Ich starte gerade meinen dritten Spieldurchlauf im aktuellen Shadow Warrior. Devolvers Nahkampf-Shooter-Hybrid geht nächstes Jahr in die zweite Runde (Doppelt so viele Katanas = doppelt so viel Spaß, korrekt?) und ich freue mich wie ein Schneekönig darauf. Zeit also, mal etwas Werbung für Shadow Warrior (1997) zu machen, um Werbung für Shadow Warrior (2013) zu machen. In etwa gleichzeitig mit der Veröffentlichung des Reboots hat Devolver Digital nämlich eine verbesserte Version des Klassikers zum Verkauf bereit gestellt, eine kostenlos spielbare Version des unberührten Originals gibt es sogar schon eine Weile länger. Mehr als genug Gelegenheit also, diesem „Duke Nukem-Klon“ eine Chance zu geben. Taugt’s noch?
Nachdem sich 3D Realms 1996 mit Duke Nukem 3D eine mehr als solide Fanbasis geschaffen hatte waren die Meinungen umso gespaltener, als man ein Jahr später keinen Nachfolger, sondern einen ganz neuen Namen basierend auf der gleichen Engine in den Regalen stehen sah. Shadow Warrior, so die Vermutung und so der Vorwurf auch heute noch, ist doch nur ein Abklatsch, ein Ritt auf der Dukem-Erfolgswelle, schau mal, der Asiate klopft sogar genauso dumme Sprüche, nicht einmal etwas neues haben sie sich einfallen lassen!
Ich habe Shadow Warrior zu seiner Zeit nicht gespielt, weil ich damals viel zu sehr damit beschäftigt war, Fahrrad fahren zu lernen. Erst mit der Entdeckung des Remakes von 2013, das ich für den besten Shooter zwischen Half-Life 2 und Wolfenstein: The New Order halte, bin ich auch auf das Original gestoßen. Shadow Warrior Classic Redux nennt sich die Enhanced Edition auf Steam, kostet stolze zehn Tacken und enthält das Spiel von damals und zwei Erweiterungen, eine bessere Auflösung, eine Hand voll Trading Cards und einen riesigen Haufen Achievements. Nun, da einem Shadow Warrior (2013) regelmäßig zu unverschämt hohen Rabatten hinterher geworfen wird und auch ich erst beim Preis einer Packung Glückskekse zugeschlagen habe, dachte ich mir, ich gönne den Buchhaltern von Devolver Digital noch ein bisschen Milchgeld und probiere den Klassiker aus. Und dann starte ich das Spiel, stolpere ein wenig, wild um mich schießend und schlagend umher und sehe nach recht kurzer Zeit das hier:
Für Verfechter der Political Correctness ist Shadow Warrior der leibhaftig gewordene Teufel. Einer Zeit entsprungen, in der sich noch keiner über Rassismus und Sexismus in Spielen Gedanken gemacht hat, steuern wir einen langbärtigen Japaner mit einem Katana, der bei jedem dritten Kill Witze über seinen Schwanz macht, um chinesischen Reisbauern nachempfundene Selbstmordbomber und Ninjadämonen auszuschalten und um hin und wieder über nackte Mangadamen zu stolpern, die entweder lasziv in einem Tümpel zwei Meter neben einem brennenden Ölfass baden oder auf Wandgemälden mit ebenso nackten dicklichen Männern posieren. Der Humor von Shadow Warrior ist eine große, überschwappende Tonne, auf der in roten Lettern „Bullshit“ gemalt steht, und über der jeder Entwickler einmal die Hose herunterlassen durfte. Die Glückskekse, die als Inspiration für die selbigen im neuen Shadow Warrior dienen, erzählen Witze über pinkelnde Priester, und Kaninchen können sich wahlweise vermehren wie dieselben oder zur immer wieder frischen Monty Python-Gedächtnis-Killermaschine werden. Da hält kein Duke Nukem 3D mit. Und obwohl ich zu der Gruppe Menschen gehöre, die Nintendo dafür kritisiert, keine gleichgeschlechtlichen Ehen in Tomodachi Life zuzulassen, kann ich mich darüber bestens amüsieren. Das Zeug ist einfach zu abgedreht, um es ernst zu nehmen.
