Verdammtes Sauwetter. Mistwetter wäre mir lieber gewesen. Das hätte ich einfach mit einer Mistgabel weggabeln können. Stattdessen musste ich heute den ganzen Tag über den Friedhof rennen und Schweine einfangen. Ein Elend ist das. Dafür habe ich diese Stelle eigentlich nicht angenommen. Klar, man musste mit so etwas rechnen. Schließlich ist Dredmor nicht gerade dafür bekannt, ein ruhiges Pflaster zu sein. Nein, hier werden Wunden nicht abgedeckt, sondern immer weiter aufgerissen. So wie diese verfluchte Wunde unter der Erde, die sich vor vielen Jahren aufgetan und Monsterhorden ausgespuckt hat, die nun das Blut ihrer Opfer auf dem Boden verteilen.
Als Lord Dredmor über das Land herfiel, zogen sich die gewöhnlichen Menschen zurück und machten Platz für Helden. Lord Dredmor musste aufgehalten werden und wer könnte das besser als ein wahrer Held? Offensichtlich niemand, wenn ich mir meinen Friedhof so ansehe. Wann dieser wahre Held wohl endlich kommen wird? Es wäre langsam mal an der Zeit. Mir geht hier nämlich der Platz aus. All diese Möchtegernhelden, deren Leichen von Lord Dredmor aus dem Verlies geworfen werden… ein bisschen Mitleid habe ich schon mit ihnen.
Auch heute gibt es wieder Zuwachs. Ein neues Mitglied in meiner stillen Heldentruppe. Bin ich ihr Anführer? Eher nicht. Befehle führen die nicht mehr aus. Ich würde mich eher als ihr Zimmermädchen bezeichnen. Ich bereite ihre Betten vor und lege sie hinein. Danach vergrabe ich sie und versehe ihre Ruhestätten mit schönen Grabsteinen. Den neusten Stein habe ich bereits fertig. Aber den dazugehörigen Körper muss ich erst noch vergraben. Das neue Grab befindet sich fast ganz hinten auf meinem Friedhof. Wie gesagt: Es wird voll hier. Hoffentlich lässt der wahre Held nicht mehr lange auf sich warten. Sonst muss ich anfangen, die neuen Gräber über den alten zu errichten und das ist eine Vorstellung, die mir Gänsehaut bereitet.
Immer, wenn ich einen neuen Mitbewohner auf sein Zimmer bringe, sehe ich mir die Gräber an, an denen ich dabei vorbeigehe und erinnere mich an diejenigen, die hier begraben liegen. Bin ich der Einzige, der noch an sie denkt? Vermutlich. Alle warten sie auf den wahren Helden. An die Gescheiterten denkt niemand mehr. Dabei hat jeder hier seine eigene Geschichte zu erzählen.
Hier liegt zum Beispiel Fulmatos. Man sagt, er sei ein Vampir gewesen. Ich kann das bestätigen. Schließlich verfügte er über die Fähigkeit, grell zu funkeln. Um ihn herum riefen dann immer alle laut „Sparkles!“ und lachten. Ich habe von diesen neumodischen Englischbegriffen ja keine Ahnung. Fast hätte ich ihn auch gar nicht beerdigt. Er lag nämlich in Form einer Fledermaus vor dem Eingang in Lord Dredmors Verlies. Vermutlich hatte er es kurz vor seinem Tod nicht mehr geschafft, sich zurück zu verwandeln. Warum er gestorben ist, weiß ich nicht. Als Vampir ernährt man sich vom Blut seiner Gegner und davon gibt es unter der Erde eigentlich genug. Vielleicht lag es daran, dass er Mitglied der Necronomiconomics war. Eine dunkle Organisation, die großen Schaden über ihre Feinde bringt, dies aber auf Kosten der eigenen Gesundheit. Wer hier nicht lernt, auf sich selbst zu achten, könnte schnell ein unfreiwilliger Selbstmörder werden. Fulmatos wollte zu viel und bezahlte mit seinem Leben.
