Für mich war DOOM 2016 eine Sensation. Weil id software das Kunststück vollbracht haben, mit modernem, von Grund auf renoviertem FPS-Gameplay trotzdem das Gefühl und die Atmosphäre des Originals von 1993 einzufangen. Weil das Spiel so wunderbar selbstironisch mit dem Kult um die eigene Marke umgegangen ist und daraus eine coole Meta-Story um den DOOM Slayer gestrickt hat. Weil der düster-treibende Industrial-Soundtrack von Mick Gordon so großartig mit der Action verschmolz. Und weil ich so ein fantastisches Spiel nach all den Jahren von id software einfach nicht mehr erwartet habe. Denn seien wir mal ehrlich: Diese Exzellenz haben sie seit 1997 (Quake II) nicht mehr erreicht.
Seit der Abspann der Kampagne von DOOM 2016 über meinen Monitor gerollt war, freute ich mich auf den Nachfolger. Und obwohl das eigentlich immer die blödeste Art von Fortsetzung ist, hoffte ich, dass sie mit DOOM Eternal genau das machen würden, was id software seinerzeit mit DOOM II: Hell On Earth (1994) abgeliefert haben: More of the same. Ein paar neue Gegner, ein paar neue Wummen, ein paar neue Level. Aber der perfekte Kern des Ganzen sollte auf keinen Fall angerührt werde.
Schauen wir doch mal, was wir bekommen haben…
Aus technischer Sicht ist DOOM Eternal top! Grafik und Soundtrack (wieder von Mick Gordon) erste Sahne. Die Kampfarenen sind clever angelegt und die Set-Pieces dazwischen lebendig gewordene Metal-Plattencover, die das Gefühl einer von Dämonen überrannten Erde klasse einfangen. Bei der Story, ohnehin ein eher schwieriges Thema innerhalb der Serie, hat man sich nun entschlossen, eine dicke Kelle draufzulegen. Die augenzwinkernde Self-Awareness und das dezente Meta-Storytelling, welche dem Vorgänger so gut standen, wurden über Bord geworfen und durch detailliert ausformuliertes High-Fantasy-Brimborium mit relativ vielen Zwischensequenzen ersetzt. Nicht uncool inszeniert, aber letztlich nur eine Aneinanderreihung von Genre-Klischees. Das hätte ich jetzt nicht unbedingt gebraucht, aber hey, wer spielt schon DOOM der Story wegen?!
Zwei weitere Änderungen betreffen den Level-Aufbau („DOOM Raider“) und das Movement („DOOMario“). Ersteres bezieht sich auf die vielen versteckten Räume und Abschnitte sowie ein paar kleine Rätseleinlagen. Hier ein Upgrade, dort ein Collectible und dahinten noch eine Extra-Challenge. Das gab’s vorher auch schon, aber DOOM Eternal ist wirklich vollgestopft mit solchem Zeug. Eigentlich ist das ein ganz netter Fan-Service, aber es nimmt natürlich auch Tempo aus dem Spiel, so man denn alle Level-Ecken absuchen möchte. DOOMario, also die vielen Plattformeinlagen des Spiels, irritiert da schon mehr. Mich haben sie nicht direkt gestört, weil sie rein spielerisch ganz ok funktionieren, aber man muss sich schon fragen, was diese Abschnitte in einem FPS überhaupt zu suchen haben. Wenn ich Super Mario spielen will, spiele ich Super Mario. Wenn ich ein DOOM-Spiel starte, will ich Dämonen platzen lassen. Innerhalb der Kampfarenen sind Double-Jumps und Double-Dashs eine willkommene Erweiterung des ohnehin schon schnellen Gameplays, aber welchen Zweck erfüllen die ausgedehnten Jump’n’Run-Abschnitte zwischen den Kämpfen?
