XCOM 2 – Ja, ich komme etwas spät zur Party. Ich habe es zwar sofort zum Release Anfang Februar gespielt, aber aus Zeit- und Bock-Gründen bisher keinen Text dazu verfasst. Der Grund, warum ich es jetzt nach Wochen nochmal als Thema aus dem Hut zaubere ist, dass ich kürzlich ein Review zum Spiel las. Und dann noch eins. Und noch eins. Und dann noch ein paar mehr…
Um das gleich klarzustellen: Ich hatte echt meinen Spaß mit XCOM 2! Bei allem, was jetzt folgt, möchte ich deutlich betonen, dass das grundlegende Spielprinzip nach wie vor zieht und immer noch seinen suchtartigen Sog entfaltet. Aber mir sind auch ein paar Dinge aufgefallen, die man durchaus kritisieren könnte. Nur leider fand ich in keinem der erwähnten Reviews diese Punkte wieder. Alles was ich fand, war kollektives Abfeiern, das lediglich am Rande ein wenig auf die anfänglichen technischen Schwierigkeiten einging, die aber recht schnell nach der Veröffentlichung weggepatcht wurden. Aber um die geht es mir gar nicht so sehr, auch wenn man schon ganz klar sagen muss, dass der Hardware-Hunger der Engine in keinster Weise durch das grafisch Gebotene gerechtfertigt werden kann. Ich vermute, dass das Problem darin liegt, dass die verwendete Unreal-(3.5)-Engine viel zu viele Details berechnet, die man in der Standardansicht als Spieler eigentlich gar nicht wahrnimmt. Daraus folgt, dass CPU und GPU im Grunde völlig unnötig so sehr gestresst werden. Außerdem hat das Spiel, zumindest als ich es vor ein paar Wochen das letzte Mal anschmiss, immer noch ein ganz böses Speicherleck, das dazu führt, dass XCOM 2 nach längerer Spielzeit und einigen Save-Load-Vorgängen immer langsamer bzw. störrischer wird. Große Programmierkunst geht auf jeden Fall anders…
Aber wie gesagt, auf die technischen Probleme gingen die meisten Reviews wenigstens kurz ein, weshalb es mir hier gar nicht um diesen Punkt geht. Ebenso wenig wie um die Narration, die lediglich so làlà ist und durch die schlappe Lokalisation auf Deutsch nochmal stark verliert. Ich fand es schon erstaunlich, dass der kleine Story-Kniff, die XCOM-Organisation in diesem Teil zur Untergrundbewegung zu machen, weil die Welt inzwischen bereits erfolgreich von den Aliens übernommen wurde (was übrigens in Bezug auf die Vorgänger Enemy Unknown und Enemy Within komplett unlogisch ist…), ein paar Kritiker dazu veranlasst hat, ganze Abhandlungen zum Thema “Des einen Freiheitskämpfer ist des anderen Terrorist” zu verfassen, als gäbe es nicht Tausende andere Spiele, die das vorher schon gemacht hätten…
Ok, was stört mich denn nun wirklich? – Es ist die Tatsache, dass in keiner Kritik, die mir untergekommen ist, mit nur einem Wort erwähnt wird, dass Firaxis Games einige Aspekte bzw. Mechaniken, die bisher immer fester Bestandteil der Reihe waren, einfach komplett gestrichen und andere dermaßen vereinfacht hat, dass man sie kaum noch wiedererkennt. Das haben sie zwar auch schon bei XCOM: Enemy Unknown/Enemy Within gemacht, indem sie das Basen-Management und die Forschungsaktivitäten im Vergleich zu den X-Com Originalspielen extrem verändert und vereinfacht haben, aber das war noch verschmerzbar und hat mich da noch nicht so sehr gestört. Insbesondere, weil ich die Reduzierung der Gameplay-Komplexität zusammen mit dem Streamlining der Bedienung als Chance sah, das heute alles andere als hippe Genre der Rundenstrategie wieder einem größeren (und jüngeren) Publikum nahezubringen. – Wobei ich schon anmerken muss, dass ich das Basen-Management und deren Verteidigung in den alten X-Com Spielen total super fand und es schon im Vorgänger ziemlich vermisst habe.