Zilla sends his regards!
Die Story, die dem Gemetzel zugrunde liegt, ist hierbei schnell abgehandelt: Lo Wang arbeitet als Mann fürs Grobe für Industriemagnat Orochi Zilla, der aber seit neuestem Dämonen zur Erfüllung seiner Zwecke beschwören kann und deswegen seinem gefährlichsten Angestellten mit einer Truppe Teufelswesen die Lichter ausblasen will. Wang schneidet sich mit heiler Haut aus dem Berg aus Dämonenfleisch und reist zu seinem ehemaligen Meister, um sich mit diesem zu verbünden. Dummerweise hat Zilla den schon um die Ecke gebracht – Oh, habe ich da etwa die Spoilerwarnung vergessen? – und damit setzt sich der Shadow Warrior zum Ziel, seinen ehemaligen Boss einen Kopf kürzer zu machen. Mehr wird’s nicht, und allgemein dient das ganze sowieso nur um die Schauplatzwechsel zu rechtfertigen.
Fokus von Shadow Warrior sind und bleiben drei Dinge: Die Umgebungsrätsel, die Erkundung auf der Suche nach Secrets und der Kampf. Wobei die Rätsel eigentlich nur dazu da sind, Raum zum Atmen und Munition aufstocken zu bieten, bevor der nächste Kampf los bricht. Meistens suchen wir eine Keycard oder einen farbigen Schlüssel, um die entsprechende Farbtür zu öffnen, oder wir sprengen die richtige Wand mit einem Propantank von Zilla Industries, um uns den Weg durch die Tür zu sparen. Früher oder später kracht es immer, und wenn es kracht, glänzt Los tödlicher Wang auch jetzt noch.
Die Grafik ist natürlich heute ein müder Witz, aber trotzdem haben die Modelle noch ihren ganz eigenen Charme. Wang spiegelt sich in Fenstern, was dazu führt, dass man sich die spärlichen Animationsstufen der Hauptfigur genauestens ansehen kann, die Gegner sind entweder groß und bullig oder klein und schnell und wirken jeweils auf ihre eigene Art bedrohlich. Die meisten haben sogar unterschiedliche Sterbeanimationen abhängig davon, ob man sie im Nah- oder im Fernkampf besiegt. Am besten haben sich die Waffenmodelle gehalten, die immer noch ganz hübsch wirken. Und davon gibt es einige. Katana und die „Fists of Fury“ decken den Nahkampf ab, zudem kann sich Lo Wang aus einer Reihe von Bewaffnungen in Form von Shuriken, Uzis, einem Raketenwerfer mit Nuklearsprengköpfen, einem Strahlengewehr, den abgehackten Köpfen von Feinden und noch einigem mehr bedienen. Und damit geht’s dann auf ins sadistische Schlachten.
Das Trefferfeedback ist beeindruckend, Gegner bluten mit jedem Schuss, gehen bei zu viel Schaden innerhalb kurzer Zeit in die Knie und zerplatzen bei einem heftigen Treffer, beziehungsweise zerfallen in zwei sauber durchtrennte Hälften, wenn Wang das Schwert sprechen lässt. Der Schwierigkeitsgrad lässt sich einstellen, ist aber auch auf normal ganz ordentlich und sorgt für den einen oder anderen Tod. Da sich aber zu jeder Zeit speichern lässt, ist das zu verschmerzen und spornt höchstens an, da noch mal effizienter zu arbeiten. Großartig ist auch das Leveldesign ausgefallen. Die Gebiete sind zwar alle sehr linear, und es geht immer darum den Ausgang zu finden, um ins nächste Gebiet vorzudringen. Dennoch begeht man sie wie eine offene Karte, da man auf der Suche nach einem Schlüssel oder der passenden Tür immer wieder zurück muss, oder nach dem Entdecken eines geheimen Gangs irgendwo rauskommt, wo man doch vorhin schon mal war – nur diesmal vielleicht zwei Stockwerke höher oder gut genug bewaffnet, um diese brüchige Wand da hinten aufzusprengen.
