Es ist ein Rollenspiel. Ein ganz normales Offline-Rollenspiel, wie man sie vielleicht noch von früher kennt, ohne Ninjaloot, N811, PKK und sonstigen Dingen. Aber auch ohne kilometerweite Landschaften und dem allseits beliebten HDR-Rendering. Die NPCs besitzen keine 150 individuellen Sätze für jede Klasse, Rasse und Unterhosenfarbe. Meine Güte, über questrelevanten Personen schwebt nicht einmal ein Ausrufungszeichen! Eine mutige Entscheidung der Cypr0n… äh… Cypron Studios, so ein Spiel in der heutigen Zeit zu veröffentlichen. Zu mutig?
Die Hintergrundgeschichte ist ebenso altbekannt wie pathetisch: Eine handelsübliche Phantasiewelt, Bellarion, wird zum Schauplatz der Zwistigkeiten einiger missgelaunter Götter, nachdem der Obergott unfreiwillig den Löffel abgegeben hat. Nach den üblichen einigen tausend Jahren Krieg, findet ausgerechnet der furchtbar böse Gott der Dunkelheit, Mortagorn, eine Superwaffe, die alles bis auf die Moleküle wegbrutzelt, also so eine Art BFG für Götter.
Natürlich können die anderen Götter das nicht auf sich sitzen lassen, und so erschafft der Gott des Feuers, Arswaargh (kein Scherz, wohl von Dawn of War geklaut…), eine junge Frau namens Vivien, die am Hafen der Stadt Slavingrad aufwacht, die die Hauptstadt des Landes Slawonia darstellt. Soviel zum etwas seltsamen Humor der Entwickler, die – Überraschung! – zufällig aus der schönen Slowakei kommen. Wer jetzt erwartet, dass sich diese Art von Humor durch das ganze Spiel zieht – liegt absolut richtig.
Soviel also zum schmalzigen Vorgeplänkel, dass dem geneigten Spieler in einer Introsequenz im Stil von Wizardry 8 präsentiert wird, demnach in schön gezeichneten Standbildern mit typischem Fantasy-Gedudel und einer deutschen Sprecherin, die entweder mit Schnupfen oder Polypen ausgestattet ist, vorgetragen. Im Spiel selbst sind übrigens bloß die Texte (anständig) übersetzt, lediglich wichtige Dialoge werden von immerhin sehr guten englischen Sprechern intoniert.
Auch das restliche Spiel präsentiert sich wunderbar altmodisch: Vivien steuert man wie in den Might & Magic- und Wizardry-Teilen aus der Ich-Perspektive und kann bis zu einem halben Dutzend Mitstreiter mitschleppen, die sich einem zu fest vorgeschriebenen Zeiten anschließen und wieder von dannen ziehen. Was sehr frustrierend sein kann, wenn sich die mühsam hochgezüchteten Begleiter inklusive teurem Equipment urplötzlich aus dem Staub machen.
In der Anfangsstadt findet man sich ob der beschaulichen Größe schnell zurecht und nimmt erste Quests an. Die bestehen meistens aus simplen Botengängen und völlig ungefährlichen Eskorten von NPCs. Hier gibt es schon einen wesentlichen Unterschied zu neumodischen Genrevertretern: Erledigte Aufgaben resultieren nicht in einem Schwall an Erfahrungspunkten, sondern bringen ausschließlich bitter benötigtes Gold in die Abenteurerkasse. Dieses beschert einem neue Ausrüstung, Proviant und Unterricht bei Lehrmeistern, doch dazu später mehr. Doch selbst das durch Aufträge verdiente Kleingeld ist nicht ausreichend, um sich angemessen mit alledem einzudecken. Die einzige wirklich ergiebige Möglichkeit Geld zu verdienen stellt der Handel dar. Überall in der Welt stehen Händler herum, der eine kauft gerne Felle, Krallen und sonstigen Kram von erledigten Vertretern der einheimischen Fauna, ein anderer sucht Töpferwaren. Das Ende vom Lied ist dann ein auf Dauer genervter Spieler, dem das andauernde Hin und Her auf den Senkel geht.
