Herzlich willkommen, liebe Freunde der seichten Unterhaltung! Heute soll es einmal um Wölfe gehen. Und Spiele. Und Zufälle…
Fangen wir mal mit den Zufällen an: Wie viele Spiele fallen Euch spontan ein, in denen man einen Wolf spielt? Nicht besonders viele, oder? Um so erstaunlicher ist es, dass innerhalb weniger Monate gleich zwei Action-Adventures erschienen sind, die dieses Kriterium erfüllen. Das nenne ich mal einen Zufall!
Natürlich glaube ich nicht wirklich, dass es sich um einen Zufall handelt, wenn sowohl in Okami als auch in The Legend Of Zelda: Twilight Princess der zu spielende Protagonist ein Wolf ist. Das Phänomen ist ja bereits lange aus Hollywood bekannt: 20 Jahre lang dreht niemand mehr einen Robin Hood-Film und plötzlich kommen innerhalb eines Jahres gleich zwei oder drei Strumpfhosen-Filme ins Kino. Im Gegensatz zu den regelmäßigen Epigonen-Wellen, in denen einem erfolgreichen Genre-Film in den nächsten paar Jahren diverse Trittbrett-Produktionen folgen (siehe beispielsweise Star Wars, Mad Max 2 oder auch Pulp Fiction), wurde bei dem Robin Hood-Beispiel ganz offensichtlich schon während der Produktionsphase abgekupfert. Wer von Wem geklaut hat, ist in solchen Fällen meist nicht zu klären. Man kann bestenfalls spekulieren, wird aber nie zweifelsfrei sagen können, wer nun wirklich der Ideenklauer war. Aus diesem Grund wollen wir uns auch gar nicht lange mit der Frage aufhalten, wer zuerst auf den Wolf gekommen ist, Nintendo oder Clover, sondern uns lieber mal, gewohnt kritisch und investigativ, mit den beiden Spielen beschäftigen. Und da mir SpielerDrei durch seine wirren Gedanken zum aktuellen Zelda schon zuvorgekommen ist, bleibt ja nur das Wolf-Spiel der Clover Studios übrig: Okami.
Warum ich Zelda: TP hier trotzdem erwähne und mich nicht einfach auf Okami konzentriere, hat einen weiteren Grund. Neben dem oben erwähnten „erstaunlichen Zufall“, dass man auch in Links neustem Abenteuer, wenn auch nur streckenweise, einen Wolf spielt, gibt es noch eine weitere Verbindung zwischen den beiden Spielen: Man findet einfach keinen Okami-Review, in dem nicht darauf hingewiesen wird, dass Okami im Grunde eine Art Zelda für die PS2 ist. Mich stört dieser Vergleich irgendwie. Natürlich gibt es neben der Wolf-Geschichte noch andere Ähnlichkeiten, aber die Zelda-Reihe ist kein Genre für sich. Das (schwammige) Genre ist in diesem Falle das „Action-Adventure“. Und die Zelda-Reihe hat dieses Genre auch ganz sicher nicht erfunden.
Warum fällt aber trotzdem Jedermann sofort auf, dass Okami Gameplay-Ähnlichkeiten zu Zelda besitzt, aber keiner erwähnt die viel interessantere Wolf-Parallele? Vielleicht, weil Okami (im NTSC-Raum) vor Zelda: TP erschien und man deshalb ganz schnell zu dem (eventuell falschen) Schluss kommen könnten, dass Zelda bei Okami geklaut hat? Wäre doch durchaus denkbar…
Zelda ist so eine Art Institution. Ein Über-Spiel. Ein Heiligtum, dem man sich lieber nicht zu kritisch nähert, wenn man nicht in Sakrilegsvorwürfen ersticken will.