Fazit?
Shadow Warrior ist auch heute noch eine Freude, wenn man auf schnelle, unkomplizierte Shooter steht und sich nicht an der sehr alten Grafik stört. Die Level sind vollgepackt mit Geheimnissen und Gags, die Gefechte spielen sich flüssig und enden in befriedigenden Körperteilfontänen, und der Humor ist so unfassbar infantil und übertrieben, dass man nicht anders kann, als zu schmunzeln, entweder amüsiert oder angeekelt. Für den Preis eines Taschenbuchs (denn Lesen ist für Schlapp-Wangs), bei zahlreichen Ausverkäufen auch gerne mal beträchtlich weniger, bekommt man das Hauptspiel samt zwei Erweiterungen, die den Schwierigkeitsgrad der Kämpfe und den Anspruch der Rätsel noch einmal gewaltig in die Höhe schrauben. Wer einfach nur das Spiel erleben möchte, wie es sich damals angefühlt hat, kann sich die Originalversion sogar komplett kostenlos auf Steam herunterladen. Es gibt also kein Argument, sich diese Gaudi entgehen zu lassen, wenn man auch nur das kleinste bisschen Interesse aufbringt.
Mehr Texte von Pascal findet Ihr auf seinem Blog Indieflock.
7 Kommentare
Nun, dann mal vielen Dank für die Inspiration.
Der “Classic Redux” befindet sich seit einem knappen Jahr in meiner Steam-Bib, aber ich hab’s Anfang des Jahres aus irgendeinem Grund nur mal kurz angespielt. Das habe ich jetzt geändert :-)
Damals(tm) habe ich immer Duke Nukem 3d gespielt und Shadow Warrior links liegen lassen. Das war ein Fehler, muss ich feststellen.
Meine Reaktion auf das 97er-Original damals: “Ein Egoshooter mit Schwertern? So’n Quatsch! Könnt ihr gerne behalten.”
Meine Reaktion auf das 2013er-Remake, nachdem ich es für wenig Geld beim SteamSale geschossen hatte: “Total Klasse! Ob das Original damals wohl auch so gut war?”
Ich freue mich echt auf die Fortsetzung vom “neuen” Shadow Warrior nächstes Jahr. Aber jetzt nochmal das Redux-Dingens bzw. die Classic-Version nachholen? Nee, dafür bin ich dann doch zu wenig Retro-Lover…
Naja, was heisst schon Retro-Lover? Ich bin kein Spezialist wie Aule, aber eine Runde Doom oder Duke Nukem kann alle paar Jubeljahre mal drin sein. Jetzt halt auch Shadow Warrior – das wäre das erste Mal, dass ich so einen alten Titel noch nachgeholt hab.
Das Gameplay des Originals ist halt immer noch geil, wenn dich die Grafik und der Bullshit nicht total abschrecken (das 2013er Reboot geht ja in eine sehr viel ernstere Richtung), steht das einem modernen Arenashooter nicht wirklich nach, S2 :D
Heute hätte ich jedenfalls sehr gerne mehr Spiele mit ordentlichen Swordplay. Idealerweise in einen guten Shooter integriert. Umso mehr freue ich mich auf Shadow Warrior 2.
Wenn Du eine Wii (U) hast, Pascal, dann musst du unbedingt Red Steel 2 spielen!!
(Mein Review dazu muss hier auch noch irgendwo im System rumfliegen…)
Nintendo? Das sind die mit den Spielkarten, oder? :P
Ja, wobei die inzwischen mehr so mobile mit free2p(l)ay arbeiten. Außerdem DLC-Galore, sogar in physikalischer Amiibo-Form. Also total Hipster!
Ich konnte Red Steel 2 den dummen Bug im Kapitel Verfolgungsjagd immer noch nicht verzeihen.