Zwei große Kritikpunkte habe ich jedoch gerade an den Städten: Es ist grundsätzlich nicht möglich Häuser zu betreten. Das mag für Einsteiger manches erleichtern, muss man doch nicht etliche Wohnungen nach einem nützlichen NPC durchsuchen. Daran leidet selbstredend die Glaubwürdigkeit der Spielwelt. Und noch etwas knabbert daran: Die Einwohner besitzen keinerlei Tagesablauf. Gut, einige Leute stehen herum und unterhalten sich oder laufen durch die Straßen, aber egal ob es Tag oder tiefste Nacht ist, die Händler und ihre Kunden befinden sich unablässig an ihren Ständen, so als wenn gar nichts wäre. Obendrein sitzen Gäste einer Kneipe ebenfalls rund um die Uhr auf ihren Bänken und futtern spät nachts vor sich hin.
Was wäre eine waschechte Phantasiewelt ohne Monster? In den Wäldern lauern u. a. Wölfe, Bären, Spinnen, Echsenwesen und Banditen, alle in unterschiedlichen Stärkegraden.
Kommt man diesen Wesen zu nahe, wechselt das Spiel auf den Kampfbildschirm, auf dem sich die Teilnehmer rundenweise die Birne einschlagen. Pro Runde kann eine von mehreren Aktionen ausgeführt werden, die unterschiedlich viele Aktionspunkte kosten. Ein simpler Schlag kostet gerade mal einen Punkt, während für einen spektakulären Doppel- oder sogar Dreifachschlag deutlich mehr fällig werden. Auch Formationen kann man vorher festlegen. Am ehesten erinnern die Kämpfe an Disciples 2: Die Einheiten stehen auf festen Feldern und können immer genau eine Sache machen. Kämpfer schlagen munter drauflos, Bogenschützen schicken einen Pfeilhagel Richtung Gegner und Zauberer beschwören Mitkämpfer, heilen Verbündete oder lassen Kampfzauber vom Stapel. Verbrauchte Aktionspunkte lassen sich durch das Aussetzen einer Runde (Verteidigen) regenerieren. Besonders mächtige Angriffe erfordern sogar von vornherein das Abwarten einiger Runden, nur um daraufhin umso effektiver ins Kampfgeschehen einzugreifen.
Die Anfangs sehr simpel wirkenden Kämpfe gewinnen im Spielverlauf durch mehr Mitstreiter, neue Fähigkeiten und mächtigere Gegner stark an Taktik und Schwierigkeit. Manche Monster schicken einen Helden schon mit zwei bis drei Schlägen zu Boden, da hilft nur der kluge Einsatz von Fähigkeiten weiter.
In Szene gesetzt werden die Scharmützel übrigens von einer überaus schwenkfreudigen (optionalen) Kampfkamera, deren Dynamik man als „überraschend“ bezeichnen könnte, oder auch „verwirrend“ und „konfus“. Da wird es schon mal zu einem kleinen Abenteuer das Biest so zu bändigen, dass man die angerichteten Schadenspunkte der Gegner sieht und selbige auch problemlos – zwecks Angriffs – anklicken kann.
Nach erledigten Kämpfen heißt es absahnen: Die gewonnenen Erfahrungspunkte werden unter allen Teammitgliedern aufgeteilt, und die Beute wandert in die Rucksäcke. Nach einem Aufstieg dürfen fünf Punkte auf fünf typische Rollenspielattribute verteilt werden. Ein richtiges Klassensystem gibt es übrigens nicht, stattdessen kann man sich bei Lehrern gegen Bares stufenweise in den Disziplinen Alchemist, Kämpfer, Dieb und Magier fortbilden lassen. Ein solcher Aufstieg bringt einem nicht nur bessere Angriffe, sondern gewährt auch Zugang zu besserer Ausrüstung. Somit findet Gods genau die richtige Mischung: nicht gerade hochkomplex, aber auch nicht zu simpel. Für Bastelfreunde besteht auch die Möglichkeit, Ausrüstung und Zauberbuch mithilfe von schwer zu findenden und daher sehr kostspieligen Kristallen zu verbessern.
