MOBAs gibt es inzwischen wie Sand am Meer. So ziemlich jeder namhafte Publisher möchte ein Stück von diesen Kuchen abhaben. Aber so richtig wichtig sind eigentlich nur zwei von ihnen: League of Legends und DOTA 2. Nachzügler haben es hingegen sehr schwer, eine ernstzunehmende Spielerschaft zu rekrutieren. Das Ganze erinnert frappierend an die MMORPG-Schwemme, die Blizzard seinerzeit mit WoW ausgelöst hat…
…und witzigerweise gehört Blizzard mit Heroes of the Storm nun selbst zu den Genre-Nachzüglern bzw. Me-Too-Publishern, nur eben im MOBA-Segment. Ironisch ist das Ganze nicht nur wegen World of Warcraft, sondern insbesondere, weil der ganze MOBA-Krempel mit einer Mod zu Warcraft 3 seinen Anfang nahm: Defense of the Ancients, kurz DotA.
Mein favorisiertes Gift war mehr als eineinhalb Jahre lang DOTA 2. Aus keinem besonderen Grund. Außer vielleicht, dass die LoL-Community Gerüchten zufolge im Schnitt noch jünger und noch ätzender als die ohnehin schon anstrengende DOTA 2-Spielerschaft ist. Dies ist aber kein MOBA-spezifisches Problem, sondern eines, das Online-Multiplayer-Spielen seit ein paar Jahren generell inne wohnt, weil inzwischen jedes 12jährige schlecht erzogene Kackblag ungehinderten Zugang zum Internet hat (Danke, liebe Erziehungsberechtigte!). Anyway, was ich sagen will: Ich habe nichts gegen LoL als Spiel, kenne einige LoL-Spieler und bin daher auch einigermaßen im Bilde, was die Unterschiede gegenüber DOTA 2 angeht.
Neuerdings bin ich aber ein “Ex-DOTAholiker”. Schuld ist kein kalter Entzug, sondern eben jene Substitutionsdroge namens Heroes of the Storm.
Als ich im November letzten Jahres in der geschlossenen ALPHA mit HotS begann, fühlte sich das Spiel für mich als DOTA 2-Spieler zunächst einmal anders, ungewohnt und irgendwie casual an. Es war definitiv keine Liebe auf den ersten Blick. Ich spielte ein paar Runden und kehrte danach immer wieder zum gewohnten DOTA 2 zurück. Doch je öfter ich HotS spielte, desto mehr fiel mir auf, was mich an DOTA 2 eigentlich schon immer gestört hat. Die lange Spielzeit zum Beispiel. Irgendjemand hat mal geschrieben, dass DOTA 2 einen lehrt, mit Würde zu verlieren. Es ist nämlich so, dass bei einer DOTA-Partie, die im Schnitt 40 bis 50 Minuten dauert, oft schon nach 15 bis 20 Minuten klar ist, dass das eigene Team gnadenlos verlieren wird, weil schon in der Anfangsphase Fehler gemacht wurden, die später kaum noch auszubügeln sind. Man kann aber, im Gegensatz zu LoL, nicht vorzeitig aufgeben. Und wer einfach das laufende Spiel verlässt, wird (zu Recht!) bestraft. Folglich muss man weitere quälende 20 bis 30 Minuten ausharren, bis das Unvermeidliche endlich eintritt. Das nervt! Viele Spieler nervt das sogar so sehr, dass sie die restliche Spielzeit in erster Linie damit verbringen, die Mitspieler mit Schuldzuweisungen und Beschimpfungen zu überziehen. Und da wären wir wieder bei dem leidigen Thema, über das ich hier eigentlich gar nicht schreiben will… Doh! Also schnell weiter im Text.
Eine Runde HotS dauert hingegen nur 15 bis 25 Minuten. Die relativ langweilige Startphase, in der man noch keinen vernünftigen Level hat und im Wesentlichen nicht viel mehr macht, als Minions zu farmen und vielleicht den einen oder anderen Überraschungs-Kill zu landen, ist hier viel kürzer als bei DOTA 2 oder LoL. Und wenn einen das Match-Making mal wieder in eine Gruppe voller Noobs gesteckt hat oder das gegnerische Team schlicht haushoch überlegen ist, muss man nicht noch endlos ausharren bis man die finale, verdiente Klatsche bekommt. Vorzeitig aufgeben kann man bei Heroes zwar auch nicht, aber die deutlich kürzere Rundenzeit macht es automatisch zu einem viel dynamischeren Spiel mit erheblich geringerem Frustpotenzial.
