Das bereits im Jahre 2003 erschienene Spiel Ghost Master gilt schon seit längerer Zeit als eine Art Geheimtip. So kommt es mir zumindest vor, denn immer wieder lese ich darüber, wenigstens in einem Nebensatz, in allerlei Blog- und Website-Artikeln. Im Gegensatz zu vielen anderen Titeln, die ungefähr zu dem Zeitpunkt, als die halbe Welt gerade damit beschäftigt war, “FarCry”, “Half-Life 2” und “Doom 3” zu spielen, in die Läden gelangten, hat “Ghost Master” den Weg in die Kataloge vieler Online-Distributoren gefunden und wird dort meist für deutlich unter 10 € verkauft.
Dass das Spiel nicht den gleichen Bekanntheitsgrad erlangte wie bereits etablierte Serien namhafter Entwicklungsstudios, liegt jedoch nicht allein an der damaligen Verfassung des Marktes, es ist ebenfalls dem Umstand geschuldet, dass “Ghost Master” zu Beginn des Spiels ein ziemlich unzugängliches Biest ist. Nach einem kurzen, Appetit anregenden Render-Intro, das auch heute noch recht angenehm anmutet, mit dem die visuelle Präsentation des eigentlichen Spiels jedoch nicht annähernd mithalten kann, wird man erst einmal von den verschachtelten Drop-Down-Menüs erschlagen und von der komplizierten Steuerung abgeschreckt.
So gerechtfertigt das Meckern über Multi-Plattform-Spiele und Portierungen von Konsolen mit miesen Film-Umsetzungen, schlecht auf die PC-spezifischen Eingabemöglichkeiten angepaßte Steuerung, blaue Speicherkristalle und verwaschene Texturen auch ist, hat die Konsol-idierung bei den Videospielen doch auch ihr Gutes. In den letzten sechs Jahren hat sich einiges getan, mittlerweile stehen die Hersteller von PC-Spielen wohl enorm unter dem Druck, einen ebenso einfachen Zugang zu den jeweiligen Spielinhalten zu bieten wie ihre Pendants auf den Konsolen.
Aber was ist denn nun der Inhalt von “Ghost Master”, könnte man berechtigterweise fragen. Nun ja, der Titel verrät es schon: Man schlüpft in die Rolle eines Geister-Meisters und tut, was ein Herr über gruslige PSI-Phänomene und Schreckgespenster eben so tut: Sterblichen einen so heftigen Schrecken einzujagen, dass ihre Knochen schlottern und ihnen das Blut in den Adern gefriert. Sollte dieses Konzept jemandem bekannt vorkommen: Ja, es ähnelt Bullfrogs höllischem Gruft-Simulator Dungeon Keeper. Bis auf die Tatsache, dass das Spiel einem deutlich weniger Freiheiten läßt als Molyneuxs klassisches God-Game. Mehr zu tun, nein, es sollte besser heißen: Mehr Arbeit macht Ghost Master einem als Spieler auch, denn die verschiedenen geisterhaften Gestalten scheinen etwas phlegmatisch veranlagt zu sein. Anstatt ihre wehrlosen Opfer selbständig durch die Flure eines für eine Gruselgeschichte obligatorischen Studentenwohnheims für Mädchen, aus einer verfallenden Villa auf dem Hügel, dem Polizeirevier oder in den Keller der originalgetreuen Kopien der Holzhütte aus “Evil Dead” zu jagen, bewegen sich die meisten geisterhaften Erscheinungen freiwillig keinen Millimeter weit, falls ein Sterblicher oder eine Sterbliche, die sie verängstigt haben, die Flucht ergreift.
Es ist ja nicht verkehrt, den vielen verschiedenen Arten von Geistern gewisse räumliche Einschränkungen aufzuerlegen, beispielsweise Elementargeister nur draußen oder in der Nähe von Wasser, Feuer und so fort, die geplagten Seelen Verstorbener dagegen ausschließlich innerhalb geschlossener Räume herumspuken zu lassen, doch in “Ghost Master” können die Geister in der Regel ihre Kräfte leider nur in einem festen Radius um genau den Punkt, den man ihnen zuvor zugewiesen hatte, ausüben. Befindet sich niemand, den sie erschrecken könnten, in ihrer Nähe, ist wieder der Meister am Drücker und muß sie ein weiteres Mal an ein Objekt in der Nähe eines Sterblichen, den es zu vertreiben gilt, binden. Sofern es denn überhaupt eines gibt (dazu gleich mehr). Bei der Vielzahl an Zimmern, die womöglich noch auf mehrere Etagen verteilt sind, kann es schon vorkommen, dass man sich die Finger wund klickt.
Eines kann man “Ghost Master” nicht vorwerfen: Einen Mangel an Vielfalt. Immer wieder am gleichen Ort mit ein und denselben Geistern die Menschen zu verängstigen und zu vertreiben, wäre ja auch langweilig. Aus diesem Grund existieren verschiedene Lokationen, Spielfiguren mit individuellen Ängsten und Schwächen und mehrere Typen von Geistern, die über unterschiedliche Kräfte verfügen. Auch die Aufgaben der Spielerin oder des Spielers variieren vom Schema “Erschrecken bis die Nerven blank liegen” – Mal muss man Polizisten an den Tatort eines vergangenen, fürchterlichen Verbrechens locken, dann junge Studentinnen dazu bringen, ein okkultes Ritual zu vollführen; dabei stößt man immer auch auf Sidequests, bei denen es einem gelingen kann, an bestimmte Orte oder Objekte gefesselte, noch unbekannte Geister zu befreien. Ebenso wie die benötigte Zeit wirkt sich dies positiv auf Punkte, die einem am Ende jedes Levels gutgeschrieben werden, aus, mithilfe derer man seinen bislang rekrutierten Gespenstern neue Fähigkeiten verleihen kann.