Mit XCOM 2 gingen sie aber noch einen Schritt weiter und haben die zu erforschenden Technologie-Bäume jetzt so weit reduziert, dass für mich der Spaß an der Forschung, der für mich früher genauso zum Spielprinzip gehörte, wie die eigentlichen Kampfeinsätze des Teams, eigentlich komplett gestorben ist. Und der Kampf um den Luftraum, für den man Abfangjäger erforschen, bauen und immer weiter verbessern musste, wurde gleich komplett gestrichen. Auch diese Mechanik hat mir früher immer sehr gut gefallen und fehlt mir in XCOM 2.
Das Problem des Spiels ist, dass man bei Firaxis Games anscheinend beschlossen hat, dass die ganze Faszination der Reihe einzig aus dem Kern der rundenbasierten Team-Einsätze resultiert und man alles drum herum entweder stark reduzieren oder gleich ganz streichen kann, ohne dass dem Spiel dadurch etwas fehlt. Eine Fehlentscheidung, wie ich finde, denn zumindest für mich war X-Com immer mehr als nur die Kampfeinsätze der Fußsoldaten. Ich fand die Spiele früher nicht zu Letzt deshalb so klasse, weil die Spiele eben diverse Mechaniken so gut miteinander verbanden.
Aber das ist nur meine Meinung. Vielleicht sehen andere Spieler das ganz anders und finden diese Reduzierung sogar begrüßenswert. Denn wie schon gesagt: Das Spielprinzip der rundenbasierten Einsätze zieht noch immer. Und es kann durchaus sein, dass andere Spieler, die auch die Originalspiele kennen, die Entschlackung der Mechaniken in den Remakes als wirklichen Fortschritt ansehen…
Aber – und jetzt kommt der große “Twist” in diesem Artikel – warum werden all diese Änderungen in keinem Review auch nur mit einem Wort erwähnt, unabhängig davon, wie man sie nun beurteilen mag? Und Ihr wisst, wenn ich solche Fragen stelle, habe ich natürlich eine Theorie, wie die Antwort lauten könnte: Ein Großteil der heutigen Videospielkritiker hat ihren Faust nicht gelesen. Oder ihren Citizen Kane nicht gesehen. Will heißen: Mangelnde Geschichtskenntnis aufgrund der “Gnade der späten Geburt”. Sie haben es nicht in ihren Besprechungen erwähnt, weil sie es aufgrund ihres Alters einfach nicht besser wussten.
Was aber ist von Filmkritikern zu halten, die niemals einen Hitchcock- oder Kubrick-Film gesehen haben? Wie ernst kann man Literaturkritiker nehmen, die mit Titeln und Autoren von Klassikern um sich werfen, die sie aber nie wirklich selber gelesen haben? Und was ist die XCOM 2-Rezension eines Mittzwanzigers wert, der X-Com: Ufo Defense bestenfalls aus Let’s Play-Videos kennt…?!
3 Kommentare
Sehr schön geschrieben. Deine Kritik ist angebracht!
Es eröffnet auf jeden Fall einen Blickwinkel (wie kommt das Spiel bei “unbedarften” Leuten an), aber wenn natürlich alle so sind, fehlen die anderen wie eben die Fan-Sicht oder die des Serienkenners.
Der Kritik schließe ich mich an. Ich habe zwar nur den ersten der neuen XCOM Teile gespielt aber ich finde, dass Xenonauts die deutlich bessere Wiederbelebung des alten X-COM Rezepts war, weil es Forschung, Luftkampf und die Herstellung von Items nicht rausgeworfen , sondern beibehalten und überarbeitet hat.