No More Heroes von Grasshopper Manufacture Inc. gehörte zu meinen absoluten Lieblingen des Jahres 2008. Das Nerd-Spiel von Suda51 hatte unbestritten ganz, ganz viele Macken in der Spielmechanik und dem Design. Es hat mich aber trotzdem von der ersten bis zur letzten Minute begeistert, weil es inhaltlich so clever und witzig mit der Metaebene „Spieler spielt Spiel“ hantierte und bei jeder sich bietenden Gelegenheit erfolgreich die Vierte Wand durchbrach. Dementsprechend hatte ich natürlich sehr hohe Erwartungen an den Nachfolger No More Heroes 2: Desperate Struggle. Und wie könnte es anders sein, ich wurde ziemlich enttäuscht. Um ehrlich zu sein, NMH2 ist sogar eines der ärgerlichsten Spiele, die ich dieses Jahr bisher spielen durfte…

Nahezu alle Kritikpunkte der Mainstreammedien von damals sind ausgemerzt worden:

Die eigentlichen Ranglistenkämpfe und deren Spielmechanik blieben allerdings so gut wie unangetastet. Sie waren ja auch das einzige Spielelement, das die meisten Reviews zum ersten Teil nicht völlig in der Luft zerrissen haben…

Die Story, die Figuren, die Nerd-Witze, das ständige Durchbrechen der 4. Wand und die unvermeidlichen Sequel-Gags wirken auf mich dieses Mal zu kalkuliert, um mich wirklich voll zu überzeugen. Beim ersten Teil hatte ich noch den Eindruck, ein Spiel zu spielen, dessen Macher sich bei der Arbeit ständig selbst totgelacht haben. Teil 2 wirkt hingegen wie am Reißbrett konstruiert. Da hilft es auch nicht, gängige Fortsetzungsklischees durch den Kakao zu ziehen, um davon abzulenken, dass NMH2 eben genau dies ist: Ein lauer Aufguss des Originals, der im Grunde nur mehr vom Gleichen bietet.


Wie unpräzise und träge die Steuerung ist, zeigt sich am deutlichsten im bockschweren Endkampf gegen die Nummer 1 der UAA: Jasper Batt Jr. ist eine wirklich harte Nuss, die in drei Akten besiegt werden möchte. Schwierig ist dieser Kampf aber eigentlich nicht aufgrund dessen, was zu tun ist, sondern dadurch, dass das, was zu tun ist, mit der groben Steuerung kaum zu bewerkstelligen ist. Besonders nutzlos erweist sich die unwillige Dodge-Mechanik, welche für viele Ranglistenkämpfe eigentlich dringend notwendig wäre, wollte man von einer halbwegs befriedigenden und funktionierenden Kampfsteuerung sprechen.


Die visuelle Präsentation wurde spürbar aufgehübscht, wobei der generelle Stil des Vorgängers beibehalten wurde. Allerdings erkaufen sich die Entwickler die höher aufgelösten Texturen mit teils deutlichen Framerate-Einbrüchen und irritierendem Kantenflimmern. So oft, wie das Spiel ins Ruckeln gerät, fragt man sich ja schon, ob da nicht einfach die mehr oder weniger unveränderte Engine des Vorgängers genommen und mit mehr Details gefüttert wurde, als gut für sie ist…

Der stimmige Sound und die gute Musik des Spiels sind dem Vorgänger ebenbürtig, was aber kein Kunststück ist, denn beides pendelt ständig zwischen „Recycling“ und „Remix“. Im Grunde muss man die Unterschiede beider Spiele im akustischen Bereich gezielt mit der Lupe suchen.
Fassen wir also zusammen:
No More Heroes war ein Videospiel, wie Suda51 und seine Otaku-Bande bei Grasshopper es sich vorgestellt haben: Exzentrisch, abgefahren, selbstironisch, witzig und kompromisslos, wodurch es aber vor allem eines besaß: Charakter!
No More Heroes 2: Desperate Struggle ist hingegen ein Spiel geworden, wie es sich die Kritiker-Idioten der großen Verlage gewünscht haben: Glattgebügelter und deutlich leichter zu konsumieren, aber dafür mit viel weniger Herzblut, Seele und Charme.

