Alle Leute lieben die Portal-Spiele. Naja, außer denen vielleicht, die es nicht tun…
Aber mal im Ernst. Ich hatte nach dem durchaus verdienten Hype um die beiden großartigen First-Person-Puzzler von Valve erwartet, dass es in der Folge viel mehr Nachahmer geben würde. So ähnlich wie beim Rätsel-Adventure Myst, das Anfang der 90er eine richtige Welle von Me-Too-Titeln und diverse Fortsetzungen nach sich zog. Aber außer Quantum Conundrum und Antichamber fallen mir eigentlich keine namhaften Portal-Kollegen ein. Und diese beiden fand ich persönlich auch nur ganz nett. Das hohe Niveau von Portal 2 erreichten sie nicht, weder spielmechanisch, noch inhaltlich. Auf jeden Fall blieb die von mir erwartete Welle von Portal-Epigonen fast gänzlich aus. Doch dann kam im Dezember letzten Jahres The Talos Principle heraus…
Wer hätte ernsthaft gedacht, dass ausgerechnet von den Serious Sam-Entwicklern, die bisher eher für Klassiker der Weltliteratur infantile One-Liner wie „Man, it’s cold. My nipples are like pencil erasers.„, „Double the gun, double the fun!“ oder „Now I’m seriously serious!“ bekannt waren, ein First-Person-Puzzler kommen würde, der nicht zuletzt auch durch seine philosophische Narration punkten kann?
Nicht falsch verstehen: Ich mag Croteams Sam-Spiele. Sehr sogar. Aber als besonders tiefsinnig würde ich sie eher nicht bezeichnen. Und weil das Erzählen von Geschichten nicht gerade zu den Spezialitäten der Kroaten gehört, engagierte man für die Story kurzerhand zwei externe Autoren aus der Indie-Entwickler-Szene: Jonas Kyratzes (The Sea Will Claim Everything) und Tom Jubert (FTL, The Swapper). Eine glückliche Entscheidung, wie ich finde, denn die beiden haben einen Bomben-Job abgeliefert! In The Talos Principle geht es um diverse existenzielle und philosophische Fragen, ohne jedoch dem Spieler am Ende vorgekaute Antworten zu geben. Vielmehr bekommt man tonnenweise Denkanstöße. Was man daraus macht oder ob man sich überhaupt eingehender damit beschäftig, bleibt jedem selbst überlassen.
Dass das Ganze anfangs eher kryptisch wirkt, liegt an der Erzählstruktur. Da man das Spiel nicht konsequent linear (und vollständig) durchspielen muss, um zum Ende (bzw. zu einem von mehreren möglichen Enden) zu gelangen, wird die Geschichte auch nicht linear erzählt. Stattdessen bekommt man überall Info-Häppchen, die man nach und nach für sich zusammensetzen kann. Ein Puzzle-Spiel im Puzzle-Spiel, quasi. Die Mittel sind aus anderen Spielen allseits bekannt: Audio-Logs, Text-Nachrichten, interaktive Computer-Terminals, you name it. Lässt man viele Puzzle-Räume aus und pfeift auf die ganzen Bonus-Rätsel und Easter-Eggs im Spiel, bekommt man trotzdem eine rudimentäre Auflösung, die zumindest das anfangs nebulöse Setting klärt und einen nicht komplett ratlos in der Pampa stehen lässt. Macht man sich jedoch die Mühe, Alles oder zumindest einen Großteil des reichhaltigen Inhalts mitzunehmen, so eröffnen sich diverse Meta-Ebenen bzw. -Themen, die Freunden des philosophischen Diskurses warm ums Herz werden lässt. An dieser Stelle noch mehr ins Detail zu gehen, würde bedeuten, den Spielverderber zu spielen, was ich natürlich nicht mache…
Sollte bis hierher der Eindruck entstanden sein, The Talos Principle sei nur aufgrund seiner Geschichte interessant, dann entschuldige ich mich hiermit dafür. Aber mit dem nächsten Satz wird vermutlich alles nur noch schlimmer: Das eigentliche Spiel ist quasi ein Abfallprodukt. (Na, habe ich zu viel versprochen…?)
Aber es stimmt. Entstanden ist das Puzzle-Spiel eigentlich nur deshalb, weil man bei den Arbeiten an Serious Sam 4 einige Test-Level gebaut hat, um den Einsatz von neuen Spielmechaniken auszuprobieren. Sam soll in seinem nächsten Spiel nämlich nicht nur tonnenweise Waffen in die Hand gedrückt bekommen, sondern auch eine Art Drohnen-Disabler. Dabei kam jemandem beim Croteam dann die Idee, dass man aus all diesen Test-Umgebungen und den entsprechenden Mechaniken ja eigentlich auch gleich ein eigenes Spiel machen könnte. Und zwar eines, dass niemand von diesem Team erwarten würde. Die beiden erwähnten Autoren und ihre coole Story kamen erst viel später ins Spiel. Wer sich genauer für die Entstehung des Spiel interessiert, sollte sich mal dieses „Making of“-Video anschauen.