Ein weiterer Unterschied liegt in der Art, wie die Helden aufleveln: Bei Heroes fließen alle Erfahrungspunkte der fünf Teammitglieder auf ein gemeinsames Konto, wodurch Stufenaufstiege und die damit verbundenen Talentverbesserungen auch immer für alle im Team gelten. Diese Mechanik werden viele MOBA-Cracks wohl zunächst zum Kotzen oder zumindest fragwürdig finden. Der einzelne, erfolgreiche Spieler kann sich in HotS nicht mehr so prominent in Szene setzen, wie das z.B. in DOTA 2 der Fall ist. Auf der anderen Seite fallen schwächere Teammitglieder aber nicht mehr so sehr auf bzw. ins Gewicht. Natürlich schaden extrem schlechte Spieler auch hier dem Team, aber nicht so sehr wie in DOTA 2, wo ein oder zwei Feeder – also Spieler, die gleich zu Beginn andauernd sterben – leicht dafür sorgen können, dass das gegnerische Team schon während der Mid-Game-Phase einen oder mehrere praktisch unbesiegbare Helden besitzt. Der Effekt einzelner, positiv wie negativ herausragender Spieler wird in Heroes etwas abgemildert, wodurch es letztendlich den Team-Gedanken hinter der ganzen Kiste stärker herausstellt als LoL oder DOTA 2. Und als positiven Nebeneffekt gibt es dadurch, zumindest meiner Erfahrung nach, auch deutlich weniger Bashing und Hating innerhalb des Teams. Die Einzelleistungen der Spieler gehen bei Heroes selbstverständlich nicht unter – man sieht in der Spielstatistik immer noch sehr deutlich, wer gut und wer schwach gespielt hat -, aber die Auswirkungen für das Team als Ganzes werden auf diese Art halt ein wenig abgefedert. Das fand ich als DOTA 2-Migrant anfangs auch etwas strange, aber inzwischen sehe ich es als sehr positiven Aspekt.
Durch das Fehlen jedweder Items wirkt Heroes für den erfahrenen DOTA– oder LoL-Spieler auf den ersten Blick extrem vereinfacht. Und gerade die Frage, welche Items für welchen Helden bei welcher Spielweise und in welcher Situation sinnvoll sind, ist eine der größten Hürden für MOBA-Einsteiger. Der Verzicht auf ein entsprechendes Item-System macht Heroes ohne Frage weniger komplex, aber dafür auch deutlich einsteigerfreundlicher. Was man anfangs schnell übersehen kann, ist, dass HotS trotzdem ein Build-System besitzt, mit dessen Hilfe man die Helden durchaus sehr unterschiedlich entwickeln kann: Während man beim Levelaufstieg in DOTA 2 nur die fest vorgegebenen Fähigkeiten des jeweiligen Helden in ihrer Stufe verbessern kann, bietet einem HotS bei jedem Stufenaufstieg mehrere verschiedene Fähigkeiten zur Auswahl an. Auf diese Weise lassen sich auch hier recht individuelle Builds erstellen. Dieses System ist zugegebenermaßen nicht so komplex wie die Individualisierung durch Items in anderen MOBAs, aber so ultra-pipi-simpel, wie manchmal behauptet wird, ist Heroes auf keinen Fall.
Als Langzeit-DOTA-Spieler gefallen mir bei Heroes besonders die sehr unterschiedlichen Karten mit ihren jeweiligen Mechaniken. Für League of Legends-Spieler ist das jetzt vielleicht nicht so das große Ding, aber bei DOTA 2 gibt es halt genau eine Karte, auf der es außer den Neutrals, Roshan und den Runen keine weiteren Mechaniken gibt, die das Spiel irgendwie abwechslungsreicher machen könnten. Bei Heroes gibt es auf den bisherigen sechs Karten (man beachte, dass sich das Spiel erst seit Januar 2015 in der geschlossenen BETA befindet) jeweils sehr unterschiedliche Karten-Mechaniken, die dazu führen, dass sich auch jede von ihnen anders als die anderen spielt. Nach so langer Zeit auf der immer gleichen DOTA 2-Karte ist dieser Umstand ein absolutes HotS-Highlight für mich!