11 Kommentare
Ich habe Teil 1 aufgehört zu spielen seiner Zeit, weil ich auf meinem damals noch Röhrenfernseher und der matschigen Grafik bei den Fahrten in der Stadt wirklich NICHTS mehr erkennen konnte.
Ich bin ja sehr, sehr gespannt auf die HD Version des ersten Teiles für die Next Gen Konsolen.
Zu Teil 2: Auf die 8bit-Spielchen hatte ich mich ja wirklich gefreut, die Idee klingt auf dem Papier ja wirklich super, schade, dass die anscheinend nichts geworden sind. Aber dass hier wirklich die Chance verpasst wurde, die WiiMotion Plus zu nutzen ist in der Tat eine Frechheit und eine große, verpasste Chance. Schade – landet das Spiel wohl doch nicht, gegen meine ursprüngliche Planung, in meinem Laufwerk. :(
Ich kenne zwar das Game nicht (nur vom hören sagen), aber ich wollt mal grosses Lob aussprechen, wie diese Gamerezension geschrieben ist. Es ist immer eine Wohltat, Rezensionen/Tests zu lesen, die nicht nur wie eine Featureauflistung anmuten, sondern den wirklichen Kern, die Substanz, die Atmosphäre eines Spiels extrahieren. Das ist es nämlich, was den geneigten Leser davon überzeugen bzw. abschrecken könnte, sich das Spiel zuzulegen.
In diesem Sinne: Danke für die Wohltat ;)
Mangels Wii habe ich NMH bisher nicht gespielt, kenne nur Killer7 auf GC. War denn NMH1 erfolgreich? Angesichts der finanziellen 3rd-Party-Reinfälle auf Wii war die Ausrichtung zum Mainstream (= Presse) wohl der vermeintliche Weg zum größeren Erfolg. Ansonsten schönes Review, auch wenn ich halt nicht sagen kann, ob ich der Einschätzung zustimme.
Ich muss dir, lieber SpielerZwei, (leider) zum größten Teil zustimmen.
Dass die (Kampf-)Steuerung aus dem ersten Teil übernommen wurde, hat mich persönlich weniger gestört. Schon eher, dass fast alle Bosse mit stupidem draufkloppen zu erledigen waren. Das war, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, im ersten Teil noch anders. Die Wrestling-Moves sind zu einem Beiwerk verkommen und gerade das Ausweichen brauchte man entweder gar nicht oder mit perfektem Timing. Hinzu kam beim Endboss die Instant Kill-Attacke (im Gegensatz zu Henrys Gegenstück im ersten Teil nicht wirklich vorherseh- und dodgebar) und der Attacken-Spam seiner Teleport-Attacke, welche mir den letzten Nerv geraubt haben.
Das Herumhüpfen mit Shinobu… wenn es der einzige Fehler wäre, könnte man ja noch darüber wegsehen.
Die Punkte auf der Karte direkt anzuwählen hat ein bisschen die Entspannung raus genommen. Insbesondere, weil man ja von einem UAA-Kampf zum nächsten Springen konnte, ohne sich um sonst etwas kümmern zu müssen.
Die 8-bit-Spiele sind leider größtenteils steuerungstechnischer Krampf, wobei sie mir prinzipiell gefallen haben.
Wirkliche Slowdowns konnte ich bei mir nicht bemerken; das Sex’n’Gore-Update finde ich ähnlich belanglos, wenn nicht sogar störend.
Die sinnfreie Fahrt mit dem Motorrad war zwar ein WTF?-Moment, aber einer der schlechten Art.
Du hast mit Deiner Vermutung wahrscheinlich Recht, Homisite. Allerdings ist ein NMH kein GTA. Will sagen, die Produktionskosten werden sich in Grenzen halten. Das wiederum bedeutet natürlich, dass man wesentlich weniger Einheiten absetzen muss, um schwarze Zahlen zu schreiben. Da sich NMH etwa 500.000 mal verkauft hat, gehe ich davon aus, dass es sich gerechnet hat..
NMH2 hat sich übrigens trotz des Pressegejubels bisher deutlich schlechter verkauft als der Vorgänger! Ich überlege ernsthaft, Herrn Suda einen Link zu meinen beiden Reviews zukommenzulassen. So als Denkanstoß für Teil 3… :P
Ich gestehe: Ich werde aus unseren Lesern einfach nicht schlau. Aufgrund der Tatsache, dass ich NMH2 anders beurteile als 99,9% der übrigen Kritiker, habe ich durchaus mit einigen kontroversen Kommentaren gerechnet…
Ihr macht mir langsam etwas Angst, Leute! ;)
Die Polyneux Autoren als auch Leser sind eben eine durch und durch unberechenbare Sippschaft.
Ein Psychodoc hätte uns allen wohl längst jegliche Zurechnungsfähigkeit abgesprochen :D
Gegenfrage: Wer hier außer mir hat NMH2 gespielt? ^.^
Ich bin grad beim Kampf um Rang 4, und bisher gefällt es mir ebenso weniger als der 1. Teil, größtenteils auch wegen genannter Gründe. Man hackt halt nur noch die Kämpfe ab, und da es keine befahrbare Stadt mehr gibt, die ich im ersten Teil, mag sie auch noch so leer gewesen sein, wirklich toll fand, verkommt es zu einem „Von Kampf A nach Kampf B nach Kampf C nach…“ Spiel, auch weil die Nebenaufgaben ja mangels weggefallenem Startgeld für die Ranglistenkämpfe unwichtiger geworden sind. Schade :(
Wobei ich noch zu den Beam-Katanas und dem Training sagen muss, dass diese für mich schon relevant sind. Das 300’000 Katana bspw. eignet sich deutlich besser dafür, einzelne Gegnerhorden zu erledigen und somit einfacher und besser vor den Rangkämpfen fortzuschreiten, da es sogar als einziges die Verteidigung durchbrechen kann. Gegen einzelne Gegner finde ich wiederum das Doppelkatana am besten. Es hat zwar eine kürzere Reichweite, liegt von der Schlagzahl her aber höher, womit man besonders die Bossgegner effektiver bekämpfen kann. Und die Verbesserung der Fähigkeiten trägt ebenso dazu bei, gerade bei den Rangkämpfen nicht so oft wieder von vorne beginnen zu müssen, da man ja eine größere Energieleiste haben und mehr Schaden zufügen kann.
Es stimmt, dass man sich mit Training und Katana-Kauf das Leben etwas leichter machen kann, aber es geht auch ohne. Wer wie ich das Training in der Gym für eines der ätzendsten Kack-Minispiele in NMH2 hält, kann aber auch ganz darauf verzichten und trotzdem durch das Spiel kommen. Und zusätzliche Katanas bekommt man auch ohne Geld (durch Story- und Rache-Missionen).