Also, nun mal Talos Tacheles: Ist das Gameplay wirklich nur Entwicklungsabfall, der lediglich mit cleverem Storytelling aufgepeppt wurde? – Absolut nicht! Gut, speziell die Grafik, die Architektur und eigentlich komplett alle Umgebungen wirken schon irgendwie recycelt. Das sieht alles sehr nach dem letzten Serious Sam aus und anfangs rechnete ich bei jedem Schritt damit, dass hinter der nächsten Ecke ein paar Bomb-Guys mit ihrem typischen „AAAAAHHHHHH!!!“ auf mich zu stürmen würden. Aber im Gegensatz zu erwähntem Quantum Conundrum, welches auf mich sehr wie eine direkte Portal-Kopie mit variierten Mechaniken wirkte, machen die Puzzles einen sehr eigenständigen Eindruck. Man leitet Laserstrahlen mit Hilfe von Prismen um, deaktiviert Energiebarrieren, Geschütztürme oder Drohnen-Bomben mit dem Disabler und benutzt Kisten, Ventilatoren und sogar Zeitmaschinen (!) für allerlei abseitige Problemlösungen. Das Ziel ist vornehmlich das Einsammeln sogenannter Siegel, die wie Tetris-Steine aussehen (oder schlauer: Tetrominos). Dann gibt es auch noch jede Menge Computerterminals, an denen man eine Art 2D-Tetris mit den gesammelten Sigeln lösen muss, um neue Türen zu öffnen oder weitere Puzzle-Werkzeuge zu erhalten. Keine dieser Zutaten ist für sich so wirklich innovativ (wie beispielsweise die Portal-Gun), aber das ist auch gar nicht der Punkt. Viel wichtiger ist, dass die Rätsel alle sehr gut designet sind, die Lernkurve gut funktioniert und rein spielmechanisch nichts hakt. Die schwierigeren Räume kann man, ebenso wie die vielen Easter Eggs und Secrets, überspringen bzw. auslassen (und eventuell später noch einmal in Angriff nehmen). Ich halte es für nahezu ausgeschlossen, dass weniger hartnäckige Spieler irgendwo steckenbleiben und nicht wenigstens eines der Spiel-Enden erreichen. Und für die „Festbeißer“ gibt es tonnenweise optionalen Inhalt, um sich deutlich länger mit dem Spiel zu beschäftigen, als es ein einfacher Durchlauf erfordert. Die Belohnungen für’s Festbeißen sind andere Enden und zusätzlich Informationen zur eigentlichen Geschichte des Spiels und dem mit ihr verwobenen philosophischen Diskurs.
The Talos Principle funktioniert schon alleine als cleverer und schick designter First-Person-Puzzler wirklich großartig. Hat man zusätzlich noch ein Faible für die Art der Narration und beschäftigt sich gerne mit grundsätzlichen Fragen der menschlichen Existenz, was eine sich durch das gesamte Spiel ziehende Philosophie-Diskussion mit einer KI einschließt, dann wird man das Spiel um so mehr zu schätzen wissen. Für mich ist es definitiv das beste Portal-artige Ding seit Portal 2!
9 Kommentare
Ich weiß, ich bin jetzt wieder der knausrige Spielverderber, aber: 40€? Serious(ly, what were they) thinking? Das ist einfach zu weit über meinem „kleines Spiel“-Level als dass ich da zuschlagen könnte.
40 Euro ist für ein PC-Spiel nicht gerade günstig, stimmt. Allerdings ist es vom Umfang/Spielzeit her auch kein „kleines“ Spiel. Ich habe bisher knapp 20 Stunden auf der Uhr und dabei nur einen relativ kleinen Teil der Bonus-Sterne eingesammelt. Es war aber auch schon bei Steam im Angebot: Ich habe vor ein paar Wochen bei 20 Tacken zugeschlagen. ;-)
„Klein“ lässt sich ja nicht (nur) an den Spielstunden messen. Beim kostenlosen Pokémon Shuffle habe ich (angeblich) schon über 50 Stunden über die Wochen zusammenbekommen (wobei da die eine oder andere pure Wartezeit dabei sein wird). Trotzdem ist es ein „kleines“ Spiel und wäre eventuell als Kauf-Spiel gar nicht so erfolgreich.
Aber: kommt Zeit, kommt Sale. Und wenn es bis dahin nicht in Vergessenheit geraten ist, vielleicht sogar der Kauf.
Danke! Danke! Danke!
Dieses Spiel flog bisher komplett unter meinem Radar
„… Serious Sam.. you got to be fuckin‘ kidding me….“
Jetzt hab ich mir das Demo gezogen und was soll ich sagen….
Boh! Wie geil ist das denn bitte?
Danke, liebe Polynesen mir dieses Spiel nahezulegen,- you’ve made my day!
Übrigens kostet das Teil bei g2play.net grad mal 11 Euro.
das mag die bedenken meiner Vorredner ausräumen…
SEHR SEHR schade nur, dass es keinen Coop gibt und, und erstaunlich das insert moin noch nicht drüber gecastet hat. Offensichtlich fliegt es auch zu tief ;-)
Nochmals: Danke! Echt jetzt.
Manche besprechen/beschreiben ja nur Spiele, für die es einen Gratis-Key gab.
Ja, solche Leute soll es geben… **hust**
Hach, schöner Artikel!
hatte früher vom Spiel gelesen, dann aber den Namen vergessen. Kommt nun wieder auf die watch-list. Aber bei steam kauf ich nur grundsätzlich nur noch Sonderangebote zum 1x durchspielen und dann wieder löschen.
Btw. der 3. echte Portal-Epigone ist C.U.B.E (DRM frei auf gog.com), ein mittelmäßiger 1-Abend-Puzzler mit Unrealengine von „Leuten die Portal gut fanden“. Hat auch einige sehr direkte Anspielungen aufs Vorbild, aber wenn man’s durch hat, hat man auch genug davon. Länger wäre hier nicht besser gewesen.
;-)
ähhh Q.U.B.E. nich cube -_-
Stimmt, Q.U.B.E habe ich ganz vergessen. Hab’s aber nicht gespielt. Und anscheinend auch nichts verpasst…