Eine Einschätzung übrigens, die ich bis vor kurzem überhaupt nicht teilen konnte, da mich bisher jedes Zelda schon nach wenigen Stunden so gelangweilt hat, dass ich es nicht weiterspielen wollte. Allein Ocarina Of Time habe ich ganze dreimal begonnen und jedes Mal habe ich nach ein paar Stunden wieder die Lust verloren. Zelda war für mich immer das Need For Speed unter den Action-Adventures: Für nahezu jeden ist es die Genrereferenz und ich habe keinen Schimmer warum…
Ich möchte allerdings anmerken, dass sich meine Einstellung Zelda gegenüber durch Twilight Princess kürzlich geändert hat, denn diesen Teil der Serie finde ich extrem gelungen und habe ihn begeistert durchgespielt. Vermutlich liegt es daran, dass Zelda: TP eher linear (oder besser „story-driven“) ist, wogegen die älteren Teile noch einen höheren „Sandkastenfaktor“ besaßen. Dummerweise kann ich Sandkastenspielen nur wenig abgewinnen, wodurch sich wohl auch meine persönliche GTA-Aversion erklärt.
Dennoch hat mich die angesprochene Reduzierung Okamis auf einen Zelda-Epigonen ziemlich genervt, denn der Vergleich mit Zelda wäre für mich eher ein Grund gewesen, die Finger von dem Spiel zu lassen. Und als ich Okami dann (noch vor dem neuen Zelda) durchgespielt hatte, dachte ich die ganze Zeit nur „Wie kommen die eigentlich alle zu diesem Vergleich? Okami ist toll und Zelda ist langweilig!“
Wie dem auch sei, bevor ich mich weiter in SpielerDrei´schen Gedankensprüngen und meinen patentierten Abschweifungen (SpielerDrei hat das mal „Lieber-Onkel-Plauder-Stil“ genannt) verliere, erzähle ich Euch jetzt endlich, warum Okami ein Spiel ist, das mir viel besser als alle Zeldas vor Twilight Princess gefallen hat:
Das Spiel ist von den berühmten Clover Studios!!!1!11!eins…
Ähm… Verdammt… Das ist in meinen Augen eigentlich gar kein Kaufgrund, denn die Viewtiful Joe-Spiele finde ich doof und extremst überbewertet. Hmm… Ok, vergesst das mit den Clover Studios. Vor Okami wäre ich vermutlich sogar der Meinung gewesen, dass es eigentlich auch besser sei, dass sie in Kürze geschlossen werden. Aber das, was Clover hier mit Okami abliefern, ist ein Spiel, welches man so noch nicht gesehen hat!
In Okami, was auf Japanisch schlicht „Wolf“ bedeutet, spielt man die Sonnengöttin Amaterasu, die in Gestalt eines Wolfes in unsere Welt kommt, um gegen den wiedererwachten achtköpfigen Drachen Orochi zu kämpfen. Diese Bestie, die vor genau hundert Jahren das letzte Mal besiegt worden ist, hat erneut einen Fluch über die Welt gebracht, der alles Leben vernichtet und nur trostlose Finsternis zurück lässt. Zusammen mit Issun, einem kleinen Käfer, der sich Amaterasu (oder kurz „Ammy“) angeschlossen hat und im weiteren Verlauf der Geschichte den Part des geschwätzigen, vorlauten und durchaus witzigen Sidekicks übernimmt, erkundet der Spieler nach bekanntem Schema immer größere Teile der Spielwelt, um am Ende dem ultimativen Gegner gegenüber zu stehen.
Der eigentliche Verlauf des Spiels ist genretypisch und in der Tat „zelda-like“: Man beginnt in einem relativ überschaubaren Areal und erschließt sich im weiteren Verlauf durch das Erledigen von Sidequests sowie dem damit verbundenen Erwerb von neuen Charakterfähigkeiten immer weitere Teile der Spielwelt. Außerdem gibt es neben der Hauptstory viele weitere Möglichkeiten, Dinge zu sammeln und Geheimnisse zu entdecken. So weit, so unoriginell. Jedoch besitzt Okami viele weitere Zutaten, die es dennoch zu einem sehr außergewöhnlichen Spiel machen.