Damit hatte mein Freund Gongaglorf bestimmt keine Probleme. Er war Meister im sogenannten „Flesh-Smithing“. Er konnte mit seinem eigenen Fleisch und dem seiner Gegner Dinge anstellen, die ich so noch nie gesehen hatte. Er konnte einen Zombie beschwören, seine eigenen Wunden verarzten und Leichen explodieren lassen. Vom „Meatshield“ will ich gar nicht erst anfangen. Leider war er süchtig nach Pilzen und bezeichnete sich als Meister der „Fungal Arts“. Er konnte Pilze auf Leichen wachsen lassen und ein Pilzwesen rufen. Ich glaube, dass die Giftwolke, mit der er sich hin und wieder umgab, eher seiner eigenen Befriedigung als der Gegnerbekämpfung diente. Pilze. Teufelszeug. Man weiß doch nie, was so ein frisch gefundener Pilz anstellt. Vermutlich hat ihm eine zum ersten Mal gefundene Pilzart den Todesstoß verpasst.
An Pilze hat Digg Tracy ganz bestimmt nicht gedacht. Was für ein merkwürdiger Kerl. Er war ein „Werediggle“. Ob er freiwillig zu einem wurde? Ich will es nicht wissen. Diese Diggles sind ein wahrer Fluch. Kleine Wesen, deren Gesicht lediglich zwei Augen und eine Art Bohrer zieren. In ein solches Wesen konnte sich Digg verwandeln. Er war sogar so gut darin, dass er sich in einen „Werediggle of London“ verwandeln konnte. Was für ein Monstrum. Und was für ein Zylinder! Aber hat es ihm geholfen? Offensichtlich nicht. Dabei war er „Mathemagic“ und konnte sich teleportieren. Und von seinen Gegnern ihr eigenes Leben subtrahieren. Effektiv. Ich vermute aber, dass er sich einmal zu oft teleportiert hatte und dabei an einem Ort rauskam, den er besser nicht übereilt betreten hätte.
Dann wäre da noch Suse Heul. Sie war Meisterin im Bereich der „Emomancy“ und ausgestattet mit dem „Mark of the Black Eyeliner“. Ich mochte sie nicht. Sie war immer so schlecht gelaunt und demonstrierte einem dies mit Hilfe einer riesigen Giftgaswolke. Sehr unangenehme Geschichte. Es hat Tage gedauert, das Zeug aus meinen überdimensional großen Augenbrauen zu reiben. Und dann gehörte sie auch noch den „Killer Vegans“ an. Sie umgab sich andauernd mit der „Aura of Self-Righteousness“, die mich immer wieder blendete. Nein, sie war mir alles andere als sympathisch. Den Tod hatte sie trotzdem nicht verdient.
Genauso wie mein letzter Freund. Gutfred nannte er sich. Da sind wir. Hier ist deine letzte Ruhestätte. Ich möchte ehrlich sein: Dir hatte ich den Sieg über Lord Dredmor zugetraut. Als du siegessicher mit deiner schweren Rüstung und dem langen Schwert das Verlies betratst, machte ich mir schon fast Sorgen um meine Stelle als Friedhofswärter. Du warst länger unten als alle, die ich hier bisher begraben habe. Aber am Ende lag auch dein Körper vor dem Eingang. Dein Gesicht war zu einer Grimasse verzogen als hätte das, was du vor deinem Tod gesehen hattest, dich alleine durch seinen Anblick getötet. Bist du vielleicht auf einen dieser Monsterzoos gestoßen, von dem die Leute immer wieder erzählen? Oder hast du meinen Rat nicht befolgt und versucht, vom Händler im Verlies etwas zu stehlen?
Was ist das? Da hinten kommt jemand auf mich zu. Ein neuer Held? Seine Bewaffnung erweckt zumindest den Eindruck. Ja, kein Zweifel. Er geht auf den Eingang zum Verlies zu. Viel Glück, unbekannter Freund. Wer bist du? Und was? Oh, ich sehe, was du bist. Du bist ein Pirat. Sieh nur, Gutfred, ein Pirat. Ich werde dich wohl besser schnell begraben und dann direkt neben dir ein neues Grab ausheben. Ich muss vorbereitet sein. Ich mag Roguelikes. Sie sichern mir meinen Arbeitsplatz. Auch wenn ich gar nicht genau weiß, wovon ich da gerade rede.
1 Kommentar
Sehr amüsanter Artikel der bestimmt noch amüsanter gewesen wäre, hätte ich nicht erst nach “Dungeons of Dredmor” googeln müssen. Als meine Entschuldigung führe ich ins Feld dass ich dem PC als Spieleinstrument schon seit geraumer Zeit abgeschworen habe.