Obsessive Komplettisten Marke SpielerDrei, die gern sämtliche Parameter eines Spiels auf Papier festhalten und mit Leidenschaft jedes Achievement sammeln, dürften ihre helle Freude daran haben alle gefangenen Geister zu fangen und sie mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Kräften auszustatten, leichter der Frustration anheim fallende Zeitgenossen wie Chri.., ich meine natürlich, Franz* würde es mit großer Wahrscheinlichkeit weniger gut gefallen, nach dem Prinzip von Trial & Error in jedem Level die Ängste der einzelnen menschlichen Figuren zu ergründen und dementsprechend ein gespentisches Bouquet zusammenzustellen. Im späteren Verlauf des Spiels ist man sogar darauf angewiesen, dass sich die richtigen Geister mit den korrekten Kräften in seinem Portfolio befinden. Sollte das nicht der Fall sein, lassen sich die immer komplexer werdenden Aufgaben irgendwann einmal nicht mehr bewältigen und man wird gezwungen, die vorangegangenen Level ein weiteres Mal zu absolvieren.
Über derartige, eher technische Unzulänglichkeiten sehe ich gern hinweg, gemäß des Falles, dass der Rest des Spieles auf einer soliden Basis steht. “Ghost Master” jedoch leidet zu meinem Bedauern unter einer fundamentalen Unzulänglichkeit: Dem Spiel fehlt in meinen Augen die Persönlichkeit, der Charakter. Mit den Simlisch sprechenden Spielfiguren, die, wie ihre Vorbilder, ein stark überzogenes Verhalten an den Tag legen, und dem in der deutschen Übersetzung herrlich tranig klingendem Erzähler, den man auch aus einer Hamburger Hafenkneipe aufgegabelt haben könnte, verfügt es zwar über Humor und nimmt sich selbst und andere Titel nicht besonders ernst, aber das gewisse Etwas fehlt leider. Die Vielfalt der Figuren, Geister und Szenarien wurde zum Preis der Distinguiertheit der einzelnen Charaktere erkauft. Die Spukhäuser sind allesamt nicht häßlich und einigermaßen detailliert ausgestattet, und doch fehlt fast allen der Flair, irgendeine sofort hervorstechende Besonderheit. Vielleicht ist die Spielwelt einfach noch nicht ironisch genug, vielleicht passiert bei der Betrachtung des Spielgeschehens aus der Entfernung zu wenig Außergewöhliches, so dass am Ende bei mir der Eindruck der Durchschnittlichkeit überwiegt.
*) Name von der Redaktion geändert ;)
8 Kommentare
nichts gegen hamburger hafenkneipen! ;)
mir hat ghost master damals viel spass gemacht… ich fand es aber ab einem gewissen level einfach bockschwer… :'(
Ich habe seinerzeit auch einen 5-seitigen Review zu Ghost Master geschrieben und war recht angetan (4/5). Dass es sich aber zu einem Geheimtipp entwickelt hat, höre ich hier zum ersten Mal. Ich hatte damals den Eindruck, dass Ghost Master das übliche Schicksal aller ausgefallenen Konzepte ereilte: Mehr oder weniger gefloppt.
1,88 EUR (Neuware) auf amazon, hmmm…. 8)
Eines von neun Spielen, die seit Neuinstallation auf meinem Desktop rumlungern, in der Hoffnung, intensiv gespielt zu werden…
Hach, was habe ich dieses Spiel (und das dazugehörige Handbuch – schön geschrieben, finde ich) geliebt… Und ich mag es immer noch. Obwohl ich es, zugegeben, nie durchgespielt habe. Hing beim letzten Level.
Das einzige, was ich mir gewünscht habe, wäre eine Speicherfunktion innerhalb der Missionen. Der „Full Mortal Jacket“-Level hat mich gut und gerne drei Stunden gekostet und gegen Ende hatte ich häufiger das Bedürfnis, den ganzen Kram einfach hinzuschmeißen und irgendwann noch mal von vorne zu beginnen.
Da gabs mal ein Spiel für SNES, darin muss man auch Leuten in einer Wohnung den größtmöglichen Schrecken einjagen. Name habe ich jetzt leider vergessen, war aber recht unterhaltsam. Ist man gescheitert, bzw ging die Ectoplasma-Anzeuge gegen Ende, musste man in einer Art Zwischenwelt kämpfen, was irgendwann sauschwer war.
Klingt nach „Haunting starring Polterguy“… wäre aber Mega Drive.
http://www.mobygames.com/game/genesis/haunting-starring-polterguy/screenshots/gameShotId,36582/
Ah ja, das war es, genau, danke. Ja, Megadrive, meine Erinnerung war nur noch schwach ;-)