, und für diese Auszeichnung decken wir mal den Mantel des Schweigens über die Schleichmissionen, in denen man genau dies nicht tun soll. Der Rauch-Award für besten Spieletitel überhaupt geht hindessen an It’s Mr. Pants von Rare, welches in einer gerechteren Welt auch alle Preise für Musik und Grafik abgeräumt hätte. Ich mein, “Es ist Herr Unterhose”? Einfach unschlagbar.
Destroy all Humans! erhält dieses Jahr noch einen weiteren Preis, und zwar den Bonusmaterial Galore-Award. Sicher, viele Spiele haben fesche Making Ofs oder Konzeptkunst, aber DAH! hat den kompletten Übertrashfünfzigerjahresciencefictionfilm “Teenagers from Outer Space” auf der DVD. Da kommt keiner über.
Einen Preis, der nicht anders als Der Anti-Die üblichen Verdächtigten-Award heißen kann, verdient Fahrenheit als das Spiel, welches es dieses Jahr schaffte, am Ungenießbarsten beim zweiten Durchspielen zu sein. Diese Leistung erbrachte David Cages Meisterwerk durch das gründliche Zerstören der beim ersten Durchspielen aufgebauten Illusion, die Geschichte tatsächlich nachhaltig beeinflussen zu können. Gratulation!
Ausgezeichnet mit dem Badass-Award für gefühlte Unbesiegbarkeit wurde in diesem Jahr Pandemics Mercenaries. Als Söldner im neuentflammten Koreakrieg kapert man Tanks, zerstört Hubschrauber und sprengt Fußtruppen, daß es eine Freude ist. Übermächtige Gegneransammlungen werden flugs per herbeordertem Airstrike vernapalmt, und irgendwie kommt man überall lebend durch. Trotzdem hat man nie das Gefühl, die Gegner hätten keine Chance – gelungene Spielbalance. Und das Beste: Selbst wenn man stirbt (was dann doch häufiger passiert, als die vorherigen Sätze es erscheinen lassen; es fühlt sich nur nicht so an, weil:), behält man all seine Waffen. Das Spiel für den Bruce Willis in dir. Allerdings nur auf der X-Box, auf der PS2 gibts mehr Pop-up als Blow-up.
In der Kategorie Sinnvollste Miniinnovation gewann Ratchet: Gladiator für einen kleinen Dreh am inzwischen standartisierten Shooter 10-Waffen-System. Nicht nur, daß sich die Waffen durch Benutzung konsequent weiterentwickeln, so kann auch jede Waffe individuell verändert werden. Höhere Feuerrate, mehr Splash Damage, mehr Muni, mehr Schaden, Blitz- und Mind Control-Extras; alles ist variierbar, ganz nach den eigenen Vorlieben. Muss man nicht ändern, aber man kann. Oh, und die Nahkampfwaffe ist ein Morgenstern in LKW-Größe. Da kann kein Brecheisen mithalten.
Was wären Spiele ohne Protagonisten? Abstrakter. Ähm. Egal, der Preis für den besten Protagonisten geht jedenfalls an Kratos, den Schlitzer aus God of War, der bewies, daß man nicht zwingend einen Oneliner nach dem anderen von sich geben muss, um zu überzeugen. Dass er alleine ganze Legionen von Fabelwesen niedermetzelt, spricht natürlich auch für ihn.
Der Meister-Spaß-pro-Fingerbewegung-Award geht an Smackdown! vs. Raw 2006, weil ich hier primär zugeguckt habe. Und wenn es falsch ist, alle Wrestler KI-gesteuert die Championgürtel untereinander auskämpfen zu lassen, dann will ich nicht richtig sein!
Das Ab-Achtzehntigste Spiel dieses Jahres war, wie bereits vor einigen Monaten erwähnt, Killer7. Natürlich gehört ein Spiel über äußerst explizite Gewaltdarstellung, Sex mit Behinderten und Fetischkostümgeistern nicht in Kinderhände, aber das Schöne ist, dass Spieler unter 18 Jahren (und viele darüber) Killer 7 eh furchtbar kacke finden.
Und schließlich kommen wir zum wichtigsten Preis für Romanleser, der Planescape: Torment-Gedächtnispreis für herausragende Leistungen im Bereich der Geschichte geht an Freedom Force 2, und das hauptsächlich aufgrund der beknackten Vorgeschichten und bizarrer Zeitreiseepisoden. Ein kleiner Grund ist allerdings auch, dass ich mir so nicht vorwerfen lassen kann, nur Konsolenspiele toll zu finden.
So, weitere und auch tolle Awards gibt es bei SpielerEins, aber das wusstet ihr ja sicher schon.
Hoppla, da hätte ich ja glatt den Eye of the Beholder-Ehrenpreis für missratene Enden vergessen! Der geht im Jahre 2005 unbestritten an Path of Neo, welches so bekloppt endet, dass jeder es sich selbst einmal anschauen sollte:
Was
ein
Scheiß.
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