In regelmäßigen Abständen müssen selbst die stärksten Kämpfer mal trinken und etwas zu essen zwischen die Zähne bekommen. Besonders nach dem Rasten, um etwa Verletzte zu heilen oder nicht in der Dunkelheit unterwegs zu sein, ist eine kleine Auffrischung nötig. Sollten die Werte für Flüssigkeit und Nahrung unter einen bestimmten Grenzwert fallen, gibt es zur Strafe temporäre Abzüge bei den Attributen.
An Fressalien gelangt man relativ einfach, besonders am Anfang, da unter den ersten Widersachern häufig Wölfe sind, die neben verhökerbaren Fellen auch saftige Keulen fallen lassen. Den Flüssigkeitshaushalt steigert man am besten mit gefüllten Wasserschläuchen, die es in jeder größeren Siedlung sehr günstig zu kaufen gibt.
Der Sinn des ganzen ist natürlich, dass der Spieler nicht ständig rastet, um quasi einen eingebauten God-Mode zu besitzen, denn während des Rastens wird die Gruppe nicht attackiert. Allerdings wird es gerade bei einer größeren Party eine mittelgroße Klickorgie, um Essen und Trinken allen Mitgliedern erst in den Rucksack zu packen, sie von dort aus zu verpflegen, die Sachen wieder zum Nächsten zu bugsieren, usw.
Die Präsentation von Gods kann als gelungen bezeichnet werden, allerdings nur, wenn man nicht zu den Personen gehört, die ein System mit Quad-SLI im Zimmer stehen haben und bei denen neben zusammengeknüllten Taschentüchern ein dickes Buch mit den neuesten Technik-Features der nächsten fünf Jahre unter dem Bett liegt.
Die Entwickler haben eine eigene Grafikengine namens Spirith 3D aus dem Ärmel geschüttelt, weil 1. eine Lizenz der Standard-Engines für ein so kleines Studio viel zu teuer wäre und sie sie 2. einfacher an ihre Bedürfnisse anpassen können.
Landschaftlich sieht die Welt bis auf die etwas arg kantigen Hügel wirklich sehr schön aus. In den dichten Wäldern brechen vereinzelt Sonnenstrahlen durchs Blätterdach, die Siedlungen sind richtig glaubhaft aufgebaut, und in den zahlreichen Seen und Flüssen spiegelt sich die Umgebung. Es ist natürlich nicht mal ansatzweise mit Oblivion oder Gothic 3 (obwohl…) zu vergleichen, aber dass will es doch auch gar nicht. Ich musste mich zwar erst mit den überaus farbenfrohen und knalligen Texturen und den etwas eckigen Personen anfreunden, aber mit der Zeit störte mich das überhaupt nicht mehr. Lediglich die schwachen Animationen (allerdings nicht im Kampf) sind auffällig. Anzumerken ist allerdings, dass ausgerechnet der erste zu durchwandernde Landschaftstyp grafisch etwas schwächelt. Die späteren Areale, z.B. die Elfenwälder mit ihren herbstlichen Pastellfarben oder der zauberhafte Silberwald (leider ohne Förster), machen richtig was her. Ähnlich wie bei World of WarCraft und den dreidimensionalen GTA-Teilen sind einzelne Landschaftselemente nicht gerade ein Augenfang, das Gesamtwerk hingegen beeindruckt.
Es steht auch ein netter Leuchteffekt zur Verfügung, der dem Spiel ein sehr märchenhaftes Aussehen verleiht und einige Pixeltreppen vertuscht, allerdings auf Kosten der Texturenschärfe, und nicht jeder möchte einen Weichspüler über seinem Bild haben.
Es ist schon erstaunlich, dass ein so kleines Entwicklerstudio es geschafft hat, das Flair der alten Rollenspielgarde einzufangen. Die letzten Titel, denen dies gelang waren Wizardry 8, Wizards & Warriors und vielleicht noch Arx Fatalis. Wer damit klarkommt, dass Welt, Spieltiefe und Spielzeit nicht gerade episch sind und die Optik keine Grafikkarte mehr ins Schwitzen bringt, der sollte Gods unbedingt eine Chance geben. Ich hoffe inständig, dass die Entwickler über genügend Motivation und Finanzmittel für einen Nachfolger verfügen, ich würde es ihnen wirklich gönnen.
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