Eine weitere Sache, die mich persönlich bei DOTA 2 immer gestört hat, ist die Heldenauswahl. Heroes bietet bisher lediglich 34 Helden, was im direkten Vergleich zu DOTA 2 (109) bzw. LoL (123) zunächst sehr popelig wirkt. Witzigerweise habe ich bei DOTA 2 aber fast ausschließlich den Warlock gespielt, weil er der einzige Charakter war, den ich wirklich gut drauf hatte. Mit ein paar anderen Helden komme ich zur Not auch noch ganz gut klar, aber die große Mehrheit des Angebots war für mich nahezu unspielbar, sprich: ich habe mit ihnen immer nur die Hucke voll bekommen. Eigentlich ist es ja super, wenn ein Spiel so viele unterschiedliche Spielfiguren zur Auswahl anbietet, aber für mich wirkte das Ganze auch immer sehr schlecht ausbalanciert. Da sind auf der einen Seite die Helden, mit denen jeder Depp mit etwas Übung gefährlich wird (z.B. Riki, Pudge oder die Drow). Auf der anderen Seite gibt es aber viele Figuren wie IO oder Shadow Fiend, mit denen ich ums Verrecken keine sinnvolle Spielweise gefunden habe. Bei HotS sieht meine persönliche Spielbarkeits-Quote ungleich besser aus: Unter den derzeit 34 Helden gibt es vielleicht eine Handvoll, mit denen ich nichts anfangen kann. Die überwiegende Mehrheit der Charaktere empfinde ich aber als sehr gut balanciert und durchweg spielbar. Vielleicht liegt es einfach nur an der relativ überschaubaren Anzahl, vielleicht zeigt sich hier aber auch die jahrelange Erfahrung und Reputation Blizzards, was das Balancing ihrer Strategie-Spiele angeht. Wie dem auch sei – ich habe nicht vor, hier eine pseudo-wissenschaftliche Analyse des Ganzen zu erstellen -, Fakt ist, dass ich bei HotS nach kurzer Einarbeitungszeit mit fast allen Helden einigermaßen brauchbar spielen kann, wogegen ich bei DOTA 2 auch nach vielen Monaten vielleicht gerade mal ca. 10 Prozent der Helden im Griff hatte. Und das gefällt mir an Heroes sehr.
Um dann doch noch mal zum leidigen Thema zu kommen: Man erlebt in HotS (noch) deutlich weniger Arschlöcher als in anderen MOBAs, was eine nicht unwesentliche Information sein dürfte, denn nicht wenige Leute haben die Konkurrenz-Spiele nach einer Schnupper-Phase schnell wieder angewidert und genervt beendet. Einfach wegen der teilweise recht unangenehmen Hardcore-Spielerschaft. Natürlich sind diesbezügliche Aussagen mit Vorsicht zu genießen, denn HotS befindet sich immer noch in der geschlossenen BETA und man muss sehen, wie sich das Ganze langfristig entwickelt, wenn das Spiel final ist. Ich will auch nicht verschweigen, dass sich diesbezüglich schon in den letzten Wochen etwas geändert hat. Erlebte man in der ALPHA praktisch noch keinerlei Beleidigungen oder sonstige Unsportlichkeiten der Mitspieler, so hat man spätestens seit der Quasi-Öffnung der BETA (durch Key-Verlosungen und das für Jedermann käuflich zu erwerbende Gründer-Paket) inzwischen auch ab und zu den einen oder anderen “NOOB!”-Schreier und Pöbler dabei. Allerdings bin ich derzeit noch zuversichtlich, dass sich das auch in Zukunft in Grenzen halten wird, weil Blizzard neben dem genre-üblichen Report- und Bestraf-System auch zwei weitere Pluspunkte in Heroes hat: Zum Einen erspart einem der konsequente Verzicht auf InGame-Voice-Chat, dass man wie bei DOTA 2 in kürzester Zeit ein ansehnliches Repertoire an russischen Beschimpfungen erlernt. Zum Anderen sind HotS-Partien schlicht weg zu schnell bzw. kurz, als dass irgendjemand großartig Zeit hätte, fortwährend die eigenen Teammitglieder zu beleidigen. Ein paar Mal habe ich solche Deppen inzwischen auch in Heroes erlebt, aber man sah dann ganz eindeutig am Endergebnis, dass diese Spackos durch ihre Rants gar nicht mehr zum Spielen kamen…