Aber damit nicht genug, denn die ausgefallene Grafik ist nicht nur Stilmittel, sondern auch gleichzeitig wichtiger Bestandteil des Gameplays:
Ammy ist eine Göttin und hat natürlich auch göttliche Kräfte, die weit über die Fähigkeiten eines herkömmlichen Wolfes hinausgehen (also Knurren, den Mond anheulen, das Bein heben, Katzen jagen, sich das Fell kratzen und arglose, amerikanische Rucksacktouristen in Werwölfe verwandeln…). Ammy kann ihre Umwelt direkt manipulieren, indem sie sie einfach per Pinselstrich umgestaltet. Der Spieler kann jederzeit an jeder Stelle des Spiels in einen Malmodus umschalten und mithilfe bestimmter Pinseltechniken, von denen man im Laufe des Spiels immer mehr erlernt, Dinge manipulieren, reparieren oder gar erschaffen. Ein Fels versperrt den Weg? – Kein Problem! Mit einem beherzten Pinselstrich quer durch den Felsen ist der Weg frei. Eine Brücke ist unpassierbar? – Nicht mehr lange. Wir malen uns einfach eine neue! Der Pinsel ist dabei übrigens Ammys Schwanz, für diejenigen, die sich fragen, wie ein Wolf denn überhaupt malt…
Die Pinseltechniken dienen natürlich nicht nur dem Lösen von Problemen und Rätseln, sondern sind auch fester Bestandteil des Kampfsystems. Ammy hat bei den Kämpfen mit Dämonen und Bossgegnern immer eine Mischung aus herkömmlichen Waffen und ihren magischen (Pinsel-) Fähigkeiten zur Verfügung, was neben taktischer Tiefe auch viel Abwechslung in das Spiel bringt. Leider, leider relativiert sich dies ein wenig durch den recht niedrigen Schwierigkeitsgrad der Kämpfe. Zwar ist man mindestens 30 Stunden ordentlich beschäftigt und findet auch keinen Leerlauf vor, aber die Standardkämpfe des Spiels kann sogar ein Blinder ohne Arme locker gewinnen, indem er einfach mit der Nase immer wieder auf das Gamepad drückt. Und das, obwohl Okami ja prinzipiell ein recht interessantes Kampfsystem mitbringt, welches eben nicht aus stumpfem X-Drücken besteht. Aber was nützt das, wenn die meisten Wald-Und-Wiesen-Gegner keine echte Herausforderung darstellen?
Glücklicherweise gilt dies aber nicht für die coolen Bosskämpfe oder die Rätsel oder was sonst noch so in der Welt von Okami zu erledigen ist. Dennoch hätte ich mir persönlich etwas mehr Herausforderung in den Standardkämpfen gewünscht. Dann hätte ich vielleicht auch nicht im späteren Verlauf des Spiels immer einen Bogen um jene Gegner gemacht, gegen die man nicht unbedingt kämpfen muss. Nun, vielleicht hätte ich die Kämpfe trotzdem gemieden, aber dann wenigstens aus Angst, nicht aus Langeweile…
Das bei weitem Beste an Okami ist für mich persönlich die Tatsache, dass man eher erschafft, statt wie sonst üblich zu zerstören. Es ist tatsächlich ein erhebendes Gefühl, wenn man einen vorher verfluchten Landstrich wieder zum Erblühen gebracht hat. Die Flora und Fauna ergießen sich geradezu über die vorher graue und tote Landschaft. Diese Sequenzen sind wirklich großartig in Szene gesetzt und zutiefst emotional!
Aber auch die kleinen Dinge zwischendurch, wie das Wiederbeleben einzelner Bäume und Sträucher, geben dem Spieler ein positives Grundgefühl. Man erfüllt Dinge mit Leben. Gibt der Natur wieder ihre Kraft zurück. Einfach so, per Pinselstrich im Auftrag des Guten. Das bieten einem nicht viele Spiele…!