All das ist im Grunde genommen aber nur Zierwerk. Das Drumherum. Der eigentliche Kern des Spiels sind die Kämpfe und der sagenhaft gute Flow, der DOOM 2016 so auszeichnete. Leider war id software der Meinung, man müsse bei Eternal auch hier Hand anlegen: Es gibt nun eine Art Schere-Stein-Papier-Prinzip in Bezug auf Monster und Waffen. Für fast jeden Gegner gibt es ein oder zwei ideale Wummen, um sie schnell und effektiv zu erledigen. Das bedeutet, dass man in den ohnehin schon sehr schnellen und fordernden Kämpfen gegen 20 oder 30 Dämonen jedweder Art nun theoretisch auch permanent die Knarre wechseln muss. Dass im Zuge des allgemeinen Upgrade-Overkills in Eternal nun fast jede Waffe auch gleich über mehrere alternative Schuss-Modi verfügt, macht die Sache nicht gerade einfacher. Macht man sich dieses Prinzip nicht zu eigen, weil man z.B. einfach ein alter, festgefahrener Shooter-Honk wie ich ist, steht man fast ständig ohne Munition da, denn beim verwenden der „falschen“ Waffen, fressen die Gegner eben Munition ohne Ende bevor sie endlich platzen oder per Glory Kill erledigt werden können. Über die Glory Kills kommt man immer noch an Gesundheit, aber zusätzliche Munition muss man sich durch Motorsägen-Kills besorgen, die nur bei den schwächeren Gegnern funktionieren und Cool-Down-Zeiten haben. So rennt und hüpft und dasht man dann oft mit ein paar Dicken Gegnern auf den Fersen durch die Arena, um irgendwo einen (regelmäßig respawnenden) Minion zu finden, dem man wieder ein paar Schuss aus den Innereien sägen kann. Man kann also die tolle neue Gameplay-Idee der Entwickler auch einfach ignorieren, aber zahlt den Preis dafür mit einer, im Vergleich zum Vorgänger, deutlich höheren Schwierigkeit und dem Zerdängeln des so wichtigen Flows. In den ersten paar (von insgesamt 13) Abschnitten fiel mir die neue Mechanik noch gar nicht so explizit auf und ich nahm für mich nur wahr, dass Eternal offenbar schwerer als der Vorgänger ist und zudem auffällig mit Munition geizt. Als ich es dann verstanden hatte, war’s mir aber auch egal, weil ich mir von den Designern nicht vorschreiben lasse, wie ich meine Shooter zu spielen habe und ich auf dem zweiten Schwierigkeitsgrad ja immer noch ganz gut durch das Spiel kam. Nur halt nicht mehr so geschmeidig, wie ich es vom Vorgänger gewohnt war. Aber dann kam der Boss am Ende des sechsten Abschnittes…
Mein Freund, der Marauder! Er ist anders als alle anderen Gegner im Spiel. Er blockt alle Attacken des Spielers mit einem Schild ab. Sogar die BFG, was im Spiel-Kontext totaler Quatsch ist! Man hat nur ein ganz kleines Angriffsfenster, wenn er eine bestimmte Attacke gegen des Spieler ausführen will, was er freundlicherweise durch grünes Funkeln in seinen Augen ankündigt. Er ist ein harter, sehr DOOM-untypischer Brocken, der eher aus einem Soulslike-Spiel stammen könnte. Aber so als fordernder Duell-Gegner beim Bosskampf finde ich ihn noch ganz ok. Eine nette Abwechslung. Das Problem ist nur, dass er von dieser ersten Begegnung an nun immer wieder als einer von vielen Gegnern in den Arenen auftaucht und so den göttlichen Flow der Kämpfe komplett zerfickt. Mehr noch als alle DOOMario-Passagen und Schere-Stein-Papier-Eidechse-Spock-Munitionsknappheiten zusammen. Der Marauder ist für mich ein beispielloser Showstopper im Spiel. Ich sehe ihn sogar als regelrechten Design-Bug, weil die Entwickler mit diesem Gegner ihrem eigenen Gameplay ins Knie schießen. Ich weiß nicht, wie oft ich meine Spiel-Sessions wegen ihm einfach genervt abgebrochen habe, um erst am nächsten Tag weiterzuspielen, aber er allein hat mich schätzungsweise 8 bis 10 frustrierende Stunden Spielzeit an verschiedenen Stellen der Kampagne gekostet. – Ich hasse ihn. Und ich hasse den Idioten, der die Idee hatte, den Marauder in der zweiten Hälfte des Spiels als ganz „normalen“ Gegner immer wieder in die Arenakämpfe zu werfen. Wie auch immer sein Name lautet, er hat das Spiel damit quasi kaputt gemacht.
Wie Ihr seht, hatte ich nicht nur Freude mit DOOM Eternal. Vieles am Spiel ist nach wie vor sehr gut und viele der Änderungen sind maximal Geschmackssache. Aber das Eingreifen in die geniale Kernspielmechanik des Vorgängers war in meinen Augen nicht zum Besten und der Marauder ist als Standargegner in den späteren Abschnitten ein ausgesprochener Griff ins Klo. Wenn Ihr wie ich DOOM 2016 gerade deshalb so geliebt habt, weil es sich so schön „old-school“ anfühlte, dann seid hiermit gewarnt: Eternal ist ein anstrengendes, hektisches Action-Brett, das einem die vermeintliche 90er-Jahre-Nostalgie um die Ohren haut.
DOOM Eternal ist bei Weitem kein schlechtes Spiel. Aber für mich ist es ein überdesigntes, zu vollgestopftes und spielerisch verschlimmbessertes DOOM 2016. Weniger wäre mehr gewesen. Wenn mich jemand nach einem modernen Referenz-FPS fragt, werde ich auch weiterhin wie aus der BFG geschossen klar „DOOM 2016!“ antworten…
2 Kommentare
Dann spiele ich vielleicht endlich mal Doom (2016) … :-)
Dann bin ich Mal auf den nächsten Podcast gespannt. Vor allem, wie Urs zu deiner Meinung steht, nachdem er sich ja wie ein Schnitzel auf Doom Eternal gefreut hat.