Zum Schluss vielleicht noch ein paar Worte zum Monetarisierungsmodell, nicht zuletzt, weil Blizzard mit dem Echtgeld-Auktionshaus in Diablo 3 schon einmal den Bogen überspannt hat. Heroes of the Storm wird nach der BETA-Phase, genau wie DOTA 2 und LoL, ein Free2Play-Titel sein. Im Gegensatz zu DOTA 2, wo man von Anfang an das ganze Spiel inklusive aller Helden zur Verfügung hat und ausschließlich für optischen Firlefanz zur (Echtgeld-)Kasse gebeten wird, verfolgt HotS ein ähnliches Modell wie League of Legends: Man hat eine wöchentlich wechselnde Helden-Rotation, die man frei spielen kann. Will man Helden jedoch jederzeit zur Verfügung haben, muss man sie kaufen. Das kann man über echtes Geld oder das InGame-Gold machen. Die meisten Skins und Reittiere, also der optische Firlefanz, lassen sich jedoch nur über echtes Geld erwerben. Anfangs bekommt man jede Menge InGame-Gold, da es dies für die gespielten Partien (allerdings nur sehr wenig), Tagesaufgaben (da sitzt schon mehr drin) und bestimmte Levelaufstiege (hier gibt es relativ viel Gold, sowohl beim Spielerprofil, als auch bei den einzelnen Helden) gibt. Auf diese Weise kann man sich anfangs relativ schnell einige Helden ohne echtes Geld kaufen. Hat man aber erst einmal die entsprechenden Profil- und Helden-Stufen erreicht, flacht die Gold-Kurve irgendwann stark ab, weil nur noch die mickrigen Partie-Belohnungen und die jeweilige Tagesaufgabe als Einkommensquelle übrig bleiben, wenn man erst einmal alle Helden auf Stufe 5 gebracht hat und das Spielerprofil in höhere Gefilde aufgelevelt wurde. Man wird folglich sehr viel bzw. sehr lange spielen müssen, um wirklich alle Helden ohne den Einsatz von echtem Geld zu besitzen. Das kann man durchaus kritisieren, wenn man will. Ich hingegen finde es ok. Dass Blizzard mit HotS Geld verdienen will, sollte niemanden überraschen, der nicht im Regenbogenland lebt. Ich habe bisher noch keinen echten Cent investiert und bis jetzt etwa die Hälfte der Helden dauerhaft freigeschaltet. Da ich gegen diese Art von F2P-Modell anscheinend immun bin, weil ich nicht aus Ungeduld reflexartig sofort die Kreditkarte zücke, habe ich kein Problem damit, dass ich die andere Hälfte des Helden-Pools derzeit nur ab und zu über die Rotation spielen kann und mir in Zukunft nur noch in größeren Abständen als bisher einen neuen Honk vom Gold kaufen kann. Meine persönlichen Helden-Favoriten habe ich jetzt eh schon gezielt freigeschaltet und auf irgendetwas muss man sich ja auch noch freuen bzw. hinarbeiten können, nech?! Von daher sehe ich das Geschäftsmodell im Spiel als durchaus fair an. DOTA 2 ist definitiv fairer, aber HotS zockt die Spieler keinesfalls ab.
Heroes hat im Vergleich zu DOTA 2 oder LoL unbestritten eine geringere Komplexität, aber es als Casual-MOBA für Hausfrauen zu bezeichnen, geht komplett an der Sache vorbei. Es ist zwar einsteigerfreundlicher, aber nicht anspruchlos. Dafür spielt es sich deutlich flotter und kurzweiliger. Echte “MOBA-Profis” (und damit meine ich mehrheitlich nervige Teenager-Arschkrampen, die meinen, ihnen gehöre das Spiel exklusiv und jeder andere Spieler-Typus sei folglich gnadenlos und unverzüglich zu vergraulen) dürften damit verständlicherweise ein Problem haben. Aber Einsteiger und Leute wie ich, die MOBAs nach wie vor eher als spaßigen Zeitvertreib und nicht als Profi-Sport begreifen, könnten in HotS genau das MOBA-Erlebnis finden, dass ihnen die beiden Platzhirsche aufgrund ihrer überzogenen Komplexität und der viel zu verbissenen Kern-Fan-Base verwehren. Ich schätze die Chancen, dass Blizzard das Kunststück hinbekommt, sich in einem Genre zu etablieren, für das man eigentlich schon zu spät dran ist, durchaus gut ein. Nicht zuletzt, weil man mit den Charakteren aus bekannten Marken wie (World of) Warcraft, StarCraft und Diablo schon mal eine dicke Portion Rückenwind mitbringt. Mich haben sie mit Heroes of the Storm jedenfalls schon mal im Sack…
5 Kommentare
Super Bericht,
jetzt wo Du es schreibst fällt es mir auch auf was mich bei dota2 nervt. Bin auch ca. seit 1,5 Jahrend abei.
Werde HotS auch mal ne Chance geben.
gg
Naja ich empfinde es schon ein bisschen als Abzocke bei HotS, dass man die Helden kaufen oder sich diese erst mühsam freischalten muss.
Äh, durch XP/Spielzeit freischaltbarer Krempel findet sich doch heute in jedem zweiten Spiel. Wo ist da die Abzocke? Und dann noch bei einem Spiel, dass es kostenlos gibt…?
Darauf, dass du über deinen Namen hier eine Online-Casino-Seite verlinkst, gehe ich in dem Kontext besser gar nicht erst ein… m)
Es ist sogar fast das Gegenteil von Abzocke. Man muss ja froh sein, dass man das Zeug freispielen kann ohne die Kreditkarte zu zücken. Die Option das gegen Geld zu machen, ist ja auch nicht neu und hat sich im Casual-Mobile-Bereich voll etabliert.