Für mich ist die unterschwellige Öko-Message im Spiel übrigens eine weitere Parallele zu den Filmen von Miyazaki, der ähnliches z.B. bei „Princess Mononoke“ (1997) oder „Nausicaä“ (1984) gemacht hat. „Der Mensch im Einklang mit der Natur“ ist generell ein recht häufiges Thema in der japanischen Folklore; aber das nur am Rande…
Keine Frage: Zerlegt man das Spiel in seine Einzelteile, so kann man sagen, dass außer der wirklich einzigartigen Optik alle Gameplayelemente schon in anderen Spielen zu bestaunen waren. Der generelle Ablauf entspricht sehr dem typischen Action-Adventure der Marke Zelda (Hah! Da ist es wieder!) und das Pinselschwingen ist nichts anderes als ein abgewandeltes Gestensystem á la Black & White. Da Okami aber alle Elemente so wunderbar rund miteinander verquickt und zudem in eine märchenhaft-epische Gut-Und-Böse-Geschichte im altertümlichen Japan einbettet, entsteht etwas Außergewöhnliches, das man sich auf jeden Fall einmal anschauen sollte, wenn man dem Genre auch nur ein Fitzelchen abgewinnen kann! Außerdem ist Okami ein klasse Positiv-Beispiel für die Unterbringung von Kunst in Videospielen, ohne dass sie dabei zum Selbstzweck verkommt. Ein Thema, über welches ich mich ja erst kürzlich derbe aufgeregt habe…
Am Ende noch eine Bemerkung, die ich schon länger loswerden möchte:
Ich persönlich sehe die PS2 noch lange nicht am Ende ihrer Lebensspanne. Dafür ist die PS3 aufgrund ihres frechen Preises und des mageren Softwareangebotes einfach immer noch zu unattraktiv. Außerdem ist es in den letzten Wochen zu meinem persönlichen Lieblings-Idioten-Standardspruch in PS2-Reviews geworden, dass der Autor immer, wie aus einem unerklärbaren Zwang heraus, schreiben muss, dass es sich hier um einen der letzten wichtigen PS2-Titel handele und man diesen auf keinen Fall verpassen dürfe… Ich halte das für Bullshit! Wenn man sich mal die Release-Listen der nächsten Monate anschaut, muss doch auch der minderbemittelste, talentloseste, kleine Online-Schreiberling erkennen, dass noch tonnenweise geile Spiele für die PS2 kommen werden, oder?! In diesem Sinne, gehabt Euch wohl, liebe Junkies, und verschenkt Eure PS2 nicht voreilig an Tante Frida oder die KiTa nebenan…
2 Kommentare
Kann dem (, ich weiß, etwas älterem) Artikel nur vollends zustimmen, Okami ist echt ein wunderbares Videospiel. Und das mit dem Zelda-Klon verstand ich, nachdem ich die Wii-Version durchgespielt hatte, auch nicht so wirklich.
Aber das beiseite, denn ich fand die Musik ebenso einfach richtig genial, dass ich mir auch den Soundtrack aud Japan importieren musste (5CDs!), um diese wundervollen Klängen ungebunden vom Spiel immer wieder hören zu können. Aber auch vom grafischen Gesichtspunkt her finde ich, dass das Spiel vom Stil her eines der schönsten überhaupt ist. Ebenso wie dir gefiel mir auch die japanische Mythologie, um die das ganze Spiel aufgebaut war, wobei mir die Gemeinsamkeiten mit Miyazaki (ich liebe seine Ghibli-Filme^^) garnicht mal so aufgefallen sind, ich diese nun aber absolut nachvollziehen kann.
Vor allem aber das Ende fand ich richtig schön gemacht, als gerade Issun, der ja kurz zuvor Amaterasu verlies, derjenige war, der ihr durch den wiedergefundenen Glauben der Menschen an die Götter die nötige Kraft gab, den Endboss zu besiegen.
Hach, wie ich von diesem Spiel schwärmen kann… =)